Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.02.2010, Az. 4 BN 68/09

4. Senat | REWIS RS 2010, 9691

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Private Belange unter Drittschutz


Gründe

I.

1

Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag mit dem Hauptantrag, den [X.]ebauungsplan Nr. 1919 a der Antragsgegnerin insoweit für unwirksam zu erklären, als er den im Eigentum der Antragsteller stehenden [X.] von der Planung ausschließt, mangels Antragsbefugnis als unzulässig, hilfsweise als unbegründet angesehen. Die Hilfsanträge, die auf die Verpflichtung der Antragsgegnerin gerichtet waren, den [X.] planerisch verbindlich auszuweisen oder in den umstrittenen [X.]ebauungsplan einzubeziehen, hat er als unzulässig erachtet. Mit ihrer auf sämtliche Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützten [X.]eschwerde wenden sich die Antragsteller insoweit gegen die Nichtzulassung der Revision, als das Normenkontrollurteil ihrem Hauptantrag den Erfolg versagt hat. Die Ablehnung der Hilfsanträge greifen sie nicht mit einem Grund für die Zulassung der Revision an.

II.

2

Die [X.]eschwerde bleibt erfolglos.

3

Für das [X.]eschwerdeverfahren gilt: Ist die vorinstanzliche Entscheidung auf mehrere selbständig tragende [X.]egründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser [X.]egründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (vgl. [X.]eschluss vom 9. Dezember 1994 - [X.]VerwG 11 PKH 28.94 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4; stRspr). Wenn nur bezüglich einer [X.]egründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese [X.]egründung nämlich hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert. Das gilt auch bei [X.] im Verhältnis von Zulässigkeit und [X.]egründetheit ([X.]eschluss vom 19. September 1991 - [X.]VerwG 2 [X.] 108.91 - juris Rn. 4). Vorliegend scheidet die Zulassung der Revision aus, weil die Antragsteller in [X.]ezug auf die [X.]ehandlung ihres [X.] als unzulässig einen Grund für die Zulassung der Revision nicht aufzeigen. Es braucht deshalb nicht entschieden zu werden, ob es ihnen gelingt, die Ablehnung des Antrags auch als unbegründet mit einem Zulassungsgrund zu erschüttern.

4

1. Die von den Antragstellern aufgeworfenen Fragen,

- ob eine Gemeinde einen kleinen Teilbereich innerhalb eines verbindlich festgesetzten Planbereichs unbeplant lassen darf, um sich hierdurch auf Kosten der Grundeigentümer des unbeplanten Teilbereichs Vorteile zu verschaffen,

- ob sich das Planungsermessen einer Gemeinde dann zur Planungspflicht verdichtet, wenn die Nichtplanung für die betroffenen Grundeigentümer enteignende Wirkung hat und die Grenze des Vertretbaren überschreitet, obwohl qualifizierter Handlungsbedarf für die Planung besteht,

nötigen nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Soweit sie der fallübergreifenden Klärung zugänglich sind, einen [X.]ezug zur Antragsbefugnis haben und sich nicht in einer Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung erschöpfen, lässt sich auf sie auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens antworten.

5

Der Senat hat sich im Urteil vom 30. April 2004 - [X.]VerwG 4 CN 1.03 - (NVwZ 2004, 1120) zu den Voraussetzungen geäußert, unter denen das Interesse, mit einem Grundstück in den Geltungsbereich eines [X.]ebauungsplans einbezogen zu werden, ein abwägungserheblicher [X.]elang ist, der die Antragsbefugnis für eine Normenkontrolle (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) vermitteln kann. Seine Ausführungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die mögliche Verletzung eines subjektiven Rechts, von dem die Antragsbefugnis abhängt, kann aus einem Verstoß gegen das in § 1 Abs. 7 [X.]auG[X.] enthaltene Abwägungsgebot folgen. Dieses Gebot hat hinsichtlich solcher privater [X.]elange drittschützenden Charakter, die für die Abwägung erheblich sind. Nicht abwägungserheblich sind insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den [X.]ebauungsplan nicht erkennbar waren.

