Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.04.2019, Az. 30 W (pat) 537/17

30. Senat | REWIS RS 2019, 8187

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2015 104 147.9

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 11. April 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. Meiser

beschlossen:

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

industrial IoT

3

ist am 7. Juli 2015 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] geführte Register angemeldet worden, wobei nach einer Beschränkung des [X.]ses (auf den Beanstandungsbescheid der Markenstelle vom 15. Januar 2016 hin) folgende Waren beansprucht werden:

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„[X.]: Software zur lokalen Steuerung von Hardware, Software zum lokalen Auslesen und Auswerten von Sensoren, Software zum lokalen Betrieb von Anlagen, Datenbanksoftware, Simulationssoftware, Verschlüsselungssoftware, Software für Datenmanagement, Multimediasoftware, [X.], Software zur Datenerfassung und Analyse, Software für Büroanwendungen, kaufmännische Software“.

5

Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für [X.] des [X.]s hat die Anmeldung mit Beschluss vom 11. Mai 2017 wegen [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] zurückgewiesen.

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„industrial“ (= industriell, Industrie-) und der nachweislich bekannten IT-/Telekommunikations-Fachabkürzung „[X.]“ mit der Bedeutung „[X.]“ („[X.] der Dinge“). Das „[X.]“, abgekürzt „[X.]“, bezeichne die Verknüpfung eindeutig identifizierbarer physischer Objekte (Things) mit einer virtuellen Repräsentation in einer [X.]-ähnlichen Struktur. Das in der „Industrie“ eingesetzte „[X.]“ werde nachweislich mit „Industrial [X.]“ bezeichnet.Die angemeldete Bezeichnung industrial [X.] stelle daher in ihrer Gesamtheit eine gängig verwendete und bekannte Fachbezeichnung dar.

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ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Soweit die Anmelderin geltend mache, dass sie nur Software beanspruche, die zur „lokalen“ Anwendung geeignet und gerade nicht dazu ausgelegt sei, Geräte derart zu steuern, dass diese selbständig über das [X.] kommunizieren könnten, greife dies schon deshalb nicht durch, da im Rahmen von interaktiven Netzwerksystemen eine Vielzahl von unterschiedlichen Softwaretypen zum Einsatz gelange. So sei es denkbar, dass im Rahmen von industrial [X.]-Systemen, in denen z. B. Fabriken, Maschinen, Produktionseinrichtungen oder Sensornetzwerke miteinander kommunizierten oder interagierten, auch Software für „lokale Anwendungen“ benötigt werde.

8

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

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Sie trägt vor, der Anmeldung stünden keine Schutzhindernisse entgegen, da das [X.] ausdrücklich auf Software „zur lokalen Steuerung, zum lokalen Auslesen, zum lokalen Betrieb“ etc. beschränkt worden sei. Wie von der Markenstelle ausgeführt und durch Fundstellen belegt, betreffe das „[X.]“ ein Netzwerk, bei dem physische Gegenstände miteinander Informationen austauschten. Demgegenüber handele es sich bei den beanspruchten Waren ausschließlich um „nicht physisch greifbare“ Waren, nämlich speziell definierte Software. Diese habe keinen dinglichen Charakter und könne auch nicht selbst – wie im „[X.]“ gefordert - mit anderen Netzwerkteilnehmern kommunizieren.

industrial IoT geeignet. Anders als beispielsweise die beanspruchte „Software zur lokalen Steuerung von Hardware“ setze die Kommunikation im Rahmen eines „industrial [X.]“ gerade die Übertragung von Daten über das [X.] und damit die mögliche Fernüberwachung und Steuerung von Hardware voraus. Die Kommunikation im Rahmen des „IoT“ dürfe daher nicht auf die lokale Umgebung beschränkt sein. Daher werde der Verkehr hinsichtlich der beanspruchten Spezialsoftware auch keinen Bezug zu dem „[X.] der Dinge“ herstellen, so dass das Anmeldezeichen für die konkret beanspruchten Waren nicht beschreibend sei, sondern als Herkunftshinweis verstanden werde.

Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für [X.] des [X.]es vom 11. Mai 2017 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die angemeldete Marke ist für sämtliche beanspruchten Waren wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen; die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 [X.]).

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. [X.] [X.], 1198 ([X.]) – [X.]; [X.], 610 ([X.]) – [X.]; GRUR 2008, 608 ([X.]) – [X.]; [X.], 1167 (Nr. 13) – [X.]; [X.], 581 (Nr. 16) – [X.]; [X.], 173 (Nr. 15) – for you; GRUR 2014, 565 (Nr. 12) – [X.]; [X.], 731 (Nr. 11) – [X.]; [X.], 1143 (Nr. 7) – [X.], jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa [X.] [X.], 1198 ([X.]) – [X.]; GRUR 2014, 373 (Nr. 20) – [X.]; 2010, 1008, 1009 ([X.]) – [X.]; GRUR 2008, 608, 611 ([X.]) – [X.]; [X.], 233, 235, Nr. 45 – Standbeutel; [X.], 1167 (Nr. 13) – [X.]; [X.], 934 ([X.]) – [X.]; [X.], 581 (Nr. 16) – [X.]; BGH [X.], 173, 174 (Nr. 15) – for you; [X.], 949 (Nr. 10) – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.] 2017, 186 (Nr. 29) – [X.]; [X.], 1167 (Nr. 13) – [X.]; [X.], 581 ([X.]) – [X.]; [X.], 173, 174 (Nr. 15) – for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) – [X.]; [X.], 1143 (Nr. 7) – [X.]; [X.], 270 (Nr. 8) – Link economy). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. [X.] [X.], 411, 412 (Nr. 24) – Matratzen Concord/Hukla).

Hiervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. [X.] 2013, 1143, Nr. 15 – [X.] werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehende beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] GRUR 2013, 519 (Nr. 46) – [X.]; [X.], 674 ([X.]) – Postkantoor; [X.] 2017, 186 (Nr. 30, 32) – [X.]; 2014, 1204 (Nr. 12) – [X.]; [X.], 270 (Nr. 11) – Link economy; [X.], 952 (Nr. 10) – [X.]). Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.] 2017, 186 (Nr. 32) – [X.]; GRUR 2014, 1204 (Nr. 12) – [X.]; [X.], 1143 ([X.]) – [X.]; GRUR 2010, 1100 (Nr. 23) – [X.]!; [X.], 850 (Nr. 28 f.) – FUSSBALL WM 2006).

2. Nach diesen Grundsätzen fehlt es dem Anmeldezeichen hinsichtlich sämtlicher beanspruchter Waren an jeglicher Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

a) Das Markenzeichen setzt sich unmittelbar erkennbar aus dem [X.] Wort „industrial“ (deutsch: industriell) sowie der Buchstabenfolge „IoT“ zusammen.

Die Anmelderin stellt nicht in Abrede, dass die Buchstabenfolge „IoT“ eine seit langem gebräuchliche Abkürzung für einen Fachterminus, das sog. „[X.]“, darstellt, vgl. hierzu etwa den in der [X.] vorhandenen Wikipedia-Eintrag zum Stichwort „[X.] der Dinge“:

„Der Begriff [X.] der Dinge (englisch [X.], Kurzform: IoT) beschreibt, dass der (Personal) Computer zunehmend als Gerät verschwindet und durch „intelligente Gegenstände“ ersetzt wird. (…)

Das [X.] der Dinge bezeichnet die Verknüpfung eindeutig identifizierbarer physischer Objekte (things) mit einer virtuellen Repräsentation in einer [X.]-ähnlichen Struktur. Es besteht nicht mehr nur aus menschlichen Teilnehmern, sondern auch aus Dingen. Der Begriff geht zurück auf [X.], der erstmals 1999 „[X.]“ verwendet hat. Bekannt wurde das [X.] der Dinge durch die Aktivitäten der [X.]. (…)“

IoT wurden ausweislich der Nachweise der Markenstelle auch inländisch bereits vor dem Anmeldezeitpunkt gängig verwendet. Belegt ist ferner eine vor dem Anmeldezeitpunkt datierende Verwendung des von der Anmelderin beanspruchten Gesamtbegriffes industrial IoT (vgl. hierzu die in der [X.] vorhandene Fundstelle „Industrie 4.0 und Industrial IoT Workshop“, 2014). Ausgehend hiervon werden die vorliegend angesprochenen (Fach-)Verkehrskreise industrial IoT auf Anhieb und ausschließlich als Sachhinweis auf das industrielle [X.] der Dinge“ verstehen.

b) All dies stellt die Anmelderin nicht ernsthaft in Abrede, sie bestreitet in der Sache nicht, dass mit der Markenanmeldung angestrebt wird, einen gängig verwendeten Fachterminus zu monopolisieren. Soweit mit der Beschwerdebegründung alleine geltend gemacht wird, dass nach Einschränkung des [X.]ses nur noch spezielle Software, beschränkt auf „lokale“ Anwendungen beansprucht werde, wobei kein Bezug zum „[X.] der Dinge“ erkennbar sei, dringt die Anmelderin hiermit, wie auch die Markenstelle bereits zutreffend festgestellt hat, nicht durch.

industrial IoT gewonnenen Prozessdaten beruhen oder dazu dienen, derartige Prozessdaten zu erfassen, auszulesen und zu analysieren, zu sichern oder (z. B. graphisch oder mit Multimediasoftware) aufzubereiten, so dass sich das Anmeldezeichen in einem Sachhinweis auf die Art, Beschaffenheit und den [X.] dieser Waren erschöpft.

Auch soweit für die weiteren Waren der [X.] eine Beschränkung auf „lokale“ Anwendungen erfolgt ist, im Einzelnen:

„Software zur lokalen Steuerung von Hardware, Software zum lokalen Auslesen und Auswerten von Sensoren, Software zum lokalen Betrieb von Anlagen“

industrial IoT-Prozesses gewonnene Daten ohne weiteres lokal gespeichert, ausgelesen und ausgewertet werden. Die Formulierung des Disclaimers schließt im Übrigen auch die vorhergehende oder nachfolgende Verknüpfung mit dem „[X.] der Dinge“ oder die Übertragung über das „industrial IoT“ nicht aus. Daher ist die vorgenommene Einschränkung des [X.]ses schon grundsätzlich nicht geeignet, den beschreibenden Charakter des [X.] zu beseitigen (vgl Ströbele/ Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl. 2018, § 8 Rn. 418).

c) Daraus folgt, dass das Anmeldezeichen industrial IoT, bei dem es sich wie dargelegt um einen seit langem eingeführten Fachbegriff handelt, in der Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise und im vorliegenden [X.] in naheliegender und im Vordergrund stehender Weise als Sachhinweis auf das „industrielle [X.] der Dinge“ oder zumindest als Angabe mit engem beschreibendem Bezug hierzu verstanden wird, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft der beanspruchten Waren aus einem bestimmten Unternehmen.

industrial IoT kann damit ihre Hauptfunktion, nämlich den Verkehrskreisen die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten Waren zu garantieren, nicht erfüllen. Sie ist deshalb nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen.

Daher ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Meta

30 W (pat) 537/17

11.04.2019

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.04.2019, Az. 30 W (pat) 537/17 (REWIS RS 2019, 8187)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 8187

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