Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.12.2002, Az. V ZR 184/02

V. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 318

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BUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEILV ZR 184/02Verkündet am:6. Dezember 2002K a n i k,Justizamtsinspektorinals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem RechtsstreitNachschlagewerk:neinBGHZ:neinBGHR: jaBGB § 339Soll bei Veräußerung von Institutionsvermögen durch die Treuhandan-stalt/Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben eine von den Käufernübernommene Investitionsverpflichtung zur Errichtung einer Rehabilitationskliniknebst Arbeitsplatzgarantie nicht bestehen, wenn "die Nichtdurchführung oder we-sentliche Änderung des Vorhabens durch Umstände bedingt sind, die von den Käu-fern nicht verschuldet wurden, deren Eintritt bei Anwendung der im Verkehr erfor-derlichen Sorgfalt auch nicht vorhersehbar war", so ist eine vereinbarte Vertrags-strafe auch dann verwirkt, wenn die Klinik wegen eines durch gesetzgeberischeMaßnahmen bedingten Rückgangs der Nachfrage nach Rehabilitationsleistungenum 34,4 % nicht vollständig ausgelastet ist.BGH, Urt. v. 6. Dezember 2002 - V ZR 184/02 - OLG Rostock LG Stralsund- 2 -Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlungvom 6. Dezember 2002 durch den Vizepräsidenten des BundesgerichtshofesDr. Wenzel und die Richter Tropf, Dr. Lemke, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntschfür Recht erkannt:Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandes-gerichts Rostock vom 8. Mai 2002 wird auf Kosten der Beklagtenzurückgewiesen.Von Rechts wegenTatbestand:Die - durch die damalige Treuhandanstalt vertretene - Klägerin verkaufte1993 ein in Z. gelegenes Grundstück an die B. S. - und F. GmbH & Co. KG. Die Käuferin verpflichtete sich hierbei zur Errichtungund dem Betrieb einer Rehabilitationsklinik. Eine ca. 14.000 m² große Teilflä-che dieses Grundstücks verkaufte sie mit notariellem Vertrag vom 28. Novem-ber 1994, zuletzt geändert durch notariell beurkundete Nachtragsvereinbarungvom 17. Mai 1995, an die zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts verbunde-nen Beklagten. Unter § 5 der Urkunde übernahmen die Beklagten gegenüberder Klägerin, für die nun die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Son-deraufgaben als Bevollmächtigte auftrat, unter Hinweis auf § 328 BGB ver-schiedene Verpflichtungen. Danach mußten die Beklagten die Rehabilitations-klinik auf dem Kaufobjekt neu errichten und hierfür 22.144.000 DM investieren- 3 -(5.1 der Urkunde). Unter 5.2 der Urkunde verpflichteten sich die Beklagten fer-ner, für die Dauer von zwei Jahren nach Betriebsaufnahme 93 Vollzeitarbeits-plätze in der Rehabilitationsklinik zu schaffen oder durch eine Betreibergesell-schaft schaffen zu lassen. Nach 5.3 der Urkunde sollten die "in 5.1 und 5.2 ge-nannten Verpflichtungen" der Beklagten nicht bestehen,"... wenn die Nichtdurchführung oder wesentliche Änderung des Vorha-bens durch Umstände bedingt sind, die von den Käufern nicht verschul-det wurden, deren Eintritt bei Anwendung der im Verkehr erforderlichenSorgfalt auch nicht vorhersehbar war und das Vorhaben nachhaltig be-gonnen wurde. ..."Für den Fall der nicht rechtzeitigen oder wesentlich abweichenden Durchfüh-rung der Investitionsmaßnahmen oder der Nichterfüllung der Arbeitsplatzga-rantie verpflichteten sich die Beklagten unter 5.5 der Urkunde zur