Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.01.2023, Az. 3 StR 353/22

3. Strafsenat | REWIS RS 2023, 1023

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 20. Dezember 2021

a) im Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass der Angeklagte schuldig ist der Bandeneinfuhr in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 20 Fällen, davon in fünf Fällen in zusätzlicher Tateinheit mit Bandenausfuhr, der Bandenausfuhr in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Führen einer halbautomatischen Schusswaffe und unerlaubtem Besitz von Munition;

b) aufgehoben

aa) soweit in Fall B.II.5. der Urteilsgründe keine Einzelstrafe verhängt worden ist,

bb) in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen [X.], B.II.7., B.II.8. und B.II.12. der Urteilsgründe sowie die Gesamtstrafen; die jeweils zugehörigen Feststellungen werden aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat zwei Gesamtfreiheitsstrafen gegen den Angeklagten verhängt: Wegen bandenmäßiger „Ein- bzw. Ausfuhr“ von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 18 Fällen hat es ihn unter Einbeziehung einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Wegen bandenmäßiger „Ein- bzw. Ausfuhr“ von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen, Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Besitz und Führen einer halbautomatischen Schusswaffe zum Verschießen von [X.] sowie unerlaubtem Besitz von Munition hat es ihn zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Außerdem hat das [X.] umfangreiche Einziehungsentscheidungen getroffen.

2

Die auf eine Verfahrensbeanstandung und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

3

1. Die Verfahrensrüge dringt aus den in der Antragsschrift des [X.] genannten Gründen nicht durch.

4

2. Die Überprüfung der Schuldsprüche offenbart lediglich folgende Mängel:

5

a) Das [X.] hat den Angeklagten zunächst rechtsfehlerfrei wegen bandenmäßiger Begehung von Ein- und Ausfuhren nach § 30a Abs. 1 BtMG verurteilt. Es hat hierzu festgestellt, dass er sich mit den ehemals Mitangeklagten und weiteren Personen (nur) zu gemeinsamen Ein- und Ausfuhrdelikten verbunden hatte und bis einschließlich Fall B.II.17. der Urteilsgründe weder eigene Umsatzgeschäfte mit Betäubungsmitteln führen wollte, noch in die An- und Verkäufe des [X.] eingebunden war, dessen Drogen die Gruppe europaweit transportierte. Es hat die Taten deshalb zutreffend als Bandeneinfuhr bzw. Bandenausfuhr gewürdigt, jeweils begangen in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben des [X.] mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (s. bereits [X.], Beschluss vom 7. September 2022 - 3 [X.], juris Rn. 19 f., zu einem ehemals Mitangeklagten).

6

Die Schuldsprüche in diesen Fällen sind jedoch dahin klarzustellen, dass der Angeklagte schuldig ist der

7

- Bandeneinfuhr in Tateinheit mit Bandenausfuhr und Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen (Fälle B.II.5. bis B.II.8. und [X.] der Urteilsgründe),

8

- Bandeneinfuhr in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 15 Fällen (Fälle B.II.3., [X.], [X.], [X.], B.II.16. und B.II.17. der Urteilsgründe) sowie

9

- Bandenausfuhr in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (Fälle B.II.13. und B.II.14. der Urteilsgründe).

b) In den Fällen B.II.18. und B.II.19. der Urteilsgründe waren der Angeklagte und seine Gruppe um eigene Umsatzgeschäfte bemüht, weshalb das [X.] ihn hier ebenfalls zutreffend wegen Bandenhandels im Sinne des § 30a Abs. 1 BtMG in zwei Fällen verurteilt hat. Der Schuldspruch ist lediglich um den Zusatz „in nicht geringer Menge“ zu ergänzen, um die Taten zu solchen nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG abzugrenzen. Das Verschlechterungsverbot nach § 358 StPO hindert die Verschärfung des Schuldspruchs nicht (s. [X.], Beschluss vom 7. September 2022 - 3 [X.], juris Rn. 30).

