Bundespatentgericht, Urteil vom 27.02.2018, Az. 4 Ni 47/16 (EP)

4. Senat | REWIS RS 2018, 13228

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Wirkungslosigkeit dieser EntscheidungPatentnichtigkeitsklageverfahren – "Nadelspitzenschutz für Subkutaninjektionen (europäisches Patent)" – zur unzulässigen Verallgemeinerung und Erweiterung des Inhalts einer Anmeldung - zum Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 2 319 556

([X.] 697 40 587)

hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf Grund der mündlichen Verhandlung am 27. Februar 2018 durch den Vorsitzenden [X.], die [X.]in [X.], den [X.] [X.], die [X.]in Dipl.-Phys. Univ. Zimmerer sowie den [X.] Dipl.-Chem. Univ. Dr. rer. nat. Freudenreich

für Recht erkannt:

[X.] Das [X.] Patent 2 319 556 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet [X.] im Umfang der Patentansprüche 1 bis 4 und 8 bis 12, soweit sich die Patentansprüche 8 bis 12 nicht unmittelbar oder mittelbar auf die Patentansprüche 5 bis 7 rückbeziehen, für nichtig erklärt.

I[X.] Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

II[X.] [X.] ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des erteilten [X.] Patents 2 319 556 [X.] ([X.] [X.]eil [X.] 697 40 587.7) mit der Bezeichnung „[X.] (Nadelspitzenschutz für Subkutaninjektionen).

2

[X.] beruht auf der [X.] Patentanmeldung mit der [X.]eldenummer 10009582.7, bei der es sich um eine [X.]eilanmeldung handelt. Als frühere [X.]eldungen bestehen EP 1 604 700 ([X.]. Nr. 05104948.4) und EP 0 891 198 ([X.]. Nr. 97915856.5). [X.] nimmt die Priorität dreier [X.] Patentanmeldungen [X.] 12343 P vom 27. Februar 1996, [X.] 25273 P vom 12. September 1996 und [X.] 31399 P vom 19. November 1996 in Anspruch. Die [X.]eröffentlichung der [X.]eldung erfolgte am 11. Mai 2011, die der Patenterteilung am 24. April 2013. Eine von Seiten der Klägerin gegen das Patent eingelegte Einspruchsbeschwerde ist mit der Entscheidung [X.] 2237/14 der [X.] des [X.] vom 21. Januar 2016 zurückgewiesen worden.

3

[X.] umfasst zwölf Patentansprüche mit einem unabhängigen Patentanspruch 1, von denen die Patentansprüche 1 bis 4 und 8 bis 12 angegriffen sind. Diese haben in der maßgeblichen [X.] [X.]erfahrenssprache den folgenden Wortlaut:

Abbildung

Abbildung

Abbildung

Abbildung

Abbildung

Abbildung

Abbildung

Abbildung

Abbildung

4

Die Klägerin hat ihre Klage auf die Gründe unzulässiger Erweiterung des Inhalts der [X.]eldung und mangelnde Patentfähigkeit (Art. [X.] § 6 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 [X.]) gestützt und sich auf schriftlichen Stand der [X.]echnik sowie zwei offenkundige [X.]orbenutzungen bezogen. Die Klägerin hat folgende Schriften vorgelegt:

5

[X.] 1 Entscheidung [X.], 4b O 57/13 v. 16. Dezember 2014, 22 S.

6

[X.] 2 Entscheidung der Einspruchsabteilung des [X.] zur [X.]. Nr. 10 009 582.7 v. 9. Dezember 2014, 19 S.

7

[X.] 3 Entscheidung der technischen [X.] des [X.], [X.] 2237/14 vom 21. Januar 2016, 44 S.

8

[X.] 4 Entscheidung des [X.], 19 [X.]15y vom 22. Mai 2015, 18 S.

9

[X.] 5 Registerauszug [X.] 697 40 587.7 v. 17. Mai 2016, 3 S.

[X.] 6 EP 2 319 556 [X.] (Streitpatent)

[X.] 7 [X.] Übersetzung der [X.] 6 (eingereicht von Seiten der Beklagten im [X.]erletzungsverfahren) 112 S.

[X.] 8 EP 2 319 556 A1

[X.] 9 WO 97/31666 A1

[X.] 10 [X.] 60/012,343 vom 27. Februar 1996

[X.] 11 [X.] 60/025,273 vom 12. September 1996

[X.] 12 [X.] 60/031,399 vom 19. November 1996

[X.] 13 [X.] Übersetzung der [X.] 12, 49 S.

[X.] 14 Merkmalsgliederung Patentanspruch 1, englisch, 1 S.

[X.] 15 Merkmalsgliederung Patentanspruch 1, deutsch, 1 S.

[X.])

[X.] 16a [X.] 696 07 409 [X.]2 ([X.] Übersetzung der [X.] 16)

[X.])

[X.] 17a [X.] 696 06 091 [X.]2 ([X.] Übersetzung der EP 0 747 083 [X.])

[X.])

[X.] 18a [X.] Übersetzung der [X.] 18, 13 S.

D4)

D5)

D6)

D9)

[X.]0)

[X.] 24 Schreiben I… [X.] an [X.] v. 27. März 1996, 5 S.

[X.] 25 [X.]elefonprotokoll, 25. November 1996, [X.], 1. S.

[X.] 26 Policy and procedure related to outside ideas, [X.], undatiert, 3 S.

[X.] 27 Brief von G… vom 27. November 1996 an Frau [X.], 2 S.

[X.] 28 Non-Confidential Disclosure Agreement unterschrieben von [X.], 27. November 1996, 1 S.

[X.] 29 Schreiben Frau [X.] an [X.], 17. Dezember 1996, 1 S.

[X.] 30 Aussage von [X.] am 4. August 2015 vor dem [X.], 209 und 28 S.

[X.] 31 Meeting report, 18. November 1996, [X.], 1 S.

[X.] 32 Mutual Disclosure Agreement, 7. März 1997 und Signatur 3. Dezember 1997, 2 S.

[X.]2)

[X.] 33.1 EP 0 845 279 [X.]

[X.] 33.2 EP 697 22 748 [X.]2

[X.] 34 Entscheidung der technischen [X.] des [X.], [X.] 2227/11 v. 18. Februar 2016

[X.] 35 Entscheidung der technischen [X.] des [X.], [X.] 0473/13 v. 11. Mai 2016

([X.] 36) Urteil [X.]. [X.]A ZA 16-1279 der Rechtbank [X.] v. 6. September 2017 (BM 36.1) mit [X.] Übersetzung (BM 36.2) und [X.]. [X.] Übersetzung (BM36.3)

([X.] 37) Gutachten Prof. Dr. Ing. S1… v. 11. Dezember 2017

D7)

[X.]2)

[X.]3)

[X.]4)

[X.]1).

