Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.11.2020, Az. 8 B 15/20

8. Senat | REWIS RS 2020, 4348

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Gegenstand

Ausschluss von Ausgleichsleistungen wegen Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 30. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 119 400 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Kläger begehrt als Rechtsnachfolger von [X.] Ausgleichsleistungen für den Verlust eines Anteils am ehemaligen Unternehmen [X.] mit Sitz in [X.] sowie eines Grundstücks seines Rechtsvorgängers in [X.] Mit [X.]escheid vom 16. Februar 2017 lehnte die [X.] die Gewährung einer Ausgleichsleistung ab. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Anspruch des [X.] auf die Gewährung einer Ausgleichsleistung für den Verlust des [X.] sei gemäß § 1 Abs. 4 Alt. 1 [X.] ausgeschlossen. Gleiches gelte hinsichtlich des Grundstücks in [X.] Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

2

Die hiergegen erhobene [X.]eschwerde des [X.], die sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO geltend macht, hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat seine Annahme, das enteignete Unternehmen habe im Sinne des § 1 Abs. 4 Alt. 1 [X.] gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen, auf drei selbständig tragende Erwägungen gestützt. [X.]ei einer solchen Mehrfachbegründung kann die Revision nur zugelassen werden, wenn gegen jede der tragenden [X.]egründungen des [X.] mindestens ein [X.] geltend gemacht wird, der die Zulassung rechtfertigt (stRspr, vgl. nur [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 19. April 2011 - 8 [X.] - juris Rn. 3, vom 26. Juni 2017 - 8 [X.] 19.16 - juris Rn. 5 und vom 16. Dezember 2019 - 8 [X.] 38.18 - juris Rn. 3). Diese Voraussetzung erfüllt die [X.]eschwerde nicht. Jedenfalls liegt zur selbständig tragenden Erwägung der Vorinstanz, die bei dem enteigneten Unternehmen beschäftigten sogenannten [X.] seien menschenrechtswidrigen Lebens- und Arbeitsbedingungen ausgesetzt gewesen, kein durchgreifender Zulassungsgrund vor.

3

1. Insoweit ist der [X.]eschwerde keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zu entnehmen. Dieser Zulassungsgrund ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in der Vorschrift aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung des [X.]eschwerdeführers divergierenden Rechtssätze müssen einander gegenübergestellt und die entscheidungstragende Abweichung muss hierauf bezogen konkret herausgearbeitet werden. Das leistet die [X.]eschwerde nicht.

4

a) Die [X.]eschwerde legt eine Abweichung des angegriffenen Urteils von den Urteilen des [X.]undesverwaltungsgerichts vom 11. September 2013 - 8 C 4.12 - ([X.]uchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 48) und vom 28. Februar 2007 - 3 C 38.05 - ([X.]VerwGE 128, 155) sowie - 3 C 13.06 - ([X.] 2007, 69) nicht dar. Das [X.]undesverwaltungsgericht hat zwar entschieden, dass sich die [X.]eweislast auch im Vermögensrecht nach den allgemeinen Regeln richtet, wonach die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten desjenigen geht, der hieraus für sich günstige Rechtsfolgen ableiten will ([X.]VerwG, Urteil vom 11. September 2013 a.a.[X.] und Rn. 41). Der daraus vom Kläger abgeleitete Rechtssatz,

"im Fall der Ausschlussklausel des § 1 Abs. 4 Alt. 1 [X.] trägt damit nach Maßgabe des Urteils des [X.]VerwG vom [X.] - [X.]VerwG 3 C 13.06, 38.05 - [X.] 2007, 69, nach dem nicht bereits die bloße [X.]eschäftigung, sondern nur die Schlechtbehandlung von Zwangs-, auch [X.] die Voraussetzung des § 1 Abs. 4 Alt. 1 [X.] erfüllt, die [X.]ehörde die [X.]eweislast dafür, dass eine in der [X.] [X.]esatzungszeit [X.] enteignete Privatperson oder ein [X.] enteignetes Unternehmen im Sinne des § 1 Abs. 4 Alt. 1 [X.] durch konkrete, ihr zuzurechnende Handlungen gegen Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit verstoßen hat" (S. 20 der [X.]eschwerdebegründung),

