Bundessozialgericht, Urteil vom 11.12.2014, Az. B 11 AL 1/14 R

11. Senat | REWIS RS 2014, 417

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Gegenstand

Vermittlungsgutschein - Vergütungsanspruch des privaten Arbeitsvermittlers - Auszahlung der zweiten Vergütungsrate - keine Vermittlungsleistung - fehlende Kausalität - Wechsel von Zeitarbeitsfirma in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis zum Entleiher - keine Kontaktaufnahme zum Entleiher


Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. Juni 2013 aufgehoben. Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 24. April 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Streitwert wird auf 1000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der beklagten [X.] ([X.]) die Auszahlung der zweiten Rate einer [X.] in Höhe von 1000 Euro für die Vermittlung der Beigeladenen in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis.

2

Die Beklagte stellte der damals arbeitslosen Beigeladenen einen [X.] aus, mit dem sie sich an den Kläger, einen privaten Arbeitsvermittler, wandte und diesen mit der Vermittlung eines Beschäftigungsverhältnisses beauftragte. Durch Vermittlung des [X.] schloss die Beigeladene mit der Firma [X.], einem Verleiher von Arbeitnehmern (Zeitarbeitsfirma), einen Arbeitsvertrag. Im Rahmen dieses ab 7.12.2010 bestehenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses lieh die Firma [X.] die Beigeladene an die [X.] ([X.]) aus, bei der die Beigeladene fortan nach den Weisungen der [X.] arbeitete. Die Beigeladene beendete ihr Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis zur Firma [X.] zum 31.3.2011 und ging ab 1.4.2011 ein neues Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis mit der [X.] ein.

3

Die Beklagte zahlte dem Kläger die erste Rate der [X.] in Höhe von 1000 Euro sechs Wochen nach Beginn der Beschäftigung der Beigeladenen bei der Firma [X.] aus. Am [X.] beantragte der Kläger auch die Auszahlung der zweiten Rate in Höhe von weiteren 1000 Euro. Die Beklagte lehnte dies ab, weil die Beigeladene innerhalb von sechs Monaten nach [X.] in ein rechtlich neues Beschäftigungsverhältnis gewechselt habe; § 421g Abs 2 [X.] Sozialgesetzbuch Drittes Buch in der bis zum [X.] geltenden Fassung ([X.] aF) bestimme aber, dass der Restbetrag in Höhe weiterer 1000 Euro erst nach sechsmonatiger Dauer "des" Beschäftigungsverhältnisses fällig werde (Bescheid vom 1[X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.8.2011).

4

Das Sozialgericht ([X.]) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] (L[X.]) das Urteil des [X.] sowie den Bescheid der Beklagten vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.8.2011 aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung weiterer 1000 Euro an den Kläger verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Ausgehend vom Wortlaut des § 421g Abs 2 [X.] [X.] aF sei die zweite Vergütungsrate zwar erst fällig, wenn das vermittelte Beschäftigungsverhältnis länger als sechs Monate angedauert habe; dies sei vorliegend erkennbar nicht der Fall. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift gehe es beim [X.] aber um eine nachhaltige Vermittlung eines Arbeitslosen in ein Beschäftigungsverhältnis. Diese sei geglückt und es sei zu berücksichtigen, dass die Beigeladene auch nach ihrer Festeinstellung durch die [X.] auf demselben Arbeitsplatz wie zuvor gearbeitet habe.

5

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 421g Abs 2 [X.] [X.] aF.

6

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.]s für das Saarland vom 18. Juni 2013 aufzuheben und die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 24. April 2012 zurückzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

9

Die Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 S 1 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>). Das [X.] hat das Urteil des [X.] sowie den ablehnenden Bescheid der Beklagten zu Unrecht aufgehoben. Der [X.]läger hat keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 1000 Euro für die Vermittlung der Beigeladenen.