Im Einzelnen sieht die Klägerin den Gegenstand des Streitpatents gegenüber den [X.] nach [X.] 8 und [X.] 9 als unzulässig erweitert an. In den ursprünglichen [X.]eldeunterlagen seien ausschließlich Ausnehmungen in der Innenseite des [X.] 13 („inner [X.]“) offenbart. [X.]ingegen beanspruche der Anspruch 1 des Streitpatents die Ausnehmung („[X.]“) ohne die Einschränkung „inner“ und stelle daher eine unzulässige Erweiterung dar. Die [X.] vom [X.]eldetag (vgl. [X.] 8: Abs. [0036] bzw. [X.] 9: S. 7 Z. 20–33) zeige zweifelsfrei, dass sich auch dort die Ausnehmung („[X.]“) in der Innenseite des [X.] befinden müsse. Denn die nach innen, d. h. zur Nadel hin gerichtete Bewegung des Arms mit dem Nadelfänger führe zu einer nach innen gerichteten Bewegung des [X.]orsprungs aus der Ausnehmung („[X.]“). Dies sei technisch nur möglich, wenn sich die Ausnehmung („[X.]“) auf der Innenseite des [X.] befinde. Bei einer an der Außenseite angebrachten Ausnehmung („outer [X.]“) wäre die Bewegung des [X.]orsprungs beim [X.]erlassen der Ausnehmung („[X.]“) nach außen gerichtet. Die Ausführungen der [X.] seien insoweit nicht zutreffend. [X.]ingegen sei dem Urteil der Rechtbank [X.] (vgl. Anlage [X.] 36) zuzustimmen, das den [X.] [X.]eil des Streitpatents aufgrund der unzulässigen Erweiterung („[X.]“/„inner [X.]“) für nichtig erklärt habe. Daran ändere auch nichts der von der Beklagten zitierte, das allgemeine Funktionsprinzip wiedergebende Satz in der ursprünglichen Beschreibung (vgl. [X.] 8: S. 6 Z. 18–20), der im Zusammenhang mit der weiteren, nachfolgenden Erläuterung zu lesen sei, welche eine nach innen gerichtete Bewegung des Nadelarms voraussetze.

Zudem sei Anspruch 1 des Streitpatents unzulässig erweitert, da das elastische [X.]eil („resilient member 19“) nicht in den Anspruch aufgenommen worden sei. [X.]orliegend sei das elastische [X.]eil („resilient member 19“) untrennbar mit dem [X.] 22a verbunden. Der Fachmann könne den ursprünglichen Unterlagen die beanspruchte Kombination ohne elastisches [X.]eil nicht als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen.

Auch seien die Prioritäten [X.] 10 bis [X.] 12 ([X.] bis [X.]) für das Streitpatent nicht wirksam. [X.]insichtlich der Prioritäten [X.] und [X.] bestehe zwischen den Parteien Einigkeit darüber, dass diese unwirksam seien. Auch im Prioritätsdokument [X.] fehle es insbesondere wiederum an einer eindeutigen Offenbarung des Merkmals einer beliebig angebrachten Ausnehmung („[X.]“), sodass die in Anspruch 1 gewählte Formulierung „… retained within an [X.] (32)“ durch das Prioritätsdokument 3 nicht gedeckt sei.

Weiter fehle dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 zum einen die Neuheit jeweils gegenüber den Schriften [X.] 16/[X.] 16a ([X.]), [X.] 17/17a ([X.]), [X.] 18/[X.]18a ([X.]) und [X.] 33/[X.]33.1/[X.]33.2 ([X.]2), zum anderen lägen zwei offenkundige [X.]orbenutzungen des Streitgegenstandes vor, was durch die [X.] 24 bis [X.] 32 belegt werde. Schließlich mangele es dem Gegenstand des Patentanspruchs 2 auch an erfinderischer [X.]ätigkeit gegenüber der [X.] 17/17a ([X.]) in Kombination mit dem Fachwissen oder den Druckschriften [X.] 18/18a ([X.]) und [X.]/16a ([X.]), weiter gegenüber der [X.]1818a ([X.]) als Ausgangspunkt in Kombination mit dem Fachwissen oder der [X.]17/17a ([X.]). Auch den Gegenständen der [X.] 2 bis 4 und 8 bis 12 fehle vor dem [X.]intergrund des aufgezeigten Standes der [X.]echnik die Neuheit, zumindest beruhten sie nicht auf erfinderischer [X.]ätigkeit.

Mit den [X.] bis [X.] füge die Patentinhaberin dem Anspruch 1 willkürlich gewählte, triviale Merkmale hinzu. Diese Merkmale seien alle bereits vorbekannt. Keiner der [X.]ilfsanträge beseitige außerdem die unzulässigen Erweiterungen; vielmehr führten die jeweils neu in die hilfsweise verteidigten Fassungen aufgenommenen Merkmale ihrerseits zu weiteren unzulässigen Erweiterungen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Patent EP 2 319 556 [X.] ([X.] 697 40 587.7) mit Wirkung für das [X.]oheitsgebiet der [X.] im Umfang der Patentansprüche 1 bis 4 sowie im Umfang der Patentansprüche 8 bis 12, soweit sie auf die Patentansprüche 1 bis 4 rückbezogen sind, für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Nichtigkeitsklage abzuweisen, hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit den Ansprüchen nach den [X.] bis [X.] vom 18. September 2017 verteidigt wird, mit der Maßgabe, dass die jeweiligen Patentansprüche der Anspruchssätze sich nicht unmittelbar oder mittelbar auf die Patentansprüche 5 bis 7 beziehen.

Die Beklagte tritt der Klägerin in [X.] die Patentansprüche 1 bis 4 und 8 bis 12 betreffenden Angriffspunkten entgegen und verteidigt das Streitpatent in der erteilten Fassung sowie mit geänderten Anspruchssätzen nach den [X.] bis [X.], welche jeweils zusätzliche Merkmale aufweisen, die den [X.] ([X.], [X.], [X.]I, [X.][X.], [X.]), den [X.] und Nadelfänger ([X.]I, [X.], [X.], [X.], [X.]I, [X.][X.], [X.]) und die Aufhängevorrichtung ([X.]ilfsantrag [X.]) betreffen.

[X.]ilfsantrag I wird bei dem erteilten Patentanspruch 1 bei Komponente h) das Wort „and“ vor „wherein“ gestrichen und eine Komponente i) angefügt, sodass es heißt:

... h) wherein the limiting means comprises a tether (24); and

i) wherein the catheter hub (13) has at least one flange (301).

[X.]ilfsantrag [X.] wird bei dem erteilten Patentanspruch 1 bei Komponente h) das Wort „and“ vor „wherein“ gestrichen sowie eine geänderte Komponente i) angefügt, sodass es heißt:

… h) wherein the limiting means comprises a tether (24) and

i) wherein [X.] (41) is a separate needle trap and wherein the needle guard (22, 22a, 220) has a slot (80) for fixedly attaching the separate needle trap (41).

[X.]ilfsantrag [X.] entsprechen den erteilten Patentansprüchen mit dem Unterschied, dass in der Komponente h) nach Patentanspruch 1 das Wort „flexible“ vor „tether“ eingefügt wird, sodass es heißt:

… h) wherein the limiting means comprises a flexible tether (24).

[X.]ilfsantrag [X.] entsprechen den erteilten Patentansprüchen mit dem Unterschied, dass in der Komponente d) nach Patentanspruch 1 das Wort „metal“ vor „needle trap“ eingefügt wird, sodass es heißt:

… d) the needle guard (22, 22a, 220) comprising a movable metal needle trap (41), [X.] (41) [X.] (10).

[X.]ilfsantrag [X.] entsprechen den erteilten Patentansprüchen mit dem Unterschied, dass ein Zusatz an die Komponente c) nach Patentanspruch 1 angefügt wird, sodass es heißt:

… c) [X.] (22, 22a, 220) slidably mounted on the needle (10) with the distal end of said needle guard (22) having a male section (78) for removably attaching a catheter hub (13).

[X.]ilfsantrag [X.] werden die dem erteilten Patentanspruch 1 nach den [X.]ilfsanträgen I und [X.] hinzugefügten Merkmale vereinigt, wonach im erteilten Patentanspruch 1 bei Komponente h) das Wort „and“ vor „wherein“ gestrichen wird und zwei jeweils mit i) benannte geänderte Komponenten hinzugefügt werden, sodass es heißt:

… h) wherein the limiting means comprises a tether (24);

i) wherein [X.] (41) is a separate needle trap and wherein the needle guard (22, 22a, 220) has a slot (80) for fixedly attaching the separate needle trap (41); and

i) wherein the catheter hub (13) has at least one flange (301).

