Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.05.2011, Az. VII B 244/10

7. Senat | REWIS RS 2011, 6942

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Gegenstand

Hauptsacheerledigung im Beschwerdeverfahren - Geltendmachung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses - Umdeutung eines Klageantrags in einen Verpflichtungsantrag - Rechtswegprüfung durch den BFH - Fehlende Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage - Entscheidung über abgetretenen Zahlungsanspruch durch Abrechnungsbescheid


Leitsatz

1. NV: Die Erledigung der Hauptsache des finanzgerichtlichen Rechtsstreits kann noch im Beschwerdeverfahren beim BFH erklärt werden .

2. NV: Die Entscheidung über einen an den klagenden Steuerberater abgetretenen Zahlungsanspruch aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss wegen der vom FA erklärten Aufrechnung mit Steuerrückständen des Zedenten muss gemäß 218 Abs. 2 AO durch Abrechnungsbescheid getroffen werden. Entscheidet das FA nicht, muss der Berater Verpflichtungsantrag beim FG nach § 40 Abs. 1 Alt. 2, § 101 FGO stellen .

3. NV: Hat das FG den Rechtsweg zum FG (stillschweigend) für zulässig gehalten, ist der BFH von Gesetzes wegen gehindert zu prüfen, ob der einmal beschrittene Rechtsweg zulässig ist .

4. NV: An der Klärungsfähigkeit einer angeblich klärungsbedürftigen Rechtsfrage fehlt es, wenn das FG die Klage als unzulässig abgewiesen hat und die streitige Rechtsfrage die Begründetheit der Klage betrifft. Über diese Frage wäre in einem allein die Unzulässigkeitsentscheidung des FG überprüfenden Revisionsverfahren nicht zu befinden .

Tatbestand

1

I. Das Finanzgericht ([X.]) hat die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer Steuerberatungsgesellschaft, gegen den Beklagten und Beschwerdegegner, das [X.], (Beklagter) auf Auszahlung eines an sie abgetretenen Kostenerstattungsanspruchs ihres Mandanten wegen fehlender Sachentscheidungsvoraussetzungen als unzulässig verworfen, weil weder ein Verwaltungsakt vorliege noch ein Vorverfahren über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf erfolglos geblieben sei. Dem lag zu Grunde, dass das zur Kostenerstattung verpflichtete Finanzamt ([X.]) mit [X.] gegen den Mandanten der Klägerin aufgerechnet und die Klägerin dem widersprochen hatte. Ein Abrechnungsbescheid ist nicht ergangen. Die diesbezügliche Zahlungsklage, die die Klägerin beim [X.] ([X.]) gegen das [X.] erhoben hatte, verwies das [X.] an das [X.].

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde. Zwar sei zwischenzeitlich der materielle Anspruch erledigt, da das [X.] den streitigen Betrag ausgezahlt habe, die formale Beschwer der Klägerin bestehe aber fort, da es durch die finanzgerichtliche Entscheidung an einer Erklärung über die Erledigung der Hauptsache gehindert sei. Das stelle nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) einen ausreichenden Revisionsgrund dar (Beschluss vom 11. Dezember 1990 [X.]/90, [X.]/NV 1991, 611). Die Zulassung der Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da das [X.] die gesetzlich normierten [X.] gemäß § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und die Rechtsprechung des [X.] zur Wirkungslosigkeit von Aufrechnungen gegenüber Altgläubigern bei Forderungsabtretung nicht beachtet habe; außerdem habe es sich mit seiner Wertung, dass der Rechtsweg gegeben sei, rechtsfehlerhaft auf die Entscheidung des [X.] vom 20. Februar 1968 ([X.], [X.]E 91, 518, [X.] 1968, 384 berufen.

3

Der Beklagte hält die Beschwerde mangels Vorliegens eines Zulassungsgrundes für unzulässig.

Entscheidungsgründe

4

II. [X.] ist unzulässig, da die Klägerin einen Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) nicht hinreichend dargelegt hat, wie es nach § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O erforderlich ist.

5

1. Die Zulässigkeit der Beschwerde scheitert nicht schon daran, dass sich die Hauptsache des finanzgerichtlichen Rechtsstreits durch Verrechnung bzw. Auszahlung des [X.] an den von der Klägerin benannten Zessionar nach Ergehen des angefochtenen Urteils erledigt hat. Denn ebenso wie in einem solchen Fall gegebenenfalls ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse noch im Beschwerdeverfahren geltend gemacht werden kann ([X.] vom 17. Februar 2011 [X.]/10, [X.], 761) kann auch die Erledigung der Hauptsache noch erklärt werden (zum aus diesem Grunde sich ergebenden Rechtsschutzbedürfnis für eine vom [X.] zugelassene Revision [X.] in [X.] 1991, 611).