Gemäß § 421g Abs 1 [X.]B III aF hatten Versicherte, die Anspruch auf Arbeitslosengeld hatten, dessen Dauer nicht allein auf § 127 Abs 3 [X.]B III beruhte, und nach einer Arbeitslosigkeit von sechs Wochen innerhalb einer Frist von drei Monaten noch nicht vermittelt waren, oder die eine Beschäftigung ausübten oder zuletzt ausgeübt hatten, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme oder als Strukturanpassungsmaßnahme nach dem 6. Abschnitt des 6. [X.]apitels gefördert wurde, Anspruch auf einen [X.]. Gemäß § 421g Abs 1 S 4 [X.]B III aF verpflichtete sich die [X.] mit dem [X.], den Vergütungsanspruch eines vom Arbeitnehmer eingeschalteten Vermittlers, der den Arbeitnehmer in eine versicherungspflichtige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich vermittelt hatte, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu erfüllen. Nach § 421g Abs 2 S 3 [X.]B III aF wurde die Vergütung iHv 1000 Euro nach einer sechswöchigen und der Restbetrag nach einer sechsmonatigen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt. Zwischen dem [X.] und dem Vermittler musste gemäß § 296 Abs 1 S 1 [X.]B III aF ein Vertrag geschlossen worden sein, der der Schriftform bedurfte. Nach [X.] dieser Vorschrift gehörten zu den Leistungen der Vermittlung auch alle Leistungen, die zur Vorbereitung und Durchführung der Vermittlung erforderlich waren, insbesondere die Feststellung der [X.]enntnisse des [X.] sowie die mit der Vermittlung verbundene Berufsberatung.

Einen entsprechenden Vertrag schloss der [X.]läger mit der Beigeladenen, die er erfolgreich an die Zeitarbeitsfirma T. vermittelte, sodass dem [X.]läger - unstreitig - ein Anspruch auf die Zahlung der ersten Rate der [X.] iHv 1000 Euro zustand, die die Beklagte ihm auch auszahlte. Hingegen liegen - entgegen der Auffassung des [X.] - die rechtlichen Voraussetzungen für die Auszahlung weiterer 1000 Euro nicht vor. Denn in Bezug auf das von der Beigeladenen zur Firma [X.] eingegangene Beschäftigungsverhältnis zum 1.4.2011 fehlt es an der Vermittlung dieses Beschäftigungsverhältnisses durch den [X.]läger als vergütungsfähige Maßnahme.

Eine eigene Vermittlungstätigkeit erfordert nach dem Vermittlungsbegriff des § 652 Bürgerliches Gesetzbuch ([X.]) (zu dessen Anwendbarkeit vgl B[X.]E 100, 238 = [X.]-4300 § 421g [X.], Rd[X.]2 mwN), dass der Vermittler als Dritter in [X.]ontakt sowohl mit dem [X.] als auch dem Arbeitgeber tritt und durch seine Tätigkeit aktiv die [X.] beider derart fördert ([X.]ausalität), dass ein Arbeitsvertrag geschlossen wird. Dass ein [X.]ausalzusammenhang zwischen der Vermittlungsleistung und dem [X.] notwendig ist, folgt aus der Formulierung des § 296 Abs 2 S 1 [X.]B III, der mit der adverbialen Verbindung "infolge der Vermittlung" dieselbe [X.]ausalität wie § 652 Abs 1 S 1 [X.] ("infolge der Vermittlung") aufgreift (vgl Senatsurteil vom [X.] AL 10/10 R - Juris, RdNr 20; [X.], [X.] 2002, 466, 470).

Zwar ist die Vermittlungstätigkeit weder im allgemeinen Maklerrecht des [X.] noch im Bereich des das Maklerrecht überlagernden (vgl hierzu: B[X.]E 96, 190 = [X.]-4300 § 421g [X.], Rd[X.]3; B[X.]E 100, 238 = [X.]-4300 § 421g [X.], Rd[X.]1; Urmersbach in [X.], [X.]B III, § 296 Rd[X.]3, Stand der Einzelkommentierung November 2011; Rademacker in [X.]/[X.], [X.]B III, [X.] § 421g RdNr 21; Spellbrink [X.]b 2004, 75, 153) öffentlichen Arbeitsförderungsrechts eine höchstpersönlich zu erbringende Verbindlichkeit (vgl zu § 652 [X.] etwa: [X.] Urteil vom [X.] - Juris, Rd[X.]7, insoweit in [X.] 1998, 1283 f nicht abgedruckt, und zu §§ 296, 421g [X.]B III: [X.]ühl/[X.], [X.] 2004, 568, 569). Der private Arbeitsvermittler ist daher weder zu eigenen Vermittlungsbemühungen verpflichtet noch muss er den [X.] durch eigenes Tätigwerden herbeiführen. Er kann sich grundsätzlich vielmehr Personen bedienen, die er zur Erfüllung der von ihm übernommenen Verbindlichkeit im eigenen [X.] einsetzt. Da der Makler aber für den [X.] entlohnt wird, genügt es nicht, dass seine Tätigkeit für das Zustandekommen des [X.] "irgendwie" kausal geworden ist. Vielmehr muss sich der Abschluss des [X.] als Verwirklichung gerade der Gelegenheit darstellen, die bei wertender Betrachtung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung als identisch mit der vom Makler nachgewiesenen Gelegenheit zum Vertragsschluss anzusehen ist (vgl [X.] NJW 2008, 651; [X.], 1397; vgl im Einzelnen: Rademacker in [X.]/[X.], [X.]B III, [X.] § 421g RdNr 42 mwN).

