Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2017, Az. V ZB 39/17

V. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 10070

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:010617B[X.]39.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]
vom

1. Juni 2017

in der Abschiebungshaftsache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG § 426
a)
Der Haftaufhebungsantrag gemäß § 426 Abs. 1 FamFG kann nicht nur auf neue Umstände, sondern auch auf Einwände gegen die Anordnung der Haft gestützt werden (Bestätigung von [X.], [X.] vom 18.
September 2008 -
V [X.], [X.] 2008, 1282).
b)
Die Haftanordnung ist wegen Defiziten des [X.], Verfahrensfehlern bei der Anordnung der Haft oder Fehlern der Haftanordnung nicht nach §
426
FamFG aufzuheben, wenn die fehlenden An-gaben und Feststellungen im Aufhebungsverfahren nachgeholt werden und die Haft auf dieser Grundlage nicht zu beanstanden ist. Einer persönlichen Anhörung des Betroffenen nach § 420
FamFG bedarf es in diesem Fall grundsätzlich nicht.
c)
Das Gericht hat im Haftaufhebungsverfahren nur die Möglichkeit, die Haft aufzuheben oder den [X.] zurückzuweisen. Die Haftaufhebung ist bei einer für einen zu langen Zeit-raum angeordneten [X.] nur gerechtfertigt, dann aber auch geboten, wenn bei der Ent-scheidung über den [X.] feststeht, dass der Zweck der Haft nicht mehr erreicht wer-den kann.
[X.], Beschluss vom 1. Juni 2017 -
V [X.] -
LG Traunstein

[X.]

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2
-

Der V. Zivilsenat des [X.]s hat am 1. Juni 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
[X.], die Richterinnen Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch und Weinland, [X.]
Göbel und die Richterin Haberkamp
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 4.
Zivilkammer des [X.] vom 31.
Januar
2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zu-rückverwiesen.

