Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.08.2012, Az. V ZB 47/12

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 3526

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 47/12

vom

30. August
2012

in der Abschiebungshaftsache

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 30. August
2012
durch [X.]
Dr.
Krüger, [X.], die Richterin [X.], [X.]
Czub
und die Richterin Weinland
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss
des
Amtsgerichts [X.] vom 22. [X.] und der Beschluss der 8. Zivilkammer des [X.] vom 7. Februar 2012 ihn in seinen Rechten verletzt haben.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem [X.] auferlegt.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.000

Gründe:
I.
Der im Dezember 2010 unerlaubt eingereiste Betroffene
ist nach be-standskräftiger Ablehnung seines Asylantrags vollziehbar ausreisepflichtig. Im September 2011 wurde er wegen eines Ladendiebstahls festgenommen und befand sich bis zum 29. November 2011 in Strafhaft.

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Da er angab, algerischer Staatsangehöriger zu sein, wurde der [X.] zunächst der algerischen Botschaft vorgeführt. Im Rahmen eines parallel eingeleiteten Passersatzpapierverfahrens bei den [X.] Behörden stellte sich
heraus, dass er [X.] Staatsbürger ist.
Das Amtsgericht, das bereits mit Beschluss vom 22. September
2011 Abschiebungshaft gegen ihn bis zum 22. Dezember 2011 angeordnet hatte, hat die Haftanordnung auf Antrag der beteiligten Behörde mit Beschluss
vom 22.
Dezember 2011 um drei Monate
verlängert. Die dagegen gerichtete [X.] ist von dem [X.] zurückgewiesen worden. Mit der Rechtsbe-schwerde möchte der inzwischen aus der Haft entlassene Betroffene [X.] wissen, dass der Beschluss des
Amtsgerichts vom 22. Dezember 2011 und der
Beschluss des [X.]s ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.
Nach Ansicht des [X.] ist die Abschiebungshaft zu Recht um weitere drei Monate verlängert worden. Die Haftgründe
des §
62 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2 und Nr. 5 [X.] aF hätten vorgelegen. Der Haftantrag sei dem Betroffenen bei der Anhörung vor dem Amtsgericht mitgeteilt worden. Die [X.] sei erforderlich gewesen, weil der Betroffene zwei Tage vor der für den 22. Dezember 2011 geplanten Abschiebung erklärt
habe, er werde [X.] leisten. Die deshalb erforderliche begleitete Rückführung habe in der Kürze der [X.] nicht organisiert werden können.

III.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

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4
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1. Die Haftverlängerung war schon deshalb rechtswidrig, weil es an ei-nem zulässigen Haftverlängerungsantrag nach §
417 FamFG fehlte. Das [X.] eines zulässigen [X.] ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Beschluss vom 29.
April 2010 -
V [X.], [X.] 2010, 210, 211, Rn.
12; Beschluss vom 22. Juli 2010 -
V
ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512, Rn.
7). Der Haftantrag muss nach §
417 Abs. 2 Satz
1 FamFG begründet werden. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den [X.], zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§
417 Abs.
2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des [X.] (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 -
V
[X.], aaO, Rn.
14; Beschluss vom 22.
Juli 2010 -
V
ZB 28/10, aaO, Rn. 8; Beschluss vom 7. April 2011 -
V
ZB 133/10, Rn. 7, juris).
Die nach §
417 Abs. 2 Satz 1 FamFG erforderlichen Darlegungen müs-sen auf den konkreten Fall zugeschnitten sein; sie dürfen sich nicht in [X.] und Textbausteinen erschöpfen (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 -
V [X.], [X.] 2012, 82, 83 Rn. 13
f.; Beschluss vom 15.
September 2011 -
V [X.], [X.] 2011, 317, Rn.
9). Das gilt auch hinsichtlich der notwendigen Haftdauer
(vgl. Senat, Beschluss vom [X.] 2011 -
V [X.], Rn. 16,
juris; Beschluss vom 2. Februar 2011 -
V [X.], Rn. 8,
juris). Eine auf den konkreten Fall bezogene Erläuterung, warum eine kürzere Haftdauer nicht ausreicht, ist unverzichtbarer Bestandteil eines zulässigen [X.]. Denn die Abschiebungshaft ist nach §
62 Abs.
1 Satz 2 [X.] auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken; die im Gesetz
ge-nannten Fristen
von drei, sechs und zwölf Monaten (§
62 Abs. 3 Satz 4, §
62 Abs. 4
[X.]) bestimmen nicht die normale
Dauer, sondern die obere Gren-6
7
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5
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ze der möglichen Haft (vgl. näher Senat, Beschluss vom 10. Mai 2012