Rückübertra-gung des Kaufobjekts auf die Klägerin. Unter 5.6 der Urkunde ist ferner verein-bart, daß die Klägerin "unabhängig von der Geltendmachung des Rückübertra-gungsanspruchs gemäß 5.5 eine Vertragsstrafe von DM 2.000 pro nicht ge-schaffenem Arbeitsplatz und Monat verlangen" kann.Unter dem 29. Juni 1995 stimmte die Klägerin, wie nach ihren Vereinba-rungen mit der B. S. - und F. GmbH & Co. KG erforderlich, demKaufvertrag mit den Beklagten zu. Diese wurden als Eigentümer in das Grund-buch eingetragen. Mit Vertrag vom 15. Februar 1996 schied der Beklagte zu 1aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus. Die verbliebenen Gesellschafterveräußerten das Grundstück mit notariellem Vertrag vom 20. Dezember 1996an die Fachklinik Ostseebad Z. GmbH & Co. Beteiligungs KG.- 4 -Im April 1998 nahm die mit einem Aufwand von 40 Millionen DM errich-tete Rehabilitationsklinik ihren Betrieb auf. Hierbei wurde jedoch die verein-barte Zahl von Arbeitsplätzen nicht geschaffen.Wegen der Nichterfüllung der Arbeitsplatzgarantie errechnete die Kläge-rin für die Zeit von April bis November 1998 eine Vertragsstrafe in Höhe von898.000 DM. Hiervon macht sie im vorliegenden Rechtsstreit einen Teilbetragvon 300.000 DM für April 1998 (67 offene Arbeitsplätze), Mai 1998 (56 offeneArbeitsplätze) und Juni 1998 (27 offene Arbeitsplätze) geltend. Die Beklagtenhalten diese Forderung insbesondere deshalb für unberechtigt, weil infolge vonGesetzesänderungen aus dem Herbst 1996 die Zahl medizinischer Rehabilita-tionsleistungen 1997 gegenüber dem Vorjahr um 34,4 % zurückgegangen sei.Aus diesem Grund habe die von ihnen errichtete Rehabilitationsklinik von Aprilbis September 1998 nur eine Auslastung von weniger als 10 % gehabt, wes-halb es unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten unmöglich gewesen sei, dievereinbarte Zahl von Arbeitsplätzen zu schaffen. Nach Klageabweisung durchdas Landgericht hat das Oberlandesgericht der Klage stattgegeben. Mit der- zugelassenen - Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt,erstreben die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.Entscheidungsgründe:Die Revision ist nicht begründet.I.- 5 -Das Berufungsgericht hält die vereinbarte Vertragsstrafe für verwirkt,weil die - trotz der Übertragung des Objekts weiterhin passivlegitimierten - Be-klagten ihre Verpflichtung zur Schaffung von 93 Arbeitsplätzen nicht vollständigerfüllt hätten. Aus einer Zusammenschau der Regelungen unter § 5 des Ver-trages ergebe sich, daß eine verschuldensunabhängige Vertragsstrafe verein-bart worden sei. Fehlendes Verschulden hätte nach den getroffenen Vereinba-rungen nur in den - hier nicht gegebenen - Fällen der Nichtdurchführung oderwesentlichen Änderung des Vorhabens eine Haftung der Beklagten ausge-schlossen. Obwohl danach die Vertragsstrafe ohne Verschulden verwirkt sei,begegne die Klausel auch im Hinblick auf § 9 AGBG keinen Bedenken. Letzt-lich komme es darauf aber nicht an, weil auch bei einer verschuldensabhängi-gen Vertragsstrafe die Beklagten mit den typischen Risiken des Investors be-lastet blieben. Daß der Staat im Bereich des Gesundheitswesens nicht nurRahmenbedingungen ändern, sondern unmittelbaren Einfluß auf die Nachfragenach Leistungen der Rehabilitationsmedizin ausüben könne, ändere nichtsdaran, daß sich Unternehmer den besonderen Bedingungen dieses Marktsstellen müßten. Zudem hätten die Beklagten auf den unveränderten Fortbe-stand des bei Vertragsschluß bestehenden Ausgabevolumens für Rehabilitati-onsleistungen nicht vertrauen können.Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.II.Die Klägerin kann als begünstigte Dritte (§ 328 Abs. 1 BGB) von denBeklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe in der zuerkannten Höhe fordern,- 6 -ohne daß es einer Entscheidung darüber bedarf, ob das Vertragsstrafever-sprechen verschuldensabhängig ausgestaltet ist.1. Die Beklagten haben sich in den Urkunden vom 28. November 1994und 17. Mai 1995 wirksam zur Zahlung einer Vertragsstrafe für den Fall derNichterfüllung der übernommenen Arbeitsplatzgarantie verpflichtet. Das ver-einbarte Vertragsstrafeversprechen ist auch dann wirksam, wenn es sich- wovon des Berufungsgericht ohne weiteres ausgeht und was die Revision alsihr günstig hinnimmt - um eine vorformulierte Vertragsbestimmung im Sinnedes § 1 Abs. 1 Satz 1 AGBG (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) handelt.a) Wird zugunsten der Beklagten angenommen, daß insbesondere dasTatbestandsmerkmal des "Stellens" der einschlägigen Klauseln durch eineVertragspartei bejaht werden und damit das AGB-Gesetz Anwendung findenkann, so sind im vorliegenden Fall die Regeln zu beachten, die die Rechtspre-chung für formularmäßige Vertragsstrafeversprechen in einem Unternehmens-kaufvertrag oder einem ähnlichen Vertrag unter Beteiligung der ehemaligenTreuhandanstalt entwickelt hat. Zwar war die Bundesanstalt für vereinigungs-bedingte Sonderaufgaben weder unmittelbar noch mittelbar als Partei an demKaufvertrag beteiligt, sondern handelte nur als Vertreterin der Klägerin. Auchdie Klägerin verfolgte jedoch bei Erteilung der Zustimmung zum Weiterverkaufder Teilfläche an die Beklagten die für die Tätigkeit der Treuhandanstalt cha-rakteristischen "weichen Ziele" auf volkswirtschaftlichem sowie sozial- undstrukturpolitischem Gebiet, die für die geschilderte Rechtsprechung maßge-bend sind (vgl. BGHZ 141, 391, 398; BGH, Urt. v. 29. September 1999, VIII ZR256/98, VIZ 1999, 746, 747; Urt. v. 9. Februar 2000, VIII ZR 55/99, WM 2000,922, 925). Dieser Geschäftszweck ergibt sich nicht nur aus der Vereinbarung- 7 -der Investitions- und Arbeitsplatzpflichten, sondern auch aus dem Umstand,daß es sich ausweislich der Zustimmungserklärung vom 29. Juni 1995 bei demveräußerten Grundstück um Institutionsvermögen handelte, das nach Anlage IIKapitel II Sachgebiet A Abschnitt II Nr. 1 des Einigungsvertrages gerade fürZwecke der wirtschaftlichen Umstrukturierung in den neuen Bundesländernverwendet werden soll.b) Namentlich dann, wenn die Verwirkung verschuldensabhängig ge-staltet ist, sind formularmäßige Vertragsstrafeversprechen gegenüber derTreuhandanstalt, bei denen die Strafe ihrer Höhe nach in einem angemesse-nen Verhältnis zum Gewicht des Verstoßes und zu dessen Folgen für den Ver-tragspartner steht, nicht wegen unangemessener Benachteiligung des Ver-tragspartners nach § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam (Senat, Urt. v. 3. April 1998,V ZR 6/97, NJW 1998, 2600, 2602; BGH, Urt. v. 9. Februar 2000, aaO). DiesesVerhältnis bleibt insbesondere unter Berücksichtigung der verfolgten struktur-politischen Zwecke gewahrt, wenn die Höhe der Strafe an den Umfang der ge-schuldeten Leistung, deren Erfüllung sie sichern soll, anknüpft und durch ihnnach oben begrenzt wird (Senat, Urt. v. 3. April 1998, aaO). Hinsichtlich derhier vereinbarten Arbeitsplatzgarantie trifft das zu; denn die Beklagten schul-den bei Verwirkung der