Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.12.2014, Az. IV ZR 260/11

4. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 206

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Gegenstand

Altvertrag für eine private Rentenversicherung im Antragsmodell: Richtlinienkonforme, einschränkende Auslegung der Regelung zum Erlöschen des Rücktrittsrechts des Versicherungsnehmers bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung


Leitsatz

Die in § 8 Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. getroffene Regelung, nach welcher auch bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung des Versicherungsnehmers über sein jeweiliges Lösungsrecht dieses einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlischt, ist richtlinienkonform einschränkend dahin auszulegen, dass sie im Bereich der Lebens- und Rentenversicherung und der Zusatzversicherung zur Lebensversicherung nicht anwendbar ist, hingegen auf die übrigen von § 8 VVG a.F. erfassten Versicherungsarten uneingeschränkt Anwendung findet (Fortführung von BGH, Urteil vom 7. Mai 2014, IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 7. Zivilkammer des [X.] vom 11. November 2011 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von dem beklagten Versicherer Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Rentenversicherung.

2

Diese wurde mit Vertragsbeginn zum 1. Dezember 2000 abgeschlossen. Die Belehrung über das Recht zum Rücktritt bzw. Widerruf befand sich am Ende des Antragsformulars innerhalb eines insgesamt im Fettdruck gehaltenen, mit "Wichtige Hinweise" überschriebenen Textblockes zwischen Hinweisen zur Schweigepflichtentbindung und Datenverarbeitung und einem Verweis auf die auf der Folgeseite abgedruckten Hinweise und Erklärungen zur Unfallversicherung.

3

Im Oktober 2005 kündigte die Klägerin den Vertrag, und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 erklärte sie schließlich den Widerspruch "gemäß § 5a [X.] a.F."

4

Mit ihrer Klage verlangt sie die Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst 7% Zinsen als Ausgleich für aus den Prämien gezogene Nutzungen. Abzüglich des bereits ausgezahlten [X.] hat sie daraus einen Betrag von insgesamt 4.582,84 € errechnet, den die Beklagte in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Vertragsbeginn zu verzinsen habe.

5

Nach ihrer Auffassung war die erteilte Belehrung drucktechnisch nicht hinreichend hervorgehoben. Hinzu kämen inhaltliche Defizite. Dies führe zu einem zeitlich unbeschränkten Widerspruchsrecht, da die gesetzlich vorgesehene zeitliche Begrenzung Unionsrecht widerspreche.

6

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

8

I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus § 812 BGB oder einem anderen Rechtsgrund verneint. Offen lassend, ob wegen Vertragsschlusses nach dem [X.] die Voraussetzungen des § 5a [X.] vorliegen, geht das Berufungsgericht davon aus, die Klägerin sei ordnungsgemäß belehrt worden und habe sowohl die Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1, 2 [X.] als auch die Rücktrittsfrist des § 8 Abs. 5 [X.] a.F., überdies die Fristen aus § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] und § 8 Abs. 5 Satz 4 [X.] a.F. versäumt.

9

II. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Anders als das Berufungsgericht meint, folgt der Anspruch auf Prämienrückzahlung dem Grunde nach aus § 346 Abs. 1 BGB.

1. Entgegen der Revisionserwiderung ist der Rechtsstreit nicht bereits zur Beantwortung der Frage an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, ob der Versicherungsnehmerin das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 1 Satz 1 [X.] - und damit eine Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB - oder das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 [X.] (in der vom 29. Juli 1994 bis 7. Dezember 2004 geltenden Fassung vom 21. Juli 1994 - im Folgenden: a.F.) - und damit eine Rückabwicklung nach den §§ 346 ff. BGB ([X.] in [X.]/Matusche-[X.], [X.] 2. Aufl. § 8 Rn. 56) - offen steht. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Vertragsschluss nach dem [X.] erfolgte, was dem bisherigen Vortrag der Beklagten entsprach und von der Klägerin im Revisionsverfahren hingenommen wird. § 8 Abs. 6 [X.] a.F. stellt für solche Fälle das Verhältnis zwischen § 5a Abs. 1 [X.] und § 8 Abs. 4 und 5 [X.] klar. Danach findet hier § 8 Abs. 5 [X.] a.F. Anwendung, weil ein Vertragsschluss nach dem so genannten [X.] nicht erfolgt und damit das Widerspruchsrecht aus § 5a Abs. 1 Satz 1 [X.] a. F. nicht eröffnet ist.