[X.]ilfsantrag [X.]I werden die dem erteilten Patentanspruch 1 nach den [X.]ilfsanträgen I bis [X.] hinzugefügten Merkmale vereinigt, wonach im erteilten Patentanspruch 1 bei Komponente h) das Wort „and“ vor „wherein“ gestrichen, das Wort „flexible“ vor „tether“ eingefügt wird und die nun in umgekehrter Reihenfolge und mit i) und j) unterschiedlich benannten Komponenten nach [X.]ilfsantrag [X.] hinzugefügt werden, sodass es heißt:

h) wherein the limiting means comprises a felexible tether (24);

i) wherein the catheter hub (13) has at least one flange (301); and

j) wherein [X.] (41) is a separate needle trap and wherein the needle guard (22, 22a, 220) has a slot (80) for fixedly attaching the separate needle trap (41).

[X.]ilfsantrag [X.][X.] ergänzt den erteilten Patentanspruch 1 um die Merkmale nach den [X.]ilfsanträgen I bis [X.]. Bis auf die [X.]inzufügung des Wortes „metal“ vor „needle trap“ in Komponente d) ist die Anspruchsfassung wortgleich mit [X.]ilfsantrag [X.]I.

[X.]ilfsantrag [X.] ergänzt den erteilten Patentanspruch 1 um die Merkmale nach den [X.]ilfsanträgen I bis [X.]. Bis auf die Ergänzung der Komponente c) um das Merkmal „… with the distal end of said needle guard (22) having a male section (78) for removably attaching a catheter hub (13);“ und [X.]inzufügung des Wortes „metal“ vor „needle trap“ in Komponente d) ist die Anspruchsfassung wortgleich mit [X.]ilfsantrag [X.]I.

Eine unzulässige Erweiterung des Inhalts der [X.]eldung sei ebenso wenig festzustellen wie fehlende Neuheit gegenüber dem druckschriftlichen Stand der [X.]echnik bzw. durch offenkundige [X.]orbenutzungen begründet. Ebenso beruhe der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem aufgezeigten Stand der [X.]echnik auf erfinderischer [X.]ätigkeit.

Die Beklagte verweist ihrerseits auf die folgenden Schriften:

NB 1 Merkmalsgliederung des Patentanspruchs 1 der EP 2 319 556 [X.], 1 S.

NB 2 RAMALINGAM, K.K. ([X.]rsg.): [X.]andbook of Mechanical Engineering [X.]erms. [X.]: [X.] (P) Limited, [X.], 2009, 1996. S. 8. – [X.]-2874-2

NB 3 Presentation Mr. K…, [X.] vor J…, [X.], 26. März 1997, 8 S.

NB 4 Erklärung des [X.] vom 8. Oktober 2015, 2 S.

NB 5 Norm [X.] 20 594-1 1995-01-00. [X.] fittings with a 6% [X.], [X.], English version

NB 6 Aussage von [X.] am 4. August 2015 vor dem Uni- [X.], S. 1, 30–37, [X.], 146–149, 162–165, 170–173

NB 7 Gutachten Dr. med. [X.]… v. 11. Juli 2017

NB 7a [X.] EN 20594-1 1993 und EN 1707 1996

NB 8 Gutachten Dr. med. [X.]… v. 24. August 2017

Anlage 1 Gutachten Dr. med. [X.]. …, erste Seite, ohne Datum (in der [X.]erhandlung überreicht).

Soweit die Klägerin behaupte, dass der Gegenstand der Ansprüche des Streitpatents weder in der erteilten noch in den hilfsweise verteidigten Fassungen ursprünglich offenbart, neu und erfinderisch sei, treffe dies nicht zu. Die Nichtigkeitsklage sei daher abzuweisen. Die Rechtsauffassung der [X.], in den ursprünglichen [X.]eldeunterlagen seien ausschließlich Ausnehmungen in der Innenseite des [X.] offenbart, sei unbegründet. Insbesondere sei auch eine rein funktionale Auslegung des räumlich-körperlichen Merkmals der „Ausnehmung“ abzulehnen.

Entgegen der Ansicht der Rechtbank in [X.] müsse eine äußere Ausnehmung nicht unmittelbar und eindeutig offenbart sein, um eine Ausnehmung ohne Spezifizierung ihrer Lage am [X.] als offenbart anzusehen. Die allgemeine Offenbarung einer Ausnehmung („[X.]“) umfasse gerade sowohl eine äußere als auch eine innere Ausnehmung („[X.]“). Die äußere Ausnehmung müsse folglich lediglich von dem generischen Begriff „Ausnehmung“ umfasst sein.

Außerdem sei gemäß des von [X.]errn Dr. med. [X.]… erstellten weiteren Gutachtens (vgl. Anlage 1) mit der Inwärtsbewegung des Arms bei Überschreiten der Achse mit der Nadel auch zuletzt eine Auswärtsbewegung verbunden, die dem [X.]erausführen des [X.]orsprungs auch aus einer an der Außenseite angebrachten Ausnehmung diene.

Auch soweit die Klägerin behaupte, dass eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung durch das Weglassen des Merkmals „resilient member“ vorliege, treffe dies nicht zu.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 und alle davon abhängigen Ansprüche des Streitpatents seien neu gegenüber [X.], [X.], [X.] und [X.]2 sowie gegenüber den von der Klägerin genannten [X.]orbenutzungen. Zudem basiere der Gegenstand des Anspruchs 1 und aller davon abhängigen Ansprüche auf einer erfinderischen [X.]ätigkeit.

Insoweit lasse sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents zudem für den Fachmann unmittelbar und eindeutig aus [X.] entnehmen, sodass der [X.] von [X.], der 19. November 1996, der [X.]ag zur Bestimmung des Standes der [X.]echnik des Streitpatents sei. Soweit die Klägerin die Auffassung vertrete, dass in [X.] lediglich eine „innere Ausnehmung“ offenbart worden sei, offenbare die Formulierung „inner channel, [X.], slot or undercut 32“ die Ausnehmung ohne die Einschränkung, dass sie an der Innenseite des [X.] anzubringen sei. Im Übrigen würden die Begriffe „retained“ und „held“ in dem Prioritätsdokument austauschbar verwendet.

Der Senat hat den Parteien mit einem [X.]inweis nach § 83 Abs. 1 [X.] vom 21. Juni 2017 die Gesichtspunkte mitgeteilt, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sind. Wegen des [X.]orbringens der Parteien im Übrigen wird auf das Sitzungsprotokoll vom 27. Februar 2018 sowie auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist auch begründet, da der Gegenstand des [X.] im angegriffenen Umfang der Patentansprüche 1 bis 4 und 8 bis 12 gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 [X.], Art. 138 Abs. 1 Buch[X.]c) EPÜ über die ursprüngliche [X.] der ursprünglichen Anmeldung [X.] bzw. EP 2 319 556 [X.] ([X.] 8 und [X.] 9) hinausgeht und das Streitpatent deshalb insoweit für nichtig zu erklären ist. Soweit dieses gemäß den [X.] bis IX mit beschränkt verteidigten Fassungen verteidigt wird, erweisen sich bereits als in gleicher Weise unzulässig geändert und können dem Streitpatent deshalb nicht zu einem Erhalt verhelfen.

Einer Entscheidung darüber, ob auch der von der Klägerin geltend gemachte [X.] fehlender Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) begründet ist, bedarf es bei dieser Sachlage nicht mehr.