Vertragsstrafen wirtschaftlich nicht mehr, als sie beigehöriger Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen hätten aufwendenmüssen. Mit dem für jeden nicht besetzten Arbeitsplatz vereinbarten Betrag vonmonatlich 2.000 DM geht die Vertragsstrafe jedenfalls nicht über das bei einerAnstellung geschuldete Arbeitsentgelt hinaus.c) All dies gilt auch dann, wenn das Vertragsstrafeversprechen für diegegebene Situation verschuldensunabhängig ausgestaltet ist, also mit dem- 8 -Berufungsgericht davon ausgegangen wird, daß die Modifizierung des allge-meinen Verschuldensmaßstabs (vgl. Senat, Urt. v. 3. April 1998, aaO, 2601)unter 5.3 des Kaufvertrages nur bei wesentlichen Abweichungen von dem unter5.1 des Kaufvertrages beschriebenen Investitionsvorhaben gelten soll. Trotzdes dann vorliegenden Abweichens vom Leitbild des § 339 BGB hielte dieKlausel einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG stand. Die Vertragsstrafe dientzur Sicherung der bereits geschilderten volkswirtschaftlichen, sozial- undstrukturpolitischen Zielsetzungen, die von der Klägerin mit der Grundstücks-veräußerung und damit auch bei Erteilung ihrer Zustimmung zum Weiterver-kauf an die Beklagten im Allgemeininteresse verfolgt wurden. Wegen der öf-fentlichen und gesamtwirtschaftlichen Bedeutung der Umstrukturierung derWirtschaft in den neuen Bundesländern, der notwendigen Abschreckungswir-kung von Vertragsstrafen sowie der typischen Schwierigkeiten einer Klärungder Verschuldensfrage liegen gewichtige Gründe vor, die das Abweichen vomgesetzlichen Leitbild rechtfertigen und die Unwirksamkeitsvermutung des § 9Abs. 2 Nr. 1 AGBG ausräumen (BGHZ 141, 391, 397 f; BGH, Urt. v. 29. Sep-tember 1999, aaO).d) Der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall stehtnicht etwa - wie die Revision meint - entgegen, daß die Beklagten für ihr Pro-jekt keine Fördermittel der öffentlichen Hand in Anspruch nehmen konnten.Hierbei wird außer acht gelassen, daß Beschäftigungs- und Investitionszusa-gen in der hier vereinbarten Art regelmäßig Hauptleistungspflichten der Käu-ferseite begründen, die neben die Zahlungspflicht treten und bei der Bemes-sung des Kaufpreises berücksichtigt wurden, mithin im weiteren Sinne kauf-preisersetzende Funktion haben (vgl. BGHZ 141, 391, 398). Den Beklagtenkonnten auf diesem Weg die Vorteile zufließen, die die Klägerin zur Verwirkli-- 9 -chung ihrer Zielsetzungen zu leisten bereit war. Damit unterscheidet sich beiwirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorgangs die Situation der Beklagtennicht von der einer Erwerberin, die unmittelbar mit der Klägerin oder der Treu-handanstalt einen vergleichbaren Kaufvertrag geschlossen hatte.Ebensowenig ist es von Bedeutung, daß sich die Beklagten nicht zur Er-haltung bereits vorhandener, sondern zur Schaffung neuer Arbeitsplätze ver-pflichteten. Die Zielsetzung der Klägerin insbesondere auf sozialpolitischemGebiet und die Methode zur ihrer Verwirklichung unterscheiden sich in beidenFällen nicht. Zwar mögen sich aus Sicht der Investoren bei der Besetzung neu-er Arbeitsplätze Schwierigkeiten wegen der Suche nach qualifiziertem Personalergeben können. Das rechtfertigt jedoch keine unterschiedliche Behandlung,weil diese Besonderheit bereits bei Vereinbarung der Arbeitsplatzgarantie be-kannt war.e) Eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten ergibt sich auchnicht aus dem zugunsten der Klägerin vereinbarten Recht, die Rückübertra-gung des Kaufgegenstandes