Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2013, Az. V ZB 30/13

V. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4932

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 30/13
vom

19. Juni 2013

in der Abschiebungshaftsache

-
2
-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Juni 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, [X.]
Lemke und Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch und
die Richterinnen
Dr.
Brückner
und Weinland

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der 6. Zivilkammer des [X.] vom 15.
Februar 2013 und der Beschluss [X.] vom 13.
Februar 2013 die Betroffene in ihren Rechten verletzt haben.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Betroffenen in allen Instanzen werden dem [X.] auferlegt.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.000

Gründe:
I.
Die Betroffene, eine armenische Staatsangehörige, reiste eigenen Anga-ben zufolge im September 2011 mit einem LKW in die [X.] ein. Die dafür notwendigen Papiere besaß sie nicht. Ihren Antrag auf Aner-kennung als Asylberechtigte lehnte das [X.] und Flüchtlin-ge am 24.
Februar 2012 als offensichtlich unbegründet ab. Es forderte die Be-troffene auf, die [X.] innerhalb einer Woche nach [X.]
-
3
-
kanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Zudem wurde die Abschiebung [X.]. Die Betroffene kam der Aufforderung zur Ausreise nicht nach. Vom 3.
September 2012 bis zum 18.
Januar 2013 war sie unbekannten Aufenthalts.
Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 13.
Februar 2013 gegen die Betroffene mit sofortiger Wirkung Haft zur Si-cherung der Abschiebung für die Dauer von längstens sechs Wochen angeord-net. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das [X.] mit Beschluss vom 15.
Februar 2013 zurückgewiesen. Nach dem Ende der Haftzeit will die Betroffene mit der Rechtsbeschwerde die Feststellung errei-chen, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts und des [X.]s sie in ihren Rechten verletzt
haben.
II.
Nach Auffassung des [X.] lagen die Voraussetzungen für die Anordnung von [X.] vor. Die Betroffene sei aufgrund ihrer unerlaubten Einreise und der Entscheidung des [X.] vollziehbar ausreisepflichtig gewesen. Es sei zu befürchten gewe-sen, dass sie sich der drohenden Zurückschiebung habe entziehen wollen.
III.
Die nach §
70 Abs.
3 Satz
1 Nr.
3, Satz
2 FamFG
ohne Zulassung und nach Erledigung der Hauptsache
statthafte (Senat, Beschluss vom 25.
Fe-bruar 2010
[X.], NVwZ
2010, 726) und auch im Übrigen
zulässige

71 FamFG)
Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben. Das gilt auch in [X.] der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in denen das Rechtsbeschwerdegericht 2
3
4
5
-
4
-
gemäß Nr.
74 Abs.
3 Satz
4 FamFG, §
559 ZPO grundsätzlich von dem Sach-verhalt auszugehen hat, den das Beschwerdegericht festzustellen hat. Ausfüh-rungen des [X.], die eine solche Überprüfung nicht ermögli-chen, sind keine Gründe im verfahrensrechtlichen Sinn (siehe
nur Senat, [X.] vom 29.
März 2012
[X.], juris Rn.
3 mit umfangreichen Nach-weisen).
2. So liegt es hier. Der angefochtenen Entscheidung ist nicht einmal an-satzweise zu entnehmen, über welchen Sachverhalt das Beschwerdegericht entschieden hat.
3. Einer Aufhebung und Zurückverweisung der Sache wegen dieses von Amts wegen zu berücksichtigenden [X.] bedarf es allerdings nicht. Denn aus dem Haftantrag der beteiligten Behörde, dessen Zulässigkeit eine Verfahrensvoraussetzung und deshalb in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen ist, ergibt sich der zu beurteilende Sachverhalt.
4. Die Haftanordnung hat die Betroffene schon deshalb in ihren Rechten verletzt, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte. Zulässig ist der [X.] der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Fehlt es daran, darf die beantragte [X.] nicht angeordnet werden (siehe nur Senat, Beschluss vom 15.
September 2011

[X.], [X.] 2011, 317 Rn.
8).
a) Der Haftantrag genügte den gesetzlichen Anforderungen an die [X.] nicht, weil darin nicht alle in §
417 Abs.
2 Satz
2 FamFG genannten Punkte, zumindest
knapp, behandelt wurden (siehe eingehend Senat, [X.] vom 15.
September 2011
[X.], aaO Rn.
9).

