Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.12.2022, Az. 2 AZR 99/22

2. Senat | REWIS RS 2022, 9007

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Gegenstand

Betriebsübergang - Annahmeverzug


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers wird das Urteil des [X.] vom 16. Dezember 2021 - 10 [X.] 871/21 - aufgehoben.

2. Die [X.]che wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen bis zum 30. April 2021 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, sowie über Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüche.

2

Der Kläger arbeitete mit einer anerkannten Betriebszugehörigkeit seit 2. Oktober 2003 zuletzt als Hausleiter in dem von der [X.] mit 21 Beschäftigten in [X.] betriebenen Einrichtungshaus zu einem monatlichen Grundgehalt von 2.300,00 Euro brutto zuzüglich Überlassung eines Dienstwagens.

3

Ende 2019 entschied sich die Beklagte, den Betrieb des Einrichtungshauses zum 31. Mai 2020 aufzugeben und an die [X.] zu veräußern.

4

Die Beklagte unterrichtete mit Schreiben vom 25. März 2020 alle Mitarbeiter gemäß § 613a Abs. 5 BGB über einen bevorstehenden Betriebsübergang zum 31. Mai 2020 auf die [X.] (im [X.]olgenden P Immobilien). Diese erwarb das Betriebsgrundstück vom Gesellschafter der [X.] und sagte die Weiterbeschäftigung aller Mitarbeiter der [X.] zu.

5

Die „[X.]“ gründete in der [X.]olgezeit, ohne Kenntnis der [X.], für den tatsächlichen Betrieb des Einrichtungshauses eine eigene Gesellschaft, die [X.] (im [X.]olgenden [X.]), die am 27. April 2020 ins Handelsregister eingetragen wurde.

6

Der Kläger schloss am 19. Mai 2020 mit der [X.] einen Arbeitsvertrag, wonach er ab dem 1. Juni 2020 in dem bisherigen Möbelhaus als Verkäufer mit einer 6-monatigen Probezeit und einer monatlichen Vergütung von 2.000,00 Euro brutto tätig werden sollte. Dieses Arbeitsverhältnis kündigte die [X.] mit Schreiben vom 25. Mai 2020 zum 17. Juni 2020. In einem gerichtlichen Vergleich vereinbarte die [X.] mit dem Kläger ua. eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2020 sowie die Zahlung einer Abfindung von 10.000,00 Euro brutto.

7

Mit einem an die Beklagte gerichteten Anwaltsschreiben vom 23. Juli 2020 widersprach der Kläger ua. vorsorglich einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die [X.] und machte die Zahlung seiner Vergütung für die Monate Juni 2020 und Juli 2020 geltend. Daneben bat er um Mitteilung, wann und wo er seine Arbeit wieder aufnehmen könne. Mit Schreiben vom 3. August 2020 forderte die Beklagte den Kläger auf, das ihm überlassene [X.]ahrzeug zurückzugeben.

8

Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 28. Oktober 2020 vorsorglich ein etwaiges Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ordentlich zum 30. April 2021. Gegen diese Kündigung hat der Kläger keine Klage erhoben.

9

Der Kläger hat gemeint, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei nicht durch einen Betriebsübergang beendet worden. Die P Immobilien habe den Betrieb des [X.] zu keinem [X.]punkt geführt. Das [X.] sei deshalb nicht ordnungsgemäß und sein Widerspruch nicht verfristet. [X.]ür die [X.] vom 1. Juli 2020 bis 30. April 2021 sei die Beklagte zur Zahlung der nicht auf die Arbeitsverwaltung übergegangenen Vergütungsbestandteile sowie zur Abgeltung des noch offenen Urlaubs im Umfang von 22,91 Tagen verpflichtet.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum 30. April 2021 fortbestanden hat;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger [X.] Euro brutto abzüglich 12.913,80 Euro netto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins auf

                 

3.045,30 Euro ab dem 1. Oktober 2020,

                 

1.015,10 Euro ab dem 1. November 2020,

                 

1.015,10 Euro ab dem 1. Dezember 2020,

                 