für den Fall der Nichterfüllung der Arbeitsplatzga-rantie zusätzlich zur Vertragsstrafe verlangen zu können. Diese Koppelung warim Hinblick auf das verfolgte Ziel zweckdienlich und sachgerecht. Bei Verein-barung nur des Rückforderungsrechts wäre das wirtschaftliche Unternehmerri-siko von den Beklagten auf die Klägerin verlagert worden; denn der Klägerinbliebe bei einem Scheitern des Vorhabens lediglich die Möglichkeit, dasGrundstück zurückzunehmen (Senat, Urt. v. 3. April 1998, aaO). Entgegen derAuffassung der Revision stellt sich diese Regelung zudem nicht deshalb alsunangemessen dar, weil die Klägerin auch für die Zeit nach Rückgabe desGrundstücks weiterhin die Zahlung der Vertragsstrafe fordern könnte. Wie die- 10 -Verweisung unter 5.9 der Vertragsurkunde zeigt, sollen für die Rückabwicklungdes Kaufvertrages die Vorschriften des Rücktrittsrechts gelten. Nach diesen istaber für die Zeit nach wirksamer Ausübung des Rücktrittsrechts ein Strafverfallausgeschlossen (vgl. Staudinger/Rieble, BGB [2001], § 340 Rdn. 58).2. Die Voraussetzungen für die Verwirkung der Vertragsstrafe sind er-füllt; denn die Zahl der Beschäftigen erreichte unstreitig nicht den vereinbartenUmfang. Ebenfalls außer Streit ist die Zahl der insgesamt 150 Arbeitsplätze,die während des für die vorliegende Teilklage maßgeblichen Zeitraums- jeweils berechnet auf einen Monat - nicht besetzt waren. An der Verwirkungeiner Vertragsstrafe in der zuerkannten Höhe ändert sich selbst dann nichts,wenn diese verschuldensabhängig vereinbart worden war.a) Der Senat hat bereits für eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbe-dingungen der Treuhandanstalt, nach der eine Vertragsstrafe bei "dringendenbetrieblichen Erfordernissen" nicht verwirkt war, entschieden, daß der Ver-pflichtete hierdurch nicht von den typischen Risiken eines Investors befreitwerde (Senat, Urt. v. 3. April 1998, aaO, 2602; vgl. auch BGH, Urt. v.9. Februar 2000, aaO, 924; OLG Stuttgart, VIZ 1999, 751, 753; Ebbing, DieVerkaufspraxis der Treuhandanstalt, 1995, S. 278; ders., NZG 1998, 893, 896).Zu demselben Ergebnis führt auch die hier unter 5.3 der Vertragsurkunde ge-wählte Formulierung, nach der die Vertragsstrafe verwirkt bleibt, wenn vorher-sehbare Umstände zur Nichterfüllung der Arbeitsplatzzusage führten. Auchwenn sich im voraus ihr Eintritt und ihre Auswirkungen nicht im einzeln ein-schätzen lassen, zählen die üblichen unternehmerischen Risiken doch zu dem,was ein verständiger Investor bei seiner Entscheidung über ein Projekt inRechnung stellt und mit den Chancen für einen erfolgreichen Verlauf abwägt.- 11 -Für die typischen Risiken eines Vorhabens kann demnach deren Vorherseh-barkeit nicht in Frage stehen. Ebensowenig entfällt die Vorhersehbarkeit wegendes Umfangs, um den die Nachfrage nach Rehabilitationsleistungen zurückge-gangen sein soll. Hierbei kommt es - wegen der Abhängigkeit vom individuellenunternehmerischen Geschick - nicht etwa auf den Grad der Auslastung an, derfür das konkrete Objekt mit angeblich nur etwa 10 % zu erreichen war. Ent-scheidend kann vielmehr nur der gesamte Nachfragerückgang auf dem Marktstationärer medizinischer Rehabilitationsleistungen sein, den die Kläger selbstmit 34,4 % angegeben haben. Dieser Rückgang ist zwar erheblich, erreichtaber keinen derart außergewöhnlichen Umfang, daß eine Vorhersehbarkeitdieser Entwicklung ausgeschlossen wäre.b) Die Beklagten haben sich entschieden, zum Angebot medizinischerRehabilitationsleistungen