Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.09.2007, Az. 5 StR 375/07

5. Strafsenat | REWIS RS 2007, 1793

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

5 [X.][X.] vom 25. September 2007 in der Strafsache gegen wegen Totschlags

- 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 25. September 2007 be-schlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 23. April 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen auf-gehoben. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] zu-rückverwiesen. G r ü n d e
Das Landgericht hat den zur Tatzeit 19 Jahre und zwei Monate alten Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten ist zum Schuld-spruch aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] un-begründet, hat jedoch betreffend den Strafausspruch mit der Sachrüge [X.]. 1 1. Nach den Feststellungen des [X.] erstach der bisher nicht strafrechtlich in Erscheinung getretene Angeklagte den Liebhaber seiner Mutter, den er zuvor nur einmal flüchtig gesehen hatte. Das alkoholisierte Opfer war hinter den Angeklagten getreten, der gerade Geschirr spülte, und hatte ihm kräftig an die Schultern gefasst. Der hierdurch überraschte [X.] fühlte sich zudem von möglicherweise beleidigenden Äußerungen des Mannes gekränkt, nahm das gerade von ihm abgewaschene Küchenmesser 2 - 3 - und versetzte ihm damit einen tödlichen Stich in die Brust. Als der [X.] ein paar Schritte zurücktaumelte und den Angeklagten beschimpfte, stach dieser ihm erneut in den Oberkörper. Sodann flüchtete der Angeklagte aus der Wohnung seiner Mutter. Kurz darauf stellte er sich der Polizei. Die [X.] hat auf den zur Tatzeit heranwachsenden [X.]n allgemeines Strafrecht angewendet. Der Angeklagte sei nicht mehr einem Jugendlichen gleichzusetzen (§ 105 Abs. 1 Nr. 1 [X.]). Er entspreche in der Entwicklung einem —normalen 19-jährigen Heranwachsendenfi, [X.] für Entwicklungsrückstände seien demgegenüber nicht ersicht-lich. So sei er in den letzten drei Jahren durch die arbeitsbedingte Abwesen-heit seiner Mutter häufig auf sich gestellt gewesen und habe eigenverant-wortlich Entscheidungen getroffen. Ob es sich bei der Tat um eine Jugend-verfehlung (§ 105 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) handelt, hat die [X.] nicht erörtert. 3 4 2. Die Anwendung von Erwachsenenstrafrecht hat keinen Bestand. Bereits die Ablehnung der Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Nr. 1 [X.] begegnet Bedenken. Die landgerichtliche Wertung zur Entscheidungs-fähigkeit des Angeklagten orientiert sich unter Verweis auf die dargestellten Ausführungen des Sachverständigen nur an schulischen Belangen und lässt andere Bereiche der Lebensführung unberücksichtigt (vgl. [X.], 187 f.; [X.] bei [X.] NStZ 1990, 530; [X.], [X.] 12. Aufl. § 105 Rdn. 20 und 22). Die zum Beleg für den Reifegrad maßgeblich heran-gezogene realistische Zukunftsplanung des Angeklagten [X.] Besuch einer ge-eigneten Schule zur Erlangung des Fachabiturs, um studieren zu können [X.] bezieht sich nicht auf die Tatzeit, sondern auf den Zeitpunkt der Begutach-tung. Zudem ist zu besorgen, die [X.] könnte verkannt haben, dass es nicht allein darauf ankommt, ob der Heranwachsende in seiner Ent-wicklung zurückgeblieben ist oder ob er sich altersgemäß entwickelt hat, sondern darauf, ob es sich bei ihm um einen noch in der Entwicklung [X.] - 4 - lichen, noch prägbaren Menschen handelt ([X.]St 36, 37, 40; [X.]R [X.] § 105 Abs. 1 Nr. 1 Entwicklungsstand 2). Ein durchgreifender Rechtsfehler liegt jedenfalls darin, dass sich die [X.] nicht damit auseinandersetzt, ob es sich bei der Tat um eine Jugendverfehlung im Sinne von § 105 Abs. 1 Nr. 2 [X.] handelt, was auch bei schweren Gewaltdelikten der Fall sein kann. Denn auch diese Taten [X.] nach ihrem äußeren Erscheinungsbild oder nach den Beweggründen des Täters Merkmale jugendlicher Unreife aufweisen ([X.]R [X.] § 105 Abs. 1 Nr. 2 Jugendverfehlung 1 und 2). Für die Jähtat des bis dahin nicht durch aggressives Verhalten aufgefallenen Angeklagten zu Lasten des Lieb-habers seiner Mutter kann dies nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden. Für Jugendliche typisches Verhalten offenbart sich insbesondere in einem Mangel an Ausgeglichenheit, Besonnenheit und Hemmungsvermögen ([X.] aaO), was auch in der Tat des Angeklagten durch fehlende Beherrschung und Unterdrückung seiner durch eine bloße Beleidigung hervorgerufenen Gefühle zu Tage getreten sein könnte. Dabei wäre auch zu beachten gewe-sen, dass die Tat möglicherweise durch eine besonders enge Bindung an die Mutter, die seit der Umsiedlung nach [X.] im Jahre 2000 allein mit ihren beiden Söhnen lebt, motiviert gewesen sein kann (vgl. hierzu [X.] aaO Rdn. 30). 6 - 5 - Sollten nach Ausschöpfung aller [X.] Zweifel zum Entwicklungsstand nach § 105 Abs. 1 Nr. 1 [X.] oder zu den Voraus-setzungen des § 105 Abs.1 Nr. 2 [X.] verbleiben, wird Jugendstrafrecht an-zuwenden sein ([X.]St 36, 37, 40; [X.]R [X.] § 105 Abs. 1 Nr. 2 Jugend-verfehlung 1; [X.] NStZ-RR 2003, 186, 188). 7 [X.] Schaal

Meta

5 StR 375/07

25.09.2007

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.09.2007, Az. 5 StR 375/07 (REWIS RS 2007, 1793)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 1793

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 2/02 (Bundesgerichtshof)


1 StR 261/00 (Bundesgerichtshof)


5 StR 318/12 (Bundesgerichtshof)

Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende und Bemessung einer Jugendstrafe: Reifebeurteilung des Angeklagten; Feststellungen zu schädlichen …


1 StR 610/13 (Bundesgerichtshof)

Jugendstrafverfahren wegen Körperverletzung mit Todesfolge: Anwendung von Erwachsenenstrafrecht bei einem Heranwachsenden


1 StR 610/13 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.