1.015,10 Euro ab dem 1. Januar 2021,

                 

998,90 Euro ab dem 1. [X.]ebruar 2021,

                 

998,90 Euro ab dem 1. März 2021,

                 

998,90 Euro ab dem 1. April 2021,

                 

998,90 Euro ab dem 1. Mai 2021

                 

zu zahlen;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 2.431,98 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins ab dem 1. August 2021 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB durch einen sog. Kettenbetriebsübergang - zunächst zum Ablauf des 31. Mai 2020 von der [X.] auf die [X.] und nachfolgend auf die [X.] - beendet worden. Der Widerspruch vom 23. Juli 2020 sei verfristet, zumindest aber treuwidrig, da der Kläger durch den [X.] mit der [X.] sein Widerspruchsrecht verwirkt habe. Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug bestünden nicht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat auf die Berufung des [X.] das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und der Klage bis auf [X.] für den [X.]raum 1. Juli 2020 bis 7. August 2020 stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte eine Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, der Kläger mit seiner Anschlussrevision eine vollständige Stattgabe der Klage.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.] ist ebenso wie die Anschlussrevision des [X.] begründet. Die vom [X.] getroffenen Feststellungen tragen sein Urteil nicht. Da der Senat nicht selbst in der Sache entscheiden kann, ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 Z[X.]O) und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 Z[X.]O).

A. Die Revision der [X.] ist ebenso wie die Anschlussrevision des [X.] zulässig.

I. Die Zulässigkeit der Revision wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass das [X.] in den - später berichtigten - Entscheidungsgründen seines Urteils ausführt, eine Zulassung der Revision komme nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorlägen und im Übrigen auf die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde hinweist. Das [X.] hat die Revision in dem verkündeten Tenor des Berufungsurteils zugelassen. Eine im Tenor unbeschränkt ausgesprochene Zulassung der Revision kann in den Entscheidungsgründen nicht mehr wirksam beschränkt ([X.] 2. Oktober 2018 - 5 [X.] - Rn. 11, [X.]E 163, 326) oder ausgeschlossen werden.

II. Die Anschlussrevision ist ebenfalls zulässig. Sie ist innerhalb der Frist des § 554 Abs. 2 Satz 2 Z[X.]O beim [X.] eingegangen und sogleich begründet worden.

B. Die Revision der [X.] ist begründet.

I. Das [X.] hat rechtsfehlerhaft - [X.]n auch in den Gründen seines Urteils unausgesprochen - angenommen, das Arbeitsverhältnis der [X.]arteien bestehe über den 31. Mai 2020 bis zum 30. April 2021 fort, weshalb dem Kläger auch die vom Berufungsgericht zugesprochenen Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüche zustünden. Die tatsächlichen Feststellungen des [X.]s rechtfertigen seine Annahme indes nicht. Das Berufungsgericht durfte weder einen Übergang des Arbeitsverhältnisses des [X.] auf die [X.] Immobilien gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 [X.] ausschließen noch den von ihm erklärten Widerspruch iSv. § 613a Abs. 6 Satz 1 [X.] als rechtzeitig ansehen.

1. Das [X.] hat unter Verletzung der Rechtsnorm des § 613a Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 und Abs. 6 Satz 1 [X.] (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) angenommen, das Unterrichtungsschreiben der [X.] vom 25. März 2020 sei unzureichend gewesen, weil die [X.] Immobilien den Betrieb der [X.] nicht übernommen habe, so dass sich der im Juli 2020 erfolgte Widerspruch des [X.] gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses noch als rechtzeitig erweise.