2. Infolge der Ausübung des Rücktrittsrechts aus § 8 Abs. 5 [X.] a.F. durch die Klägerin sind nach § 346 Abs. 1 BGB die empfangenen Leistungen dem Grunde nach zurück zu gewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.

a) Die mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 abgegebene Erklärung der Klägerin ist ungeachtet ihrer Bezeichnung als Widerspruch "gemäß § 5a [X.]" als Rücktrittserklärung nach § 8 Abs. 5 [X.] a.F. auszulegen. Entscheidend ist, dass darin der unbedingte Wille zum Ausdruck kommt, sich rückwirkend vom Vertrag lösen und die Rückzahlung sämtlicher Prämien geltend machen zu wollen. Die Auslegung dieser Erklärung kann der [X.] selbst vornehmen, da die Aufklärung weiterer relevanter Umstände nicht zu erwarten ist (vgl. [X.], Urteil vom 12. Dezember 1997 - [X.], [X.], 1219 unter II 3 m.w.N.; [X.]/[X.], 4. Aufl. § 546 Rn. 10).

b) Der Rücktritt ist rechtzeitig erklärt, obwohl zum Zeitpunkt der Erklärung die in § 8 Abs. 5 Satz 4 [X.] a.F. normierte Monatsfrist abgelaufen war.

aa) Nach dem durch Bezugnahme auf die Vertragsunterlagen festgestellten Sachverhalt, der weitere Feststellungen nicht erwarten lässt, wurde die Klägerin nicht ordnungsgemäß i.S. von § 8 Abs. 5 Satz 3 [X.] a.F. belehrt. Soweit das Berufungsgericht von einer "ordnungsgemäßen Belehrung" ausgeht, verhält es sich nur zum Zugang, nicht aber zur Form derselben.

Die im Antragsformular enthaltene Belehrung war nicht ausreichend drucktechnisch hervorgehoben und konnte deshalb die Rücktrittsfrist des § 8 Abs. 5 Satz 1 [X.] a.F. nicht wirksam in Lauf setzen (vgl. § 8 Abs. 5 Satz 3 [X.] a.F.). Zwar war eine drucktechnische Hervorhebung der Belehrung vom Wortlaut des § 8 Abs. 5 [X.] a.F. (wie auch des § 8 Abs. 4 [X.] in der vom 1. Januar 1991 bis zum 28. Juli 1994 gültigen Fassung) nicht ausdrücklich vorausgesetzt. Der [X.] hat aber bereits zu § 8 Abs. 4 [X.] a.F. klargestellt, dass die Belehrung zur Erreichung ihres gesetzlichen Zweckes inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher eindeutig sein muss. Das erfordert eine Form der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trägt und darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das maßgebliche Wissen zu vermitteln ([X.]surteil vom 16. Oktober 2013 - [X.], [X.], 1513 Rn. 14 m.w.N.).

Die der Klägerin gegebene Belehrung genügt diesen Anforderungen nicht. Sie ist inmitten eines Textblockes abgedruckt, der weitere Informationen, unter anderem über die Ermächtigung zur Entbindung von der Schweigepflicht, zur Datenverarbeitung und zum Widerspruch in der Unfallversicherung, enthält. Innerhalb dieses Textblockes ist der Hinweis auf das Rücktrittsrecht in keiner Weise drucktechnisch hervorgehoben. Der gesamte Textblock ist vielmehr fettgedruckt. Weder der Fettdruck noch die Stellung der Belehrung im Antragsformular reichen daher aus, um eine Kenntnisnahme des Versicherungsnehmers hiervon zu gewährleisten (vgl. [X.]surteil vom 16. Oktober 2013 - [X.] aaO Rn. 15).

Schon wegen dieses Formmangels der Belehrung konnte die Rücktrittsfrist nach § 8 Abs. 5 Satz 3 [X.] a.F. nicht zu laufen beginnen. Darauf, ob - wie die Revision rügt - die Belehrung darüber hinaus auch an inhaltlichen Defiziten litt, kommt es insoweit nicht mehr an.

bb) [X.] steht auch nicht der Ablauf der für einen solchen Fall bestimmten Frist aus § 8 Abs. 5 Satz 4 [X.] a.F. entgegen, nach welcher das Rücktrittsrecht bei unterbliebener Belehrung jedenfalls einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Diese Befristung ist unwirksam. Das Rücktrittsrecht der Klägerin bestand mithin noch im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 8 [X.] a.F. entsprechend den im [X.]surteil vom 7. Mai 2014 ([X.], [X.]Z 201, 101) dargelegten Grundsätzen.