[X.]

1. Gegenstand des [X.] sind Schutzvorrichtungen für die Nadelspitzen von Subkutannadeln (vgl. Abs. [0001] des [X.] B&M 6), welche, wie das Streitpatent einleitend schildert, in Medizin, Naturwissenschaft, Veterinärmedizin, Biotechnologie und pharmazeutischer Industrie Anwendung finden. Bei intravenös ([X.]V.) zu setzenden Sicherheitskathetern wird die Nadel zusammen mit einem Katheter in die Vene des Patienten eingeführt. Dann wird die Nadel herausgezogen und der Katheter verbleibt zusammen mit dem [X.] („catheter hub“) für den gewünschten Zeitraum im Patienten. Die Schutzvorrichtungen begegnen der Gefahr von Verletzungen des [X.] durch Nadelstiche sowie der daraus resultierenden Gefahr einer Ansteckung mit Krankheiten wie HIV, Hepatitis oder weiteren ansteckenden Krankheiten bei der Behandlung von Patienten (vgl. B&M 6: Abs. [0002]).

Aus dem Stand der Technik bekannte Sicherheitsmechanismen werden im Streitpatent insoweit kritisiert, als viele von ihnen vom Benutzer weitere Schritte zur Aktivierung der Sicherung erforderlich machen. Zwar gäbe es Vorrichtungen mit einziehbaren Nadeln und einem Schutz für die Nadelspitze, die Herstellungskosten dieser Vorrichtungen seien jedoch hoch (vgl. [X.] 6: Abs. [0016]). Das Streitpatent nennt und diskutiert insoweit die Dokumente EP 0 554 841, [X.] 5 601 536, [X.] 5 279 591 und [X.] 5 049 136 (vgl. [X.] 6: Abs. [0019]–[0021]).

2. Ausgehend hiervon bezeichnet es die Patentschrift als Aufgabe der Erfindung, einen Nadelspitzenschutz bereitzustellen, der die [X.]itze der Nadel nach ihrem Gebrauch wirksam abschirmt und die Trennung des Katheters von der den Katheter tragenden Vorrichtung verhindert, bis die Nadelspitze sicher abgedeckt ist (vgl. B&M 6: Abs. [0022] und [0034]).

3. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent eine [X.]anordnung nach Patentanspruch 1 in der maßgeblichen [X.] Englisch sowie in [X.] Übersetzung, und mit hinzugefügter Merkmalsgliederung vor (nach funktionalen Merkmalen gegliedert).

        

EN        

DE        

1       

[X.], comprising:

[X.]anordnung, umfassend:

1.1     

a catheter hub (13);

einen [X.] (13);

1.2     

a needle hub (9, 12, 112) with a fixedly attached needle (10) having a sharpened distal end (11);

einen [X.] (9, 12, 112) mit einer daran fixierten Nadel (10) mit einem spitzen distalen Ende (11);

1.3     

a needle guard (22, 22a, 220) slidably mounted on the needle (10);

einen [X.] (22, 22a, 220), der verschiebbar auf der Nadel (10) angebracht ist;

1.4     

the needle guard (22, 22a, 220) comprising a movable needle trap (41), [X.] (41) [X.] (10);

der [X.] (22, 22a, 220) umfasst einen beweglichen Nadelfänger (41), der Nadelfänger (41) ist in Richtung auf/ gegen die Nadel (10) vorgespannt;

1.5     

[X.] (41) of the needle guard (22, 22a, 220) [X.] distal end (11) of the needle (10) and thereby entrapping the sharpened distal end (11) [X.] (22, 22a, 220) is urged forward near the sharpened distal end (11) of the needle (10);

der Nadelfänger (41) des [X.] (22, 22a, 220) bewegt sich über das spitze distale Ende (11) der Nadel (10) vorwärts und deckt dadurch das spitze distale Ende (11) ab, wenn der [X.] (22, 22a, 220) nach vorne in die Nähe des spitzen distalen Endes (11) der Nadel (10) gedrückt wird;

1.6     

limiting means for limiting the forward movement of the needle guard (22, 22a, 220) along the needle (10);

ein Begrenzungsmittel zum Begrenzen der Vorwärtsbewegung des [X.] (22, 22a, 220) längs der Nadel (10);

1.6.1 

the limiting means comprises a tether (24).

das Begrenzungsmittel umfasst eine Anhängevorrichtung/[X.] (24).

1.7     

the needle guard assembly further comprising a coupling mechanism preventing a mechanical separation of the needle guard assembly from the catheter hub (13) until the sharpened distal end (11) is safely contained within [X.] (41),

die [X.]anordnung umfasst ferner einen Kopplungsmechanismus, der eine mechanische Trennung der [X.]anordnung vom [X.] (13) verhindert, bis das spitze distale Ende (11) sicher von dem Nadelfänger (41) abgedeckt ist,

1.7.1 

the coupling mechanism comprises an arm (45) having a proximal end and a distal end, the proximal end of the arm being attached to the movable needle trap (41), [X.] (45) including a projection (42) that is releasably retained with the catheter hub (13);

der Kopplungsmechanismus umfasst einen Arm (45) mit einem proximalen Ende und einem distalen Ende, wobei das proximale Ende des Arms an dem beweglichen Nadelfänger (41) angebracht ist, wobei das distale Ende des Arms (45) einen Vorsprung (42) aufweist, der lösbar mit dem [X.] (13) gehalten wird;

1.7.2 

the projection (42) of [X.] (45) is releasably retained within a [X.] (32) of the catheter hub (13).

der Vorsprung (42) des distalen Endes des Arms (45) wird lösbar in/innerhalb einer Ausnehmung (32) des [X.]es (13) gehalten.

4. Als für die hier maßgebliche Entwicklung und für die Beurteilung der objektiven Problemstellung berufenen Fachmann sieht der Senat vor dem Hintergrund der in der Beschreibung des [X.] dargestellten zahlreichen Einsatzmöglichkeiten der [X.]vorrichtung, und insoweit von den Parteien unwidersprochen, einen Ingenieur der Fachrichtung Medizintechnik mit Diplom- bzw. Master-Abschluss, der über mehrjährige Erfahrung in der Konstruktion und Entwicklung von [X.] verfügt.

5. Nach dessen maßgeblichem Verständnis und einer sich am Gesamtzusammenhang orientierenden Betrachtung ist zu beurteilen, welche technische Lehre Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist und welcher technische Sinngehalt den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit zukommt (st. Rspr. [X.], [X.]. v. 12. März 2002, X ZR 168/00, [X.], 515 – Schneidmesser I).

Maßgeblich ist danach der seinem technischen Sinn nach aufzufassende Patentanspruch und ergänzend der [X.] der Patentschrift, soweit dieser Niederschlag in dem betreffenden Patentanspruch gefunden hat (vgl. zur [X.]Rspr. [X.], [X.]. v. 17. April 2007, [X.] 1/05 – Rn. 30, [X.], 959 – Pumpeinrichtung; [X.], [X.]. v. 26. Juni 2007, 3 Ni 22/04, [X.], 145, 147 m. w. N. – Fentanylpflaster).

