Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.09.2020, Az. 30 W (pat) 507/19

30. Senat | REWIS RS 2020, 195

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – „AGEID“ – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2017 110 082.9

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 24. September 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker, der Richterin [X.] und des [X.] Dr. Meiser

beschlossen:

        

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des [X.] vom 24. Januar 2019 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

2

[X.]ID

3

ist am 5. Oktober 2017 als Wortmarke für folgende Waren und Dienstleistungen:

4

„Klasse 9: Computerhardware; Sicherheits-, Schutz- und Signalgeräte; Informationstechnologische und audiovisuelle Geräte; Zugangs- und Zugriffssteuerungsgeräte; Software; Datenverschlüsselungs- und -kodierapparate

5

Klasse 35: Werbung; Auktions- und Versteigerungsdienste; Vermietung von Verkaufsautomaten; Vermittlung von Geschäftskontakten; Großhandelsdienstleistungen für Computerhardware, Sicherheits-, Schutz- und Signalgeräte, Informationstechnologische und audiovisuelle Geräte, Zugangs- und Zugriffssteuerungsgeräte, Software, Datenverschlüsselungs- und -kodierapparate; Kommerzielle Bewertung; Veranstaltung von Wettbewerben für Werbezwecke; Dienstleistungen einer Import- und Exportagentur; Vermittlungs- und Verhandlungsleistungen für kommerzielle Zwecke im Rahmen der Geschäftsführung; Bestelldienste; [X.]; [X.] für Dritte; Abonnementdienste; Hilfe in Geschäftsangelegenheiten, Geschäftsführung und administrative Dienstleistungen; Betriebswirtschaftliche Analyse-, Recherche- und Informationsdienstleistungen; Bürodienstleistungen; Marketing, einschließlich Bereitstellung von Lösungen zur Verwaltung von Kundenkontakten und Unternehmensinformationen für die Websites von Dritten; Computergestützte Datenverifizierung im Rahmen der Geschäftsführung; Suchmaschinen- und Website-Optimierung; Zusammenstellung, Systematisierung und Verifikation von Daten in Computerdatenbanken; Suchmaschinen- und Website-Optimierung für Computerdienste; (Post-) Produktionsbearbeitung von Werbeanzeigen und Werbefilmen, Verfassen von Texten für Werbezwecke, alles in Bezug auf Unterhaltung für Erwachsene

6

Klasse 38: Bereitstellung des Zugangs zum [X.]; Zugriffsdienstleistungen in der Telekommunikation; über ein Kennwort zugängliche Datenkommunikationsdienste; Bereitstellung des Zugriffs auf Inhalte, Webseiten und [X.]portale; Bereitstellung des Zugriffs auf das Fernsehen mittels Dekodiergeräten; Bereitstellung des Zugriffs auf Computerprogramme in Datennetzen; Bereitstellung des Zugriffs auf Seiten in einem elektronischen Informationsnetzwerk; Bereitstellung des [X.] zu einem globalen Computerinformationsnetz; Live-Übertragungen mit Abrufmöglichkeit über eine Homepage im [X.] [[X.]]; Computerübertragung von über einen Zugangscode zugänglichen Informationen; Elektronischer Austausch von Daten aus Datenbanken, die über Telekommunikationsnetze zugänglich sind; Bereitstellung einer Zugangsberechtigung zur Telekommunikation und zu Links zu Datenbanken und zum [X.]; Bereitstellung des Zugangs zu Daten, Dokumenten oder Informationen zur Fernabfrage

7

Klasse 41: Verlags- und Berichtswesen; Bildung, Erziehung, Unterhaltung und Sport; Bereitstellung von Ausbildung; Übersetzung und Dolmetschen; Unterhaltungsdienstleistungen; kulturelle Aktivitäten; sportliche Aktivitäten; Bereitstellung von Video- und Audioproduktionen sowie von Fotografien, Bildern und Texten über eine Website; Ton- und Videounterhaltung, bereitgestellt in einer [X.]; Online-Veröffentlichungen in Bezug auf Unterhaltung; Bereitstellung von Informationen, Kommentaren und Text in Bezug auf Unterhaltungs-, Ausbildungs-, sportliche und kulturelle Aktivitäten über weltweite Computernetze, Mobiltelefone und andere digitale Kommunikationsnetze und -geräte; Nachrichtenberichterstattung sowie Bereitstellen von Ton- und Videoaufzeichnungen, Bildern und Fotografien über weltweite Computernetze, Mobiltelefone und andere digitale Kommunikationsnetze und -geräte; Online-Veröffentlichung von Journalen

