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Verfahrenskostenhilfe: Den Pflegeeltern zufließender Erziehungsbeitrag als Einkommen
Der Pflegeeltern zufließende Erziehungsbeitrag nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII ist Einkommen im Sinne der Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe.
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des 9. Zivilsenats und [X.] des [X.] vom 10. April 2019 wird zurückgewiesen.
I.
Im vorliegenden - eine Güterrechtssache betreffenden - [X.] geht es um die Frage, ob ein nach § 39 Abs. 1 Satz 2 [X.] gezahlter „[X.]“ als Einkommen der Pflegeeltern im Sinne des Verfahrenskostenhilferechts anzusehen ist.
Das Amtsgericht hat das von der Antragstellerin für ihr Pflegekind bezogene Pflegegeld in Höhe des darin enthaltenen [X.]s von 300 € als Einkommen berücksichtigt und aufgrund eines von ihm errechneten einsetzbaren Einkommens von 140,45 € eine Ratenzahlung von monatlich 70 € festgesetzt. Das [X.] hat die Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der sie die Bewilligung ratenfreier Verfahrenskostenhilfe erstrebt.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das [X.] hat zur Begründung auf Entscheidungen eines anderen [X.]s sowie anderer [X.]e Bezug genommen. Nach diesen sei der sogenannte [X.] nach § 39 Abs. 1 Satz 2 [X.] als Einkommen zu werten, da er das durch die öffentliche Hand erbrachte Entgelt für den mit Betreuung und Erziehung verbundenen Arbeits- und Zeitaufwand darstelle. Für eine Ausnahme lägen keine Gründe vor. Im Unterschied zu nach anderen Sozialgesetzen gewährtem Pflegegeld (vgl. § 13 Abs. 5 und 6 [X.]) fehle es beim [X.] des Pflegegeldes nach § 39 [X.] an einer besonderen gesetzlichen Ausnahme von der Einkommensberücksichtigung.
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
a) Ob ein von Pflegeeltern bezogener sogenannter [X.] (Kosten für die Pflege und Erziehung des Kindes) als Bestanteil des sogenannten Pflegegelds nach § 39 Abs. 1 [X.] im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO als Einkommen zu berücksichtigen ist, ist umstritten.
Zum Teil wird vertreten, Pflegegeld sei (auch) hinsichtlich des [X.]s grundsätzlich kein einzusetzendes Einkommen der Pflegeeltern ([X.], 815, 816; [X.] FamRZ 2017, 1587, 1588; Prütting/[X.]/[X.] FamFG 5. Aufl. § 76 Rn. 26; [X.] ZPO/[X.] [Stand: 1. September 2020] § 115 Rn. 18).
Nach überwiegender Meinung ist das Pflegegeld hinsichtlich des [X.]s als einzusetzendes Einkommen der Pflegeeltern anzusehen ([X.] FamRZ 2020, 1569; [X.] FamRZ 2013, 1755, 1756; [X.] FamRZ 2010, 1361; [X.] Beschluss vom 12. Juni 2009 - 9 [X.]/09 - juris Rn. 2; [X.] FamRZ 2004, 645, 646; OVG Münster Beschluss vom 16. Dezember 2013 - 12 A 1731/13 - juris Rn. 6; [X.]/[X.] ZPO 33. Aufl. § 115 Rn. 23; [X.] in Rahm/Künkel Handbuch Familien- und Familienverfahrensrecht 81. Lieferung 09.2020 Formelle Voraussetzungen der [X.] Rn. 298).
b) Nach zutreffender Auffassung ist der den Pflegeeltern zufließende [X.] nach § 39 Abs. 1 Satz 2 [X.] Einkommen im Sinne des Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilferechts.
aa) Nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO gehören zum Einkommen im Sinne der Verfahrenskostenhilfe alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Der [X.] hat wiederholt darauf hingewiesen, dass diese Definition mit derjenigen des § 82 Abs. 1 [X.]I wörtlich übereinstimmt und zudem hinsichtlich der vom Einkommen vorzunehmenden Abzüge in § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ZPO auf § 82 Abs. 2 [X.]I verwiesen wird. Daraus wird deutlich, dass der Einkommensbegriff des § 115 Abs. 1 ZPO an denjenigen des [X.] anknüpft. Dies erklärt sich auch daraus, dass Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe eine Form der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege darstellt (vgl. [X.]sbeschlüsse vom 14. Dezember 2016 - [X.] 207/15 - FamRZ 2017, 633 Rn. 7 [X.] und vom 26. Januar 2005 - [X.] 234/03 - FamRZ 2005, 605).
bb) Bei dem von den Pflegeeltern bezogenen [X.] nach § 39 Abs. 1 Satz 2 [X.] handelt es sich um Einkommen im Sinne von § 115 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO.
