Bundespatentgericht, Beschluss vom 17.04.2013, Az. 29 W (pat) 563/12

29. Senat | REWIS RS 2013, 6550

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 065 420.4

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 17. April 2013 durch die Vorsitzende Richterin [X.] sowie die Richterinnen [X.] und Uhlmann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortfolge

2

Gesamtverband [X.]

3

ist am 5. Dezember 2011 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

4

Klasse 16: [X.], Zeitschriften, Zeitungen, Broschüren, Bücher, Photographien, Schreibwaren, Lehr- und Unterrichtsmittel soweit in Klasse 16 enthalten;

5

Klasse 35: Werbung; Werbeberatung; Geschäftsführung; Vertretung bei Behörden, Verbänden und Berufsorganisationen; Unternehmens- und Organisationsberatung und -verwaltung, Erstellung von betriebswirtschaftlichen Gutachten, Aufstellungen von Statistiken, Ermittlung in Geschäftsangelegenheiten; Marketing; Marktforschung; Marktanalyse; Verteilung von Waren zu Werbezwecken; Veranstaltung von Messen und Ausstellungen; Bürotätigkeiten; Verbandstätigkeiten, insbesondere Vertretung der Interessen von Verbandsmitgliedern;

6

Klasse 41: Ausbildung; Erziehung; Unterricht; Weiterbildung; Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften; Durchführung von Seminaren und Tagungen; kulturelle Aktivitäten;

7

Klasse 42: Wissenschaftliche und industrielle Forschung und Entwicklung; technische Beratung und Bewertung, Projektplanung, Erstellen von Programmen (Software) für die Datenverarbeitung; Erstellung von technischen Gutachten.

8

Mit Beschluss vom 2. August 2012 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Sie hat ausgeführt, dass das Wortzeichen [X.] gebildet sei. Der [X.] „Verband“ sei als Bezeichnung für einen größeren Zusammenschluss von mehreren Personen oder mehreren kleineren Vereinigungen, Klubs o. Ä. zur Durchsetzung gemeinsamer Interessen bekannt und gebräuchlich. Der Zusatz „Gesamt-„ bringe lediglich zum Ausdruck, dass es sich um einen Gesamtverbund, also eine Vereinigung von Vielen, handele. In Verbindung mit der Bestimmungsangabe „[X.]“ weise die Bezeichnung für die angesprochenen Fach- und Abnehmerkreise daher auf einen Zusammenschluss hin, der sich mit allem rund um [X.] und Handel beschäftige. Die angesprochenen Verkehrskreise würden das Anmeldezeichen daher als beschreibenden Hinweis darauf auffassen, dass die so gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen von (irgendeiner) Vereinigung stammten oder erbracht würden, die sich mit [X.]n und Handel befasse, der Anbieter der fraglichen Waren und Dienstleistungen zu einem solchen Verband gehöre oder die Waren und Dienstleistungen einen derartigen Verband zum Gegenstand bzw. Thema hätten oder sonst in einem engen Zusammenhang damit stünden. Vergleichbare Instituts-, Verbands- oder Vereinsbezeichnungen, wie z. B. „[X.] (BPatG 24 W (pat) 43/10), „[X.]“ (BPatGE 48, 65), „[X.] ([X.] (pat) 230/04) oder „[X.] ([X.] (pat) 53/09) seien ebenfalls als nicht unterscheidungskräftig angesehen worden.

9

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er beantragt,

den Beschluss des [X.]es vom 2. August 2012 aufzuheben.

Er vertritt die Ansicht, die Markenstelle habe nicht in Bezug auf jede einzelne der beanspruchten Dienstleistungen überprüft, ob Unterscheidungskraft vorliege. Ferner verweist er auf die BPatG-Entscheidung zu „[X.]“ ([X.], 342 f.). Das angemeldete Wortzeichen „Gesamtverband [X.]“ weise für die angesprochenen Verkehrskreise auf einen bestimmten Rechtsträger hin, der als ein Unternehmen in Betracht komme, aus welchem die mit ihm gekennzeichneten Dienstleistungen stammen könnten. Es handele sich zudem um einen tatsächlich existierenden, typischen Verbands- bzw. Vereinsnamen. Ein [X.] sei ebenfalls zu verneinen, weil die Angabe „Gesamtverband [X.]“ keine konkrete Aussage über die Beschaffenheit, Bestimmung oder sonstige Merkmale der Waren und Dienstleistungen treffe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach § 66 Abs. 1 i. V. m. § 64 Abs. 6 [X.] statthafte Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1.