Gründe:
I.
Am 10.
November 2016
reiste der Betroffene ohne gültige Papiere und Einreisedokumente mit dem Zug aus [X.] nach [X.] ein, wo er bei einer grenzpolizeilichen Kontrolle festgenommen wurde. Er gab an, ägypti-scher St[X.]tsangehöriger zu sein,
und nannte bei verschiedenen Vernehmungen unterschiedliche Personalien. Die beteiligte Behörde ordnete am selben Tag die Zurückschiebung des Betroffenen nach [X.] an, befristete das [X.] auf den 10.
November 2018
und schob
den Betroffenen nach [X.] zurück. Am Abend desselben Tages reiste dieser erneut mit dem Zug aus
[X.] ohne gültige Papiere in das [X.] ein. Er wurde wieder [X.] und gab diesmal an, [X.] St[X.]tsangehöriger mit den ein-1
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gangs dieses Beschlusses festgestellten Personalien zu sein. Die beteiligte [X.] ordnete daraufhin die Abschiebung des Betroffenen nach [X.] an und beantragte am 11.
November 2016 die Anordnung von Haft zur Sicherung dieser Abschiebung.
Mit Beschluss vom selben Tag hat das Amtsgericht gegen den [X.], wie beantragt,
Haft zur Sicherung der verfügten Abschiebung für die Dauer von sechs Monaten angeordnet. Am 20.
Dezember 2016 hat der Betroffene die Aufhebung der Haft beantragt. Das Amtsgericht hat diesen Antrag als Be-schwerde gewertet und unter [X.] dem [X.] vorgelegt. Dieses hat
die beteiligte Behörde zunächst darauf hingewiesen, dass die Ausführungen zur beantragten Dauer der Haft unzureichend sein könnten, die vermeintliche Beschwerde dann aber dem Amtsgericht zur Entscheidung über den [X.] zurückgegeben. Diesen hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 11.
Januar 2017 zurückgewiesen. Die Beschwerde des
Betroffenen ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde möchte der -
am 20. Februar 2017 aus der Haft entlassene -
Betroffene die Feststellung der Rechtswidrigkeit der über den 20.
Dezember 2016 hinausgehenden Haft erreichen.
II.
Das Beschwerdegericht hält den Haftaufhebungsantrag für unbegründet. Ein solcher Antrag könne nur auf neue Umstände, nicht aber auf Einwände ge-gen die Anordnung der Haft gestützt werden. Der [X.] habe dies in früheren Entscheidungen zwar anders gesehen. Es erachte diese Rechtspre-chung aber insbesondere wegen der Beschlüsse
des [X.]s vom 10.
April 2014
(V
ZB 110/13) und vom 15.
September 2016 (V
ZB 43/16) für überholt. Deshalb könne sich der Betroffene weder darauf stützen, dass die erforderliche Dauer der Haft in dem Haftantrag der beteiligten Behörde nicht ausreichend begründet worden sei, noch darauf, dass es an einer Unterrichtung 2
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der konsularischen Vertretung [X.]s fehle. Beides betreffe die ursprüngli-che Haftanordnung und könne im Haftaufhebungsverfahren nicht mehr gerügt werden. Nach Erlass der Haftanordnung eingetretene Umstände, die ihre [X.] erforderten, lägen nicht vor.
III.
Diese Erwägungen halten im entscheidenden Punkt einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Die gegebene
Begründung trägt die Zurückweisung des [X.] des Betroffenen nicht.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s kann der Haftaufhebungsantrag gemäß § 426 Abs. 1 FamFG nicht nur auf neue [X.], sondern auch auf Einwände gegen die Anordnung der Haft
gestützt werden. Der [X.] hat die unter Geltung des durch den heutigen §
426 FamFG abgelös-ten §
10 FreihEntzG
umstrittene Frage mit Beschluss vom 18.
September 2008 (V
[X.], [X.]
2008, 1232) im beschriebenen Sinne entschieden und diese Entscheidung vor allem mit folgenden Erwägungen begründet ([X.]O Rn.
19):
"Nur ein solches weites Verständnis wird dem
Zweck des [X.] gerecht. Dieses zielt darauf, eine sachlich nicht gerechtfertig-te Inhaftierung zur Verwirklichung der Freiheitsgarantien des Art.
104 GG umgehend zu beenden. Unter diesem Aspekt ist es unerheblich, ob sich die fehlende Berechtigung der Inhaftierung aus neuen Umständen oder daraus ergibt, dass sie nicht hätte angeordnet werden dürfen. Einer Berücksichtigung von Einwänden gegen die Haftanordnung bei der [X.] steht auch nicht entgegen, dass der Betroffene nur eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit
der Haftanordnung schon mit den
gegen diese gegebenen Rechtsmitteln erreichen kann und in aller Regel auch erreicht. Entscheidungen über die Anordnung der Haft sind nur der formellen, nicht der materiellen Rechtskraft fähig