c) In Fall B.II.15. der Urteilsgründe hat das [X.] festgestellt, dass der Angeklagte einem Schuldner in der Öffentlichkeit mit einer Pistole ins Bein schoss. Soweit es ihn deshalb nicht nur wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Schusswaffe zum Verschießen von [X.] (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. [X.]) und unerlaubtem Besitz von Munition verurteilt hat, sondern auch wegen unerlaubten Besitzes der Waffe, hat der Schuldspruch keinen Bestand. Übt der Täter die tatsächliche Gewalt über eine Waffe wie hier außerhalb der eigenen Wohnung aus, so führt er sie. Das Führen verdrängt in diesem Fall die Umgangsform des Besitzes. Eine Verurteilung wegen tateinheitlich verwirklichten Besitzes der Waffe kommt nur in Betracht, wenn festgestellt ist, dass der Täter die tatsächliche Gewalt über sie auch innerhalb des eigenen befriedeten Besitztums ausübte ([X.], Beschlüsse vom 13. August 2009 - 3 [X.], [X.]R [X.] § 52 Konkurrenzen 2 Rn. 3; vom 20. August 2014 - 3 [X.], juris Rn. 2 mwN). Hierzu sind indes keine Feststellungen getroffen.

Der Schuldspruch ist entsprechend zu ändern. Der Strafausspruch von vier Jahren Freiheitsstrafe kann bestehen bleiben, weil auszuschließen ist, dass das [X.] ohne den ausgeurteilten tateinheitlichen Besitz der Waffe eine niedrigere Strafe verhängt hätte.

3. Andere Strafaussprüche weisen dagegen durchgreifende Rechtsfehler auf.

a) Das gilt zunächst für Fall B.II.5. der Urteilsgründe, in dem es das [X.] versäumt hat, eine [X.] zu verhängen. Dies wird die neu zur Entscheidung berufene [X.] nachzuholen haben. Das Verbot der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 StPO) steht dem nicht entgegen (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Januar 1998 - 2 [X.], [X.]R StPO § 354 Abs. 1 Strafausspruch 10 mwN).

b) In den Fällen [X.] bis B.II.8. der Urteilsgründe hat das [X.] strafschärfend gewürdigt, dass „die harte Droge Kokain transportiert wurde“. Nach den getroffenen Feststellungen verbrachte die Gruppe in diesen Fällen jedoch jeweils kein Kokain, sondern Amphetamin von [X.] über [X.] nach [X.]. Bei Amphetamin handelt es sich um ein Betäubungsmittel von mittlerer Gefährlichkeit. Deshalb darf der Art der transportierten Droge hier keine schulderhöhende Wirkung beigemessen werden (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Juli 2022 - 3 [X.], juris Rn. 3 mwN). Auf diesem Rechtsfehler beruhen die Strafaussprüche von jeweils fünf Jahren und sechs Monaten. Es ist nicht auszuschließen, dass die [X.] geringere [X.]n verhängt hätte, wäre sie nicht vom Transport einer harten Droge ausgegangen.

c) [X.] ist schließlich die in Fall B.II.12. der Urteilsgründe verhängte [X.]. In diesem Fall hat das [X.] festgestellt, dass der Angeklagte für [X.] Kokain aus dem Hafen in [X.] herausschmuggelte und die Drogen in das [X.] Grenzgebiet verbrachte. Es hat ihn deshalb rechtlich zutreffend wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Bei einem länderübergreifenden Transport ist erst dann der Tatbestand der Einfuhr nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG erfüllt, wenn die Drogen [X.] Staatsgebiet erreichen. Die Norm schützt (nur) die inländische Bevölkerung vor den Gefahren der Drogensucht, nicht die [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Februar 2011 - 1 [X.], [X.]St 56, 162 Rn. 9 mwN). Die [X.] hat allerdings der Strafzumessung in diesem Fall gleichwohl den Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt anstelle desjenigen des milderen § 29a Abs. 1 BtMG. Trotz der an sich maßvollen Freiheitsstrafe von fünf Jahren ist nicht auszuschließen, dass bei zutreffender Annahme einer niedrigeren Strafuntergrenze eine geringere Strafe ausgeurteilt worden wäre.

d) Die Aufhebung der ([X.] in den Fällen B.II.5. bis B.II.8. der Urteilsgründe bringt den ersten [X.] zu Fall, die der [X.] in Tat B.II.12. der Urteilsgründe den zweiten.