(1) In dieser Entscheidung hat der [X.] die Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] im Rahmen einer gespaltenen Auslegung (vgl. [X.]surteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 28) richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert, dass sie im Anwendungsbereich der Richtlinie 90/619/[X.] (Zweite Richtlinie Lebensversicherung, [X.] L 330 S. 50) und der [X.]/[X.] (Dritte Richtlinie Lebensversicherung, [X.] [X.]) keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht unbefristet fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat (im Einzelnen dazu [X.]surteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 22-34).

(2) Für das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 [X.] a.F. kann nichts anderes gelten. Es macht keinen Unterschied, dass die Anwendung des § 8 Abs. 5 [X.] a.F. einen Vertragsschluss nach dem [X.], d.h. eine Übergabe der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen bereits bei Antragstellung voraussetzt. Entscheidend ist allein, dass die Befristung des Rücktrittsrechts bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Recht zum Rücktritt im Ergebnis zu einer vertraglichen Bindung führen könnte, ohne dass dem Versicherungsnehmer die Rücktrittsmöglichkeit ordnungsgemäß zur Kenntnis gebracht wäre. Diese Gefahr wird durch die Frist des § 8 Abs. 5 [X.] a.F. gegenüber der vom [X.] (aaO) beanstandeten Frist in § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] noch dadurch verschärft, dass das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 [X.] a.F. nicht erst ein Jahr, sondern bereits einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlöschen sollte. Für die von der Beklagten angeregte Vorlage an den [X.] bestand kein Anlass, die Frage ist durch dessen Urteil vom 19. Dezember 2013 ([X.], [X.], 225) hinreichend geklärt.

(3) Anders als die Beklagte - zuletzt mit [X.] vom 12. Dezember 2014 - geltend gemacht hat, ergeben sich gegen eine Übertragung der vorgenannten Grundsätze auf die Regelung des § 8 Abs. 5 Satz 4 [X.] keine durchgreifenden Bedenken daraus, dass die richtlinienkonforme Auslegung hier zum Wegfall dieser Befristung und damit zur vollständigen Aufhebung der in § 8 Abs. 5 Satz 4 [X.] a.F. getroffenen Regelung führt. Diese war lediglich ein für Lebensversicherungsverträge geltender Teil einer für alle Versicherungsverträge angeordneten Befristung des Rechts des Versicherungsnehmers, sich von der vertraglichen Bindung zu lösen.

§ 8 [X.] a.F. erfasste alle nicht im [X.] geschlossenen Versicherungsverträge und regelte die insoweit bestehenden Lösungsrechte des Versicherungsnehmers - das Recht zum Rücktritt von [X.] (§ 8 Abs. 5 [X.] a.F.) und das Recht zum Widerruf sonstiger Versicherungsverträge (§ 8 Abs. 4 [X.] a.F.). Für alle diese Verträge sah § 8 [X.] a.F. vor, dass das jeweilige Lösungsrecht eines nicht ordnungsgemäß darüber belehrten Versicherungsnehmers einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlöschen sollte. Einer solchen Frist stehen indes die vorgenannten [X.] bei Versicherungsverträgen entgegen, die dem Anwendungsbereich dieser Richtlinien unterfallen. Eine richtlinienkonforme teleologische Reduktion ist hier insoweit möglich, als die Monatsfrist für den Rücktritt von Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung nicht angewendet wird, jedoch bei sämtlichen anderen Versicherungsverträgen weiter gilt.

An einer solchen gespaltenen Auslegung ist der [X.] nicht dadurch gehindert, dass § 8 Abs. 5 [X.] a.F. bei isolierter Betrachtung nur für im [X.] geschlossene Lebensversicherungsverträge galt. Die Vorschrift ist vielmehr im Zusammenhang mit § 8 Abs. 4 [X.] a.F. zu sehen.

