Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.05.2012, Az. V ZB 84/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6782

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 84/11
vom

3. Mai 2012

in der Abschiebungshaftsache

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2
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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 3. Mai 2012 durch den [X.] Richter Prof.
Dr.
Krüger, [X.],
die Richterin [X.] und [X.] Czub
beschlossen:
Dem Betroffenen wird Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. [X.] bewilligt.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des [X.] vom 20. Januar 2011 und der Beschluss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 28. März 2011 ihn in seinen Rechten verletzt haben.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in allen Instanzen not-wendigen Auslagen des Betroffenen werden dem [X.] aufer-legt.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.000

Gründe:
I.
Gegen den Betroffenen, nach eigenen Angaben [X.] [X.], wurde erstmals am 27. August 2010 die Haft zur Sicherung der Ab-schiebung angeordnet. Die -
mit einer Unterbrechung durch Vollzug einer [X.]
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satzfreiheitsstrafe
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vollzogene Abschiebungshaft hat das Amtsgericht auf [X.] der Beteiligten zu 2 mit Beschluss vom 20. Januar 2011 um drei Monate
bis zum 11. April 2011 verlängert. Die Beschwerde dagegen hat das [X.] mit Beschluss vom 28. März 2011 zurückgewiesen.
Der Betroffene wurde am 9. Juli 2011 nach [X.] abgeschoben. Er beantragt mit der Rechtsbeschwerde die Feststellung, durch die (erste) Verlän-gerung der Haft und die Zurückweisung der Beschwerde in seinen Rechten ver-letzt worden zu sein.

II.
Das Beschwerdegericht meint, die Abschiebungshaft sei zu Recht nach §
62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 [X.] (in der bis zum 25. November 2011 gelten-den Fassung) angeordnet worden, weil der begründete Verdacht bestehe, dass der vollziehbar ausreisepflichtige Betroffene sich seiner Abschiebung entziehen wolle. Für den Fall, dass die beabsichtigte Abschiebung nicht innerhalb der Haftzeit durchgeführt werden könne, sei dies auf die unterschiedlichen Angaben des Betroffenen zu seinen Personalien zurückzuführen, so dass die Siche-rungshaft auch nicht aus den Gründen des § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] aF [X.] sei. Die [X.] Behörden hätten die von ihm behauptete [X.] Staatsangehörigkeit nicht bestätigt. Den zuständigen Ausländerbehörden könne nicht vorgeworfen werden, das [X.] nicht zügig genug be-trieben zu haben.

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III.
Die gemäß §
70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz
2 FamFG mit dem [X.] analog § 62 FamFG statthafte (vgl. Senat, Beschluss vom 22.
Juli 2010 -
V
ZB
29/10, [X.] 2011, 27 Rn. 4 -
std. Rspr.) und auch im Übrigen zulässige (§ 71 FamFG) Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Der Betroffene ist durch die Anordnung und den Vollzug der Verlängerung der Abschiebungshaft in sei-nem Freiheitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) verletzt worden.
1. [X.] hätte schon deshalb nicht angeordnet werden dürfen, weil es an einer ordnungsgemäßen Antragstellung durch die Beteiligte zu 2 fehlte.
a) Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass der Antrag der Beteiligten zu
2 nicht den Anforderungen an die Begründung der erforderlichen Dauer der Freiheitsentziehung (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 FamFG) und der Durchführbar-keit der Abschiebung (§ 417 Abs. 2 Nr. 5 FamFG) genügte. Diese Vorschriften über die Begründung für den erstmaligen Haftantrag gelten nach §
425 Abs.
3 FamFG für den Antrag auf eine Verlängerung der Haft entsprechend.
Zur Begründung der Erforderlichkeit der beantragten Haftdauer und der Durchführbarkeit der Abschiebung bedarf es auf das Land, in das der [X.] abgeschoben werden soll, bezogener Ausführungen. Anzugeben ist, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in das betroffene Land üblicher-weise möglich sind (Senat, Beschlüsse vom 27. Oktober 2011 -
V
ZB 311/10, Rn. 13, vom 4. Januar 2012 -
V
ZB 284/11, Rn. 6 und vom 9. Februar 2012 -
V
ZB 305/10, Rn. 15, alle in juris). Der Haftantrag der Beteiligten zu 2 verhielt sich jedoch nur dazu, dass der Betroffene -
nachdem die [X.] eine Rücknahme abgelehnt hatte
-
nach [X.] abgeschoben werden sollte. Angaben, ob und innerhalb welcher Zeit Abschiebungen nach [X.] auf der 4
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6
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5
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Grundlage des einschlägigen bilateralen Rückübernahmeabkommens vom 4.
November 2007 ([X.] [X.]) üblicherweise vollzogen werden, fehlten.
b) Eine richterliche Haftanordnung auf der Grundlage eines Haftantrags, der nicht den gesetzlichen Begründungserfordernissen nach §
417 Abs.
2
FamFG entspricht, verletzt den Betroffenen in seinem Freiheitsgrundrecht (Art.
2 Abs. 2 Satz 2 GG), da die Antragstellung nach § 417 FamFG eine [X.] darstellt, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 GG fordert (Senat, Beschluss vom 20. April 2010 -
V
ZB 218/09, NVwZ 2010, 1508, 1509 Rn.
19).
2. Die Rechtsbeschwerde macht zu Recht zudem eine Verletzung des §
62 Abs. 2 Satz 4 [X.] aF geltend. Das Beschwerdegericht durfte nicht die Prognose über eine Durchführbarkeit der Abschiebung innerhalb von drei Monaten deshalb für entbehrlich halten, weil jedenfalls die Voraussetzungen für eine Haftverlängerung nach § 62 Abs. 3 [X.] aF wegen der Notwendigkeit der Beschaffung von Passersatzpapieren und der fehlenden Kooperationsbe-reitschaft des Betroffenen vorlagen. Der Senat hat in seiner Entscheidung über die Aussetzung des Vollzugs der nochmals verlängerten Sicherungshaft ([X.] vom 30. Juni 2011 -
V
ZB 139/11, Rn. 6, juris) bereits ausgeführt, dass die eine Haftverlängerung rechtfertigenden Gründe erst dann Bedeutung erlan-gen, wenn der Betroffene überhaupt in Abschiebungshaft genommen werden durfte. Hierfür bedarf es jedoch einer
Prognose des Haftrichters nach §
62 Abs.
2 Satz 4 [X.] aF, dass Abschiebungen in den von der [X.] ([X.]) innerhalb der [X.] vollzogen wer-den können.
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird nach §
74 Abs.
7 FamFG abgesehen.
IV.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §
81 Abs.
1, §
83 Abs.
2, §
430
FamFG. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 [X.] entspricht es billigem Ermessen, das [X.] zur Erstattung der notwendigen Auslagen des Betroffenen zu verpflichten. Die Festsetzung des [X.] folgt aus §
128c Abs. 2 KostO
i.[X.]. § 30 Abs. 2 KostO.
Krüger

Lemke

Schmidt-Räntsch

Stresemann

Czub

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 20.01.2011 -
7 XIV 6/11
-

LG Saarbrücken, Entscheidung vom 28.03.2011 -
5 [X.]/11 -

11

Meta

V ZB 84/11

03.05.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.05.2012, Az. V ZB 84/11 (REWIS RS 2012, 6782)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6782

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