2. Damit geht das Berufungsgericht offenbar davon aus, dass tatsächlich ein Betriebsübergang stattgefunden hat. Anders kann die [X.]rüfung der Verwirkung des Widerspruchsrechts nach § 613a Abs. 6 Satz 1 [X.] nicht verstanden werden. Allerdings äußert sich das [X.] nicht dazu, wer Betriebsübernehmer ist, sondern schließt nur die [X.] Immobilien als Übernehmerin aus, da diese das Möbelhaus nicht „tatsächlich betrieben“ habe. Mit diesen Ausführungen kann in der konkreten Konstellation ein Betriebsübergang auf die [X.] Immobilien aber nicht verneint werden.

a) § 613a [X.] setzt voraus, dass ein „Betrieb“ oder ein „Betriebsteil“ auf einen neuen Inhaber übergeht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ist darunter der Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit zu verstehen ([X.] 27. Februar 2020 - [X.]/18 - [[X.] und [X.]] Rn. 22; 13. Juni 2019 - [X.]/17 - [[X.]] Rn. 36; vgl. auch [X.] 22. Juli 2021 - 2 [X.] - Rn. 14). Der Übergang eines Betriebs - verstanden als wirtschaftliche Einheit - ist anhand einer Gesamtabwägung verschiedener Teilaspekte festzustellen (vgl. zuletzt [X.] 24. Juni 2021 - [X.]/19 - [Obras y Servicios [X.]úblicos und [X.]] Rn. 90; [X.] 14. Mai 2020 - 6 [X.] - Rn. 61, [X.]E 170, 244). Eine vorübergehende Unterbrechung der Betriebstätigkeit schließt einen Betriebsübergang nicht aus, solange sie nicht zur Annahme einer Betriebsstilllegung führt (vgl. [X.] 7. August 2018 - [X.]/16 - [[X.]] Rn. 42 ff.; 15. Juni 1988 - [X.]/87 - [Bork International] Rn. 16).

b) Ein Betriebsübergang kann auch in der Form erfolgen, dass die Arbeitsverhältnisse der betreffenden Arbeitnehmer zunächst auf einen ersten Erwerber und dann auf einen zweiten oder weitere Erwerber übergehen (sog. [X.], vgl. [X.] 21. August 2014 - 8 [X.] - Rn. 29). In einer solchen Situation kann der Arbeitnehmer ein etwa noch bestehendes Recht, dem durch den vorangegangenen Betriebsübergang eingetretenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen, allerdings nur dann noch wirksam ausüben, [X.]n er erfolgreich dem mit dem weiteren Betriebsübergang verbundenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den neuen Inhaber iSv. § 613a Abs. 6 Satz 2 [X.] widersprochen hat (vgl. [X.] 19. November 2015 - 8 [X.] - Rn. 21 ff., [X.]E 153, 296).

c) Der bloße Umstand, dass die [X.] Immobilien das Möbelhaus zu keinem Zeitpunkt „tatsächlich betrieben“ hat, genügt vorliegend nicht, um einen Übergang des Arbeitsverhältnisses des [X.] auf diese Gesellschaft - jedenfalls als Zwischenerwerberin - auszuschließen.

aa) Das [X.] geht selbst davon aus, dass es bezüglich des Betriebs „Möbelhaus“ nicht zu einer Stilllegung durch die [X.] gekommen ist, die einen Betriebsübergang ausschlösse (vgl. [X.] 14. Mai 2020 - 6 [X.] - Rn. 91, [X.]E 170, 244), da es bei der [X.]rüfung des vom Kläger erklärten Widerspruchs vom Vorliegen eines Betriebsübergangs ausgeht. Die - nicht eindeutig festgestellte - Unterbrechung der Betriebstätigkeit kann angesichts dessen nur „vorübergehend“ gewesen sein.

bb) Das [X.] lässt bei seiner [X.]rüfung unberücksichtigt, dass während einer nur vorübergehenden Unterbrechung der Betriebstätigkeit dem Kriterium der „tatsächlichen Führung“ des Betriebs für die Frage eines Betriebsübergangs nur nachrangige Bedeutung zukommen kann. Stattdessen hätte es eine [X.]rüfung aller Gesamtumstände durchführen müssen, um festzustellen, ob, wann und auf [X.] ein Betriebsübergang stattgefunden hat. Dabei ist es nicht ausgeschlossen, dass auf die [X.] Immobilien - als Zwischenerwerberin - zunächst ein Betriebsübergang stattgefunden hat und es in der Folgezeit - während der Unterbrechung der Betriebstätigkeit - zu einem weiteren Betriebsübergang auf die [X.] Markt gekommen ist. Zu dieser nicht durchgeführten [X.]rüfung bestand auch Veranlassung, da sich die [X.] ausdrücklich auf einen „[X.]“ zunächst auf die [X.] Immobilien und dann auf die [X.] Markt berufen hat.