Der Erfindungsgegenstand nach Patentanspruch 1 lässt sich in Verbindung mit der oben genannten Gliederung anhand der nachfolgenden kolorierten Seitenansichten [X.]. 103–105 i. V. m. Abs. [0183]–[0190], welche Ausführungsbeispiele des [X.] [X.] 6 betreffen und die auch den Vorgang der Katheteranbringung wiedergeben, wie folgt beschreiben:

Abbildung

Abbildung

Abbildung

1 dient dazu, die scharfe Nadelspitze nach Anbringung des Katheters i.V. (intravenös) im Körper mittels eines Gehäuses abzuschirmen, um die mit dieser spitzen Nadel einhergehende Verletzungsgefahr/Infektionsgefahr zu vermeiden. Dabei umfasst die Anordnung einen [X.] („catheter hub“; [X.]. 13; Merkmal 1.1), der zusammen mit dem nicht beanspruchten Dauerkatheter ([X.]. 29, „indwelling catheter“) – gelb koloriert – am/im Körper verbleibt. Der Ansatz dient üblicherweise der Zufuhr von Infusionen mittels Schläuchen.

1.2). Der [X.] 22a ist verschiebbar („slidably mounted“) auf der Nadel 11 angebracht (Merkmal 1.3), was sich aus den [X.]. 103–105 ersehen lässt, die die Bewegung des [X.] relativ zur Nadel nach Freigabe des Katheters/[X.]es zeigen. Der [X.] umfasst dabei einen – hier wandähnlich ausgebildeten – Nadelfänger („needle trap“; [X.]. 41), der in Richtung auf bzw. gegen die Nadel vorgespannt („biased“) ist, was durch eine Feder („resilient member“ 19) und/oder durch eine Formgedächtnislegierung („inherent memory of the molded configuration“; vgl. B&M 6: Abs. [0063]) bewerkstelligt wird (Merkmal 1.4).

1.5 bewegt sich dieser Nadelfänger über das spitze, distale Ende der Nadel vorwärts und deckt es ab, wenn der [X.] in die Nähe des distalen Endes gedrückt wird (vgl. in [X.]. 105 den das spitze Ende der Nadel blockierenden Nadelfänger 41). Damit der Nadelfänger nicht über das Nadelende 11 hinausschießt, ist ein Begrenzungsmittel bzw. ein „[X.] 24“ als „[X.]“ vorgesehen, welches in beispielhafter Ausführung am [X.] 22a und am Ansatz 9 befestigt ist (Merkmale 1.6, 1.6.1). Ein „[X.]“ ist ein als Schnur, Befestigung oder flexible Befestigung ausgebildetes Halteband, das etwas Bewegliches an einem Bezugspunkt befestigt, der fixiert ist, aber auch beweglich sein kann.

1.71.7.2) ausgebildet, der eine mechanische Trennung der [X.]anordnung vom [X.] 13 verhindert, bis das spitze distale Ende 11 sicher von dem Nadelfänger 41 abgedeckt ist (Merkmal 1.7). Dieser Kopplungsmechanismus umfasst – rot koloriert – einen Arm ([X.]. 45) mit einem proximalen und distalen Ende, wobei das proximale Ende an dem beweglichen Nadelfänger 41 angebracht („attached“) ist und das distale Ende des Arms 45 einen Vorsprung aufweist („projection“; [X.]. 42), der lösbar mit dem [X.] 13 gehalten wird (Merkmal 1.7.1).

1.7.2). In den [X.]. 103–105 wird der Vorsprung mit [X.]. 42 durch die Ausnehmung [X.]. 32 gehalten, die sich an der Innenseite des Ansatzes 13 befindet, wobei Merkmal 1.7.2 nach Patentanspruch 1 hierzu keine einschränkende Aussage trifft, da nur ein „[X.]“ und nicht ein „inner [X.]“ Gegenstand des Merkmals ist. Aus den [X.]. 103–105 geht hervor, dass erst dann, wenn der [X.] mit der [X.] 41 über das spitze Ende der Nadel hinausgeführt wird, die [X.] in den [X.] 31 einrastet und simultan damit der Vorsprung 42 aus der Ausnehmung 32 geführt wird, sodass die mechanische Trennung von [X.]anordnung und [X.] auch zeitgleich mit dem Schutz der Nadelspitze erfolgt. Diese Simultanbewegung ist nicht Gegenstand des Patentanspruchs 1.

Zwischen den Parteien bildet [X.] der Auseinandersetzung zum gebotenen Verständnis der erfindungsgemäßen Lehre wie auch einer hieraus resultierenden Abgrenzung vom Stand der Technik und zur im parallelen Verletzungsverfahren angegriffenen Ausführungsform die Ausgestaltung des [X.] und seiner funktionellen Komponenten.

Der Senat sieht sich für die stets gebotene Auslegung eines Patentanspruchs und seiner einzelnen Merkmale insoweit zu folgenden Anmerkungen veranlasst. Dabei wird im Hinblick auf die nach der [X.] maßgebende Begrifflichkeit insoweit auf die englischsprachige Fassung abgestellt, als die Übersetzung sich als ungenau oder nicht eindeutig erweist.

5.1. Danach ist die [X.]anordnung selbst (Merkmal 1) gekennzeichnet durch die mindestens sie bildenden („comprising“), im Einzelnen aufgelisteten funktionellen Komponenten. Die Verbindung des [X.]es 13 (Merkmal 1.1) mit dem [X.] ist mechanisch lösbar und über das distale, mit anderen Worten dem der zu behandelnden Person näheren Ende des Arms, am Nadelfänger verwirklicht. Wie bei geläufigen [X.]ritzen weist der [X.] (Merkmal 1.2) eine an ihm fixierte Nadel mit einer üblichen [X.]itze am distalen Ende auf. Die verschiebbare Anbringung des [X.] auf der Nadel (Merkmal 1.3) ermöglicht eine manuelle wie auch eine z. B. durch Federkraft angetriebene Verschiebung. Auf welche Art die Verschiebung erfolgt, ist nicht Gegenstand des Patentanspruchs 1. Die Vorspannung des [X.] in Richtung bzw. entgegen der Nadel (Merkmal 1.4) beinhaltet eine Kraftkomponente senkrecht zur Nadelachse, sodass sich der Schutz aufgrund [X.] vor die Nadelspitze zu schieben vermag. Mit dem Merkmal 1.5 wird die Vorrichtung durch ein Verfahrensmerkmal ausgestaltet, das den Zweck der Vorrichtung, nämlich die Blockade der Nadelspitze durch den sich über die Nadel bewegenden Nadelfänger, näher ausbildet. Danach ist der Nadelfänger so gestaltet, dass er diese Funktion zu erfüllen vermag.

5.2. Das Begrenzungsmittel nach den Merkmalen 1.6/1.6.1 soll u. a. die Anhängevorrichtung/„[X.]“ 24 umfassen und ist nicht weiter räumlich-körperlich ausgestaltet. Es ist rein funktional dadurch definiert, dass das Begrenzungsmittel die Vorwärtsbewegung des [X.] längs der Nadel in irgendeiner Weise begrenzen soll (vgl. B&M 6: Abs. [0035]). Im Streitpatent angegebene Beispiele zur Ausgestaltung oder zu deren Eigenschaften (vgl. B&M 6: Abs. [0066]–[0067]) beschränken den Gegenstand insoweit nicht.

5.3. Der mit den Merkmalen 1.7 bis 1.7.2 ausgebildete Kopplungsmechanismus, der die (simultane oder konsekutive) mechanische Trennung der [X.]anordnung vom [X.] verhindert, bis das spitze Nadelende gesichert ist, wird in konstruktiver Hinsicht durch einen Arm verwirklicht, dessen proximales Ende am beweglichen Nadelfänger angebracht ist und der am anderen Ende, dem distalen Ende, einen Vorsprung 42 aufweist, wonach alle drei konstruktiven Elemente Nadelfänger, Arm und Vorsprung unterscheidbar und nach der Lage bestimmt vorhanden sind. Eine spezielle Form für diese Elemente ist nicht beansprucht. Der Begriff „Arm“ setzt keinen langgezogenen Körper voraus, wie die [X.] meint (vgl. B&M 3: S. 31, Pkt. 7.3.1 le. Abs.). Aus Sicht des Senats ist ein Arm beispielsweise auch dann erfüllt, wenn seine Dicke seine Länge übertrifft. Denn es kommt nur auf die funktionale Erfüllung der auch von der [X.] angeführten intrinsischen Verbindung zwischen den Bewegungen des Nadelfängers und des auf dem Arm angebrachten Vorsprungs an.