Die damit einhergehende mehrfache Prüfung ist bei einer Freiheitsentziehung 4
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nicht zu vermeiden. Ihre Fortdauer ist nicht nur unverhältnismäßig, wenn der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist, sondern in gleicher [X.], wenn eine erneute Prüfung ergibt, dass er (doch) nicht vorgelegen hat."
Daran hat die Ersetzung des früheren §
10 FreihEntzG
durch den heuti-gen
§
426 FamFG nichts geändert. Der Gesetzgeber hat zwar das förmliche Antragsrecht des Betroffenen nach § 10 Abs. 2 FreihEntzG, auf das der [X.] seinerzeit auch abgestellt hatte (Beschluss vom 18. September 2008
-
V [X.], [X.] 2008, 1232 Rn. 18),
redaktionell abgeschwächt (BT-Drucks. 16/6308 S. 293), aber unverändert an den [X.], an der Verpflichtung zur Aufhebung der Haftanordnung von Amts wegen bei [X.] (dazu [X.], Beschluss vom 30. Oktober 2013 -
V [X.], [X.] 2014, 138 Rn. 7 f.) und auch daran festgehalten, dass die [X.] die Aufhebung beantragen können und darüber durch Beschluss zu [X.] ist. Unverändert geblieben ist vor allem der Zweck der Vorschrift zu verhindern, dass der Betroffene auf Grund einer Haftanordnung inhaftiert bleibt, die jedenfalls objektiv nicht (mehr) gerechtfertigt ist. Deshalb hat der [X.] an der bisherigen Rechtsprechung auch unter Geltung von §
426 FamFG festge-halten (Beschlüsse vom 28.
April 2011 -
V
ZB 292/10, [X.]
2011, 200 Rn.
17, vom 26.
Mai 2011 -
V
ZB 318/10, juris Rn.
16, vom 15.
Dezember 2011 -
V
ZB 302/10, juris Rn.
13 und vom 29.
November 2012 -
V
ZB 115/12, In-fAuslR
2013, 158 Rn.
4). Er hat lediglich präzisiert, dass die formelle Rechts-kraft der Entscheidung über die Haftanordnung nicht durch einen Antrag auf Haftaufhebung durchbrochen werden kann. Folge dessen ist, dass die [X.] der Haft erst ab dem Zeitpunkt des Eingangs
des [X.]s bei Gericht festgestellt werden kann
([X.], Beschluss vom 29. Novem-ber 2012
-
V
ZB 170/12, [X.] 2013, 157 Rn. 7);
dies hat der Betroffene bei
der Antragstellung beachtet.
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b) Diese Rechtsprechung hat der [X.] nicht aufgegeben. Er ist von ihr auch nicht stillschweigend
abgerückt. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des [X.] nicht aus den Beschlüssen des [X.]s vom 10.
April 2014 (V
ZB 110/13, juris) und vom 15.
September 2016
(V
ZB 43/16, NVwZ
2016, 1824). In den genannten Entscheidungen hatte sich der [X.] nicht mit Haftaufhebungsverfahren,
sondern mit der Frage zu [X.], ob das Beschwerdegericht die Haftanordnung des [X.] darf, wenn sich im Beschwerdeverfahren ergibt, dass die Haft in dem angeordneten
Zeitraum nicht mehr durchführbar ist. Die Frage hat er zunächst gestützt auf den Zweck der [X.] (Beschluss vom 10.
April 2014
-
V
ZB 110/13, juris Rn.
7), später zusätzlich gestützt auf §
426 FamFG ([X.]
vom 15.
September 2016 -
V
ZB 43/16, NVwZ
2016, 1824 Rn.
4) ver-neint. Ebenfalls
aus dem Grundgedanken des § 426 Abs. 1 FamFG hat der [X.] abgeleitet, dass eine angeordnete [X.] auf den Zeitraum zu be-schränken ist, der nach den von dem Beschwerdegericht getroffenen Feststel-lungen für die Durchführung der Abschiebung erforderlich ist, wenn sich im Be-schwerdeverfahren ergibt, dass die Haft nicht mehr in dem von dem Amtsge-richt angeordneten Umfang zu rechtfertigen ist ([X.], Beschluss vom 20.