8

Klasse 42: IT-Dienstleistungen, nämlich Softwareentwicklung, Entwicklung von Computerhardware, Host-Dienste, Vermietung von Computersoftware, Vermietung von Computerhardware und -anlagen; IT- Beratungs-, Auskunfts- und Informationsdienstleistungen; IT-Sicherheits-, -Schutz und -Instandsetzungsdienste; Datenvervielfältigungs- und Konvertierungsdienste; Datenkodierungsdienste; Computeranalyse und -diagnostik; Forschung, Entwicklung und Implementierung von Computern und Computersystemen; Management von Computerprojekten; Analyse großer Datenmengen hinsichtlich der Beziehungen der Daten untereinander, gezielte Datensuche; Erstellung digitaler Wasserzeichen; Technologische Dienstleistungen in Bezug auf Computer; Dienstleistungen in Bezug auf Computernetzwerke; Aktualisierung von [X.] [Software] von Computersystemen; Datenmigrationsdienstleistungen; Aktualisierung von Webseiten für Dritte; Fernüberwachung von Computersystemen; Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen; Prüfung, Authentifizierung und Qualitätskontrolle; Designdienstleistungen; Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen sowie Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; Industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software; Entwurf, Schaffung, Entwicklung, Hosting und Pflege von Websites; Hosting; Hosting digitaler Inhalte im [X.]; Überwachung, Prüfung, Analyse und dazu gehörige Berichterstellung in Bezug auf die Kontrolle des [X.]-Verkehrs und inhaltliche Kontrolle von Websites Dritter; Computerdienstleistungen, nämlich Gestaltung, Entwicklung und Pflege von Websites; Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerleistungen; Beratung und Informationen in Bezug auf das vorstehend Genannte, soweit es in dieser Klasse enthalten ist; Wartung von Software für [X.]zugänge; Vermietung von Software für [X.]zugänge; Installation und Wartung von Software für [X.]zugänge; Bereitstellen von Sicherheitsdiensten für Computernetze, Computerzugang und computergestützte Transaktionen; Kodierung, Dekodierung, Verschlüsselung, Entschlüsselung und Authentifizierung von Informationen, Nachrichten und Daten; Technische Forschung im Bereich automatische Identifizierungssysteme; Verschlüsselung digitaler Bildern; Entwicklung, Gestaltung und Erstellung von Software zur Verbreitung von Multimedia-Inhalten

9

Klasse 45: Identitätsüberprüfungen; Authentifizieren von persönlichen Kenndaten zur Identifizierung von Personen [Identitätsüberprüfungsdienstleistungen]“

zur Eintragung in das beim [X.] geführte Register angemeldet worden.

Mit Beschluss vom 24. Januar 2019 hat die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 9 des [X.]s die Markenanmeldung wegen entgegenstehender Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 [X.] zurückgewiesen.

Zur Begründung ist ausgeführt, das Anmeldezeichen sei hinreichend deutlich als Kombination aus dem [X.] Begriff "[X.]" (deutsch: Alter) sowie der Abkürzung "ID" (für „Identifikation“) erkennbar. Dabei sei auch darauf hinzuweisen, dass [X.]ID als Wortmarke angemeldet worden sei, bei der der Begriff in jeder üblichen Schreibweise geschützt sei. Demnach seien auch Schreibweisen wie „[X.] ID“ oder „[X.]“ umfasst und für die Prüfung der Schutzhindernisse zu berücksichtigen. Dementsprechend verwende auch die Anmelderin selbst die Schreibweise „[X.]“, nicht aber die angemeldete Wiedergabe in Großbuchstaben.