Die frühere Fassung des § 8 Abs. 4 [X.] vom 17. Dezember 1990 (gültig vom 1. Januar 1991 bis 28. Juli 1994) erfasste alle Versicherungsverträge und enthielt noch keine von der Erteilung der Belehrung unabhängige Befristung des Widerrufsrechts. Durch Art. 15 Abs. 1 der [X.], der für die Lebensversicherung ein zwischen 14 und 30 Tagen zu bemessendes Rücktrittsrecht vorsah, wurde der Gesetzgeber zu einer Neuregelung veranlasst, die in Ansehung des Rechts des Versicherungsnehmers, sich vom Vertrag zu lösen, zwischen [X.] und sonstigen Versicherungen unterschied. Da der Gesetzgeber eine kumulative Begründung von Widerrufs- und Rücktrittsrecht in der Lebensversicherung sachlich weder für geboten noch vertretbar hielt, nahm er die Lebensversicherung aus dem Anwendungsbereich des Widerrufsrechts heraus und sah in § 8 Abs. 5 [X.] a.F. zur Umsetzung der Vorgabe aus Art. 15 Abs. 1 der [X.] Lebensversicherungsrichtlinie (BT-Drucks. 12/6959 [X.]) ein Rücktrittsrecht vor. Mit dem Dritten Durchführungsgesetz/[X.] zum [X.], das vor allem auch der Umsetzung der [X.] diente (BT-Drucks. 12/6959 S. 1), wurden wortgleich die beiden Ausschlussfristen in § 8 Abs. 4 Satz 4 und § 8 Abs. 5 Satz 4 [X.] eingeführt (BT-Drucks. 12/6959 S. 34 f.). Sie bilden hinsichtlich der von der Erteilung einer Belehrung unabhängigen Ausschlussfrist eine für alle Versicherungsverträge einheitliche Regelung. Wie die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 12/6959 [X.]) hervorhebt, wurden "aus Gründen praktischer Vernunft … zur Vermeidung von Missverständnissen und zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit bei den Versicherungsnehmern für das Widerrufs- und das Rücktrittsrecht gleiche Fristen vorgesehen". Mithin beabsichtigte der Gesetzgeber eine einheitliche, von der Erteilung einer Belehrung unabhängige Befristung des Lösungsrechts, die für alle im [X.] geschlossenen Versicherungsverträge gelten sollte. Daran ändert nichts, dass aus redaktionellen Gründen hinsichtlich der Befristung gleichlautende Bestimmungen als § 8 Abs. 4 Satz 4 und § 8 Abs. 5 Satz 4 [X.] a.F. eingefügt wurden.

Die zulässige richtlinienkonforme teleologische Reduktion führt im Ergebnis zu einer gespaltenen Auslegung dieser umfassenden Befristung dergestalt, dass sie nur insoweit korrigiert wird, als sie mit den Anforderungen der vorgenannten Richtlinien nicht übereinstimmt, und im überschießenden - nicht europarechtlich determinierten - Teil unverändert bleibt (vgl. [X.]surteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 28).

c) Die vorangegangene Kündigung des [X.] steht dem späteren Rücktritt nicht entgegen (vgl. [X.]surteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Rücktrittsrechts infolge beiderseits vollständiger Leistungserbringung (vgl. dazu [X.]surteil vom 16. Oktober 2013 - [X.], [X.], 1513 Rn. 25 ff.) kommt hier ebenfalls nicht in Betracht, da eine analoge Anwendung der Regelungen aus § 7 Abs. 2 VerbrKrG, § 2 Abs. 1 Satz 4 [X.] nach Außerkrafttreten dieser Gesetze bereits zum Zeitpunkt der Abwicklung des [X.] nicht mehr möglich ist (vgl. dazu [X.]surteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).

Auch der von der Beklagten erhobene Verwirkungseinwand greift nicht (vgl. [X.]surteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 39).

3. [X.] sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang der Rücktrittserklärung (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen [X.]surteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).

4. Ohne Erfolg hat sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung und mit [X.] vom 12. Dezember 2014 darauf berufen, der Ausübung des Rücktrittsrechts stehe eine analoge Anwendung des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. entgegen, der das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen für bestimmte Finanzdienstleistungen ausschließt, zu denen nach Auffassung der Beklagten auch fondsgebundene Rentenversicherungen zählen.

Der früher in § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F., nunmehr in § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BGB geregelte Ausschluss des Widerrufsrechts (BT-Drucks. 17/12637 S. 56) wurde eingefügt durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2. Dezember 2004 und trat am 8. Dezember 2004 in [X.]. Darin wurde die so genannte Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen (2002/65/[X.], [X.] L 271, [X.]) umgesetzt.

Der [X.] braucht nicht zu entscheiden, ob die Regelung auch für das in § 8 Abs. 5 [X.] a.F. geregelte Rücktrittsrecht und den hier in Rede stehenden Versicherungsvertrag Geltung beansprucht, denn eine - auch analoge - Anwendung kommt unabhängig vom Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. im Streitfall schon deshalb nicht in Betracht, weil der zeitliche Geltungsbereich der Norm nicht eröffnet ist. Der [X.] wurde bereits im Jahre 2000 geschlossen. Nach Art. 229 § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.]BGB findet auf bis zum Ablauf des 7. Dezember 2004 entstandene Schuldverhältnisse das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung Anwendung.