Oktober
2016 -
V [X.], juris Rn. 13). Der Rückgriff auf §
426 FamFG beruht auf der Überlegung, dass die Haft, würde sie unverändert aufrechterhal-ten, sogleich
von Amts wegen aufzuheben oder zu reduzieren wäre. Diese Fol-ge ergibt sich gerade aus der ständigen Rechtsprechung des [X.]s, dass im Haftaufhebungsverfahren nicht nur neue Umstände, sondern auch Einwände gegen die ursprüngliche Haftanordnung geltend gemacht werden können.
Die genannten Entscheidungen
stellen daher die Rechtsprechung des [X.]s zu §
426 FamFG nicht in Frage; diese bildet vielmehr ihre gedankliche Grundlage.
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7
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c) Von dieser Rechtsprechung abzuweichen geben die Erwägungen des [X.] keine Veranlassung.
2. Die Entscheidung des [X.] erweist sich auch nicht aus
einem anderen Grund als richtig (§
74 Abs.
2 FamFG).
a) Die Haftanordnung des Amtsgerichts war allerdings nicht, wie der Be-troffene meint, deshalb rechtswidrig, weil dem Amtsgericht Fehler bei der Be-lehrung nach Art.
36 WÜK unterlaufen sind. Solche Fehler haben
nämlich nur dann die
Rechtswidrigkeit der Haftanordnung
zur Folge, wenn das Verfahren bei ordnungsgemäßer Belehrung zu einem anderen Ergebnis hätte führen kön-nen
und der Betroffene dies darlegt
([X.], Beschlüsse vom 22. Oktober 2015
-
V [X.], NVwZ 2016, 711 Rn. 10 f. und vom 30. März 2017 -
V [X.], juris Rn. 16). Daran fehlt es.
b) Der Betroffene macht aber im Ansatz zu Recht geltend, dass die Haftanordnung nicht hätte ergehen dürfen, weil
es an einem zulässigen Haftan-trag fehlte.
[X.]) Zulässig ist ein Haftantrag nach §
417 Abs.
2 Satz
2 Nr.
4 FamFG nur, wenn er auch
Darlegungen
zur erforderlichen Dauer der Freiheitsentzie-hung enthält. Zwar dürfen die Ausführungen dazu knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte an-sprechen. Fehlt es daran, darf die
beantragte [X.] nicht angeordnet werden (st. Rspr., [X.], Beschlüsse vom 10. Mai 2012 -
V [X.],
[X.] 2012, 328 Rn. 8,
vom 6. Dezember 2012 -
V [X.], juris Rn. 4
und
vom 31. Januar 2013 -
V [X.], [X.] 2013, 130 Rn. 9, 15, jeweils mwN).
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bb) Danach war der Haftantrag der beteiligten Behörde unzulässig. Er beschränkte sich auf die Angabe, dass die [X.], die Buchung von verfügbaren Flügen nach [X.] und sonstige organisatorische Tätigkeiten mit zuständigen Behörden und Einrichtungen und
die Außerlandesbringung des Betroffenen aufgrund neuer geänderter Verfahren zwischen der Bundesrepublik [X.] und [X.] bis zu sechs Monate dauern würden. Diese [X.] gehaltenen Ausführungen sind vor dem Hintergrund, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist (§
62 Abs. 1 Satz 2 [X.];
näher [X.], Beschluss vom 10. Mai 2012 -
V [X.], [X.] 2012, 225 Rn.
10; vgl. auch Beschluss vom 10. Oktober 2013 -
V [X.],
[X.]
2014, 99
Rn. 9), unzureichend (vgl. [X.], Beschlüsse vom 12. Okto-ber 2016 -
V [X.], juris Rn. 7 und vom 31. März 2017 -
V [X.], juris Rn.2).

