LG Frankfurt, Versäumnisurteil vom 19.01.2022, Az. 2-13 O 60/21

13. Zivilkammer | REWIS RS 2022, 2235

ELEKTRONISCHER RECHTSVERKEHR BESONDERES ELEKTRONISCHES ANWALTSPOSTFACH (BEA)

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Gegenstand

Keine Abwendung eines Versäumnisurteils durch per Fax übermittelte Verteidigungsanzeige.


Leitsatz

Ein bei Gericht nach dem 1.1.2022 nicht in der Form des § 130d ZPO als elektronisches Dokument eingereichter Schriftsatz ist formunwirksam und damit unbeachtlich. Eine per Fax eingereichte Verteidigungsanzeige kann daher ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren nicht verhindern.

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 8.333,33 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 Prozent p.a. seit dem [X.] zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Mit seiner Klage wegen eines Anspruchs auf Einzahlung der restlichen Stammeinlage begehrt der Kläger die Verurteilung des Beklagten wie erkannt. Der Kläger hatte bereits in der Klageschrift den Antrag nach § 331 Abs. 3 S. 1 ZPO gestellt.

Der Vorsitzende der Kammer hat das schriftliche Vorverfahren angeordnet. Die Anordnung einschließlich der Belehrung gemäß § 276 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO ist dem Beklagten am [X.] zusammen mit der Klage zugestellt worden.

Mit Schreiben vom 03.01.2022, eingegangen als Faxkopie am 04.01.2022 und im Original auf dem Postweg am 05.01.2022, hat der Beklagtenvertreter die Vertretung des Beklagten angezeigt und mitgeteilt, dass sich der Beklagte gegen die Klage verteidigen werde.

Von der Darstellung des Tatbestands im Übrigen wird nach § 313b Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

1

Der Beklagte war auf Antrag des [X.] im schriftlichen Vorverfahren gemäß § 331 Abs. 3 S. 1 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch Versäumnisurteil zu verurteilen. Obschon ordnungsgemäß gemäß § 276 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO belehrt, hat der Beklagte seine [X.] nicht fristgerecht angezeigt.

2

Die Verteidigungsanzeige hätte gemäß § 130d S. 1 ZPO als elektronisches Dokument übermittelt werden müssen. Weder das auf dem Postweg eingereichte handschriftlich unterschriebene Anwaltsschreiben noch dessen Faxkopie wahren die seit dem 01.01.2022 zwingend vorgeschriebene Form; sie sind daher unbeachtlich.

3

Seit dem 01.01.2022 sind gemäß § 130d S. 1 ZPO vorbereitende Schriftsätze sowie schriftlich einzureichenden Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Dabei gilt § 130d S. 1 ZPO grundsätzlich für alle anwaltlichen schriftlichen Anträge und Erklärungen nach der ZPO ([X.]. 17/12634, 28). Zu den von der Vorschrift umfassten Erklärungen gehört auch die Verteidigungsanzeige im schriftlichen Vorverfahren, die nach § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO schriftlich anzuzeigen ist. Der von § 130d ZPO vorgegebene Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO – in der Regel die Einreichung über das besondere Anwaltspostfach [X.]) – ist nach dem 01.01.2022 der einzig zulässige ([X.] in: [X.], Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 130d ZPO, Rn. 1). Eine Ausnahme, wonach die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig ist, besteht nach den § 130d S. 2 ZPO allein für den Fall, dass die Einreichung auf dem Weg des § 130a ZPO aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. In diesen Fällen ist die vorübergehende Unmöglichkeit nach § 130d S. 3 ZPO jedoch bei Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. Dies ist hier nicht geschehen, weder zusammen mit der Ersatzeinreichung noch unverzüglich danach; seit der Ersatzeinreichung sind zwei Wochen ohne weitere Erklärung vergangen.

4

Die Form der Einreichung ist eine Frage der Zulässigkeit und von Amts wegen zu beachten. Auf die Einhaltung der Vorgaben des § 130d ZPO können die Parteien nicht verzichten (§ 295 ZPO), der Gegner kann sich auch nicht [X.] einlassen ([X.]. 17/12634, 27). Die Einschränkung auf die Übermittlung als elektronisches Dokument hat zur Folge, dass auf anderem Wege eingereichte Klagen oder Berufungen als unzulässig abzuweisen bzw. zu verwerfen sind ([X.]. 17/12634, 27; [X.] in: [X.], Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 130d ZPO, Rn. 1; [X.] NJW 2021, 3617 (3618); [X.], § 69 Rn. 54; zur [X.] des § 46 g ArbGG siehe LAG Schleswig-Holstein Beschl. v. 25.3.2020 – 6 Sa 102/20, BeckRS 2020, 10446). [X.] sind unwirksam und Fristen werden durch sie nicht gewahrt ([X.] 2022, 1 (1); [X.]/[X.]/[X.], Teil 24 Digitale Justiz Rn. 11). Diese Rechtsfolge entspricht dem klaren Willen des Gesetzgebers ([X.]. 17/12634, 27) und ist auch sachgerecht. Denn ohne diese Rechtsfolgenbewehrung könnte die Pflicht zur flächendeckenden Aktivnutzung [X.] nicht wirksam etabliert werden.

5

Mithin ist auch eine auf anderem als auf dem elektronischen Übermittlungsweg nach § 130d S. 1 ZPO eingereichte Verteidigungsanzeige unbeachtlich.

6

Von der Darstellung der Entscheidungsgründe im Übrigen wird nach § 313b Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

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Meta

2-13 O 60/21

19.01.2022

LG Frankfurt 13. Zivilkammer

Versäumnisurteil

Sachgebiet: O

§ 130d ZPO

Zitier­vorschlag: LG Frankfurt, Versäumnisurteil vom 19.01.2022, Az. 2-13 O 60/21 (REWIS RS 2022, 2235)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2235

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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