Die somit ebenfalls zu berücksichtigenden alternativen Schreibweisen verstärkten die Erkennbarkeit der einzelnen Wortelemente und ihren sachbeschreibenden Charakter. Aber auch in Bezug auf [X.]ID in Zusammenschreibung blieben die Einzelelemente gerade wegen ihrer Geläufigkeit erkennbar, so dass sich dem Verkehr die Gesamtbedeutung „Altersidentifikation“ unmittelbar erschließe. Mit dieser Bedeutung sei das Anmeldezeichen aber geeignet, auf die Art, den Inhalt sowie die Bestimmung der so gekennzeichneten Produkte und Dienstleistungen hinzuweisen. Denn im Zusammenhang mit digitalen Angeboten könnten sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen auf die Durchführung einer „Altersidentifikation“ ausgerichtet oder mit einer entsprechenden Funktion ausgestattet sein.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Sie macht geltend, dass das Anmeldezeichen über die notwendige Unterscheidungskraft verfüge und auch keinem Freihaltungsbedürfnis unterliege. Entgegen der Auffassung der Markenstelle werde es sich dem angesprochenen Verkehr nicht auf Anhieb erschließen, dass [X.]ID auf eine „Altersverifikation“ hinweise. Hierfür bedürfe es vielmehr mehrerer Gedankenschritte im Rahmen einer analysierenden Betrachtungsweise, was aber bereits die Unterscheidungskraft begründe.

Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass die identische Unionsmarke 13 602 198 [X.]ID beanstandungsfrei eingetragen worden sei. Ferner sei diese Unionsmarke zugleich die Basis der international registrierten [X.] 1 276 004, deren Schutz u. a. auch auf die [X.] erstreckt worden sei. Dies zeige, dass selbst der englischsprachige Verkehr der Marke [X.]ID keinen unmittelbaren Bedeutungsgehalt zumesse.

Die Anmelderin beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des [X.]s vom 24. Januar 2019 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der angegriffene Beschluss war aufzuheben, da der Eintragung des [X.] kein Schutzhindernis gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 [X.] entgegensteht. Insbesondere fehlt dem Wortzeichen [X.]ID in seiner ganz konkreten Schreibweise (Zusammenschreibung in Majuskeln) für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen weder jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.], noch stellt es eine freihaltebedürftige beschreibende Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] dar.

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. [X.] [X.], 1198 ([X.]) – [X.]; [X.], 610 ([X.]) – [X.]; [X.] 2008, 608 ([X.]) – [X.]; [X.], 1167 (Nr. 13) – [X.]; [X.], 581 (Nr. 16) – [X.]; [X.], 173 (Nr. 15) – for you; [X.] 2014, 565 (Nr. 12) – smartbook; [X.] 2013, 731 (Nr. 11) – [X.]; [X.], 1143 (Nr. 7) – [X.], jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa [X.] [X.], 1198 ([X.]) – [X.]; [X.] 2014, 373 (Nr. 20) – [X.]; 2010, 1008, 1009 ([X.]) – [X.]; [X.] 2008, 608, 611 ([X.]) – [X.]; [X.] 2006, 233, 235, Nr. 45 – Standbeutel; [X.], 1167 (Nr. 13) – [X.]; [X.] 2016, 934 ([X.]) – [X.]; [X.], 581 (Nr. 16) – [X.]; BGH [X.], 173, 174 (Nr. 15) – for you; [X.] 2009, 949 (Nr. 10) – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH [X.] 2017, 186 (Nr. 29) – [X.]; [X.] 2016, 1167 (Nr. 13) – [X.]; [X.], 581 ([X.]) – [X.]; [X.], 173, 174 (Nr. 15) – for you; [X.] 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; [X.], 1143 (Nr. 7) – [X.]; [X.], 270 (Nr. 8) – Link economy). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. [X.] [X.] 2006, 411, 412 (Nr. 24) – Matratzen Concord/Hukla).

Hiervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH [X.] 2013, 1143, Nr. 15 – [X.] werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] [X.] 2013, 519 (Nr. 46) – [X.]; [X.] 2004, 674 ([X.]) – Postkantoor; BGH [X.] 2017, 186 (Nr. 30, 32) – [X.]; 2014, 1204 (Nr. 12) – [X.]; [X.], 270 (Nr. 11) – Link economy; [X.] 2009, 952 (Nr. 10) – [X.]). Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH [X.] 2017, 186 (Nr. 32) – [X.]; [X.] 2014, 1204 (Nr. 12) – [X.]; [X.], 1143 ([X.]) – [X.]; [X.] 2010, 1100 (Nr. 23) – [X.]!; [X.] 2006, 850 (Nr. 28 f.) – FUSSBALL WM 2006).