c) Die Haftanordnung ist wegen Defiziten des [X.], [X.] bei der Anordnung der Haft oder
Fehlern der Haftanordnung nicht nach § 426 FamFG aufzuheben, wenn die fehlenden Angaben und Feststellungen im Aufhebungsverfahren nachgeholt werden und die Haft auf dieser Grundlage nicht zu beanstanden ist. Einer persönlichen Anhörung des Betroffenen nach §
420 FamFG
bedarf es in diesem Fall grundsätzlich
nicht.
[X.]) Die Berücksichtigung von Einwänden gegen die Haftanordnung im Haftaufhebungsverfahren hat den Zweck zu verhindern, dass ein Betroffener weiter in Haft gehalten wird, obwohl sich die (rechtskräftig gewordene) Haftan-ordnung als rechtswidrig erweist
([X.], Beschluss vom 18. September 2008
-
V [X.], [X.] 2008, 1232 Rn. 19). Darin findet die Berücksichti-gung von Einwänden gegen die Haftanordnung aber auch ihre Grenze. Im Haftaufhebungsverfahren ist deshalb
zu berücksichtigen, dass die solchen [X.] zugrunde liegenden Defizite des [X.], Verfahrensfehler oder
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Fehler der Haftanordnung im [X.] (für die Zukunft) hätten geheilt werden können. [X.] diese
Möglichkeit unberücksichtigt, hätte
der Be-troffene im Haftaufhebungsverfahren weitergehende Rechte als bei einem Rechtsmittel gegen die Haftanordnung.
Das stünde
mit dem Zweck des Haftaufhebungsverfahrens
und des weiten Verständnisses der Aufhebungs-gründe nicht in Einklang
und muss vermieden werden.