5.4. Nach Merkmal 1.7.2 wird der Vorsprung lösbar „within“ // in/innerhalb einer Ausnehmung // „[X.]“ des [X.]es gehalten, dessen Anordnung auf dem [X.] nicht festgelegt ist, insbesondere also nicht innen sein muss, sondern sich auch auf der Außenseite des [X.]s befinden kann. Die Haltefunktion Funktion des „[X.]“ in räumlich-körperlicher Hinsicht und dessen Ausgestaltung wird nicht schon durch einen aus der Oberfläche herausragenden Teil (Vorsprung, Flansch, Luer-Lock-Anschluss) erfüllt, dessen Umgebung aus Ausnehmungen besteht und der die Trennung von [X.]anordnung und [X.] funktional solange verhindert, bis das spitze distale Ende der Nadel sicher von dem Nadelfänger abgedeckt ist. Denn das Streitpatent trennt zwischen solchen Ausbildungen, die einen Flansch und solchen, die eine Ausnehmung betreffen (vgl. z. B. B&M 6: [X.]. 103–105 [X.]. 32 „[X.]“ und [X.]. 301 „flange“).

Damit ist, was eine Ausgestaltung einer erfindungsgemäßen Ausnehmung anbelangt, auch nach dem Verständnis des [X.] der dem Fachmann geläufigen Definition im „[X.]“ ([X.]) zu folgen. Eine Ausnehmung („[X.]“) ist danach dadurch charakterisiert, dass es sich um eine in die normale Oberfläche als Bezugsebene eingekerbte Rille bzw. Vertiefung (vgl. [X.]: S. 8 „[X.]“) handelt, nicht aber um ein aus dieser Bezugsebene herausragendes Teil, wie es z. B. durch einen Flansch gebildet wird.

Folglich besitzt eine Ausnehmung zumindest zwei Wände, ist aber hinsichtlich Länge oder Breite offen gehalten und kann auch im Hinblick auf seine Funktionalität im Zusammenwirken mit dem Vorsprung nicht als derart einschränkend offenbart angesehen werden, dass die zweite Seitenwand eng am Vorsprung anliegen muss, um den Vorsprung im Sinne einer verbesserten Haltefunktion in beide Axialrichtungen ggf. starr innerhalb der durch die Wände gebildeten Grenzen zu halten, anders als es die Einspruchsabteilung des [X.] wegen der Ausdrücke „retained“ … „within“ bzw. „held in“ und die [X.] im Zusammenhang mit einem nicht beanspruchten Luer-Lock-Mechanismus gesehen haben (vgl. [X.] 2: S. 16 Abs. 2; [X.] 3: S. 40 Abs. 2).

Diesem einschränkenden, die unmittelbar offenbarte Lehre bereits durch fachmännische Überlegungen weiterführenden Verständnis steht auch entgegen, dass zum einen die axiale Bewegung auch durch eine nicht am Vorsprung anliegende zweite Wand beschränkt wird; denn wie groß das [X.]iel, also der fertigungs- und anwendungsbedingte Bewegungsfreiraum, in dem sich ein mechanisches Bauteil nach der Montage gegen oder mit einem anderen Bauteil, der Baugruppe bzw. Funktionseinheit frei bewegen lässt, in beide Axialrichtungen sein darf, ist offen.

Auf die genaue geometrische Form der Ausnehmung („[X.]“) kommt es deshalb nicht an, solange die Funktion, den Vorsprung lösbar zu halten und nach Bedarf die axiale Bewegung bzw. das [X.]iel von [X.] und [X.] im verbundenen Zustand zu limitieren, gewährleistet ist.

Zum anderen ergibt sich aus der konkreten Ausbildung der Ausnehmung in [X.]. 103, 118 des [X.] gerade keine Lehre und kein Verständnis dahin, dass die zweite distale Wand der Ausnehmung an dem Vorsprung anliegt. Insbesondere wirft die [X.]. 105 des [X.] mit der dort gezeigten, zweiten schräg ausgebildeten Wand des „[X.] 32“ die Frage auf, ob mit dieser Ausgestaltung eine Blockade des Vorsprungs in axialer Richtung technisch überhaupt möglich ist.

retaining a component in [X.] held position on the hub portion 15“ keine signifikant unterschiedliche Bedeutung der Ausdrücke „retain“ and „hold“ erkennen.

Schließlich ist auch der sich aus der Argumentation der [X.] zum Luer-Lock-Mechanismus herleitbaren Sichtweise, dass ein solcher Verschluss keine zwei Wände erlaube, nicht beizutreten, denn diese Konnektivität lässt sich bei entsprechender Ausbildung und Stellung der Wände zueinander in Abstimmung mit der Gewindesteigung ohne Weiteres nutzen.

I[X.]

1. Der Senat sieht in dem Teilmerkmal

1.7.2 … within a [X.] of the catheter hub // … in/innerhalb einer Ausnehmung des [X.]es

des Patentanspruchs 1 erteilter Fassung eine zur Nichtigerklärung führende sowie in den Fassungen der [X.] bis IX eine der Zulässigkeit dieser Anträge entgegenstehende unzulässige Verallgemeinerung und Erweiterung des Inhalts der Anmeldung, wie sie sich in der [X.] ([X.] 9) bzw. der weitgehend wortgleichen EP 2 319 556 [X.] ([X.] 8) darstellt (Art. 138 Abs. 1 Buch[X.]c EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 [X.]).

Nach Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] ist ein [X.] Patent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig zu erklären, wenn sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Der danach maßgebliche Inhalt der Anmeldung ist anhand der Gesamtheit der ursprünglich eingereichten Unterlagen zu ermitteln.

Insoweit hat der [X.] in der Entscheidung „teilreflektierende Folie“ ([X.], 50) seine Rechtsprechung zusammengefasst und betont, dass zum [X.] einer Patentanmeldung nur das gehört, was den ursprünglich eingereichten Unterlagen unmittelbar und eindeutig als zu der zum Patent angemeldeten Erfindung gehörend zu entnehmen ist, nicht hingegen eine weitergehende Erkenntnis, zu der der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens oder durch Abwandlung der offenbarten Lehre gelangen kann, wenn auch insoweit zu berücksichtigen ist, dass die Ermittlung dessen, was dem Fachmann zum Zeitpunkt der Einreichung der prioritätsbeanspruchenden Patentanmeldung als Erfindung und was als Ausführungsbeispiel der Erfindung im Stand der Technik offenbart wird, wertenden Charakter hat und eine unangemessene Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des [X.]s der Voranmeldung zu vermeiden ist ([X.] GRUR 2014, 542 – Kommunikationskanal).

Entscheidend ist danach, ob der Fachmann den Gegenstand des Patents der Gesamtheit der in den ursprünglichen Unterlagen offenbarten technische Lehre als mögliche – wenn auch allgemeinste – Ausgestaltung der angemeldeten Erfindung entnehmen kann ([X.] [X.], 249 – [X.]; GRUR 2014, 1026 – [X.]). Ein „breit“ formulierter Anspruch kann deshalb unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung jedenfalls dann als unbedenklich zu erachten sein, wenn sich ein in der ursprünglichen Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung – sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen – als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist ([X.] GRUR 2014, 970 – Stent).