6

Das bloße Interesse eines Eigentümers, das Plangebiet entgegen den bisherigen planerischen Vorstellungen auf sein Grundstück ausgedehnt zu sehen, muss von der Gemeinde nicht in die Abwägung einbezogen werden. Ein derartiges Interesse an der Verbesserung des bauplanungsrechtlichen Status quo und damit an der Erweiterung des eigenen Rechtskreises ist eine bloße Erwartung, die nicht schutzwürdig und damit auch nicht abwägungserheblich ist. Anders ist es, wenn der [X.]ebauungsplan oder seine Ausführung nachteilige Auswirkungen auf das nicht einbezogene Grundstück und seine Nutzung haben kann (Erschwerung der Erschließung, Einschnürung, Schaffung einer "Insellage" etc.). Solche planungsbedingten Folgen müssen, wenn sie mehr als geringfügig, schutzwürdig und erkennbar sind, ebenso wie jeder vergleichbare Konflikt innerhalb des Plangebiets im Rahmen des Abwägungsgebots bewältigt werden.

7

Das [X.]eschwerdevorbringen gibt keinen Anlass, diese Rechtsprechung zu modifizieren oder gar zu korrigieren. Nach ihren Maßstäben hat der Verwaltungsgerichtshof den Antragstellern zu Recht die Antragsbefugnis abgesprochen; denn nach seinen Feststellungen schafft der umstrittene [X.]ebauungsplan keine bewältigungsbedürftigen städtebaulichen Konflikte oder Probleme; vielmehr lässt die Nichteinbeziehung des [X.]s die bisherige - situationsbedingt - stark eingeschränkte Nutzung dieses schmalen Grundstücksstreifens unberührt (UA S. 11).

8

Der Senat hat seinerzeit offen gelassen, ob eine Antragsbefugnis jedenfalls in Fällen in [X.]etracht kommt, in denen ein Grundstück "willkürlich" nicht in einen [X.]ebauungsplan einbezogen wird. Er könnte dies auch in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klären. Den gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] lassen sich Anhaltspunkte für eine willkürliche Grenzziehung nicht entnehmen, auch wenn die Antragsteller den Sachverhalt anders würdigen mögen.

9

2. Eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO scheidet ebenfalls aus.

Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des [X.]undesverwaltungsgerichts widerspricht (vgl. [X.]eschluss vom 20. Dezember 1995 - [X.]VerwG 6 [X.] 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712 <713>; stRspr). § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt, dass der Tatbestand der Divergenz nicht nur durch die Angabe der höchstrichterlichen Entscheidung, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch Gegenüberstellung der miteinander unvereinbaren Rechtssätze dargelegt wird. Hieran lässt es die [X.]eschwerde fehlen. Sie benennt zwar die Entscheidungen des Senats vom 20. November 1995 - [X.]VerwG 4 N[X.] 23.94 - ([X.]RS 57 Nr. 3), 17. September 2003 - [X.]VerwG 4 C 14.01 - ([X.]VerwGE 119, 25) und vom 17. März 1992 - [X.]VerwG 4 [X.] 230.91 - ([X.]RS 54 Nr. 8), arbeitet aber keine Rechtsätze aus dem Normenkontrollurteil heraus, die von Rechtssätzen aus den zitierten [X.] abweichen. Vielmehr moniert sie, dass die Vorinstanz Rechtssätze des [X.]undesverwaltungsgerichts im Einzelfall rechtsfehlerhaft angewandt oder daraus nicht die rechtlichen Folgerungen gezogen hat, die sie für die Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung für geboten hält. Das erfüllt nicht den Tatbestand des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (stRspr; vgl. nur [X.]eschluss vom 19. August 1997 - [X.]VerwG 7 [X.] 261.97 - NJW 1997, 3328).

3. Die Revision kann schließlich nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensfehlers zugelassen werden. Die Antragsteller äußern zwar konkrete Vorstellungen, welche Umstände der Verwaltungsgerichtshof noch hätte nach § 86 Abs. 1 VwGO klären müssen. Sie zeigen aber nicht auf, inwiefern die (unterstellten) Ergebnisse der vermissten Sachverhaltsermittlung auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des vorinstanzlichen Gerichts, auf die es insoweit ankommt (Urteil vom 25. März 1987 - [X.]VerwG 6 C 10.84 - [X.] 310 § 108 VwGO Nr. 183 S. 4 ff.; stRspr), zu einer ihnen günstigeren Entscheidung hätten führen können. Der Verfahrensmangel der lückenhaften Sachverhaltsklärung ist daher nicht ordnungsgemäß bezeichnet (vgl. Urteil vom 12. Februar 1998 - [X.]VerwG 3 C 55.96 - [X.]VerwGE 106, 177 <182>).

Meta

4 BN 68/09

04.02.2010

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 27. Juli 2009, Az: 2 N 06.2397, Urteil

§ 1 Abs 7 BauGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.02.2010, Az. 4 BN 68/09 (REWIS RS 2010, 9691)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9691

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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