cc) Weiter hätte das [X.] in den Blick nehmen müssen, dass der Kläger mit Schreiben vom 23. Juli 2020 nur gegenüber der [X.] - und nicht gegenüber der möglichen Zwischenerwerberin - dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die [X.] Markt widersprochen hat.

3. Das Berufungsurteil erweist sich nicht - auch nicht teilweise - aus anderen Gründen als richtig (vgl. § 561 Z[X.]O) und ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 Z[X.]O). Solange der Übergang des Arbeitsverhältnisses des [X.] auf die [X.] Immobilien nicht ausgeschlossen ist, kann jedenfalls der Bestand des Arbeitsverhältnisses des [X.] mit der [X.] bis 30. April 2021 nicht festgestellt werden. Die dem Kläger vom [X.] zugesprochenen Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüche hängen vom Bestand des Arbeitsverhältnisses mit der [X.] bis zu diesem Zeitpunkt ab und würden bei einem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die [X.] Immobilien ab dem 1. Juni 2020 entfallen, da es dann an einem wirksamen und rechtzeitigen Widerspruch des [X.] fehlen könnte.

II. Der Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden, weshalb das Verfahren an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (vgl. § 563 Abs. 1 Satz 1 Z[X.]O).

1. Zur Frage eines Betriebsübergangs und eines rechtzeitigen bzw. wirksamen Widerspruchs des [X.] gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses bedarf es weiterer Feststellungen des [X.]s, zumal der Kläger das Vorliegen eines Betriebsübergangs insgesamt - auch auf die [X.] Markt - bestreitet. Das Berufungsgericht hat insoweit nur festgestellt, dass sich die [X.] entschlossen habe, den Betrieb des Einrichtungshauses zum 31. Mai 2020 aufzugeben und an die „[X.] Unternehmensgruppe“ zu veräußern, wobei die [X.] Immobilien das Betriebsgrundstück nicht von der [X.], sondern von deren Gesellschafter erworben und zugesagt habe, im Zuge der [X.] auch alle Mitarbeiter der [X.] weiterzubeschäftigen. Hinsichtlich der daraufhin tatsächlich erfolgten Geschehnisse hat das [X.] keine Feststellungen getroffen. Das lässt keine Beurteilung zu, ob, wann und auf [X.] trotz einer möglichen vorübergehenden Betriebsunterbrechung ein Betriebsübergang stattgefunden hat oder ob dies nicht der Fall war.

2. Davon hängt auch die Frage ab, ob Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüche gegen die [X.] überhaupt bestehen können.

3. Es kommt keine Abweisung des Antrags zu 1. aus prozessualen Gründen in Betracht. Das [X.] hat allerdings keine Ausführungen zu diesem Antrag gemacht und die Frage eines Bestands des Arbeitsverhältnisses eher „inzident“ beantwortet.

a) Der Klageantrag zu 1. ist auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses in der Vergangenheit gerichtet, obwohl nach § 256 Abs. 1 Z[X.]O eine Feststellungsklage grundsätzlich den gegenwärtigen Bestand eines Rechtsverhältnisses betreffen muss.

b) Trotz des Vergangenheitsbezugs des Antrags besteht das besondere Feststellungsinteresse aber in den Fällen, in denen sich - wie im Streitfall - aus ihm Rechtsfolgen für die Gegenwart und Zukunft, insbesondere mögliche Ansprüche auf Vergütung ergeben können ([X.] 24. Mai 2022 - 9 [X.] - Rn. 37).