6
7
8
9
-
5
-
b) Hinsichtlich der Durchführbarkeit der Abschiebung sind auf das Land bezogene Ausführungen erforderlich, in welches der Betroffene abgeschoben werden soll.
Anzugeben ist, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebun-gen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind (Senat, Beschluss vom 27.
Oktober 2011
[X.], [X.] 2012, 82 Rn.
13).
Notwendig sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung, in [X.] Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können (Senat, Beschluss vom 27.
Oktober 2011
[X.], aaO Rn.
14). Soweit mit dem Zielstaat ein Rückübernahmeabkommen besteht (hier das Abkommen zwischen der [X.] und der [X.] vom 16.
November 2006, [X.] II 1404), sind die danach durchzu-führenden Maßnahmen in dem Haftantrag darzustellen (Senat, Beschluss vom 14.
Februar 2012
[X.], juris Rn.
3). Derartige Angaben fehlten hier. Das Rückübernahmeabkommen erwähnte die beteiligte Behörde nicht. Der [X.] enthielt auch zu der erfahrungsgemäß notwendigen Vorbereitungsdauer für eine Abschiebung nach [X.] keine konkreten Angaben. Die beteiligte Be-hörde hatte lediglich ausgeführt, die beantragte Haftdauer von sechs Wochen sei notwendig gewesen, um Kontakt mit der armenischen Botschaft wegen ei-nes [X.] aufzunehmen, um sodann unverzüglich die [X.] nach [X.] durchführen zu können. Diese Ausführungen sind als im Wesentlichen universell einsetzbare Leerformeln, die über die Durchführung der Abschiebung und deren Dauer im konkreten Fall nichts aussagen, nicht ausrei-chend.
5. Auch die Entscheidung des [X.] hat die Betroffene in ihren Rechten verletzt.
Dies kann der Senat trotz der fehlenden Sachverhalts-darstellung in dem angefochtenen Beschluss ebenfalls feststellen. Denn entwe-der hat die beteiligte Behörde den Mangel des [X.] nicht behoben. Oder das Beschwerdegericht hat es
im Fall der Behebung des Mangels
versäumt, 10
11
-
6
-
die Betroffene erneut anzuhören, damit sie sich zu der Ergänzung des [X.]s äußern konnte. Damit hat das Beschwerdegericht gegen §
68 Abs.
3 Satz
1 in Verbindung mit §
420 Abs.
1 Satz
1 FamFG und Art.
104 Abs.
1 Satz
1, Abs.
3 GG verstoßen, weil die in §
68 Abs.
3 Satz
2 FamFG genannten Voraussetzungen für das Absehen von der Anhörung nicht vorlagen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 18.
August 2010
V ZB 119/10, juris Rn.
13
f.).
6. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§
74 Abs.
7 FamFG).
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
81 Abs.
1, §
83 Abs.
2, §
430
FamFG, Art.
5 [X.] analog, §
128c Abs.
3 Satz
2 KostO. Die Festsetzung des [X.] beruht auf §
128c Abs.
2, §
30 Abs.
2 KostO.
Stresemann
Lemke
Schmidt-Räntsch

Brückner
Weinland

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.02.2013 -
35b [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 15.02.2013 -
6 [X.] -

12
13

Meta

V ZB 30/13

19.06.2013

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2013, Az. V ZB 30/13 (REWIS RS 2013, 4932)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4932

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

V ZB 172/09

V ZB 123/11

V ZB 311/10

V ZB 119/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.