5. Die Abweisung der Klage erweist sich auch nicht deshalb als richtig, weil die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung durchgriffe. Wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend entschieden hat, ist der Anspruch der Klägerin aus § 346 Abs. 1 BGB nicht verjährt. Auch wenn [X.] nicht verjähren, so kann ihre Ausübung Rückabwicklungsansprüche begründen, die der Verjährung unterliegen ([X.]/[X.], [X.]. § 194 Rn. 4). Der [X.] entsteht mit dem wirksam erklärten Rücktritt (vgl. [X.], Urteil vom 15. November 2006 - [X.], [X.]Z 170, 31 Rn. 37; [X.]/[X.], 6. Aufl. § 346 Rn. 32; [X.]/[X.], [X.]. § 346 Rn. 60; [X.]/[X.], [X.]. 2012 § 346 Rn. 305). Die Klägerin erklärte den Rücktritt - wie bereits dargelegt - mit Schreiben vom 3. Dezember 2009. Die Verjährungsfrist des § 195 BGB war daher bei Erhebung der Klage im Jahre 2010 in keinem Falle abgelaufen.

III. [X.] ist noch nicht entscheidungsreif, weil sich das Berufungsgericht - aus seiner Sicht konsequent - bislang nicht mit der Höhe der nach § 346 Abs. 1 BGB zurück zu gewährenden Leistungen und Nutzungszinsen befasst hat.

Insoweit wird es zu berücksichtigen haben, dass im Rahmen einer - wie hier - gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm bei der Regelung der Rechtsfolgen nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden darf. Dies hat der [X.] zu § 5a [X.] entschieden ([X.]surteil vom 7. Mai 2014 - [X.] aaO Rn. 45). So ist es auch im Streitfall, in dem die Befristung des Rechts des nicht ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmers, sich vom Vertrag zu lösen, - ebenso wie es im Falle des § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] war - im Anwendungsbereich der [X.] und Dritten Richtlinie Lebensversicherung mit Rücksicht auf die gebotene richtlinienkonforme teleologische Reduktion unanwendbar ist. Eine einschränkungslose, allein unter dem national-rechtlichen Blickwinkel betrachtete, Ausgestaltung des Rücktrittsrechts auf der Rechtsfolgenseite wäre auch hier nicht sachgerecht.

Daher ist auch insoweit als Folge der gebotenen gemeinschaftskonformen Auslegung einer Beachtung der beiderseitigen Interessen Rechnung zu tragen. Ebenso wie in dem vom [X.] am 7. Mai 2014 entschiedenen Fall hat die Versicherungsnehmerin im Streitfall während der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen, und es ist auch hier davon auszugehen, dass dieser im Versicherungsfall in Anspruch genommen worden wäre. Mit Blick darauf führte eine Verpflichtung des Versicherers zur Rückgewähr sämtlicher Prämien auch hier zu einem Ungleichgewicht innerhalb der [X.]. Vielmehr muss sich die Klägerin bei entsprechendem Vortrag des beklagten Versicherers im Rahmen der Rückabwicklung nach § 346 BGB einen Wertersatz für den Versicherungsschutz anrechnen lassen, den sie jedenfalls bis zur Kündigung des [X.] hat. § 346 Abs. 2 Satz 1 BGB, mit dem der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen hat, nach welcher für die Rückabwicklung nach Rücktritts- und nach Bereicherungsrecht - soweit möglich - gleiche Prinzipien gelten sollten (BT-Drucks. 14/6040 [X.] f.), lässt nach nationalem Recht einen solchen Wertersatz zu. Dabei kann in Fällen der vorliegenden Art - wie der [X.] zu § 5a [X.] bereits entschieden hat - der Wert des Versicherungsschutzes unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden, wobei im Falle von Lebensversicherungen etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen kann ([X.]surteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45).

Mayen                                    Wendt                                Felsch

              Harsdorf-Gebhardt                     Dr. Karczewski

Meta

IV ZR 260/11

17.12.2014

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Braunschweig, 11. November 2011, Az: 7 S 157/11

§ 8 Abs 4 S 4 VVG vom 21.07.1994, § 8 Abs 5 S 4 VVG vom 21.07.1994, Art 15 Abs 1 S 1 EWGRL 619/90, Art 31 Abs 1 EWGRL 96/92

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.12.2014, Az. IV ZR 260/11 (REWIS RS 2014, 206)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 1023 REWIS RS 2014, 206

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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