Bundessozialgericht, Beschluss vom 19.12.2022, Az. B 1 KR 2/22 BH

1. Senat | REWIS RS 2022, 8349

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Pflicht zur Urteilsbegründung - kein Verstoß bei bloßen Lücken


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 2. Februar 2022 zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 2. Februar 2022 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Der bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) versicherte Kläger beantragte am [X.] bei dieser die "Kostenübernahme einer ärztlichen Behandlung zur Feststellung der Ursache seiner Erkrankungen und des Zeitpunkts der Entstehung der Erkrankung durch toxische [X.], Bakterien, Schimmelpilz und Schwermetalle sowie einer zusätzlichen Wohnraum- und Arbeitsplatzuntersuchung". Die Erkrankungen hätten in den Jahren 2000/2001 begonnen. Es müssten Wohnungen, das [X.] in [X.] sowie die Vergiftungen seines Körpers untersucht werden. Hierzu müsse eine Blut- und Haaruntersuchung bei einem Spezialisten der Umwelt- und Rechtsmedizin erfolgen. Mit seinem Begehren ist er bei der Beklagten - nachdem diese den Antrag zuständigkeitshalber an die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft in der Sozialversicherung weitergeleitet hatte - und den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LS[X.] hat hierzu ausgeführt, der Kläger habe weder als Sachleistung noch im Wege der Kostenerstattung Anspruch darauf, eine ärztliche Behandlung zur Feststellung von Ursache und Zeitpunkt seiner Erkrankung gewährt zu bekommen. Ein Anspruch auf Krankenbehandlung bestehe, wenn diese notwendig sei, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Zwar habe die [X.] nicht rechtzeitig über den Antrag entschieden, ein Anspruch aufgrund einer [X.]enehmigungsfiktion komme aber nicht in Betracht, wenn - wie hier - eine zukünftige Leistung in Form einer Kostenübernahme als Sachleistung begehrt werde (Urteil vom 2.2.2022).

2

Der Kläger hat mit von ihm unterzeichnetem Schreiben Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und einen Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde unter Beiordnung eines Rechtsanwalts gestellt.

3

II. 1. Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen.

4

Nach § 73a Abs 1 Satz 1 S[X.][X.] iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BS[X.] nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist hier nicht der Fall. Aus diesem [X.]rund kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht in Betracht (§ 73a Abs 1 Satz 1 S[X.][X.] iVm § 121 Abs 1 ZPO).

5

Das BS[X.] darf gemäß § 160 Abs 2 S[X.][X.] die Revision gegen eine Entscheidung des LS[X.] nur dann zulassen, wenn

-       

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat ([X.]) oder

-       

das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht ([X.]) oder

-       

bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden ([X.]).

6

Dagegen ist die bloße Behauptung der Unrichtigkeit einer Berufungsentscheidung kein Revisionszulassungsgrund.

7

Die Durchsicht der Akten und das Vorbringen des [X.] in seinen beim BS[X.] eingegangenen Schreiben und Unterlagen hat keinen Hinweis auf das Vorliegen eines der oben genannten Revisionszulassungsgründe ergeben.

8

a) Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des [X.] hinausgehende grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.] S[X.][X.]).

9

b) Es bestehen ferner keine Anhaltspunkte dafür, dass das LS[X.] entscheidungstragend von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen sein könnte ([X.] gemäß § 160 Abs 2 [X.] S[X.][X.]). Erforderlich hierfür wäre, dass das LS[X.] bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB BS[X.] vom 19.11.2019 - B 1 KR 72/18 B - juris Rd[X.] 8). Dies ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