Eine unzulässige Erweiterung liegt aber vor, wenn der Gegenstand des Patents sich für den Fachmann erst aufgrund eigener, von seinem Fachwissen getragener Überlegungen ergibt, nachdem er die ursprünglichen Unterlagen zur Kenntnis genommen hat, so wenn die Hinzufügung einen technischen Aspekt betrifft, der den ursprünglich eingereichten Unterlagen in seiner konkreten Ausgestaltung oder wenigstens in abstrakter Form nicht als zur Erfindung gehörend zu entnehmen ist ([X.] GRUR 2013, 809 – Verschlüsselungsverfahren).

2. Diesen Grundsätzen entsprechend enthält Patentanspruch 1 mit dem (Teil)Merkmal 1.7.2 eine gegenüber dem Inhalt der Anmeldung unzulässig erweiterte Lehre dahingehend, dass, soweit der beanspruchte Kopplungsmechanismus betroffen ist, in den ursprünglichen Unterlagen ausschließlich Ausnehmungen in der Innenseite des [X.]es („inner [X.]“) offenbart sind (vgl. den Ausdruck „an [X.], [X.], slot or undercut 32“ in B&M 9: S. 40 [X.] 26; S. 41 [X.] 17–18; S. 42 [X.] 3–4; S. 68 [X.] 29–30; S. 70 [X.] 20–21; S. 77 [X.] 2–3; S. 78 [X.] 34; S. 79 [X.] 19–20; entsprechend in B&M 8: [X.]. 24 [X.] 1–2, 29–30, 51–52; [X.]. 41 [X.] 26; [X.]. 42 [X.] 31–32; [X.]. 46 [X.] 38–39; [X.]. 47 [X.] 52–53; [X.]. 48 [X.] 16 und Patentanspruch 9). In diesen Passagen bezieht sich das Wort „inner“ zweifelsfrei auf alle vier Substantive und zwar linguistisch (andernfalls: „an [X.], a [X.] …“ etc.), denklogisch (durch Klammerung mit dem Bezugszeichen 32) und unter Berücksichtigung des durch sämtliche [X.]uren vermittelten technischen Verständnisses (vgl. B&M 9: [X.]. 61–63, 103–105, 118, 121).

Insoweit muss auch berücksichtigt werden, dass nach der Rechtsprechung des [X.]s die Patentschrift in einem sinnvollen Zusammenhang zu lesen und der Patentanspruch im Zweifel so zu verstehen, dass sich keine Widersprüche zu den Ausführungen in der Beschreibung und den bildlichen Darstellungen in den Zeichnungen ergeben. Eine Auslegung des Patentanspruchs, die zur Folge hätte, dass keines der in der Patentschrift geschilderten Ausführungsbeispiele vom Gegenstand des Patents erfasst würden, kommt danach nur dann in Betracht, wenn andere Auslegungsmöglichkeiten, die zumindest zur Einbeziehung eines Teils der Ausführungsbeispiele führen, zwingend ausscheiden oder wenn sich aus dem Patentanspruch hinreichend deutliche Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass tatsächlich etwas beansprucht wird, das so weitgehend von der Beschreibung abweicht ([X.], [X.]eil vom 14. Oktober 2014 – [X.] 35/11, [X.], 159 Rn. 26 – Zugriffsrechte).

Werden in der Beschreibung mehrere Ausführungsbeispiele als erfindungsgemäß vorgestellt, sind deshalb die im Patentanspruch verwendeten Begriffe im Zweifel so zu verstehen, dass sämtliche Ausführungsbeispiele zu ihrer Ausfüllung herangezogen werden können ([X.] [X.]. v. 02.06.2015, [X.] 103/13 = [X.], 972 – Kreuzgestänge).

Im gesamten Anmeldedokument findet sich lediglich eine Passage, in welcher die Ausnehmung/„[X.] 32“ ohne das vorangestellte Adjektiv „inner“ beschrieben wird (vgl. [X.] 9: S. 7 [X.] 20 ff., insb. [X.] 27; entsprechend in [X.] 8 Abs. [0036]):

Abbildung

Aus Sicht des Fachmanns stehen die Zeilen 26–29 dieser Passage in einem untrennbaren funktionalen Zusammenhang (vgl. [X.] [X.]. v. 17. Februar 2015, [X.] 161/12, [X.], 573 – Wundbehandlungsvorrichtung), sodass sich bei der dort offenbarten, eine Zusammenfassung der Erfindung bildenden allgemeinen Lehre nach dem technischen Verständnis dieser Lehre die Ausnehmung („[X.]“) an der Innenseite des [X.]es befinden muss und der Fachmann den „[X.]“ als „inner [X.]“ liest.

Denn bei einem in der gesamten Patentanmeldung – im Übrigen auch nicht genannten „outer [X.]“ – geht mit der Bewegung des Vorsprungs beim Verlassen des „[X.]“ gerade kein „inward movement“ des Arms, sondern im Gegenteil eine Bewegung nach außen, ein „outward movement“ einher. Somit erlaubt diese Textstelle nicht die Schlussfolgerung, dass der Fachmann bei deren unbefangenen Lektüre überhaupt eine Ausnehmung auch an der Außenseite in Betracht zieht und als offenbart ansieht. Gerade wegen der Bewegung des Arms nach innen und des damit als einzige technische Lösung offenbarten, konstruktiv in einfacher Weise verwirklichten, funktionellen Zusammenhangs einer Armbewegung nach innen und des [X.] der Verbindung von Vorsprung und der im [X.]-Inneren angebrachten Ausnehmung erfährt der Fachmann durch diese [X.] keine Anregung für ein Verständnis dahingehend, die Ausnehmung außen am [X.] mitzulesen. Zu einem derartigen Verständnis kann der Fachmann deshalb allenfalls durch weitere aufgrund von Fachwissen getragene Überlegungen gelangen, nachdem er die ursprünglichen Unterlagen zur Kenntnis genommen hat. Ein derartiges Verständnis ist deshalb nicht Gegenstand der unmittelbaren und eindeutigen [X.] der ursprünglichen Anmeldeunterlagen (siehe [X.] [X.]. v. 11.2.2014, [X.] 107/12 = GRUR 2014, 542 – Kommunikationskanal).

Selbst wenn man unterstellt, der Fachmann würde beide Möglichkeiten einer inneren und äußeren Ausnehmung im Hinblick auf ihre den erfindungsgemäßen Erfolg förderliche Wirkung betrachten und insoweit berücksichtigt, dass das Interesse des Anmelders regelmäßig erkennbar darauf gerichtet ist, möglichst breiten Schutz zu erlangen, also die Erfindung in möglichst allgemeiner Weise vorzustellen und nicht auf aufgezeigte Anwendungsbeispiele zu beschränken, so muss berücksichtigt werden, dass sich der Fachmann im Hinblick auf ein verallgemeinerndes Verständnis der Ausnehmung fragen würde, ob eine Ausnehmung überhaupt an der Außenseite des [X.]es möglich wäre und deshalb gemeint sein kann. Auch dies ist zu verneinen, da der Fachmann unmittelbar erkennt, dass konstruktionsbedingt eine Bewegung des Arms nach innen notwendig ist, um den [X.] vor die Nadelspitze der Nadel zu führen und die [X.] ihm insoweit unmittelbar keinen gangbaren Weg zu einer Konstruktion mit einer Ausnehmung an der Außenseite des [X.]es aufzeigt. Ob dieser Weg überhaupt als naheliegend angesehen werden könnte, kann dahinstehen und ist, wie noch aufzuzeigen ist, durchaus fraglich.