V
ZB
246/11, Rn. 10,
juris).
Diesen Anforderungen genügte der Antrag der beteiligten Behörde vom 20. Dezember 2011 nicht. Darin wird zwar nachvollziehbar dargelegt, dass eine Verlängerung der Haft über den 22. Dezember 2011 hinaus notwendig gewor-den war. Weshalb die Ankündigung des Betroffenen, sich gegen die [X.] zu wehren, eine Verlängerung der Haft um weitere drei Monate erforderte und eine Haft von kürzerer Dauer nicht ausreichte, um eine begleitete [X.] vorzubereiten, wird dagegen nicht erläutert. Der Antrag beschränkt sich insoweit auf die -
universell einsetzbare und damit nicht ausreichende -
Formu-lierung, die Haftdauer von drei Monaten sei erforderlich, "weil die Organisation der Abschiebung nach [X.] möglicherweise diesen [X.]raum in Anspruch nehmen wird".
Die Anforderungen an die Begründung des Verlängerungsantrags waren nicht deshalb herabgesetzt, weil die für den 22. Dezember 2011 geplante Ab-schiebung aus Gründen nicht durchgeführt werden konnte, die von dem Be-troffenen zu vertreten waren. Da die Abschiebungshaft nur zur Sicherung der Abschiebung zulässig ist, nicht aber als Beugehaft angeordnet oder aufrecht-erhalten werden darf (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 -
V [X.], NVwZ 2010, 1172, 1173,
Rn. 22; Beschluss vom 15. Dezember 2011 -
V [X.], Rn. 17,
juris), kommt auch in einem solchen Fall eine Verlängerung der Haft nur um den [X.]raum in Betracht, der für die -
dem Beschleunigungsgebot unterliegende -
Vorbereitung und Durchführung der Abschiebung erforderlich ist.
2. Der Beschluss des [X.]s gibt ferner Anlass zu dem Hinweis, dass die von dem Amtsgericht angeordnete Haftverlängerung auch deshalb 8
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rechtswidrig
war, weil das
Anhörungsprotokoll nicht erkennen
lässt, dass dem Betroffenen
der Haft(verlängerungs)antrag, wie nach der ständigen Rechtspre-chung des Senats erforderlich, vor Erlass der Haftanordnung in Kopie ausge-händigt worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Juli 2011

[X.], [X.] 2011, 257,
Rn. 8
f.; Beschluss vom 14. Juni 2012

[X.]/11,
Rn.
9,
juris; Beschluss vom 14.
Juni 2012 -
V
ZB 48/12, Rn.
10, juris). Festgehalten ist lediglich, dass dem Betroffenen der Antrag vom 20. Dezember 2011 "bekannt-gegeben"
worden ist. Das lässt auf eine nur mündliche Eröffnung
des [X.] schließen. Eine solche genügt, anders als das Beschwerdegericht meint, nicht (vgl. näher Beschluss vom 14. Juni 2012

[X.]/11, aaO).

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
81 Abs.
1 Satz 1 u. 2, §
83 Abs. 2, §
430
FamFG, Art. 5 Abs. 5 [X.] analog. Die Festsetzung des [X.] folgt aus §
128c Abs. 2 KostO i.V.m. §
30 Abs. 2 KostO.

Krüger

Schmidt-Räntsch

Stresemann

Czub

Weinland
Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 22.12.2011
-
110 XIV 29/11 B -

LG Mainz, Entscheidung vom 07.02.2012 -
8 T
13/12 -

11

Meta

V ZB 47/12

30.08.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.08.2012, Az. V ZB 47/12 (REWIS RS 2012, 3526)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3526

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