Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.12.2010, Az. AK 19/10

3. Strafsenat | REWIS RS 2010, 39

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.][X.] StE 4/10-3 geh AK 19/10 vom 22. Dezember 2010 in dem Strafverfahren gegen wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] sowie des Angeklagten und seiner Verteidiger am 22. Dezember 2010 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen: Der Haftbefehl des [X.] vom 12. No-vember 2010 ([X.]. [X.] 5/10) wird aufgehoben. Der Angeklagte ist unverzüglich aus der Haft zu entlassen. Gründe: 1. Der Angeklagte wurde aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrich-ters des [X.] vom 18. Februar 2010 (6 [X.] 16/10) am 24. Februar 2010 festgenommen und befindet sich seit dem 25. Februar 2010 in Untersuchungshaft. Gegenstand dieses Haftbefehls ist der Vorwurf, der [X.] habe sich durch seine Tätigkeit als Führungsfunktionär der [X.] ([X.] Partisi - Cephesi = [X.]) vom 5. November 2008 bis Ende März 2009 als Mitglied an einer [X.] im Ausland beteiligt, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerich-tet sind, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen, sowie am 29. Januar und 5. Februar 2009 wiederholt einem Ausländer, der nicht im Besitz des erforderlichen Aufenthaltstitels ist, dazu Hilfe geleistet, dass er uner-laubt in das [X.] einreist. Der [X.] hat unter dem 9. August 2010 Anklage zum [X.] erhoben. Mit dieser wirft er dem Angeklagten vor, sich in der [X.] vom 7. Oktober 2002 bis zum 9. April 2009 als Mitglied an der [X.] beteiligt zu haben (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, 1 - 3 - § 129b Abs. 1 StGB) und am 4., 5. und 29. Januar sowie am 5. Februar 2009 als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Straftaten verbunden hat, wiederholt einem Ausländer, der nicht im Besitz des [X.] ist, dazu Hilfe geleistet zu haben, dass er unerlaubt in das [X.] einreist (§ 95 Abs. 1 Nr. 3, § 96 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 2 Nr. 2 AufenthG). Mit Beschluss vom 16. September 2010 ([X.]) hat der Senat die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus angeordnet. Das [X.] hat am 2. November 2010 die Anklage des [X.]s zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Am 12. November 2010 hat es den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] aufgehoben und durch einen neuen Haftbefehl im Umfang des An-klagesatzes ersetzt; mit Beschluss vom 30. November 2010 hat es die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich gehalten. Der Beginn der Hauptverhandlung ist auf den 13. Januar 2011 terminiert worden. 2. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft sind [X.] deswegen nicht gegeben, weil deren weiterer Vollzug nicht mehr ver-hältnismäßig ist (§ 112 Abs. 1 Satz 2 StPO). Der Haftbefehl ist deshalb aufzu-heben (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Im Einzelnen: 2 Allerdings ist der Angeklagte aufgrund der in der Anklageschrift vom 9. August 2010 aufgeführten Beweismittel dringend verdächtig, die ihm dort und in dem Haftbefehl des [X.] vom 12. November 2010 vorgeworfenen Taten objektiv verwirklicht zu haben. Bezüglich der Einzelheiten nimmt der Senat auf die Anklageschrift, den Haftbefehl sowie - auch was den Umfang der Vereinigung angeht - seinen [X.] vom 16. Sep-tember 2010 Bezug. Jedoch ist nach dem derzeitigen Verfahrensstand eben-falls davon auszugehen, dass der Angeklagte seit Dezember 2002 für den [X.] - 4 - desnachrichtendienst tätig war und diesem in bedeutendem Umfang Informati-onen über die [X.] geliefert hat. Vor diesem Hintergrund muss sich der Senat im vorliegenden [X.] nicht mit der Frage befassen, ob aufgrund dieser Tätigkeit das objektiv tatbestandliche Handeln des Angeklagten ausnahmsweise - etwa nach den Grundsätzen des § 34 StGB - gerechtfertigt war oder er - etwa aufgrund eines unvermeidbaren Verbotsirrtums nach § 17 Satz 1 StGB - ohne Schuld handelte. Ebenso wenig ist darauf einzugehen, ob hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Angeklagte [X.] wie von ihm behauptet [X.] gegenüber dem [X.] eine Verschwiegenheitsverpflichtung unter-schrieben hat und er hierdurch [X.] so dies der Fall wäre [X.] in solchem Umfang in seinen Verteidigungsrechten beschränkt würde, dass ein nicht behebbares [X.] vorläge (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 5. Juni 2007 - 5 [X.], [X.], 3010). Auch kann dahinstehen, ob gegen den Angeklagten weiterhin ein Haftgrund vorliegt. Denn der weitere Vollzug der nunmehr bereits fast zehn Monate andauernden Untersuchungshaft verstößt jedenfalls gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 4 Der Senat hat schon in seinem Beschluss vom 16. September 2010 dar-auf hingewiesen, dass der Einfluss des [X.]es auf die Mit-wirkung des Angeklagten in der [X.] sich gegebenenfalls - abhängig von der Art und Intensität - bei der Strafzumessung zu dessen Gunsten auswirken muss. Die in der Zwischenzeit durchgeführten weiteren Ermittlungen - insbe-sondere die Angaben des [X.]es in dem Schreiben vom 13. Dezember 2010 - belegen, dass die Zusammenarbeit zwischen dem Ange-klagten und dem [X.] besonders intensiv war und die vom Angeklagten gelieferten Informationen einen hohen Wert hatten. Danach fand etwa die erste Begegnung bereits im Dezember 2002 und damit nur kurz nach 5 - 5 - Beginn des Tatzeitraums im Oktober 2002 statt. Insgesamt kam es zu 134 Tref-fen, die im 14tägigen Rhythmus durchgeführt wurden. Im Zusammenhang mit den nachrichtendienstlichen Tätigkeiten wurde im August 2008 ein Betrag in Höhe von 10.000 • auf einem Konto des Angeklagten gutgeschrieben. Dessen Einlassung, er habe darüber hinaus ein monatliches Entgelt in erheblicher Höhe erhalten, ist nach den bisherigen Angaben des [X.]es nicht zu widerlegen. Über die einzelnen aktuellen Tätigkeiten des Angeklagten für die [X.] einschließlich der Schleusungsfahrten war der [X.] teilweise sogar im Voraus, zumindest jedoch nach deren [X.] unterrichtet. Aus den vom Angeklagten übermittelten Informationen wurde eine Vielzahl von Meldungen erstellt; seine Arbeit wurde vom [X.] als besonders wichtig und hochwertig eingestuft, um die Strukturen der [X.] aufdecken zu können. Bei sachgerechter Berücksichtigung all dieser Umstände ergibt sich, dass die Straferwartung des Angeklagten deutlich reduziert ist. Deshalb muss
6 - 6 - trotz des kurz bevorstehenden Beginns der Hauptverhandlung das staatliche Interesse an der weiteren Sicherung des Verfahrens hinter dem überwiegenden Freiheitsinteresse des Angeklagten zurücktreten. [X.] von [X.]

Meta

AK 19/10

22.12.2010

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.12.2010, Az. AK 19/10 (REWIS RS 2010, 39)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 39

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

AK 12/10 (Bundesgerichtshof)


AK 12/10 (Bundesgerichtshof)

Untersuchungshaft über sechs Monate: Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung bei Tätigkeit als Führungfunktionär der …


AK 53/23 (Bundesgerichtshof)


StB 2/13 (Bundesgerichtshof)


AK 5/11 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.