lässt sich den beiden Urteilen des [X.]undesverwaltungsgerichts vom 28. Februar 2007 indessen so nicht entnehmen. Dort wird vielmehr ausgeführt, dass ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit nicht bereits in der [X.]eschäftigung von Zwangsarbeitern als solcher gesehen werden kann, sondern erst dann vorliegt, wenn sie im Unternehmen menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen unterworfen waren. Zwar war in den damals geltenden rechtlichen Regelungen, etwa den [X.] und [X.]erlassen, eine Ungleichbehandlung angelegt und - insbesondere bei den sogenannten [X.] - eine bewusste Diskriminierung und Schlechterbehandlung gegenüber anderen Personengruppen vorgesehen. Da die Unternehmen bei der [X.]ehandlung der bei ihnen eingesetzten Zwangsarbeiter jedoch Spielräume hatten, die sich zu deren Gunsten oder Ungunsten nutzen ließen und die durchaus unterschiedlich ausgefüllt wurden, ist bei der Anwendung des [X.]s eine differenzierende [X.]etrachtung angezeigt und vom [X.] eine Würdigung des konkreten Einzelfalls vorzunehmen ([X.]VerwG, Urteile vom 28. Februar 2007 - 3 C 38.05 - [X.]VerwGE 128, 155 LS 1 und 2, Rn. 33, 43 f., 58 sowie - 3 C 13.06 - [X.] 2007, 69 LS 1 und 2, Rn. 35 f., 44). Die [X.]eschwerde bezeichnet keinen hiervon abweichenden Rechtssatz des [X.] im Hinblick auf eine gesetzliche Vermutung oder zur [X.]eweis- und Darlegungslast, sondern beanstandet der Sache nach lediglich, dass das Verwaltungsgericht die in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätze unzutreffend auf den vorliegenden Fall angewandt, das Gewicht des klägerischen Vortrags verkannt und damit im Ergebnis zu Unrecht das Vorliegen des Ausschlussgrundes bejaht habe. Hiermit wird eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht aufgezeigt.

5

Ebenso wenig lässt sich dem Urteil des [X.] der vom Kläger formulierte Rechtssatz entnehmen, wonach im [X.] der Kläger substantiiert und überzeugend vorzutragen und zu beweisen habe, dass die Voraussetzungen des [X.]. 1 [X.] nicht vorlagen (S. 20 f. der [X.]eschwerdebegründung). Das Verwaltungsgericht ist den in den Urteilen des [X.]undesverwaltungsgerichts vom 28. Februar 2007 zum [X.]. 1 [X.] aufgestellten Rechtssätzen ausdrücklich gefolgt ([X.] f.). Es hat weder dem Kläger die Darlegungs- und [X.]eweislast dafür aufgebürdet, dass die Voraussetzungen für einen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit nicht vorliegen, noch hat es eine unzulässige [X.]eweislastumkehr vorgenommen oder eine Vermutungsregel zu Lasten des [X.] angewendet. Vielmehr hat es unter Würdigung der ihm vorliegenden Unterlagen positiv festgestellt, dass das Unternehmen seine Spielräume zugunsten der bei ihm beschäftigten sogenannten [X.] nicht genutzt hat. Soweit sich der Kläger auf Ausführungen der [X.]eklagten in deren Schriftsätzen bezieht, lässt er unberücksichtigt, dass Prüfungsgegenstand der [X.]eschwerde allein das vorinstanzliche Urteil ist, das sich entsprechende Ausführungen der [X.]eklagten nicht zu eigen gemacht hat. Gleiches gilt für vom Kläger angeführte Entscheidungen des [X.] in anderen Verfahren.

6

b) Auch die ergänzend geltend gemachte weitere Abweichung des angegriffenen Urteils von den oben unter 1. a) zitierten Urteilen des [X.]undesverwaltungsgerichts vom 28. Februar 2007 ([X.] ff. der [X.]eschwerdebegründung) ist nicht dargelegt. Den vom Kläger formulierten Rechtssatz, den er dem Urteil des [X.] meint entnehmen zu können (S. 44 f. der [X.]eschwerdebegründung), hat das Verwaltungsgericht nicht aufgestellt. Wie bereits dargelegt, hat es weder dem Kläger die behauptete [X.]eweislast auferlegt, noch hat es eine Vermutungsregel angewendet.

7

c) Das vorinstanzliche Urteil weicht nicht von dem [X.]eschluss des [X.]undesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 2008 - 5 [X.] 104.08 - ([X.] 2015, 197) ab. Diesem zufolge können Verletzungen der Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit einem Unternehmen nicht zuzurechnen sein, wenn die den [X.] erfüllenden Handlungen auf ausschließlicher Außensteuerung beruhten. Das Verwaltungsgericht hat keinen hiervon abweichenden Rechtssatz aufgestellt. Es ist vielmehr im Einklang mit dem [X.]eschluss vom 12. Dezember 2008 davon ausgegangen, dass eine Ausgleichsleistung ausscheidet, wenn das Unternehmen als solches den [X.] erfüllt hat, und dass hierfür die Zurechenbarkeit der entsprechenden Handlungen zum Unternehmen genügt. Seine Überzeugung, dass zwischen dem [X.]etriebsobmann und dem [X.]etriebsinhaber ein gegen eine ausschließliche Außensteuerung und für eine Zurechnung sprechendes Vertrauensverhältnis bestand, hat es nicht nur aus der allgemeinen Stellung des [X.]etriebsobmanns abgeleitet, die diesem nach dem [X.] der [X.] zukam. Vielmehr hat es unter Würdigung von im Verwaltungsvorgang enthaltenen Dokumenten eine Außensteuerung im konkreten Fall ausdrücklich verneint, weil sich die Äußerungen und Anordnungen des [X.]etriebsobmanns mit den Einstellungen und den Zielsetzungen der [X.]etriebsführung des Herrn M. deckten.