Der Eintragung der angemeldeten Wortfolge „Gesamtverband [X.]“ als Marke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 [X.] steht hinsichtlich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen das absolute Schutzhindernis des [X.]ses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Bezeichnung daher zu Recht die Eintragung versagt.

a)

Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sind solche Marken nicht schutzfähig, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geografischen Herkunft oder sonstiger Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass alle Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (vgl. [X.] GRUR 1999, 723, 725 Rdnr. 25 - [X.]; [X.], 680, 681 Rdnr. 35, 36 – [X.]; [X.], 503 Rdnr. 22, 23 – [X.]). Als beschreibend im Sinne dieser Vorschrift können dabei auch sprachliche Neuschöpfungen angesehen werden, die aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzt sind, wenn für die Neuschöpfung selbst in ihrer Gesamtheit ein beschreibender Charakter feststellbar ist ([X.] a. a. [X.]. 37 - [X.]). Ferner erfordert das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht, dass die fraglichen Zeichen oder Angaben bereits tatsächlich zu beschreibenden Zwecken für Waren oder Dienstleistungen der angemeldeten Art verwendet werden, vielmehr genügt, dass sie zu diesen Zwecken verwendet werden können ([X.] [X.], 146, 147 Rdnr. 32 - [X.]; a. a. [X.]. 38 - [X.]). Dies ist bei einem Wortzeichen dann der Fall, wenn es - in üblicher Sprachform und für die beteiligten Verkehrskreise verständlich - ein Merkmal der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet ([X.] a. a. [X.]. 32 - [X.]; a. a. [X.]. 38, 39 - [X.]). Bei der Beurteilung der Eintragungsfähigkeit ist immer auf das Verständnis eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der angesprochenen Verkehrskreise abzustellen ([X.] [X.], 943, 944 Rdnr. 24 - [X.] 2; [X.], 411, 412 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.] [X.] [X.], 850, 854 Rdnr. 18 - [X.] 2006).

b)

Ausgehend von diesen Vorgaben ist die angemeldete Wortfolge für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise, bei denen es sich nicht nur um das allgemeine Publikum, sondern auch um Kreise mit besonderen Fachkenntnissen handelt, beschreibend.

Das Anmeldezeichen setzt sich [X.] aus Wörtern der [X.] Alltagssprache, nämlich den Substantiven „Gesamtverband“, „[X.]“, und „Handel“ zusammen, wobei die beiden letzten mit einem Bindestrich verbunden sind.

aa)

www.duden.de). Ein Verband wiederum bezeichnet in diesem Zusammenhang „einen von mehreren kleineren Vereinigungen, Vereinen, Klubs o. Ä. oder von vielen einzelnen Personen zur Durchsetzung gemeinsamer Interessen gebildeten größeren Zusammenschluss“ (www.duden.de).

bb)

Der [X.] „[X.]“ ist die Pluralform von „Autoteil“, bei dem es sich um ein „Teil[stück] eines Autos, für Autos“ handelt (www.duden.de).

cc)

Der Begriff „Handel“ beschreibt den „Teilbereich der Wirtschaft, der sich dem Kauf und Verkauf von Waren, Wirtschaftsgütern widmet; Gesamtheit der Handelsunternehmen; Geschäftswelt“, „das Kaufen und Verkaufen, Handeln mit Waren, Wirtschaftsgütern“ oder „[X.]; Geschäftsverkehr“ (www.duden.de).

dd)

www.duden.de), fügt die beiden Begriffe „[X.]“ und „Handel“ zu einem Gesamtbegriff im Sinne von „[X.]handel“ bzw. „Handel mit [X.]n“ zusammen.

ee)

 Auch die – bei Zeichen, die aus mehreren Worten oder Wortbestandteilen zusammengefügt sind – vorzunehmende Gesamtbetrachtung ([X.] a. a. [X.]. 28 – [X.] 2; a. a. [X.]. 96 – Postkantoor; [X.] a. a. [X.]. 13 – [X.]) führt vorliegend nicht zu einem Bedeutungsgehalt, der über die Summe der Einzelbestandteile der Wortfolge hinausgehen würde.