Wie bereits ausgeführt (vgl. auch Sichtweise der Rechtbank [X.] 36.3 Abs. 4.2 –4.10), spricht die Patentanmeldung im Übrigen für das Halten des Arms ausschließlich von „an [X.], [X.], slot or undercut“ des [X.]es und zeigt auch in den genannten [X.]uren nicht anderes. Somit müsste sich der Fachmann von der patentanmeldungsgemäßen Lösung abwenden und eine anders gestaltete Vorrichtung überlegen, welche nicht zwingend den weltweit standardisierten ([X.] genügen muss, wie die Rechtbank meint (a. a. O.: Abs. 4.8).

Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang als Anlage 1 eine Seite eines von der Klägerin als verspätet beanstandeten Gutachtens von Dr. H… in der Verhand- lung präsentiert. In diesem Gutachten nimmt Dr. H… zu der Frage Stellung, ob das Streitpatent dem Fachmann auch eine Lösung nahelege, bei welcher die Ausnehmung außen am [X.] angebracht ist. Das Streitpatent lasse danach dem Fachmann freie Wahl in der Anbringung der Vertiefung, denn hinsichtlich des Kopplungsmechanismus seien durch das Streitpatent weder der Arm in der Ausbildung beschränkt („design freedom“) noch eine Bewegung des distalen Vorsprungs nach innen festgelegt. Damit gelange man beispielsweise zu der folgenden Ausgestaltungsmöglichkeit:

Abbildung

Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Vorrichtung funktionstauglich ist, was die Klägerin bestreitet. Aus der Zeichnung erschließt sich zumindest nicht, wie die Verbindung von [X.]anordnung und [X.] im oberen, der Ausnehmung gegenüberliegenden Teil der Vorrichtung zu stabilisieren wäre, um ein Auseinanderfallen entlang des die Durchführung der „projection“ nach außen ermöglichenden [X.]altes zu verhindern. Die vorgestellte konstruktive Lösung weicht jedenfalls wesentlich von der allgemeinen Lehre der Passage auf S. 7 der [X.] 9 ab, insoweit, als sich der Großteil des mit Arm bezeichneten Bauelements gerade nicht nach innen, sondern über die Nadelachse hinaus nach außen bewegt und damit nicht die allgemeine Lehre verwirklicht. Zudem verlangt sie die Durchführung der „projection“ durch das Gehäuseinnere. Ausgehend von der funktionsfähigen Ausgestaltung der [X.]. 118 der [X.] 9 handelt es sich deshalb aus Sicht des Senats um eine erfinderische Weiterbildung im Lichte der Aufgabe, die Ausnehmung außen am [X.] vorzusehen.

1.7.2 durch die wörtliche Formulierung „a [X.]“ in der B&M 9 S. 7 ab [X.] 20 als allgemeine technische Lehre offenbart sei, kann deshalb aus den oben genannten Gründen nicht beigetreten werden.

Auch das von der [X.] herangezogene Argument, dass die Anmeldeunterlagen [X.] 9 in [X.]. 19 eine Ausführungsform mit einer äußeren Ausnehmung offenbaren, führt nicht weiter. Denn hierzu müsste der Fachmann eine der unmittelbaren [X.] entgegenstehende derartige Transferleistung vornehmen, da die mit den [X.]. 15 bis 19 verbundene Lehre schon nicht die Befestigung eines [X.]V.-Katheters (vgl. [X.]9: S. 20 [X.] 13 – S. 22 [X.] 2 i. V. m. [X.]. 15–19) betrifft. Nach dem dort gelehrten Prinzip wird ein [X.] 41 mittels Federkraft über die Nadelspitze geschoben, wobei das Lösen einer Verbindung wie die Freigabe des [X.]es nicht vorgesehen ist. Aber selbst wenn der Fachmann den dort gezeigten „latching arm 26“, der als Kippschalter ausgebildet ist, für die Ausführungsform nach z. B. [X.]. 118 nicht nur aufgrund weiterführender Überlegungen in Betracht zöge, sondern sich ihm eine derartige Lehre unmittelbar aus der [X.] erschlösse, ließe sich mit dieser konstruktiven Lösung keine Inwärtsbewegung des Arms realisieren, da sich konstruktionsbedingt immer ein Teil des Arms nach außen bewegt. Eine derartige Lehre wäre deshalb nicht einmal zielführend.

Somit geht der Inhalt von Patentanspruch 1 – und damit auch die abhängigen weiteren angegriffenen Ansprüche in ihrem Rückbezug auf Anspruch 1 – über denjenigen der ursprünglichen Anmeldeunterlagen in unzulässiger Weise hinaus und Patentanspruch 1 hat keinen Bestand.

1.7.2 uneingeschränkt übernehmen und die hinzugekommenen Merkmale nicht eine weitere Ausbildung dieses Merkmals betreffen, insbesondere die Lehre nicht auf die ursprüngliche [X.] zurückführen.

II[X.]

1.7.1 und 1.7.2 beanspruchter Arm mit Nadelfänger und Vorsprung ist, von den Parteien unstreitig, einzig in der prioritätsbegründenden [X.] 31399 P (B&M 12/[X.]) als Ausbildung offenbart (vgl. a. a. O.: [X.]. 19–21 und 33, 35).

Was eine beliebig an dem [X.] angebrachte Ausnehmung („[X.]“) anbelangt, bleibt die [X.] der [X.] 12 hinter den Anmeldeunterlagen [X.] 8 und [X.] 9 zurück. Denn eine der [X.] 9, S. 7 [X.] 20 ff. bzw. der [X.] 8 Abs. [0036]) entsprechende Passage enthält die [X.] 12 nicht. Damit offenbart auch das zur Prioritätsbegründung herangezogene Dokument [X.] 12 nur Katheteransätze mit innerer Ausnehmung („inner [X.]“; vergl. in [X.] 12 die den [X.]. 103–105 des [X.] entsprechenden [X.]. 19–21 sowie S. 31, [X.] 21, S. 22, [X.] 11 ff. und, die anderen Ausführungsformen betreffend, den Hinweis auf den „inner [X.]“ auf S. 40 [X.] 11, S. 42, [X.] 7–8, 25–26, S. 44 [X.] 31 – S. 45 [X.] 1). Zur Auslegung der Formulierung „an [X.], [X.], slot or undercut 32“ in [X.] kann auf die obigen Ausführungen zur unzulässigen Erweiterung Bezug genommen werden.

Im Übrigen wird insoweit auf die gleichlautende Einschätzung der Einspruchsabteilung (vgl. [X.] 2: S. 7–9, Pkt. 3), des [X.] (vgl. [X.] 4: S. 14) und der Rechtbank [X.] (vgl. [X.] 36.3: S. 3 Abs. 4.12.) verwiesen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. §§ 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

Meta

4 Ni 47/16 (EP)

27.02.2018

Bundespatentgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 27.02.2018, Az. 4 Ni 47/16 (EP) (REWIS RS 2018, 13228)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13228

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

6 Ni 42/21 (EP) (Bundespatentgericht)


4 Ni 25/10 (EU) (Bundespatentgericht)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – „passive Nadelabschirmung für Spritzen“ (europäisches Patent) - zur Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen


4 Ni 31/15 (EP) (Bundespatentgericht)

(Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Interdentalreiniger (europäisches Patent)" – Erhebung einer Verletzungsklage durch den im Nichtigkeitsverfahren beklagten Patentinhaber, …


4 Ni 50/17 (EP) (Bundespatentgericht)


4 Ni 45/09 (EU) (Bundespatentgericht)

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

X ZR 1/05

X ZR 35/11

X ZR 103/13

X ZR 161/12

X ZR 107/12

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.