8

2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche [X.]edeutung, die ihr die [X.]eschwerde beimisst. Grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlich klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. In der [X.]eschwerdebegründung muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt und erläutert werden, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung der aufgeworfenen, bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfragen des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 28. Januar 2019 - 8 [X.] 37.18 - juris Rn. 4). Diese Voraussetzungen erfüllt die [X.]eschwerde nicht.

9

a) Die - in inhaltlichem Zusammenhang stehenden - Fragen,

Ist (wie es das [X.] annimmt) im Rahmen der Prüfung des § 1 Abs. 4 Alt. 1 [X.] als Leistungsausschlussklausel und Ausnahmeregelung zum Grundsatz der Gewährung von Ausgleichsleistungen in Fällen [X.] und [X.]er Enteignungen in § 1 Abs. 1 [X.] im Falle der [X.]eschäftigung von [X.] durch [X.] Unternehmen in der [X.] mit [X.]lick auf die bestehenden [X.] und [X.]erlasse grundsätzlich anzunehmen, dass die [X.]n Unternehmen ihre [X.] regelmäßig unter Verletzung der Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 4 Alt. 1 [X.] behandelt haben, so dass Ausgleichsleistungen ausgeschlossen sind, wenn nicht dem Gericht positive Erkenntnisse und [X.]elege vorliegen, dass die [X.] besser behandelt wurden, als in den [X.]erlassen vorgesehen?,

Ist für die Darlegung solcher Erkenntnisse und [X.]eweise, nach denen die [X.] besser behandelt wurden, als in den [X.]erlassen vorgesehen der Antragsteller/Kläger im [X.] darlegungs- und beweispflichtig oder die beklagte [X.]ehörde?,

Verstößt die Annahme des [X.], dass bereits aufgrund der damals geltenden Regelungen für die [X.]ehandlung von [X.], etwa den sogenannten [X.] und [X.]erlassen, grundsätzlich von deren Diskriminierung und Schlechterbehandlung auszugehen ist mit der Folge, dass der Ausgleichsleistungen begehrende Antragsteller im [X.] "substantiiert und überzeugend" vortragen muss, dass Anhaltspunkte dafür vorliegen, "dass das Unternehmen, die ihm nach den sogenannten [X.]erlassen gegebenen Spielräume genutzt hat, um dieser Personengruppe im Vergleich zu der eine bewusste Diskriminierung und Schlechterbehandlung gegenüber anderen Personen vorgezeichneten Erlasslage bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen zu bieten", gegen den allgemeinen [X.]eweislastgrundsatz, dass derjenige, der sich auf eine Ausnahmeregelung (hier § 1 Abs. 4 Alt. 1 [X.]) beruft, hier also die [X.]eklagte auch deren Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen hat, nicht aber der Antragsteller darlegen und beweisen muss, dass die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung nicht vorliegen?,

zielen ersichtlich auf den vorliegenden Einzelfall und würden sich überdies in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Grundsätze zur [X.]eweislastverteilung im ausgleichsleistungsrechtlichen Verfahren oder zu Darlegungsobliegenheiten der [X.]eteiligten, die der revisionsgerichtlichen Klärung bedürften, hat das Verwaltungsgericht nicht aufgestellt. Vielmehr hat es bei seiner Prüfung des § 1 Abs. 4 Alt. 1 [X.] die gebotene Würdigung des konkreten Einzelfalls auf der Grundlage der allgemeinkundigen geschichtlichen Erkenntnisse vorgenommen (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 28. Februar 2007 - 3 C 38.05 - [X.]VerwGE 128, 155 Rn. 58) und als deren Ergebnis aus der [X.]ehandlung der sogenannten [X.] in dem Unternehmen das Vorliegen des Ausschlussgrundes eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit abgeleitet.

