Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.07.2017, Az. I ZB 94/16

1. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 8026

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Gegenstand

Streitwertbemessung: Wert der Beschwer bei Auskunftsanspruch


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 12. Zivilsenats des [X.] vom 25. August 2016 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.

Wert des [X.]: 500 €

Gründe

1

I. Die Klägerin, der [X.] und [X.]waren Gesellschafter und Geschäftsführer der [X.] (im Folgenden: Kommanditgesellschaft). Der [X.] und [X.]verließen die Kommanditgesellschaft und standen mit einem Unternehmen in Verbindung, das Wettbewerber der Kommanditgesellschaft war und das einen Teil von deren Mitarbeitern übernahm.

2

Der [X.] war bei der Kommanditgesellschaft Administrator mit Zugriff auf die E-Mail-Adresse der Klägerin. Die Gesellschafter der Kommanditgesellschaft richteten anlässlich der Trennung neue E-Mail-Adressen ein, wobei die alten E-Mail-Adressen weiterhin fortbestanden und von Kunden der Kommanditgesellschaft auch genutzt wurden. Mit Ablauf des 31. Oktober 2011 veranlasste der [X.] die Sperrung des Zugriffs der Klägerin auf ihre alte E-Mail-Adresse.

3

Nachdem die Klägerin davon erfuhr, dass unter ihrer alten E-Mail-Adresse weiterhin Nachrichten von Geschäftspartnern eingingen, bat sie den [X.]n darum, die E-Mails an ihre neue E-Mail-Adresse weiterzuleiten. Der anwaltliche Vertreter des [X.]n bot mit Schreiben vom 30. November 2011 an, die E-Mail-Konten von ehemaligen Mitarbeitern der Kommanditgesellschaft zu löschen, so dass ein Zugang von E-Mails unmöglich wird. Dieses Angebot nahm die Klägerin durch anwaltliches Schreiben vom 8. Dezember 2011 an.

4

Die Klägerin wurde am 27. September 2012 darauf aufmerksam, dass die Löschung ihres alten E-Mail-Kontos unterblieben war. Die Klägerin hat Stufenklage erhoben und in der ersten Stufe zur Vorbereitung von Schadensersatzansprüchen vom [X.]n [X.] darüber verlangt, welche E-Mail-Nachrichten im Zeitraum vom 1. November 2011 bis zum 1. Oktober 2012 an ihrer alten E-Mail-Adresse eingegangen waren.

5

Der [X.] behauptet, er habe die alte E-Mail-Adresse der Klägerin nach Erhalt der Abmahnung der Klägerin vom 29. September 2012 gelöscht. Er macht geltend, eine Wiederherstellung der Daten und eine [X.] über den Inhalt der Nachrichten sei damit unmöglich geworden.

6

Das [X.] hat dem [X.]santrag durch Teilurteil stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des [X.]n als unzulässig verworfen, nachdem es den Streitwert für das Berufungsverfahren auf bis zu 500 € festgesetzt hatte ([X.], Beschluss vom 25. August 2016 - 12 U 52/16, juris). Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des [X.]n, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

7

II. Das Berufungsgericht hat die Berufung des [X.]n gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig angesehen, da die [X.] des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht erreicht sei und das [X.] die Berufung nicht zugelassen habe. Zur Begründung hat es ausgeführt:

8

Der Streitwert für das Berufungsverfahren betrage 500 €, so dass die [X.] von 600 € nicht erreicht sei. Der Wert der Beschwer des zur [X.] Verurteilten bemesse sich nach seinem Interesse, die [X.] nicht erteilen zu müssen. Dabei sei auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, die die Erteilung der geschuldeten [X.] erfordere. Dieser Aufwand des [X.]n übersteige einen Betrag von 500 € nicht, weil nach seinen eigenen Angaben die Sicherung von relevanten Daten für ihn eine Selbstverständlichkeit sei. Der [X.] habe gegen die Streitwertfestsetzung durch das Berufungsgericht in entsprechender Höhe keine Einwände mehr erhoben. Das vorgelegte Angebot eines IT-Dienstleisters für die Wiederherstellung eines [X.] von [X.] könne nicht berücksichtigt werden, weil der [X.] vorgetragen habe, er habe kein Backup der streitgegenständlichen E-Mails erstellt. Zum zu erwartenden Kostenaufwand, um mit anwaltlicher Hilfe Vollstreckungsversuche hinsichtlich einer etwa unmöglichen Leistung abzuwehren, habe der [X.] nichts vorgetragen. Der [X.] habe nicht beantragt, unter Nachholung einer insoweit unterbliebenen Entscheidung des [X.]s die Berufung zuzulassen. Es könne im Übrigen nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit festgestellt werden, dass das [X.] über die Zulassung der Berufung nicht befunden habe, weil es von der Rechtsmittelfähigkeit seines Teilurteils ausgegangen sei.