Gemäß § 27 Abs. 1 [X.] hat ein Personensorgeberechtigter bei der Erziehung eines Kindes Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 [X.] erbracht (§ 27 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Wird Hilfe durch Vollzeitpflege nach § 33 [X.] gewährt, ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes außerhalb des Elternhauses sicherzustellen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Der notwendige Unterhalt umfasst die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes (§ 39 Abs. 1 Satz 2 [X.]). [X.] hinsichtlich der im Annex zur Jugendhilfe als Sach- bzw. Dienstleistung stehenden sogenannten wirtschaftlichen Leistung ist der Personensorgeberechtigte (BVerwG FamRZ 1998, 551; OVG Lüneburg [X.] 2015, 435; vgl. BVerwGE 151, 44 = [X.], 659, 660).
Zwar wird das Pflegegeld in der Praxis regelmäßig statt des [X.]s - etwa aufgrund einer Abtretung - unmittelbar den Pflegepersonen bewilligt und an diese gezahlt. Die Pflegeeltern sind als solche aber weder Adressaten der bedarfsabhängigen Kinder- und Jugendhilfeleistung noch Berechtigte des Anspruchs aus § 39 [X.] (vgl. BayVGH [X.] 2014, 297 m. Anm. [X.]). Ihrer Tätigkeit liegt vielmehr regelmäßig eine Vereinbarung mit dem Jugendamt bzw. Jugendhilfeträger zugrunde. Der [X.] stellt mithin keine an die Pflegepersonen als Berechtigte erbrachte Sozialleistung dar, sondern seinem Verwendungszweck entsprechend eine an diese zur Abgeltung der von ihnen geleisteten Betreuung und Erziehung weitergeleitete Leistung (zutreffend [X.] FamRZ 2004, 645, 646). Deren Entgeltcharakter wird noch deutlicher, wenn die Pflegeeltern - etwa heil- oder sonderpädagogisch - besonders qualifiziert sind und für ihre Tätigkeit nach den Vorstellungen des Gesetzgebers höhere, an tariflichen Vergütungen orientierte Sätze bewilligt werden sollen (vgl. BT-Drucks. 11/5948 S. 77). Dass daraus einkommensteuerrechtlich grundsätzlich noch keine erwerbsmäßige Ausübung der Pflege folgt und das Einkommen als nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfreie Beihilfe anzusehen ist (vgl. [X.] Urteil vom 14. Juli 2020 - [X.]/18 - juris Rn. 19 ff. [X.]), steht dem nicht entgegen, weil insoweit weder das Prozesskostenhilfe- noch das Sozialhilferecht eine dem Steuerrecht vergleichbare Einschränkung des berücksichtigungsfähigen Einkommens vorsieht.
cc) Eine besondere Einschränkung der Berücksichtigung des [X.]s bei der Einkommensermittlung für andere Sozialleistungen (vgl. etwa § 13 Abs. 5 [X.] und § 10 Abs. 1 [X.]; vgl. [X.]sbeschluss vom 20. Mai 2020 - [X.] 537/19 - FamRZ 2020, 1284 Rn. 13 ff.) sieht das [X.] nicht vor. Die Regelung in § 11 a Abs. 3 SGB II (vgl. [X.], 100, 103) ist auf die Einkommensermittlung im Prozesskostenhilferecht nicht anwendbar ([X.] in Rahm/Künkel Handbuch Familien- und Familienverfahrensrecht 81. Lieferung 09.2020 Formelle Voraussetzungen der [X.] Rn. 298). Denn dieses verweist auf die Sozialhilfe als Referenzsystem, das eine § 11 a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II entsprechende Regelung nicht enthält. Der [X.] hat vergleichbar auch in anderem Zusammenhang die Übertragung von sich aus dem [X.] ergebenden Privilegierungen auf das Prozesskostenhilferecht abgelehnt (vgl. [X.]sbeschluss vom 5. Mai 2010 - [X.] 65/10 - FamRZ 2010, 1324 Rn. 13 f. zum Mehrbedarfszuschlag für Alleinerziehende).
dd) Auch eine entsprechende Anwendbarkeit von § 83 Abs. 1 [X.]I stünde der Berücksichtigung des [X.]s als Einkommen der Pflegeeltern nicht entgegen ([X.] FamRZ 1996, 900 zu § 77 [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/Trenczek Frankfurter Kommentar [X.] 8. Aufl. § 39 Rn. 8 [X.]; jurisPK-[X.]/v. [X.] [Stand: 2. Juni 2020] § 39 Rn. 49).
Gemäß § 83 Abs. 1 [X.]I sind Leistungen, die auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck dient. Ob die Leistungen zweckidentisch oder -verschieden sind, kann aber nur von Bedeutung sein, wenn sie sich an dieselbe Person als Anspruchsberechtigte richten. Das ist im vorliegenden Zusammenhang nicht der Fall.