4. Ebenso [X.]ig kommt eine Abweisung des Antrags zu 3. (Urlaubsabgeltung) und von Teilen des Antrags zu 2. (Annahmeverzugsvergütung für Februar bis April 2021) aus prozessualen Gründen in Betracht.

a) Allerdings fehlen auch hier Ausführungen des [X.]s zur Klageerweiterung in der Berufungsinstanz, mit welcher der Kläger - über die zuvor eingeklagten Beträge hinaus - Annahmeverzugsvergütung auch für die Monate Februar bis April 2021 und Urlaubsabgeltung geltend gemacht hat. Das Berufungsgericht hat möglicherweise nicht erkannt, dass der Kläger im Rahmen seiner Berufung eine Klageerweiterung vorgenommen hat. Jedenfalls indem er den neuen Streitgegenstand „Urlaubsabgeltung“ damit eingeführt hat, handelt es sich um eine Klageänderung iSv. § 263 Z[X.]O.

b) Soweit das Berufungsgericht die Sachdienlichkeit der Klageänderung iSv. § 533 Nr. 1 Z[X.]O - wie hier - nicht geprüft hat, kann diese Frage offenbleiben, da sich die [X.] im Berufungsverfahren jedenfalls auf die abgeänderte Klage eingelassen hat, ohne der Änderung zu widersprechen (vgl. § 533 Nr. 1, § 267 Z[X.]O).

c) Auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 533 Nr. 2 Z[X.]O ist zu bejahen. Die Abweisung der vom Kläger in der Berufungsinstanz vorgenommenen Klageerweiterung wäre nur in Betracht gekommen, [X.]n für die Entscheidung über diesen Streitgegenstand Vorbringen erforderlich gewesen wäre, das unter den Voraussetzungen des § 67 Abs. 4 ArbGG nicht hätte berücksichtigt werden können (vgl. dazu [X.] 9. Februar 2022 - 5 [X.] - Rn. 23 f.). Der Kläger hat den Vortrag zu seiner Klageerweiterung aber bereits in der Berufungsbegründung gehalten.

III. Die Anschlussrevision des [X.] ist ebenfalls begründet.

1. Das [X.] hat unter Verletzung der Rechtsnormen der §§ 294 ff. [X.] (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) angenommen, dem Kläger stehe für den Zeitraum 1. Juli 2020 bis 7. August 2020 keine Annahmeverzugsvergütung gegen die [X.] zu, da er seine Arbeitsleistung der [X.] tatsächlich und nicht nur wörtlich habe anbieten müssen. Ferner hat es für den Zeitraum vom 8. August 2020 bis 31. Dezember 2020 unter Zugrundelegung eines Arbeitslosengeldes von 42,54 [X.] täglich einen zu hohen Abzugsbetrag an erhaltenem Arbeitslosengeld des [X.] angesetzt.

2. Das [X.] hat rechtsfehlerhaft angenommen, zur Begründung des Annahmeverzugs genüge im vorliegenden Fall - für den Zeitraum 1. Juli 2020 bis 7. August 2020 - ein wörtliches Angebot nicht, sondern es sei „im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis“ - bis zur Rückforderung des Dienstwagens durch die [X.] - ein tatsächliches Angebot des [X.] nach § 294 [X.] erforderlich gewesen (zu den grundsätzlichen Maßstäben für Annahmeverzug im Arbeitsverhältnis vgl. zuletzt [X.] 10. August 2022 - 5 [X.] - Rn. 15 mwN). Mit diesen Ausführungen betreffend ein „unstreitig bestehendes Arbeitsverhältnis“ ignoriert das Berufungsgericht die eigenen Feststellungen, wonach sich die [X.] auf den Standpunkt gestellt hat, das Arbeitsverhältnis der [X.]arteien sei gemäß § 613a [X.] durch einen Betriebsübergang zum Ablauf des 31. Mai 2020 beendet worden. Insoweit ist es auch verfehlt, [X.]n das [X.] weiter ausführt, „nach den obigen Feststellungen (sowie nach dem Verständnis des [X.])“ habe im Klagezeitraum ein Arbeitsverhältnis bestanden. Das wird von der [X.] gerade in Abrede gestellt und ist nicht „unstreitig“.