9

III. [X.] ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft, aber nicht zulässig, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch eine Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Berufung des [X.]n als unzulässig verworfen.

1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Wert des [X.] die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO von 600 € nicht übersteigt.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] bemisst sich der Wert der Beschwer bei der Verurteilung zur [X.]serteilung nicht nach dem Wert des mit der Klage geltend gemachten [X.]sanspruchs, sondern nach dem Interesse der verurteilten [X.], die [X.] nicht erteilen zu müssen. Dabei ist - von dem hier nicht in Rede stehenden Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses abgesehen - im Wesentlichen auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die Erteilung der hiernach geschuldeten [X.] erfordert (vgl. [X.], Beschluss vom 24. November 1994 - [X.], [X.]Z 128, 85, 87 ff.; Beschluss vom 28. Januar 2016 - [X.]/15, juris Rn. 5 mwN). Nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 ZPO hat der Berufungskläger den Wert des [X.] glaubhaft zu machen. Zwar hat das Gericht diesen Wert selbstständig nach freiem Ermessen zu ermitteln. Das enthebt den Berufungsführer aber nicht von seiner Obliegenheit, für die Schätzung erforderliche Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen ([X.], Beschluss vom 17. November 2015 - [X.], [X.], 348 Rn. 11). Hiervon ist das Berufungsgericht ausgegangen.

b) Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde den Anspruch des [X.]n auf rechtliches Gehör bei der Bemessung seiner Beschwer durch das landgerichtliche Teilurteil nicht verletzt. Weder hat es Vortrag des [X.]n zu den Tatsachen, die für die Schätzung der Beschwer erforderlich sind, übergangen, noch hat es entsprechenden Vortrag in einer Weise missverstanden, dass darin ein Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegen würde.

aa) Das Berufungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss den Vortrag des [X.]n wiedergegeben, dass ihm die begehrte [X.] unmöglich sei, da Backups der streitgegenständlichen E-Mails nicht existierten. Der [X.] habe für die Darlegung seiner Beschwer einen Kostenvoranschlag eines IT-Dienstleisters über einen Betrag in Höhe von 2.360 € vorgelegt, um zu belegen, welche Kosten mit der nach seinem Vortrag unmöglichen Ermittlung und Herausgabe der E-Mails entstehen würden, wenn auf seinem Computersystem Backups der streitgegenständlichen E-Mails vorhanden wären. Daraus ist ersichtlich, dass das Berufungsgericht den als übergangen gerügten Vortrag des [X.]n zur Kenntnis genommen hat.

bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, dieser Vortrag könne bei der Ermittlung der Beschwer des [X.]n nicht berücksichtigt werden, weil nach seinem Vortrag ein Backup nicht erstellt und deshalb auch nicht wiederhergestellt werden könne. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Nach dem eigenen Vortrag des [X.]n handelt es sich bei den von ihm behaupteten Kosten zur Erfüllung des ausgeurteilten [X.]sanspruchs nicht um tatsächliche Kosten, sondern um fiktive Kosten, weil nach seiner Behauptung tatsächlich keine Backups existieren. Fiktive Kosten können bei der Ermittlung seiner Beschwer durch das angefochtene landgerichtliche Urteil nicht berücksichtigt werden. Maßgeblich ist allein eine tatsächliche, vom [X.]n darzulegende Beschwer. Aus diesem Grund kann der [X.] nicht mit Erfolg geltend machen, das Berufungsgericht habe berücksichtigen müssen, dass er trotz [X.] für die Ermittlung des Werts des [X.] hypothetisch habe unterstellen wollen, dass auf seinem Computersystem Backups vorhanden seien.

c) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beschwer des [X.]n darin liegt, dass er nach seinem Vorbringen zu einer unmöglichen Leistung verurteilt worden ist und dass er deshalb darzulegen hat, dass diese Verurteilung ihn in einer Höhe von mehr als 600 € beschwert. Im Ergebnis zu Recht ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass dies nicht der Fall ist.

aa) Bei der Bemessung der Beschwer ist auch der zu erwartende Kostenaufwand zu berücksichtigen, der notwendig ist, um mit anwaltlicher Hilfe Vollstreckungsversuche aus der Verurteilung zu einer unmöglichen Leistung abzuwehren ([X.], Beschluss vom 28. Januar 2016 - [X.]/15, juris Rn. 9 mwN). Dabei genügt es, wenn der [X.] im Rahmen der Verurteilung zur [X.] zu einer nach seinem Vortrag unmöglichen Leistung verurteilt worden ist ([X.], Beschluss vom 4. Juni 2014 - [X.], juris Rn. 11). Dies hat das Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt.

bb) Das Berufungsgericht hat diese Kosten allerdings zu Unrecht mit der Begründung nicht berücksichtigt, der [X.] habe zu deren Höhe nichts vorgetragen. Das Berufungsgericht war gehalten, diese Kosten selbst zu berechnen, weil sie vom Streitwert des vorliegenden Verfahrens abhängen und ihre Höhe gesetzlich festgelegt ist. Dieser Rechtsfehler wirkt sich jedoch im Ergebnis nicht aus, weil - worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung zutreffend verweist - diese Kosten unter 600 € liegen.

(1) Die Klägerin hat den Streitwert für die von ihr erhobene Stufenklage vorläufig mit 60.000 € beziffert. Das [X.] hat ohne eine förmliche Streitwertfestsetzung hieraus die Höhe des [X.] errechnet und ihn bei der Klägerin angefordert. Bei einer Stufenklage haben zwar alle verbundenen Ansprüche einen eigenen Streitwert. Für die Streitwertfestsetzung ist maßgeblich jedoch nach § 44 GKG nur der Anspruch mit dem höheren Wert. Dies ist bei einer Stufenklage regelmäßig der Leistungsanspruch. Von einem solchen Regelfall ist mangels abweichender Anhaltspunkte im Streitfall auszugehen. Verfolgt die Klägerin mit ihrer bisher unbezifferten Schadensersatzklage Ersatzansprüche in Höhe von 60.000 €, ist der Wert des [X.]sanspruchs mit einem Bruchteil hiervon zu bemessen. [X.] macht geltend, im Streitfall sei ein Bruchteil von einem Viertel angemessen. Danach hätte der [X.]sanspruch einen Streitwert von 15.000 €.

(2) Im Zwangsvollstreckungsverfahren können an anwaltlichen Gebühren eine 0,3fache Verfahrensgebühr gemäß [X.] Nr. 3309 und eine 0,3fache Terminsgebühr nach [X.] Nr. 3310 entstehen. Die Entstehung einer Terminsgebühr nach [X.] Nr. 3310 in der Zwangsvollstreckung ist allerdings selten. Selbst wenn jedoch im Streitfall zugunsten des [X.]n unterstellt wird, dass im Zwangsvollstreckungsverfahren eine Terminsgebühr anfallen würde, betragen die in diesem Verfahren entstehenden Anwaltsgebühren unter Einschluss der Postpauschale und der Mehrwertsteuer lediglich 487,90 € brutto. Dies übersteigt den für die Zulässigkeit der Berufung maßgeblichen Betrag von 600 € nicht.