2. Nach diesen Grundsätzen kann dem Wortzeichen [X.]ID in seiner konkreten Schreibweise nicht die notwendige Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen abgesprochen werden.

a) Zwar ist das angemeldete Zeichen rein formal betrachtet aus den Wortbestandteilen „[X.]“ und „ID“ gebildet, welche – insoweit ist der Markenstelle zu folgen – für sich genommen bzw. im Fall ihrer erkennbaren Kombination in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibend sind.

So handelt es sich bei „[X.]“ in Alleinstellung um ein einfaches Wort des [X.] [X.], das der Verkehr auf Anhieb im Sinne von „Alter“ verstehen wird.

Das Buchstabenkürzel „ID“ wird – wie von der Rechtsprechung bereits vielfach festgestellt (vgl. [X.] PROMA, 25 W (pat) 74/17 – [X.]; [X.] (pat) 267/99 – [X.]; siehe ferner aus der [X.] Rspr: [X.] [X.] 2006, 229 – BioID; EuG, [X.]/16, [X.]) – seit langem im inländischen Verkehr beschreibend für „Identification/Identifikation“ verwendet. Im hier betroffenen Bereich der Computertechnik und Datenverarbeitung bezeichnet „ID“ seit langem ein Verfahren zur Authentifizierung eines Benutzers (siehe hierzu schon ausführlich [X.] PROMA, 25 W (pat) 74/17 – [X.], u.a. unter Hinweis auf die 2007 bundeseinheitlich eingeführte „Steuer ID“).

Auch ein aus diesen beiden Elementen gebildetes Kombinations(wort)zeichen, in welchem das [X.] Wort „[X.]“ und das Kürzel „ID“ als eigenständige Zeichenelemente erkennbar bleiben (z. B. aufgrund einer getrennten Schreibweise oder einer Binnengroßschreibung), erschöpft sich in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen in einem Hinweis auf eine „Altersidentifikation“, so dass der Verkehr in einer solchen Kombination grundsätzlich keinen betrieblichen Herkunftshinweis erblicken wird.

b) Soweit die Markenstelle allerdings weiterhin davon ausgeht, dass es sich auch bei dem angemeldeten Wortzeichen [X.]ID um eine solche für den Verkehr (ohne weiteres) erkennbare Kombination aus zwei unmittelbar beschreibenden Bestandteilen handelt, wird eine derartige Betrachtung nach Auffassung des Senats der Marke in ihrer Gesamtheit nicht gerecht.

aa) Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] sich ausschließlich danach bemisst, ob die Marke in ihrer angemeldeten Form (hier: das Zeichen [X.]ID in seiner ganz konkreten Schreibweise) als solche und für sich unterscheidungskräftig ist oder nicht, ohne dass in beliebiger Weise weitere Wort- oder Bildelemente hinzugedacht oder weggelassen werden dürfen (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 8 Rdn. 134 m. w. N.). Bei der Prüfung der Unterscheidungskraft darf somit nicht (auch) eine solche Verwendung der Marke berücksichtigt werden, die nicht mehr vollständig dem angemeldeten, sondern einem davon zu unterscheidenden anderen Zeichen entspricht (vgl. BGH [X.] 2011, 65, [X.]-12 – Buchstabe T mit Strich). Mit Blick auf die Ausführungen der Markenstelle im angefochtenen Beschluss ist es vorliegend insbesondere unzulässig, von der angemeldeten Schreibweise [X.]ID abweichende Schreibweisen, die eine Zäsur zwischen den einzelnen Wortelementen oder sonstige optische Hervorhebungen enthalten (insbesondere durch Binnengroßschreibung: „[X.]“), hinzuzudenken und erst auf diese Weise zu schutzunfähigen Gesamtaussagen zu gelangen (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, ebenda). Den gegenteiligen Ausführungen in der „Richtlinie Markenanmeldungen“ des [X.]s vom 1.8.2018/1.9.2020 (S. 18 Fu. 22) kann daher nicht beigetreten werden.

bb) Ausgehend hiervon ist vorliegend von Bedeutung, dass das Zeichen aus einer zu einem einzigen Wort zusammengefügten Buchstabenfolge in Majuskeln – ohne Binnengroßschreibung oder sonstige optische Unterbrechung der Buchstabenfolge – besteht. Der inländische Verkehr, welcher Kennzeichen regelmäßig in der Gesamtform aufnimmt, in der sie ihm entgegentreten, und welcher erfahrungsgemäß wenig geneigt ist, [X.] begrifflich näher zu analysieren, um beschreibende Bedeutungen herauslesen zu können (vgl. Ströbele/Hacker/ Thiering, a. a. O., § 8 Rdn. 155 f., 200 m. w. N.), hat daher grundsätzlich keinen Anlass, in [X.]ID eine Kombination aus mehreren Wortelementen zu erkennen und das Zeichen in „[X.]“ und „ID“ zu zergliedern.