3. Das den [X.] abweisende Urteil des [X.]s erweist sich auch für den Zeitraum 1. Juli 2020 bis zum Eingang des Schreibens des [X.] vom 23. Juli 2020 bei der [X.] nicht aus anderen Gründen als richtig (vgl. § 561 Z[X.]O), weil es an einem wörtlichen Angebot der Arbeitsleistung des [X.] gefehlt hätte. Das [X.] hat nicht genügend das Unterrichtungsschreiben der [X.] vom 25. März 2020 in den Blick genommen. Das Schreiben belegt, dass die [X.] die Annahme der Arbeitsleistung des [X.] ablehnt (vgl. § 295 [X.]) und es nicht einmal eines wörtlichen Angebots bedurfte, um Annahmeverzug der [X.] zu begründen.

a) Die [X.] hat dem Kläger in dem Unterrichtungsschreiben vom 25. März 2020 mitgeteilt, dass sie ihren Geschäftsbetrieb zum 31. Mai 2020 einstelle, sie mit diesem Datum aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ausscheide und die [X.] Immobilien in ihre Arbeitgeberstellung eintrete. Die Leitung des Betriebs werde von der neuen Arbeitgeberin ausgeübt und das Arbeitsverhältnis mit der [X.] erlösche. Für den Fall eines Widerspruchs könne der Kläger bei der [X.] auf seinem bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr beschäftigt werden, so dass voraussichtlich eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen werden müsse.

b) In dieser Konstellation bedarf es keines tatsächlichen oder wörtlichen Angebots des Arbeitnehmers zur Begründung des Annahmeverzugs (vgl. [X.] 22. Oktober 2009 - 8 [X.] - Rn. 17). Erklärt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor dem Betriebsübergang, dass eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit wegen des Wegfalls seines Arbeitsplatzes nicht mehr gegeben ist, so macht er damit deutlich, der ihm obliegenden Mitwirkungshandlung nicht nachkommen zu wollen. Er gerät damit in Annahmeverzug, ohne dass es noch eines Angebots der Arbeitsleistung von Seiten des Arbeitnehmers bedürfte ([X.] 27. November 2008 - 8 [X.] - Rn. 49; 24. Juli 2008 - 8 [X.] 1020/06 - Rn. 49).

c) Das wird nicht durch die Mitteilung der [X.] in Frage gestellt, wonach der Kläger auf seinem „bisherigen“ Arbeitsplatz nicht mehr beschäftigt werden könne und bei einem Widerspruch „voraussichtlich“ eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen werde. Die [X.] kündigt dem Kläger die Schließung ihrer Betriebsstätte an, ohne eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit zu benennen oder eine solche - vorsorglich - zuzuweisen. Damit stellt die [X.] nicht klar, dass der Kläger bei einem Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses tatsächlich beschäftigt würde.

4. Das [X.] hat die für den Zeitraum vom 8. August 2020 bis 31. Dezember 2020 zuerkannten [X.] zudem fehlerhaft berechnet. Es ist zu Lasten des [X.] von einem unzutreffenden [X.] ausgegangen (1.301,10 [X.] statt 1.284,90 [X.] pro Monat). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger ein Arbeitslosengeld von 42,54 [X.] täglich erhalten. Wird das Arbeitslosengeld für einen vollen Monat gezahlt, ist dieser mit 30 Tagen anzusetzen (§ 154 Satz 2 SGB III). Dies ergibt einen [X.] von 1.276,20 [X.] pro Monat. Dass der Kläger sogar einen [X.] von 1.284,90 [X.] pro Monat hinnimmt, beruht darauf, dass er selbst - vom [X.] erneut unbeachtet - auf einen rückwirkenden Änderungsbescheid der [X.] hingewiesen hat, wonach sein Arbeitslosengeld ab Juli 2020 auf 42,83 [X.] pro Tag erhöht wurde. Der vom [X.] angerechnete Betrag von 1.301,10 [X.] monatlich ist rechnerisch erst ab dem 1. Januar 2021 in Abzug zu bringen, weil sich das Arbeitslosengeld des [X.] auf 43,37 [X.] täglich erhöhte.