cc) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist bei der Bemessung des Werts der Beschwer des [X.]n der zu erwartende Kostenaufwand zur Abwehr von Vollstreckungsversuchen aus der Verurteilung zu einer unmöglichen Leistung in Höhe von 487,90 € nicht mit dem Betrag von 500 € zusammenzurechnen, den das Berufungsgericht als Wert der Beschwer des [X.]n ohne Berücksichtigung dieses Aufwands festgesetzt hat. Bei diesen Beträgen handelt es sich um Kosten, die alternativ und nicht kumulativ entstehen können. Der Wertfestsetzung des [X.] liegt der geschätzte Aufwand zugrunde, der dem [X.]n für die Erteilung der streitigen [X.] entstehen würde, wenn er hierzu in der Lage wäre. Anwaltliche Kosten zur Abwehr der Zwangsvollstreckung aus einer Verurteilung zu einer unmöglichen Leistung können den [X.]n dagegen nur dann beschweren, wenn ihm die [X.] unmöglich ist. Im Fall einer Verurteilung zu einer unmöglichen Leistung kann daneben ein eigener Aufwand des [X.]n zu deren Erfüllung denknotwendig in nennenswerter Höhe nicht entstehen, weil Erfüllung bereits mit seiner Erklärung eintritt, er könne der [X.]sverpflichtung nicht nachkommen. Soweit der [X.] anwaltliche Kosten zur Abwehr der Zwangsvollstreckung und eigenen Aufwand der zur [X.] verurteilten [X.] zusammengerechnet hat, betraf dies Fallkonstellationen, in denen diese Kosten - anders als im Streitfall - kumulativ entstehen konnten ([X.], Beschluss vom 11. Mai 2016 - [X.], [X.], 1448 Rn. 16 mwN).

d) Dem [X.]n wird durch eine unterhalb der [X.] liegende Festsetzung seiner Beschwer nicht in unzumutbarer Weise der Zugang zur Berufungsinstanz erschwert. Zwar muss der zur [X.]serteilung Verurteilte die [X.] wahrheitsgemäß und vollständig erteilen. Ob aber die erteilte [X.] diesen Anforderungen genügt, unterliegt in aller Regel nicht der weiteren Nachprüfung im [X.]sprozess oder im Zwangsvollstreckungsverfahren. Mit der Erteilung der [X.] ist der dem Urteil zugrundeliegende [X.]sanspruch erfüllt. Eine Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO kommt allenfalls dann in Betracht, wenn der Pflichtige die [X.] verweigert oder wenn die erteilte [X.] erkennen lässt, dass er von der [X.]spflicht umfasste Informationen zurückhält. Erklärt er dagegen, nicht mehr als das Mitgeteilte zu wissen und in Erfahrung bringen zu können, so hat er seiner [X.]spflicht genügt, mag auch die erteilte [X.] unrichtig oder unvollständig sein. In einem solchen Fall ist für Vollstreckungsmaßnahmen kein Raum; vielmehr trägt das Gesetz dem Interesse des [X.]sberechtigten, eine wahrheitsgemäße und vollständige [X.] zu erhalten, dadurch Rechnung, dass es ihm gegen den Pflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gewährt, der im Wege der Stufenklage mit dem [X.]sverlangen verbunden werden kann ([X.], Urteil vom 14. Juni 1993 - [X.], juris Rn. 8). Sollte der [X.] im Zwangsvollstreckungsverfahren erklären, er könne keine [X.] erteilen, weil er die E-Mails ohne vorherige Kenntnisnahme gelöscht habe, kommt er damit zwar nicht unmittelbar der ausgeurteilten [X.]sverpflichtung nach. Wenn dieser Sachverhalt jedoch den Tatsachen entspricht, kann er die ihn treffende [X.]sverpflichtung nur auf diese Weise erfüllen (vgl. [X.], Urteil vom 14. Juni 1993 - [X.], juris Rn. 9).