Die angesprochenen Verkehrskreise werden das [X.] „Gesamtverband [X.]“ lediglich als beschreibende Angabe eines Zusammenschlusses mehrerer Verbände von Firmen verstehen, die sich mit dem Kauf und Verkauf von Teilstücken für Autos befassen, bzw. als Sachhinweis auf eine Vereinigung von Organisationen wirtschaftlicher Zulieferbetriebe für die Autoindustrie, die die angemeldeten Waren und Dienstleistungen für seine Mitglieder bereitstellt oder benötigt. Damit erschöpft sich die angemeldete Wortfolge in der beschreibenden Angabe des Erbringers, Anbieters oder Adressaten sowie der Bezeichnung des Gegenstands, Inhalts oder der Bestimmung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen.

aaa)

Die in Klasse 16 angemeldeten Waren „[X.], Zeitschriften, Zeitungen, Broschüren, Bücher, Lehr- und Unterrichtsmittel soweit in Klasse 16 enthalten“ können von einem „Gesamtverband [X.]“ herausgegeben werden und/oder sich inhaltlich mit dessen Tätigkeitsbereich, also mit den Handel mit [X.]n betreffenden wirtschaftlichen Themen und Fragestellungen, befassen.

„Photographien“ können Gebäude, Veranstaltungen, Mitglieder etc. eines solchen [X.] abbilden. Auch „Schreibwaren“ können von einem solchen Verband vertrieben werden.

bbb)

Die in Klasse 35 angemeldeten Dienstleistungen „Werbung; Werbeberatung; Geschäftsführung; Vertretung bei Behörden, Verbänden und Berufsorganisationen; Unternehmens- und Organisationsberatung und -verwaltung, Erstellung von betriebswirtschaftlichen Gutachten, Aufstellungen von Statistiken, Ermittlung in Geschäftsangelegenheiten; Marketing; Marktforschung; Marktanalyse; Verteilung von Waren zu Werbezwecken; Veranstaltung von Messen und Ausstellungen; Bürotätigkeiten; Verbandstätigkeiten, insbesondere Vertretung der Interessen von Verbandsmitgliedern“ können von einem solchen Verband erbracht werden und dazu bestimmt sein, über den [X.]handel betreffende Wirtschaftsfragen zu informieren oder Mitgliedern in diesem Wirtschaftsbereich Hilfestellung zu leisten.

ccc)

Die in Klasse 42 beanspruchten Dienstleistungen „Wissenschaftliche und industrielle Forschung und Entwicklung; technische Beratung und Bewertung, Projektplanung, Erstellen von Programmen (Software) für die Datenverarbeitung; Erstellung von technischen Gutachten“ können ebenfalls von einem derartigen Verband für seine Mitglieder angeboten und erbracht werden.

ddd)

Dies gilt auch für die in Klasse 41 angemeldeten Dienstleistungen.

c)

Der Annahme einer beschreibenden Angabe steht auch nicht entgegen, dass die angemeldete Wortfolge eine gewisse Unbestimmtheit dahingehend aufweist, welches konkrete Wirkungsfeld der Verband hat und mit welchen konkreten Fragestellungen im Wirtschaftssektor „[X.]handel“ es sich befasst oder welche konkreten Aufgaben es darin erfüllt. Denn eine beschreibende Benutzung als Sachangabe für die Waren und Dienstleistungen setzt nicht voraus, dass die Bezeichnung feste begriffliche Konturen erlangt und sich eine einhellige Auffassung zum Sinngehalt herausgebildet hat. Von einem die Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Begriff kann auch auszugehen sein, wenn das Markenwort verschiedene Bedeutungen hat oder nur eine der möglichen Bedeutungen die Waren oder Dienstleistungen beschreibt ([X.] [X.], 900, 901 Rdnr. 15 – [X.]; [X.], 882 f. – Bücher für eine bessere Welt).

d)

Soweit der Beschluss des 27. Senats des [X.] vom 18. November 2009 (27 W (pat) 139/09, [X.], 342 f. – [X.]) von dieser Rechtsauffassung abweicht, hat der [X.] in seiner Entscheidung zu „Institut der Nord[X.] Wirtschaft e.V.“ ([X.], 276, 277 Rdnr. 13 ff.) am 17. August 2011 entschieden, dass es für die Frage, ob eine Wortfolge für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen vom Verkehr als beschreibend aufgefasst wird, ohne Bedeutung sei, ob die Wortfolge zur Bezeichnung eines Vereins über originäre Kennzeichnungskraft verfügt.

2.

Da das angemeldete Zeichen „Gesamtverband [X.]“ im Verkehr zur Beschreibung der von der Anmeldung erfassten Dienstleistungen dienen kann und somit nach der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen ist, kann dahingestellt bleiben, ob darüber hinaus auch das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) vorliegt.

Meta

29 W (pat) 563/12

17.04.2013

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 17.04.2013, Az. 29 W (pat) 563/12 (REWIS RS 2013, 6550)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6550

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