6

2. Die Klägerin hat allerdings keine Erledigungserklärung abgegeben, sondern will die Zulassung der Revision zur vermeintlich erforderlichen Sicherung der Rechtsprechungseinheit und wegen schwerwiegender Rechtsfehler des [X.] erreichen. Ungeachtet dessen, ob sie das dafür allgemein gebotene Fortsetzungsfeststellungsinteresse darlegen könnte, hat sie jedenfalls die erforderlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 [X.]O nicht dargelegt.

7

a) Wenn das Beschwerdevorbringen als Rüge eines Verfahrensfehlers zu verstehen sein sollte, weil das [X.] die Zulässigkeit der Klage nicht am Fehlen eines Verwaltungsakts (Abrechnungsbescheids) habe scheitern lassen dürfen, so kann dem nicht gefolgt werden. Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Entscheidung über den an die Klägerin abgetretenen Zahlungsanspruch aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss wegen der vom [X.] wiederholt erklärten Aufrechnung mit Steuerrückständen des Zedenten gemäß § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung durch Abrechnungsbescheid getroffen werden muss. Da ein solcher Abrechnungsbescheid nach den Urteilsfeststellungen von der Klägerin zwar beantragt, vom [X.] aber nicht erlassen worden ist, hätte die Klägerin beim [X.] Verpflichtungsantrag nach § 40 Abs. 1 Alternative 2, § 101 [X.]O stellen müssen [X.]/Rüsken AO, 10. Aufl., § 218 Rz 11). Das ist nach Aktenlage aber nicht geschehen. Die Klägerin hat vielmehr den beim [X.] gestellten Klageantrag auf Zahlung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss gegen den Beklagten nach Verweisung an das [X.] trotz entsprechenden Hinweises weder auf das [X.] als Beklagten umgestellt noch hinsichtlich des [X.] angepasst. Da die Klägerin unter Verletzung ihrer prozessualen Mitwirkungspflichten auch nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, in der eine Richtigstellung noch hätte vorgenommen werden können, hatte das [X.] auch bei Beachtung der richterlichen Fürsorgepflicht keine Veranlassung, von Amts wegen den Klageantrag in einen Verpflichtungsantrag umzudeuten.

8

b) Soweit sich die Klägerin gegen Ausführungen des [X.] zur Zulässigkeit des Rechtswegs zum [X.] wendet, erübrigt sich eine revisionsrechtliche Überprüfung schon deshalb, weil der Rechtsstreit gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) i.V.m. § 155 [X.]O mit bindender Wirkung --wie die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren zutreffend erkannt hat-- an das [X.] verwiesen worden ist. Im Übrigen ist das Revisionsgericht von Gesetzes wegen gehindert zu prüfen, ob der einmal beschrittene Rechtsweg zulässig ist (§ 17a Abs. 5 GVG).

9

c) Die Zulassung der Revision, weil eine höchstrichterliche Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung notwendig sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O), erfordert ebenso wie die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O) regelmäßig auch substantiierte Ausführungen zur Klärungsfähigkeit der angeblich klärungsbedürftigen Rechtsfrage (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 59, m.w.N.). An der Klärungsfähigkeit fehlt es insbesondere dann, wenn das [X.] die Klage als unzulässig abgewiesen hat und die streitige Rechtsfrage die Begründetheit der Klage betrifft ([X.] vom 1. Oktober 2002 [X.]/02, juris, und vom 9. März 1999 [X.]/98, [X.] 1999, 1058).

So verhält es sich im Streitfall. Das [X.] hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Fragen, ob das [X.] die gesetzlich normierten [X.] gemäß § 387 BGB und die Rechtsprechung des [X.] zur Wirkungslosigkeit von Aufrechnungen gegenüber Altgläubigern bei Forderungsabtretung nicht beachtet habe, beziehen sich allein auf die materielle Wirksamkeit der Aufrechnung des [X.]. Über diese Fragen wäre in einem allein die Unzulässigkeitsentscheidung des [X.] überprüfenden Revisionsverfahren nicht zu befinden (vgl. [X.] vom 19. Februar 2001 [X.]/99, [X.] 2001, 1032).

Meta

VII B 244/10

05.05.2011

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend FG Nürnberg, 28. Oktober 2010, Az: 6 K 573/10, Urteil

§ 218 Abs 2 AO, § 40 Abs 1 FGO, § 101 FGO, § 138 FGO, § 17a Abs 2 S 3 GVG, § 17a Abs 5 GVG, § 155 FGO, § 100 Abs 1 S 4 FGO, § 76 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.05.2011, Az. VII B 244/10 (REWIS RS 2011, 6942)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6942

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