Zwar schließt allein die Maßnahme, zwei Wörter oder Abkürzungen derselben zu einem einheitlichen Begriff zu verbinden, es nicht stets aus, dass ein solches Zeichen als Kombination der einzelnen Elemente erkannt und verstanden wird. Maßgebend ist insoweit, ob die miteinander verbundenen Elemente weiterhin als solche erkennbar bleiben und der Verkehr daher in dem Zeichen trotz seiner einheitlichen Ausgestaltung eine Kombination der einzelnen Elemente erkennt (vgl. [X.] PROMA, 30 W (pat) 513/14 – ramuc).

Vorliegend verschmelzen jedoch die Bestandteile „[X.]“ und „ID“ aufgrund der geschlossenen Schreibweise in Großbuchstaben ohne jede optische Unterbrechung oder Hervorhebung einzelner Elemente sowie nicht zuletzt aufgrund des Diphthongs („EI“) zu einem einheitlichen und gut aussprechbaren Wort. Die für sich genommenen schutzunfähigen Wortelemente „[X.]“ und „ID“ gehen in dem einheitlichen Wortzeichen [X.]ID auf und führen dazu, dass das Anmeldezeichen in seiner Gesamtheit den Eindruck eines einheitlichen [X.] vermittelt. Jedenfalls erschließt sich ein von der Markenstelle angenommenes Verständnis des Einwortzeichens als Kombination der Wortelemente „[X.]“ und „ID“ nicht unmittelbar, sondern setzt gegenüber der Wahrnehmung als Fantasiewort einen analysierenden Zwischenschritt voraus. Der damit verbundene Erkenntnis- und Interpretationsaufwand steht der Annahme einer fehlenden Unterscheidungskraft der [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] aber entgegen (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rdn. 155).

Dieses Ergebnis findet seine Bestätigung auch darin, dass die Fundstellen der Markenstelle zum Beleg der Verwendung der Wortkombination immer nur Schreibweisen mit optischer Unterbrechung (insbesondere durch Binnengroßschreibung: „[X.]“) oder jedenfalls unter graphischer Hervorhebung der einzelnen Elemente (zB durch unterschiedliche farbliche Unterlegung) betreffen. Dies zeigt aber im Umkehrschluss gerade, dass auch die Verwender der Wortkombination – darunter die Anmelderin selbst – davon ausgehen, dass der Verkehr in der konkreten Schreibweise [X.]ID nicht unmittelbar die Kombination der einzelnen Elemente erkennen wird und auch nicht ohne Weiteres auf einen Gesamtsinn schließen kann.

c) Damit kann der [X.] ein äußerst geringer Schutz letztlich nicht abgesprochen werden. Dem stehen auch Belange der Allgemeinheit nicht entgegen, weil der Schutz der [X.] ihrer Eigenprägung nach auf die ganz konkrete Schreibweise [X.]ID beschränkt ist, also insbesondere nicht gegenüber Kennzeichnungen oder sonstigen Angaben besteht, welche zwar ebenfalls die beiden Wortteile „[X.]“ und „ID“ allein oder gemeinsam enthalten, aber nicht die besondere Schreibweise der angemeldeten Marke in einem Wort aufgreifen, so dass bereits eine leicht veränderte und ein Verständnis als Kombination nahelegende Gestaltungsform der beiden Wortteile (z. B. eine getrennte Schreibweise als „[X.] ID“ oder mit Binnengroßschreibung als „[X.]“) der Allgemeinheit weiterhin offen steht.

3. Einer Registrierung steht auch nicht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen, da [X.]ID aus den genannten Gründen keine sich sofort und ohne weiteres erschließende unmittelbar beschreibende Bedeutung hat.

Der Beschwerde ist daher stattzugeben.

Meta

30 W (pat) 507/19

24.09.2020

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.09.2020, Az. 30 W (pat) 507/19 (REWIS RS 2020, 195)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 195

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