5. Der Senat kann bezüglich der Anschlussrevision des [X.] nicht in der Sache selbst entscheiden (vgl. § 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Z[X.]O). Ob dem Kläger überhaupt [X.] für den Zeitraum 1. Juli 2020 bis 7. August 2020 zustehen, hängt vorrangig davon ab, ob zwischen den [X.]arteien in diesem Zeitraum noch ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Zur Frage eines Betriebsübergangs und eines rechtzeitigen bzw. wirksamen Widerspruchs des [X.] gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses bedarf es weiterer Feststellungen des [X.]s (Rn. 23 ff., 29).

IV. Sollte das [X.] im fortgesetzten Berufungsverfahren zum Ergebnis kommen, dass zwischen den [X.]arteien bis 30. April 2021 - mangels Betriebsübergangs oder wegen eines wirksamen Widerspruchs des [X.] - ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, wird es sich mit folgenden weiteren Fragen zu befassen haben:

1. Die [X.] hat in beiden Vorinstanzen geltend gemacht, selbst [X.]n ein Arbeitsverhältnis der [X.]arteien bis 30. April 2021 bestanden habe und ein Angebot der Arbeitsleistung durch den Kläger entbehrlich gewesen sei, stehe ihm der geltend gemachte Annahmeverzug auch deshalb nicht zu, da er anderweitigen Erwerb gehabt habe - nämlich die gegenüber der [X.] Markt erzielte Abfindung von 10.000,00 [X.] - beziehungsweise anderweitiger Erwerb vom Kläger böswillig unterlassen worden sei. Zur Begründung hat sich die [X.] auf einen Vermittlungsvorschlag der [X.] vom 16. September 2020 sowie die ihrer Ansicht nach unzureichenden Angaben des [X.] zu weiteren Vermittlungsvorschlägen oder [X.] bezogen. Mit diesem jedenfalls nicht offensichtlich unbeachtlichen Vorbringen hat sich das Berufungsgericht bisher nicht befasst.

2. Sollte das [X.] dem Kläger erneut [X.] zuerkennen, wird es - um einen wiederholten Verstoß gegen den [X.] (§ 308 Abs. 1 Satz 2 Z[X.]O) zu vermeiden - zu berücksichtigen haben, dass der Kläger mit seinen Anträgen gestaffelte Zinsen für einen ersten (zusammengefassten) Teilbetrag erst ab dem 1. Oktober 2020 und nicht bereits seit dem 1. September 2020 geltend macht. Daneben wird es eine Begründung dafür nachzuholen haben, warum es dem Kläger Zinsen für die monatlichen Annahmeverzugsbeträge bereits ab dem 1. des Folgemonats zuspricht, obwohl nach § 3 Nr. 2 des Arbeitsvertrags der [X.]arteien die Vergütung jeweils zum 10. des Folgemonats zu zahlen ist, und aus welchen Gründen der Kläger, der Zinsen aus der Bruttovergütung abzüglich erhaltenen (Netto-)Arbeitslosengeldes verlangt, lediglich Zinsen „auf den sich ergebenden Nettobetrag“ beanspruchen kann. Der Arbeitnehmer kann die Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 Satz 1 [X.] vielmehr aus der in Geld geschuldeten Bruttovergütung beanspruchen ([X.] 7. März 2001 - [X.] 1/00 - [X.]E 97, 150).

V. Das [X.] hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

        

    Koch    

        

    Niemann    

        

    Schlünder    

        

        

        

    [X.]rinz    

        

    Nielebock    

                 

Meta

2 AZR 99/22

15.12.2022

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Frankfurt (Oder), 26. Mai 2021, Az: 6 Ca 1054/20, Urteil

§ 613a Abs 1 S 1 BGB, § 613a Abs 5 BGB, § 613a Abs 6 BGB, § 294 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.12.2022, Az. 2 AZR 99/22 (REWIS RS 2022, 9007)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9007 NJW 2023, 1533 REWIS RS 2022, 9007

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