c) Auch ist nicht erkennbar, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter einen Verfahrensmangel geltend machen könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LS[X.] beruhen kann (§ 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 1 S[X.][X.]). Insbesondere steht die Entscheidung des LS[X.] im Einklang mit den Vorgaben des § 153 Abs 5 S[X.][X.]. Auch ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger in einem Beschwerdeverfahren einen entscheidungserheblichen Verstoß gegen die Begründungspflicht (Verfahrensmangel nach § 136 Abs 1 [X.] 6 S[X.][X.]) darlegen können wird. Hiernach liegt ein Verfahrensfehler nicht erst dann vor, wenn überhaupt keine [X.]ründe vorliegen, sondern auch dann, wenn einzelne Ansprüche, Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht behandelt worden sind oder wenn die Erwägungen, die das [X.]ericht in einem entscheidungserheblichen Streitpunkt zum [X.] geführt haben, dem Urteil selbst nicht zu entnehmen sind (vgl BS[X.] vom [X.] - BS[X.]E 73, 90, 92 = [X.]-4100 § 101 [X.] 4 S 5 f; BS[X.] vom 11.7.2000 - B 1 KR 14/99 R - [X.]-1300 § 39 [X.] 7 S 8 f = juris Rd[X.]1 sowie Rd[X.]2 mwN zur Offenlassung der Frage, ob ein Verstoß gegen die Begründungspflicht zugleich ein absoluter Revisionsgrund iS des § 202 Satz 1 S[X.][X.] iVm § 547 [X.] 6 ZPO ist).

Das Urteil des LS[X.] führt unter Ziffer [X.] zunächst aus, nachfolgend werde das Nichtbestehen eines Sachleistungsanspruchs unter <1> und eines Kostenerstattungsanspruchs unter <2> näher begründet, ohne jedoch tatsächlich einen [X.]liederungspunkt [X.]2. zu enthalten. Im Wesentlichen befasst sich das LS[X.] unter dem [X.]liederungspunkt [X.]1. mit dem von ihm schon wegen einer fehlenden Selbstbeschaffung verneinten Anspruch auf Kostenerstattung aufgrund einer [X.]enehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a Satz 7 S[X.]B V. Das LS[X.] geht dort jedoch zumindest kurz auf die Anspruchsvoraussetzungen eines Sachleistungsanspruchs ein, den es zuvor verneint hat. Dem Kontext seiner weiteren Ausführungen ist zu entnehmen, dass es einen Sachleistungsanspruch von vornherein als ausgeschlossen und nur den Anspruch kraft [X.]enehmigungsfiktion als allein mögliche Anspruchsgrundlage ansieht. Denn es verweist auf die neuere Rechtsprechung des BS[X.] vom 26.5.2020 (B 1 KR 9/18 R - BS[X.]E 130, 200 = [X.] 4-2500 § 13 [X.] 53), wonach dem Versicherten kein vom materiellen Recht losgelöster Sachleistungsanspruch zustehen kann, und prüft deshalb nur einen hier nicht gegebenen Kostenerstattungsanspruch. Selbst wenn das LS[X.] damit die Erwägungen, die in einem entscheidungserheblichen Streitpunkt zum [X.] geführt haben, unzureichend dargestellt haben sollte, hätte es lediglich eine weitere Anspruchsgrundlage - und damit eine hier ohnehin fernliegende alternative Begründung desselben prozessualen Anspruchs - im Rahmen seiner Ablehnungsentscheidung nicht umfassend abgehandelt. Bloße Lücken führen aber nicht zum Fehlen von [X.]ründen ([X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], S[X.][X.], 13. Aufl 2020, § 136 Rd[X.] 7g).

2. Die Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht von einem gemäß § 73 Abs 4 S[X.][X.] vor dem BS[X.] zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet worden ist. Auf das Erfordernis, sich vor dem BS[X.] durch einen der in § 73 Abs 4 S[X.][X.] aufgeführten Prozessbevollmächtigten vertreten zu lassen (zur Verfassungsmäßigkeit vgl BVerf[X.] vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - [X.]-1500 § 160a [X.] 7 S 13 mwN), ist der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des LS[X.]-Urteils ausdrücklich hingewiesen worden. Die von dem Kläger selbst eingelegte Beschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 S[X.][X.] iVm § 169 Satz 3 S[X.][X.] durch Beschluss zu verwerfen.

3. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 S[X.][X.].

Schlegel                Estelmann                [X.]eiger

Meta

B 1 KR 2/22 BH

19.12.2022

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Köln, 6. Februar 2020, Az: S 36 KR 1978/19, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 136 Abs 1 Nr 6 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 19.12.2022, Az. B 1 KR 2/22 BH (REWIS RS 2022, 8349)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8349

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