Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.02.2003, Az. V ZR 422/02

V. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 4411

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[X.] ZR 422/02vom13. Februar 2003in dem [X.]:nein[X.]Z:[X.]: [X.] § 233 [X.] Rechtsanwalt, der das [X.] über eine Urteilszustellung zurück-reicht, obwohl für ihn die vollständige Fristensicherung zumindest zweifelhaft seinmußte, trifft eine besondere Sorgfaltspflicht. Ihr ist nicht genügt, wenn der Rechts-anwalt die Handakten mit der Verfügung zur sofortigen Wiedervorlage in den Ge-schäftsgang seines Büros gibt, um erst anschließend zu überprüfen, ob die Frist no-tiert ist. Erfolgt die Wiedervorlage der Handakten rechtzeitig, vergißt der [X.] aber die weitere Bearbeitung, so ist ihm auch in Situationen ungewöhnlichen[X.] als Verschulden vorzuwerfen, daß er nicht sofort die Fristensicherungklärte, oder - falls dies nicht möglich war - an seinem Arbeitsplatz für eine Erinne-rung an die Dringlichkeit der Sache sorgte.[X.], [X.]. v. 13. Februar 2003 - [X.] - [X.] -Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 13. Februar 2003 durch [X.] des [X.] Dr. [X.] und [X.],Prof. Dr. [X.], [X.] und [X.]:Der Antrag der Klägerin und des [X.] auf Wieder-einsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der [X.] Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde wird [X.].Die Beschwerde der Klägerin und des [X.] gegendie Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 19. September 2002 wird [X.] verworfen.Die Kosten des Beschwerdeverfahrens, einschließlich der Kostender Streithelferin, tragen die Klägerin und der Drittwiderbeklagte.Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 59.258,73 festgesetzt.Gründe:[X.] Klägerin nimmt die Beklagte - auch aus abgetretenem Recht ihresEhemanns - wegen angeblich falscher Informationen beim Kauf einer Eigen-tumswohnung auf Rückabwicklung dieses Geschäfts in Anspruch. Mit ihrer Wi-- 3 -derklage verlangt die Beklagte die Feststellung, daß dem [X.]- dem Ehemann der Klägerin - keine Schadensersatzansprüche aus dem Kaufder Eigentumswohnung zustehen. Das [X.] hat die Klage abgewiesenund der Widerklage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klä-gerin und des [X.] hat das [X.] zurückgewiesen.Ihrem zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten ist das [X.] 18. Oktober 2002 zugestellt worden. Gegen die Nichtzulassung der [X.] in dem Berufungsurteil haben die Klägerin und der Drittwiderbeklagte mitam 13. Dezember 2002 eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt undgleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung derFrist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt.Zur Begründung des [X.] tragen sie unter Glaub-haftmachung vor, auf Grund eines [X.], das nach der [X.] Büros ihres zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten an sich [X.] sei, sei die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerdenicht notiert worden. Dies sei erst am 29. November 2002 bemerkt worden. [X.] sei so organisiert, daß jedes eingehende Schriftstück vom [X.] durchgesehen werden müsse. Fristen müßten in einem [X.] [X.] erfaßt werden. Danach werde das Schriftstück mit ei-nem vorgehefteten Ausdruck der erfaßten Frist dem [X.] vorgelegt. Dieser müsse die Frist kontrollieren und abzeichnen.Die Einhaltung der [X.] werde regelmäßig kontrolliert. Im [X.] Fall sei eine Auszubildende im dritten Lehrjahr, die sich als sehr zu-verlässig erwiesen habe, mit der Posteingangsbearbeitung betraut gewesen.Sie habe es aus nicht mehr aufklärbaren Gründen am 18. Oktober 2002 unter-- 4 -lassen, eine Frist vorzunotieren und dem Berufungsurteil einen Fristausdruckbeizuheften. Dies sei dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt aufgefallen. [X.] verfügt, daß eine Abschrift des Urteils für die [X.] gefertigt und ihm dieAkte sofort wieder vorgelegt werde. Nach der Wiedervorlage habe er kontrollie-ren wollen, ob die Frist überhaupt und ggf. richtig eingetragen sei. Ob die [X.] Wiedervorlage der Akte unterblieben oder die Akte von dem [X.] wegen seiner starken Arbeitsbelastung zunächst nicht beachtet [X.], lasse sich nicht mehr aufklären. In der fraglichen Zeit sei die Arbeitsbelas-tung des Rechtsanwalts sehr hoch gewesen, weil sich herausgestellt habe, daßeiner der von ihm als Rechtsanwalt beschäftigten Mitarbeiter tatsächlich [X.] Rechtsanwaltschaft zugelassen gewesen sei.I[X.] Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.Nach § 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO muß die Nichtzulassungsbeschwerde in-nerhalb eines Monats nach Zustellung des Berufungsurteils eingelegt werden.Die Frist ist vorliegend nicht gewahrt, weil das Berufungsurteil bereits [X.] Oktober 2002 zugestellt wurde, die Beschwerde jedoch erst [X.] Dezember 2002 bei dem Revisionsgericht eingegangen ist. Gegen die [X.] dieser Notfrist kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nichtgewährt werden. Der hierauf gerichtete Antrag der Klägerin und des [X.] ist zwar zulässig, bleibt aber in der Sache selbst ohne Erfolg.1. Nach § 233 ZPO ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand [X.] unverschuldeter Fristversäumung eröffnet. An dieser Voraussetzung fehlt- 5 -es hier, weil ihren zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten, dessen Verhal-ten sich die Klägerin und der Drittwiderbeklagte zurechnen lassen müssen(§ 85 Abs. 2 ZPO), ein Verschulden an der Versäumung der [X.]. Er hat den verspäteten Rechtsmittelauftrag an die beim [X.] Rechtsanwältin und damit auch die verspätete Einlegung [X.] zu verantworten.a) Ein Rechtsanwalt darf das [X.] über eine Urteilszu-stellung erst unterzeichnen und zurückgeben, wenn neben dem Zustellungs-datum (vgl. hierzu [X.], [X.]. v. 26. März 1996, [X.], 2/96, NJW 1996,1900, 1901; [X.]. v. 2. Juni 1999, [X.], NJW-RR 1999, 1585, 1586;[X.]. v. 17. September 2002, [X.], NJW 2002, 3782) auch die Ein-tragung des [X.] in den [X.] und in die Handakten [X.] ist ([X.], [X.]. v. 12. Juni 1985, [X.], [X.], 962, 963).Hiernach ist es zwar nicht erforderlich, daß das [X.] erst nachvollständiger Fristensicherung in den allgemeinen Geschäftsbetrieb [X.] und von dort an das zustellende Gericht zurückgegeben wird.Entschließt sich ein Rechtsanwalt aber, das [X.] vor vollstän-diger Fristensicherung zurückzugeben, so trifft ihn eine besondere Sorgfalts-pflicht ([X.], [X.]. v. 12. Juni 1985, aaO). Um ihr gerecht zu werden, genü-gen allgemeine Weisungen des Rechtsanwalts an sein Personal grundsätzlichnicht ([X.], [X.]. v. 12. Juni 1985, [X.]) Im vorliegenden Fall hat der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigtedie besondere Sorgfaltspflicht nicht beachtet. Er bemerkte zwar bei der ihm [X.] der Vorlage obliegenden Prüfung (vgl. [X.], [X.]. v. 19. [X.], [X.]/00, NJW-RR 2001, 782), daß eine Fristensicherung zumindest- 6 -zweifelhaft war. Wie der bei den Gerichtsakten befindliche [X.] mit Datum vom 18. Oktober 2002 belegt, unterzeichnete er gleichwohlnoch vor Aufklärung der Angelegenheit das [X.] und gab die-ses offensichtlich auch in den Geschäftsgang seines Büros. Von dort aus gingdas [X.] noch am selben Tag durch [X.] bei dem [X.] ein. Es war mithin eine Situation gegeben, bei der der [X.] angesichts der unzulänglichen Fristensicherung zu besonderer [X.] war. Den hieraus folgenden Anforderungen hat er nicht entsprochen,wobei sein Verschulden für die Fristversäumung in beiden hier möglichenSachverhaltsvarianten ursächlich geworden ist.aa) Nach dem glaubhaft gemachten Geschehen ist es zunächst möglich,daß die Nichtzulassungsbeschwerde deshalb verspätet eingelegt wurde, weildem zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten die Handakten - entgegen [X.] Verfügung - nicht sofort, sondern erst nach Fristablauf wieder vorgelegtwurden. Dies hätte der Rechtsanwalt zumindest - was ausreicht (Senat,[X.]. v. 8. März 2001, [X.], NJW-RR 2001, 1072) - mitverschuldet. [X.] ihm verfügte sofortige Wiedervorlage der Handakten stellt keine ausrei-chend konkrete Einzelanweisung dar, wie sie regelmäßig für die Beachtung derhier geschuldeten besonderen Sorgfalt zu fordern ist. Es handelt sich [X.] eine Anordnung im Rahmen des allgemeinen Geschäftsgangs und nicht umeinen Auftrag zur sofortigen Aktenvorlage an eine bestimmte Mitarbeiterin (vgl.