bb) Durch eine förmliche
Heilung solcher Mängel und Fehler ist dieses
Ziel allerdings nicht zu erreichen. Sie ist nur im laufenden Haftanordnungsver-fahren möglich und ausgeschlossen, wenn dieses rechtskräftig abgeschlossen ist. Daraus folgt indessen nicht, dass die im [X.] Möglichkeit der Fehlerkorrektur im Haftaufhebungsverfahren keine Berück-sichtigung finden könnte. Ihr ist vielmehr bei der Prüfung der von dem [X.] gegen die Haftanordnung erhobenen Einwände Rechnung zu tragen. Die beteiligte Behörde kann im Rahmen ihrer Stellungnahme zu solchen Einwänden ihren Haftantrag überprüfen und etwa fehlende Angaben nachholen. Das [X.] hat nicht nur zu prüfen, ob die Einwände des Betroffenen berechtigt waren, als die Haftanordnung rechtskräftig wurde, sondern auch bei der Haftanordnung etwa versäumte gerichtliche Feststellungen nachzuholen. Aufgrund von [X.] gegen ihren
Erlass darf es die Haftanordnung nur aufheben, wenn sie auch auf dieser ergänzten Grundlage weiterhin rechtswidrig ist.
[X.]) Einer persönlichen Anhörung des Betroffenen nach § 420 FamFG bedarf es im Haftaufhebungsverfahren, anders als bei einer Fehlerkorrektur im [X.] (dazu: [X.], Beschlüsse vom 16. Juli 2014
-
V
ZB 80/13, [X.] 2014, 384 Rn. 21 ff., vom 11. Februar 2016
-
V [X.], juris Rn. 9, vom 15. September 2016 -
V [X.], juris Rn. 9 und vom 31. März 2017 -
V [X.], juris Rn. 3),
nicht. Die persönliche Anhörung des Betroffenen wird in § 420 FamFG nur für die Haftanordnung und, wenn An-17
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tragsmängel im [X.] nachträglich geheilt werden, mit § 68 Abs. 3 FamFG auch für ein Beschwerdeverfahren gegen die Haftanordnung vorgeschrieben. Eine entsprechende Vorgabe für das Haftaufhebungsverfahren hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen; er hat das Verfahren und damit auch die Durchführung einer persönlichen Anhörung vielmehr in das Ermessen des [X.]s gestellt
([X.], FamFG, 18. Aufl., § 426 Rn. 7 [X.]; [X.]/Wendtland, 2. Aufl., § 426 Rn. 6; für Reduktion des Ermessens
auf persönliche Anhörung bei Ablehnung dagegen Grotkopp in Bahrenfuss, FamFG, 3. Aufl., § 426 Rn. 15; [X.] in Marschner/[X.]/[X.], Frei-heitsentziehung und Unterbringung, 5. Aufl., §
420 FamFG Rn. 6). Der Be-troffene müsste deshalb zu neuen Umständen, auf die der [X.] gestützt wird, nicht persönlich angehört werden. Weshalb das anders
sein soll, wenn der [X.] -
wie hier -
auf Fehler bei der Haftanordnung gestützt wird, ist nicht ersichtlich. Zu dieser ist der Betroffene persönlich ange-hört worden; deren
Fehler trägt er in aller Regel selbst vor.
Der Verzicht des Gesetzgebers auf eine erneute
persönliche Anhörung des Betroffenen ist [X.] auch im Hinblick auf Art. 104 Abs. 1 GG
nicht zu beanstanden. Etwas [X.] gilt nur in dem extremen Ausnahmefall, dass der Einwand gegen die Haftanordnung gerade darin besteht, dass die vorgeschriebene persönliche Anhörung unterblieben ist. Dieser -
hier nicht gegebene -
Mangel könnte
nur durch Nachholung der Anhörung im Haftaufhebungsverfahren geheilt werden.
d) Die von dem Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen rechtfer-tigten die Zurückweisung des [X.] und des Antrags auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung für den Zeitraum ab dem 20. Dezember 2016 nicht.
[X.]) Die Behörde hat allerdings die fehlenden Darlegungen zur erforderli-chen Dauer der Haft nachgeholt. Dabei ist es unschädlich, dass diese Nachho-19
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lung auf Aufforderung des [X.] und im Rahmen eines vermeint-lichen, in Wirklichkeit aber nicht eingeleiteten Beschwerdeverfahrens erfolgt ist. Anlass für die Aufforderung des [X.] war der [X.] des Betroffenen. Der nachgeholte Vortrag ist auch ausreichend. Danach sind
zwar bei der Beschaffung von Passersatzpapieren und der Vorbereitung von Abschiebungen nach [X.] unterschiedliche Erfahrungen gemacht worden. Das hat sie aber im Einzelnen ausgeführt und auf dieser Grundlage eine eigene Einschätzung vorgetragen, nämlich, dass hier mit fünf Monaten zu rechnen sei. Mehr ist im Rahmen eines zulässigen [X.] nicht erforderlich.
bb) Das Beschwerdegericht hat sich aber -
von seinem Rechtsstand-punkt aus konsequent -
mit diesem ergänzenden Vortrag nicht befasst und deshalb auch nicht festgestellt, ob die Haft auf dieser Grundlage und insbeson-dere auch im Hinblick auf die geänderte Einschätzung der beteiligten Behörde (fünf statt der beantragten und angeordneten sechs Monate) im Zeitpunkt sei-ner Entscheidung
(noch) gerechtfertigt war.
IV.
Die Sache ist daher
nicht zur Endentscheidung reif. Der Beschluss des [X.] ist aufzuheben
und
die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
Hierfür weist der [X.] vorsorg-lich auf Folgendes hin:
1. Das Beschwerdegericht wird den nachgeholten Vortrag zu prüfen und festzustellen haben, ob die angeordnete Haft nach dem Ergebnis der [X.] Feststellungen noch sachlich gerechtfertigt war.
2. Diese Prüfung kann ergeben, dass die Haftanordnung -
rückschauend betrachtet -
nur für fünf, nicht für sechs Monate hätte angeordnet werden dür-21
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fen. Im
Beschwerdeverfahren hätte die Haft in einer solchen Situation um einen Monat gekürzt werden müssen (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Oktober 2016
-
V [X.], juris Rn. 13). Eine solche Möglichkeit besteht im Haftaufhe-bungsverfahren nicht. Es ist kein erweitertes Rechtsmittelverfahren und dient lediglich dazu, eine nicht mehr gerechtfertigte Haft zu beenden. Das Gericht hat im Haftaufhebungsverfahren
nur die Möglichkeit, die Haft aufzuheben oder den Antrag auf Haftaufhebung zurückzuweisen. Die Haftaufhebung ist
bei einer für einen zu langen Zeitraum angeordneten [X.] nur gerechtfertigt, dann aber auch geboten, wenn bei der Entscheidung über den [X.] feststeht, dass der Zweck der Haft nicht mehr erreicht werden kann.
Andernfalls hat der Betroffene nur die Möglichkeit, die Aufhebung der Haft zu einem späte-ren Zeitpunkt erneut zu beantragen.
[X.]
Schmidt-Räntsch
Weinland

Göbel
Haberkamp
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.01.2017 -
1 [X.] (B) -

LG Traunstein, Entscheidung vom 31.01.2017 -
4 [X.] -

Meta

V ZB 39/17

01.06.2017

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2017, Az. V ZB 39/17 (REWIS RS 2017, 10070)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10070

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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