2. [X.] dringt mit ihrer Rüge, das Berufungsgericht habe über die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 4 ZPO selbst entscheiden müssen, weil das [X.] hierüber nicht befunden habe, im Ergebnis ebenfalls nicht durch.

a) Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung ist, wie sich aus § 511 Abs. 4 Satz 1 ZPO ergibt, grundsätzlich dem Gericht des ersten Rechtszugs vorbehalten. Hat - wie hier - keine [X.] die Zulassung der Berufung beantragt, so ist eine ausdrückliche Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts entbehrlich; das Schweigen im Urteil bedeutet in diesem Fall Nichtzulassung ([X.], Beschluss vom 28. Januar 2016 - [X.]/15, juris Rn. 13 f.). Nach der Rechtsprechung des [X.] muss das Berufungsgericht allerdings - bevor es die Berufung mangels ausreichender Beschwer verwerfen darf - eine Entscheidung über die Zulassung der Berufung nachholen, wenn das erstinstanzliche Gericht hierzu keine Veranlassung gesehen hat, weil es von einer Beschwer der unterlegenen [X.] ausgegangen ist, die 600 € übersteigt, das Berufungsgericht diesen Wert aber nicht für erreicht hält ([X.], Urteil vom 7. März 2012 - [X.], NJW-RR 2012, 633, 634 Rn. 13; Beschluss vom 16. August 2012 - [X.], [X.] 2013, 161 Rn. 8, jeweils mwN).

b) [X.] beanstandet zu Recht die Annahme des [X.], es sei ein Antrag des [X.]n erforderlich, um eine Entscheidung über die Zulassung der Berufung nachzuholen. Die Entscheidung über die Zulassung eines Rechtsmittels hat von Amts wegen zu erfolgen. Zulassungsanträge der [X.]en sind lediglich Anregungen an das Gericht. Das Berufungsgericht hat dementsprechend die Entscheidung über die Zulassung der Berufung von Amts wegen nachzuholen, wenn das erstinstanzliche Gericht diese Entscheidung irrtümlich unterlassen hat.

c) Entgegen der Ansicht des [X.] ist im Streitfall erkennbar, dass das [X.] von einer Rechtsmittelfähigkeit seiner Entscheidung ausgegangen ist und deshalb irrtümlich eine Entscheidung über die Zulassung der Berufung unterlassen hat.

aa) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass aus dem Streitwert des landgerichtlichen Verfahrens von 60.000 € nicht geschlossen werden kann, dass das [X.] von einer Beschwer des unterlegenen [X.]n von über 600 € ausgegangen ist. Bei der [X.]sklage fallen der Streitwert der Klage und die Beschwer des verurteilten [X.]n in aller Regel auseinander. Der Streitwert richtet sich nach dem Interesse des [X.] an der Erteilung der [X.]. Dieses ist nach einem gemäß § 3 ZPO zu schätzenden Teilwert des Anspruchs zu bemessen, dessen Durchsetzung die verlangte Information dienen soll. Demgegenüber richtet sich die Beschwer des zur Erteilung der [X.] verurteilten [X.]n nach seinem Interesse, die [X.] nicht erteilen zu müssen ([X.], Beschluss vom 26. Oktober 2011 - [X.] 465/11, juris Rn. 11).

bb) Die Annahme des [X.], die Entscheidung des [X.]s zur vorläufigen Vollstreckbarkeit lasse nicht zweifelsfrei erkennen, dass es von einer zulassungsunabhängigen Rechtsmittelfähigkeit seiner Entscheidung ausgegangen sei, trifft dagegen nicht zu.

(1) Das [X.] hat eine Sicherheitsleistung nach § 709 Satz 1 ZPO in Höhe von 4.000 € angeordnet. Der Fall liegt damit anders als diejenigen Fälle, in denen das Urteil nach § 708 ZPO ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt und eine Abwendungsbefugnis gemäß § 711 ZPO ausgesprochen worden ist. In diesen Fällen deutet die Abwendungsbefugnis darauf hin, dass die Anwendbarkeit des § 713 ZPO verneint und mithin die Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung bejaht worden ist ([X.], Beschluss vom 21. April 2010 - [X.] 128/09, NJW-RR 2010, 934 Rn. 20).