auf einem Markt zu investieren, bei dem sie - nachihrem eigenen Vortrag - im wesentlichen nur Sozialversicherungsträgern alsNachfragern gegenüberstehen. Da es sich bei der Sozialversicherung um einestaatlich organisierte, öffentlich-rechtliche Versicherung handelt (vgl. Git-ter/Schmitt, Sozialrecht, 5. Aufl., § 4 Rdn. 6), unterscheidet sich dieser Bereichdes Wirtschaftslebens von anderen Märkten. Hieraus ergeben sich für die Be-klagten als Investoren Vorteile, insbesondere in Gestalt eines Nachfragever-haltens, das wegen des weitreichenden Versicherungszwangs und staatlicherZuschüsse an die Sozialversicherungsträger weniger vom Verlauf der allge-meinen Wirtschaftsentwicklung abhängig ist, mithin eine sicherere Amortisationder gemachten Aufwendungen verspricht. Um solcher Vorzüge willen, müssenInvestoren aber auch die Nachteile einer staatlich organisierten Versicherunghinnehmen. Solche ergeben sich aus Sicht der Beklagten daraus, daß auf demWeg einer detaillierten Sozialgesetzgebung die Nachfrage von Sozialversiche-rungsträgern nach Leistungen an ihre Versicherten sowohl mittelbar durch Be-- 12 -einflussung des Antragsverhaltens der Versicherten - wie hier durch die An-rechnung von Rehabilitationszeiten auf den Erholungsurlaub (§ 10 BUrlG in derzwischen dem 1. Oktober 1996 und dem 31. Dezember 1998 geltenden Fas-sung) oder die Erhöhung der Zuzahlungen der Versicherten auf 25 DM für je-den Kalendertag (§ 40 Abs. 5 SGB V in der zwischen dem 1. Januar 1997 unddem 31. Dezember 1998 geltenden Fassung) - als auch unmittelbar durch Be-grenzung der Versicherungsleistung - wie hier durch die Beschränkung derstationären Behandlung in einer Rehabilitationseinrichtung auf regelmäßig dreiWochen ab dem 1. Januar 1997 (§ 40 SGB V, § 15 SGB VI) - gesteuert werdenkann. Ursache für den Rückgang der Nachfrage von Sozialversicherungsträ-gern nach Leistungen medizinischer Rehabilitationsrichtungen, auf den sich dieBeklagten für die Nichterfüllung der von ihnen übernommenen Arbeitsplatzver-pflichtung berufen, ist nach alledem nichts anderes als die Verwirklichung ei-nes der typischen Risiken eines Investors auf diesem von sozial- und finanzpo-litischen Entscheidungen des Gesetzgebers besonders abhängigen Markt.3. Auch mit dem Einwand, die Klägerin handele bei ihrem Verlangennach Zahlung der Vertragsstrafe treuwidrig (§ 242 BGB), kann die Revisionnicht durchdringen.a) Den in § 162 BGB enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanken, daßniemand aus einer von ihm treuwidrig herbeigeführten Lage Vorteile ziehen soll(BGHZ 88, 240, 248), können die Beklagten der Klägerin nicht entgegenhalten.Da der Vorteil der Klägerin in der verwirkten Vertragsstrafe gesehen werdensoll, müßte dem - an die Grundsätze des Vertrauensschutzes gebundenen (vgl.MünchKomm-BGB/Roth, 4. Aufl., § 242 Rdn. 95) - Gesetzgeber wegen der er-wähnten Gesetzesänderungen und des durch sie bedingten Rückgangs der- 13 -Nachfrage nach Rehabilitationsleistungen ein zu beanstandendes Verhaltenzur Last fallen. Umstände, die einen Verstoß des Gesetzgebers gegen Grund-sätze des Vertrauensschutzes begründen könnten, haben die Beklagten indes-sen nicht vorgetragen.b) Die Klägerin handelt auch nicht wegen widersprüchlichen Verhaltenstreuwidrig. Ein widersprüchliches Verhalten stellt sich erst dann als rechts-mißbräuchlich dar, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand ge-schaffen worden ist (BGHZ 32, 273, 279; 94, 344, 354) oder wenn