Der Zweck des [X.]s besteht in der Befriedigung des bei dem Kind bestehenden Unterhaltsbedarfs, der - angelehnt an den bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsbegriff - neben dem sächlichen Bedarf auch den Betreuungs- und Erziehungsbedarf umfasst (vgl. BT-Drucks. 11/5948 S. 76; [X.]/[X.] BGB [2018] § 1610 Rn. 34). Entsprechend der auf den Kindesbedarf bezogenen Zwecksetzung des Anspruchs auf Kinder- und Jugendhilfe steht der Anspruch im Interesse des Kindes dem Personensorgeberechtigten zu. Der [X.] soll diesem als wirtschaftliche (Annex-)Leistung ermöglichen, die im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe primär geschuldeten Leistungen der Betreuung und Erziehung des Kindes als Dienstleistung zu beschaffen (vgl. BT-Drucks. 11/5948 S. 76). Die Einschränkung der Anrechnung von Leistungen soll dementsprechend vermeiden, dass diese für den mit der Leistung verfolgten Zweck - ganz oder teilweise - nicht zur Verfügung stehen. Eine solche Beeinträchtigung des mit dem [X.] verfolgten Zwecks ist beim unmittelbaren Bezug des [X.]s durch die Pflegeeltern ausgeschlossen. Da diese nicht Anspruchsberechtigte der Kinder- und Jugendhilfe sind, sondern die Leistung an die - etwa aufgrund einer entsprechenden Abtretung seitens des Personensorgeberechtigten - lediglich weitergeleitet wird, wird mit der Bewilligung des [X.]s ihnen gegenüber naturgemäß kein über die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung hinausgehender Leistungszweck verfolgt. Der [X.] stellt mithin in Bezug auf die Pflegeeltern ungeachtet der Frage, ob er insoweit ausreichend bemessen ist, das Äquivalent der von diesen erbrachten Betreuungs- und Erziehungsleistungen und keine Sozialleistung an sie dar. Der gesetzliche Zweck des [X.]s kann daher durch die unmittelbare Zahlung bzw. Weiterleitung an die Pflegeeltern nicht gefährdet werden, sondern wird - im Gegenteil - infolge der so beschafften Pflegeleistung gerade verwirklicht.
Soweit im Rahmen der Betreuung und Erziehung Bedarf an weiteren (Dienst-)Leistungen auftritt, die von den Pflegeeltern nicht persönlich erbracht werden (können), ist insoweit ein entsprechender Mehrbedarf gegeben, der zusätzlich zu übernehmen ist (vgl. OVG Münster [X.] 2015, 203, 204 f. zur Begleitung des Kindes zur Kindestagesstätte als zusätzlicher Sachaufwand). Andere in diesem Zusammenhang angeführte Verwendungen des Pflegegelds (so etwa die Beschaffung von Spielzeug, Büchern, Musikinstrumenten und Sportgeräten; vgl. [X.], 100, 103) sind bereits Bestandteil des Sachaufwands (vgl. Empfehlungen des [X.] in der Vollzeitpflege [§§ 33, 39 [X.]] für das Jahr 2021 [X.] - Abrufdatum: 1. Dezember 2020). Dieser ist im vorliegenden Fall entsprechend den Empfehlungen des [X.] nach der Doppelten des um das hälftige Kindergeld gekürzten [X.] der jeweiligen Altersstufe des Kindes bemessen (https://www.blja.bayern.de/imperia/md/content/blvf/bayerlandesjugendamt/bf_kapitel§09.pdf - Abrufdatum: 1. Dezember 2020).
Der [X.] dient somit im Verhältnis zu den Pflegeeltern als Entgelt für die von ihnen erbrachten Erziehungs- und Pflegeleistungen und steht ihnen zur freien Verfügung. Das Argument, der [X.] und die jeweilige Sozialleistung (hier: die Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe) dienten unterschiedlichen Zwecken, ist dagegen schon deshalb nicht aussagekräftig, weil [X.] und Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe für verschiedene Anspruchsberechtigte geleistet werden. Da die Berücksichtigung des [X.]s als Einkommen der Pflegeeltern den Zweck der Kinder- und Jugendhilfeleistung mithin nicht beeinträchtigen kann, besteht kein Grund, diesen von der verfahrenskostenhilferechtlichen Einkommensberücksichtigung auszunehmen.
Dose |
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[X.] |
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Schilling |
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Guhling |
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Krüger |
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Meta
09.12.2020
Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat
Beschluss
Sachgebiet: ZB
vorgehend OLG Nürnberg, 10. April 2019, Az: 9 WF 348/19
§ 115 Abs 1 S 2 ZPO, § 11a Abs 3 SGB 2, § 39 Abs 1 S 2 SGB 8, § 83 Abs 1 SGB 12, § 113 Abs 1 S 2 FamFG
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.12.2020, Az. XII ZB 191/19 (REWIS RS 2020, 1213)
Papierfundstellen: MDR 2021, 377-379 REWIS RS 2020, 1213
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
5 C 15/16 (Bundesverwaltungsgericht)
Keine Anrechnung von Pflegeversicherungsgeld auf das Pflegegeld nach § 39 SGB 8
5 C 4/21 (Bundesverwaltungsgericht)
Erstattung der Kosten für die Förderung in einer Kindertagesstätte über die vom Jugendhilfeträger gewährten Unterhaltspauschalen …
2 WF 109/18 (Oberlandesgericht Hamm)
5 C 36/15 (Bundesverwaltungsgericht)
Kürzung des Pflegegeldes bei Großelternpflege
5 C 12/11 (Bundesverwaltungsgericht)
Pflegegeld für die Großeltern eines Kindes; Zusammenleben von Großeltern, Eltern und Kind; Aufwendungsübernahme