Da der private Vermittler im Rahmen des [X.]B III an die Stelle der ansonsten zuständigen [X.] tritt und der private Maklervertrag vom öffentlichen Recht überlagert ist, müssen zusätzlich alle Voraussetzungen des § 35 Abs 2 [X.]B III aF erfüllt sein. Danach muss sich der Vermittler sowohl ein Bild über die Leistungsfähigkeit des Arbeitslosen als auch über die Anforderungen des vermittelten Arbeitsplatzes gemacht haben. Dies macht es erforderlich, dass der Vermittler als Dritter in [X.]ontakt sowohl mit dem [X.] als auch mit dem Arbeitgeber tritt und durch seine Tätigkeit aktiv die [X.] beider derart fördert ([X.]ausalität), dass ein Arbeitsvertrag geschlossen wird (B[X.]E 100, 238 = [X.]-4300 § 421g [X.] Rd[X.]2; [X.] in [X.], [X.], 73. Aufl 2014, § 652 RdNr 25, 27). Hieran fehlt es.

Entsprechende Schritte für eine Vermittlung der Beigeladenen in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bei der Firma [X.] hat der [X.]läger nicht unternommen. Er hat sich weder ein Bild über die Anforderungen des Arbeitsplatzes bei dieser Firma gemacht noch ist er zu diesem Arbeitgeber in [X.]ontakt getreten. Daher fehlt es an einer aktiven Förderung der [X.] zu einem Arbeitsvertrag zwischen der Beigeladenen und der Firma [X.] im Sinne einer [X.]ausalität der Arbeitsvermittlung gerade in dieses Beschäftigungsverhältnis und an der Zurechenbarkeit der endgültigen Vermittlung in ein Arbeitsverhältnis zum Handeln des [X.]lägers. Vielmehr hat sich im vorliegenden Fall der sog [X.]lebeeffekt der Leiharbeit realisiert.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 [X.]G iVm § 154 Abs 1, § 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Bei der in § 421g Abs 2 und 3 [X.]B III aF geregelten Vergütung, die der private Arbeitsvermittler unmittelbar von der [X.] fordern kann, handelt es sich - anders als beim Anspruch des Arbeitslosen auf Ausstellung eines Aktivierungs- und [X.]s neuen Rechts (nach § 45 Abs 6 [X.]B III in der ab 1.4.2012 geltenden Fassung - vgl [X.] Magdeburg Urteil vom 30.7.2014 - [X.]/13 - Juris) nicht um eine Sozialleistung iS des § 11 S 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil, sodass der [X.]läger nicht kostenprivilegiert iS des § 183 [X.]G ist. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs 3, § 63 Abs 1 S 1 letzter Halbs Gerichtskostengesetz.

Meta

B 11 AL 1/14 R

11.12.2014

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend Sozialgericht für das Saarland, 24. April 2012, Az: S 16 AL 151/11, Urteil

§ 296 Abs 2 S 1 SGB 3, § 421g Abs 1 S 4 SGB 3, § 421g Abs 2 S 3 SGB 3, § 35 Abs 2 SGB 3, § 652 Abs 1 S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 11.12.2014, Az. B 11 AL 1/14 R (REWIS RS 2014, 417)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 417

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