andere be-sondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl.BGH, Urt. v. 5. Dezember 1991, IX ZR 271/90, NJW 1992, 834). An diesenVoraussetzungen fehlt es selbst dann, wenn der Klägerin bei der Teilnahmeam Privatrechtsverkehr die Entscheidungen des (Bundes-)Gesetzgebers zuge-rechnet werden könnten. Insbesondere durften die Beklagten auf Grund derForderung der Klägerin nach Übernahme strafbewehrter Investitions- und Ar-beitsplatzgarantien nicht darauf vertrauen, die Nachfragesituation hinsichtlichmedizinischer Rehabilitationsleistungen werde künftig nicht durch gesetzgebe-rische Maßnahmen beeinflußt werden. Auch besondere Umstände, aus denenim Einzelfall eine Treuwidrigkeit des Verhaltens der Klägerin folgen könnte,haben die Beklagten nicht vorgetragen. Die Klägerin hat nicht etwa, wie dieRevision ausführt, durch gesetzgeberische Maßnahmen ihre Strafgeldzuflüsseselbst geregelt. Vielmehr entschied sich der Gesetzgeber auf der Grundlagewirtschafts- und finanzpolitischer Überlegungen für eine Reduzierung der Ko-stenbelastung des Sozialversicherungssystems, was nicht zielgerichtet, son-dern nur mittelbar Auswirkungen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zah-lung einer Vertragsstrafe hatte. Gegen die Treuwidrigkeit des Verhaltens derKlägerin spricht im Gegenteil, daß durch die Vertragsstrafe eine Parität der- 14 -beiderseitigen Leistungspflichten wiederhergestellt wird, die durch die - in denRisikobereich der Beklagten fallende - Nichterfüllung der Investitions- und Be-schäftigungszusagen als eines Teils der Hauptleistungspflichten gestört wor-den war.4. Die Beklagten, auch der aus der Gesellschaft ausgeschiedene Be-klagte zu 1 (vgl. § 736 Abs. 2 BGB i.V.m. § 160 Abs. 1 HGB in der bis zum31. Dezember 2001 geltenden Fassung), sind trotz der Weiterveräußerung desAnwesens an die Fachklinik Ostseebad Z. GmbH & Co. Beteiligungs KGweiterhin zur Zahlung der Vertragsstrafe verpflichtet. Selbst wenn der notarielleKaufvertrag vom 20. Dezember 1996 auch hinsichtlich der Vertragsstrafe einebefreiende Schuldübernahme durch die Erwerberin zugunsten der Beklagtenenthalten sollte, scheitert deren Wirksamkeit doch an der fehlenden Genehmi-gung der Klägerin (§ 415 Abs. 1 BGB). Zwar kann die erforderliche "Genehmi-gung" auch in Form einer vorherigen Zustimmung erfolgen (BGH, Urt. v.25. Oktober 1995, IV ZR 22/95, NJW-RR 1996, 193, 194), die Erklärung derKlägerin vom 29. Mai 1995 reicht hierfür aber nicht aus. Die Klägerin machtenämlich ihre Zustimmung davon abhängig, daß deren Erteilung ein "wichtigerGrund nicht entgegensteht." Angesichts der strengen Anforderungen, die fürdie Annahme einer Einverständniserklärung zu stellen sind (vgl. BGH, Urt. v.21. März 1996, IX ZR 195/95, WM 1996, 834, 835), kann dies noch nicht alsErklärung der Zustimmung, sondern allenfalls als Übernahme einer entspre-chenden Verpflichtung für den Fall des Fehlens eines "wichtigen Grundes" ver-standen werden.- 15 -5. Die geforderten Verzugszinsen stehen der Klägerin nach §§ 284Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB (in der bis zum 30. April 2000 geltendenFassung) zu.- 16 -III.Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.Wenzel Tropf Lemke Gaier Schmidt-Räntsch

Meta

V ZR 184/02

06.12.2002

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.12.2002, Az. V ZR 184/02 (REWIS RS 2002, 318)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 318

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