[X.], [X.]. v. 3. Juli 1991, [X.] 39/91, [X.], 516). In [X.] kann zwar auch eine allgemeine Weisung genügen, dies setzt aber voraus,daß sich der Rechtsanwalt nicht lediglich auf deren Einhaltung verläßt, [X.] noch Vorkehrungen trifft, um die notwendigen Maßnahmen [X.] noch persönlich veranlassen zu können (vgl. [X.], [X.]. [X.] -12. Juni 1985, aaO). Für solche Vorkehrungen hat der zweitinstanzliche [X.] nicht gesorgt, sondern mit der Verfügung an sein Personalnamentlich die [X.] aus der Hand gegeben und sich damit [X.] genommen, auch bei unterbliebener Wiedervorlage eine Fristensi-cherung herbeizuführen.bb) Vor dem Hintergrund des glaubhaft gemachten Sachverhalts ist [X.] der Fristversäumung ferner möglich, daß dem zweitinstanzlichen [X.]n zwar die Handakten noch rechtzeitig vorgelegt wurden, [X.] die schleunige Klärung der Angelegenheit auf Grund starken Arbeitsan-falls vergaß. Auch in diesem Fall hätte der Rechtsanwalt seiner Sorgfaltspflichtnicht genügt.(1) Es bedarf keiner Entscheidung darüber, ob hier - wie im Regelfall(vgl. [X.], [X.]. v. 2. Oktober 1974, [X.] 26/74, [X.], 40) - [X.] Vergessen der Vornahme einer fristwahrenden Handlung als schuldhaftesVerhalten des Rechtsanwalts anzusehen ist. Die vorliegende Situation ist durchgesteigerten Arbeitsanfall wegen der - erst nachträglich erkannten - fehlendenAnwaltszulassung eines als Rechtsanwalt tätig gewordenen Angestellten [X.]. Selbst wenn hier von einer außergewöhnlichen Inanspruchnah-me des Prozeßbevollmächtigten ausgegangen wird, bei der ihm das Vergessenausnahmsweise nicht als Verschulden zur Last gelegt werden kann, ist dieserVorwurf doch wegen einer vorausgegangenen Nachlässigkeit [X.]) Auch ein Rechtsanwalt, der nicht - wie hier - zu besonderer Sorgfaltverpflichtet ist, hat sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintra-gung und Behandlung von Fristen auszuschließen ([X.], [X.]. [X.] -10. Oktober 1991, [X.], [X.], 574 m.w.[X.]). Dies hat der zweit-instanzliche Prozeßbevollmächtigte nicht beachtet, als er der von ihm als klä-rungsbedürftig erkannten Frage der Fristensicherung nicht sogleich nachging,sondern durch die Verfügung der Übersendung einer Urteilskopie an die [X.] und anschließender Wiedervorlage der Handakten die Überprüfung aufeinen späteren Zeitpunkt verschob. Gerade in der gegebenen Situation einesungewöhnlichen [X.] schuf der Rechtsanwalt auf diese Weise dienaheliegende Gefahr, daß ihm selbst bei einer alsbaldigen Wiedervorlage dieDringlichkeit der Angelegenheit entfallen war und daher die gebotenen [X.] zur Fristensicherung unterblieben. Vernünftige Gründe für ein [X.] sind nicht ersichtlich und werden auch mit dem [X.] nicht geltend gemacht. Sie liegen auch völlig fern. Nachdem [X.] erkannt hatte, daß eine Notierung der Beschwerdefrist mögli-cherweise unterblieben war, hätte er sogleich durch Rückfrage bei seiner zu-ständigen Mitarbeiterin den Sachverhalt klären und durch eine konkrete [X.] das Notieren der Beschwerdefrist veranlassen können. All dies wä-re binnen weniger Minuten zu erledigen gewesen, so daß auch andere drin-gende Arbeiten den Rechtsanwalt nicht ernsthaft von einem sofortigen Handelnabhalten konnten. Selbst wenn der Rechtsanwalt, etwa nach Dienstende [X.], durch von ihm nicht zu beeinflussende Umstände gehindertwar, der Angelegenheit auf der Stelle nachzugehen, durfte er nicht - wie [X.] - sämtliche Unterlagen aus der Hand geben, ohne dafür zu sorgen,daß er an seinem Arbeitsplatz - etwa durch eine nicht zu übersehende Notiz -an die Dringlichkeit der Sache erinnert wurde. Ohne eine solche Vorsorge wares naheliegend, daß ihm - zumal bei starkem Arbeitsanfall - nach einer erneu-ten Vorlage der Handakten im normalen Geschäftsgang die Notwendigkeit ei-ner schleunigen Klärung der Fristensicherung entfallen [X.] -- 10 -2. [X.] folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1, 238Abs. 4 ZPO.[X.]Tropf [X.]LemkeGaier

Meta

V ZR 422/02

13.02.2003

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.02.2003, Az. V ZR 422/02 (REWIS RS 2003, 4411)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 4411

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