Die genannten Fragen führen auch nicht im Hinblick auf die aus Sicht der [X.]eschwerde gebotene verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 4 Alt. 1 [X.] zur Zulassung der Grundsatzrevision. Die [X.]eschwerde legt keine grundsätzlich klärungsbedürftigen Fragen im Hinblick auf die von ihr benannten Grundrechte dar, sondern übt lediglich Kritik an der von ihr für verfassungswidrig gehaltenen Interpretation des § 1 Abs. 4 Alt. 1 [X.] durch das Verwaltungsgericht.

b) Auch die weiteren Fragen,

Ist (wie es das Verwaltungsgericht mit generellen historischen [X.]elegen zur Rolle des [X.]etriebsobmanns und zu seinem Verhältnis zum [X.]etriebsführer ableitet) das Verhalten des [X.]etriebsobmanns (das regelmäßig bereits qua seiner Aufgaben die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 [X.] erfüllt) bei der Prüfung des [X.]es in § 1 Abs. 4 [X.] stets dem [X.]etriebsführer und/oder dem Unternehmen zuzurechnen, oder bedarf es der individuellen Zurechnung solchen Verhaltens zum Unternehmen nach den Grundsätzen der Zurechnung von Verhalten Dritter in den Fällen der sogenannten Unternehmensunwürdigkeit im Einzelfall?,

Ist das Verhalten des [X.]etriebsobmanns, dessen Funktion darin bestand, die Anschauungen des [X.] in die [X.]n [X.]etriebe zu tragen, als Verhalten anzusehen, das einer [X.] unterlag und daher auch am Maßstab etwa des [X.]eschlusses des [X.]undesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 2008 - 5 [X.] 104.08 - nicht per se dem Unternehmen unter dem Gesichtspunkt zuzurechnen ist, dass der [X.]etriebsobmann im Unternehmen tätig war?,

rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. [X.]eide Fragen wären für das angestrebte Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Wie dargelegt, hat das Verwaltungsgericht für die Zurechnung des Verhaltens des [X.]etriebsobmanns zum Unternehmen nicht allein auf dessen generelle Stellung nach der NS-Wirtschaftsordnung abgestellt, sondern anhand konkreter Umstände im Einzelfall eine Übereinstimmung von Einstellungen und Zielen zwischen [X.]etriebsobmann und [X.]etriebsführung festgestellt. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts geklärt, dass eine fehlende Zurechenbarkeit zum Unternehmen allenfalls dann in [X.]etracht zu ziehen wäre, wenn die den [X.] erfüllenden Handlungen auf ausschließlicher Außensteuerung beruhten ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 12. Dezember 2008 - 5 [X.] 104.08 - juris Rn. 2; s.a. Urteil vom 23. April 2015 - 5 C 10.14 - [X.]VerwGE 152, 60 Rn. 15 zum Ausschlussgrund des § 1 Abs. 4 Alt. 3 [X.]). Einen weitergehenden Klärungsbedarf zeigt der Kläger nicht auf.

3. Die [X.]eschwerde legt auch keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dar.

Das Verwaltungsgericht hat den Überzeugungsgrundsatz nicht verletzt. Nach § 108 Abs. 1 VwGO hat das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein [X.]eteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Diese Grenzen sind erst dann überschritten, wenn es nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen. Fehler in der [X.]eweiswürdigung sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO deshalb grundsätzlich nicht begründen (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 26. November 2013 - 8 [X.] 20.13 - juris Rn. 14 m.w.N.).

Die [X.]eschwerde legt eine Überschreitung zulässiger Grenzen der Überzeugungsbildung gemäß § 108 Abs. 1 VwGO nicht dar. Soweit sie im Einzelnen die [X.]eweiswürdigung der festgestellten Tatsachen durch das Verwaltungsgericht rügt, beanstandet sie dessen materiell-rechtliche Würdigung des Sachverhalts und setzt ihre eigene Würdigung an dessen Stelle. Derartige [X.] sind indes nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen. Unabhängig davon hat das Verwaltungsgericht - wie dargelegt - die vom Kläger behauptete Umkehr der [X.]eweislast nicht vorgenommen.

Schließlich trifft auch der Vorwurf der Aktenwidrigkeit nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat den Umstand, dass Mitarbeiter des Unternehmens Zwangsarbeitern aus der [X.] heimlich Nahrungsmittel und Kleidung zukommen ließen, nicht zu Gunsten des [X.] gewertet, weil diese Hilfeleistung nach seinen Feststellungen allein von anderen Arbeitnehmern ausging und von [X.] gerade unterbunden werden sollte. Diese Feststellung ist nicht schon aktenwidrig, weil nach Auffassung des [X.] als [X.] nur die [X.]etriebsleitung und nicht der [X.]etriebsobmann bezeichnet werden dürfte. Nach den Feststellungen des [X.] unterband dieser die Hilfeleistungen im Einvernehmen mit der [X.]etriebsleitung hinsichtlich der [X.]ehandlung der sogenannten [X.]. Deshalb hat die Vorinstanz diese Maßnahme dem Unternehmen zugerechnet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

8 B 15/20

30.11.2020

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Dresden, 30. Oktober 2019, Az: 6 K 2067/16, Urteil

§ 1 Abs 4 Alt 1 AusglLeistG, § 108 Abs 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.11.2020, Az. 8 B 15/20 (REWIS RS 2020, 4348)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 4348

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