Im Übrigen begegnet die Gesamtstrafenbildung keinen rechtlichen Bedenken. Der Senat teilt nicht den in der Antragsschrift des [X.] dargelegten Einwand, das [X.] habe es versäumt, die besondere Größenordnung zu erörtern, die sich aus der Summe der beiden Gesamtstrafen ergebe, und dem durch einen [X.] sichtbar Rechnung zu tragen. Zwar ist ein zu hohes Gesamtstrafübel auszugleichen, das sich dadurch ergibt, dass die Zäsurwirkung eines Urteils die Bildung mehrerer Gesamtstrafen erfordert. Das gilt insbesondere bei einer voraussichtlichen Gesamtvollstreckungsdauer, die - wie hier - diejenige einer lebenslangen Freiheitsstrafe erreicht oder überschreitet. In solchen Fällen gewinnt der Aspekt des [X.]s gesteigerte Bedeutung. Es genügt dann nicht, wenn das Urteil erkennen lässt, dass sich das Tatgericht der Höhe des [X.] bewusst gewesen ist und dieses für angemessen gehalten hat. Die besondere Größenordnung der Gesamtstrafensumme muss vielmehr im Urteil erörtert werden; ihr ist sodann durch einen erheblichen [X.] sichtbar Rechnung zu tragen. Dabei ist auch das Ausmaß der Warnwirkung des zäsurbildenden Urteils zu berücksichtigen ([X.], Urteile vom 12. August 1998 - 3 StR 537/97, [X.]St 44, 179, 185 f.; vom 27. Oktober 1999 - 3 [X.], [X.], 137, 138; Beschluss vom 24. Juli 2007 - 4 [X.], juris Rn. 4). Auf welche konkrete Weise das Tatgericht den [X.] vornimmt, steht in seinem Ermessen (st. Rspr.; s. etwa [X.], Beschluss vom 26. Januar 2022 - 3 [X.], [X.]R StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 [X.] 29 Rn. 8 mwN).

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil jedoch gerecht. Die [X.] hat zunächst zutreffend ausgeführt, dass die Zäsurwirkung der Vorverurteilung die Bildung zweier Gesamtstrafen erforderlich mache und deren Summe das Höchstmaß für eine zeitige Freiheitsstrafe deutlich überschreite. Das [X.] hat weiter erörtert, dass und warum es diese Überschreitung für angemessen gehalten habe, und dies unter anderem mit der Warnwirkung des zäsurbildenden Urteils begründet. Die [X.] hat schließlich erläutert, dass sie das Gesamtstrafübel abgemildert habe, indem die jeweilige Einsatzstrafe nur maßvoll erhöht worden sei. Dem entspricht die konkrete Bemessung der Gesamtstrafen. Der ersten Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren liegt eine Einsatzstrafe von sieben Jahren Freiheitsstrafe zugrunde, der zweiten von zwölf Jahren eine solche von acht Jahren und sechs Monaten. Damit sind die für den [X.] erforderlichen Gedankenschritte dargelegt und umgesetzt worden.

e) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können jeweils aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

Schäfer     

  

Paul     

  

Berg

  

Erbguth     

  

Kreicker     

  

Meta

3 StR 353/22

25.01.2023

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Koblenz, 20. Dezember 2021, Az: 1 KLs 2090 Js 45717/17

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.01.2023, Az. 3 StR 353/22 (REWIS RS 2023, 1023)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1023

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 165/22 (Bundesgerichtshof)


4 StR 474/07 (Bundesgerichtshof)


2 StR 384/19 (Bundesgerichtshof)

Betäubungsmitteldelikt: Abgrenzung von Veräußerung und Handeltreiben von bzw. mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge


4 StR 298/17 (Bundesgerichtshof)

Betäubungsmitteldelikt: Konkurrenzverhältnis zwischen Handeltreiben und Besitz einer anderen Betäubungsmittelmenge zum Eigenkonsum


2 StR 42/23 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.