(2) Der IV. Zivilsenat des [X.] hat entschieden, dass sich aus der fehlerhaften Anordnung einer Sicherheitsleistung nach § 709 ZPO und aus ihrer Höhe keine hinreichend sicheren Schlüsse zur Beurteilung der Rechtsmittelfähigkeit durch das erstinstanzliche Gericht ziehen lassen. Er ist der Ansicht, mit der Anwendung des § 709 ZPO seien inzident ein Fall des § 708 ZPO und damit auch die Voraussetzungen des § 711 ZPO verneint worden. Dann sei § 713 ZPO von vornherein nicht anwendbar, ohne dass es hierfür auf die Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung ankomme ([X.], Urteil vom 7. März 2012 - [X.], NJW-RR 2012, 633 Rn. 16 f.). Auf diese Überlegung hat das Berufungsgericht seine Entscheidung gestützt.

(3) Diese Erwägungen begegnen allerdings Bedenken. Nach Ansicht des Senats spricht die Anordnung einer Sicherheitsleistung nach § 709 ZPO in Höhe von 4.000 € dafür, dass das [X.] von einer Rechtsmittelfähigkeit seiner Entscheidung ausgegangen ist und deshalb eine Prüfung, ob die Berufung zuzulassen ist, unterlassen hat. Im Streitfall handelt es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit, weil [X.] eine Verurteilung zum Schadensersatz wegen der Verletzung einer vertraglichen Pflicht ist. Bei derartigen Streitigkeiten richtet sich die Vollstreckbarkeitsentscheidung nach § 708 Nr. 11 ZPO, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 € nicht übersteigt. Liegt der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache darüber, ist eine Vollstreckbarkeitsentscheidung nach § 709 ZPO zu treffen. Die Höhe der Sicherheit ist bei einer Verurteilung zur [X.] nach dem voraussichtlichen Aufwand an Zeit und Kosten der [X.]sverurteilung zu bemessen (vgl. [X.]Z 128, 85, 87 ff.; [X.]/Kindl, ZPO, 7. Aufl., § 709 Rn. 2; [X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl., § 709 Rn. 6). Setzt das erstinstanzliche Gericht bei einer [X.]sverurteilung eine Sicherheitsleistung gemäß § 709 ZPO fest, spricht dies dafür, dass es von einer Beschwer von wenigstens 1.250 € und damit von einer Rechtsmittelfähigkeit seiner Entscheidung ausgegangen ist und irrtümlich eine Entscheidung über die Zulassung der Berufung unterlassen hat. Das Berufungsgericht hätte bei einer solchen Sachlage die Entscheidung über eine Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO nachholen müssen (vgl. [X.], Urteil vom 14. November 2007 - [X.], [X.], 218, 219; Beschluss vom 21. April 2010 - [X.] 128/09, NJW-RR 2010, 934 Rn. 21). Eine solche Entscheidung hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Das verhilft der Rechtsbeschwerde allerdings nicht zum Erfolg.

d) Die fehlende Prüfung der Zulassung der Berufung durch die Instanzgerichte ist hier allerdings unerheblich, weil eine Zulassung der Berufung ohnehin nicht in Betracht gekommen wäre. [X.] legt nicht dar, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Dafür ist auch nichts ersichtlich. Mangels Divergenz im Ergebnis kommt es deshalb nicht auf die Frage an, ob eine Vollstreckbarkeitsentscheidung nach § 709 ZPO in einer vermögensrechtlichen Streitigkeit in einer Zweifel ausschließenden Weise dafür spricht, dass das erstinstanzliche Gericht seine Entscheidung für rechtsmittelfähig gehalten hat.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Büscher     

       

Schaffert     

       

Löffler

       

Schwonke     

       

Feddersen     

       

Meta

I ZB 94/16

13.07.2017

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BGH, 19. Januar 2017, Az: I ZB 94/16, Beschluss

§ 3 ZPO, § 5 ZPO, § 511 Abs 2 Nr 1 ZPO, § 511 Abs 3 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.07.2017, Az. I ZB 94/16 (REWIS RS 2017, 8026)

Papier­fundstellen: WM2017,782 REWIS RS 2017, 8026


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZB 94/16

Bundesgerichtshof, I ZB 94/16, 13.07.2017.

Bundesgerichtshof, I ZB 94/16, 19.01.2017.


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