Bundessozialgericht, Urteil vom 18.06.2020, Az. B 3 KR 14/18 R

3. Senat | REWIS RS 2020, 2252

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Krankenversicherung - Kostenerstattung - leistungsrechtliche Genehmigungsfiktion - kein eigenständig durchsetzbarer Sachleistungsanspruch - Verfassungsmäßigkeit


Leitsatz

Die leistungsrechtliche Genehmigungsfiktion nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch begründet keinen eigenständig durchsetzbaren Sachleistungsanspruch (Klarstellung zu BSG vom 15.3.2018 - B 3 KR 18/17 R = BSGE 125, 189 = SozR 4-2500 § 13 Nr 41).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. Juni 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

[X.] ist der Anspruch auf Hilfsmittelversorgung mit einem [X.].

2

Die 1995 geborene, bei der beklagten Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) versicherte Klägerin ist im Gesundheitswesen mit einer überwiegend stehenden Tätigkeit im Schichtdienst erwerbstätig. Sie ist an einem Lipödem mit Lymphödem (hereditäres Lipo-Lymphödem Grad II) erkrankt. Die Klägerin beantragte am 22.11.2016 bei der Beklagten die Versorgung mit dem [X.] unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung und eines Kostenvoranschlags in Höhe von 3345,09 Euro. Die Beklagte leitete den Antrag dem [X.] ([X.]) zur Begutachtung der Notwendigkeit des Geräts weiter, ohne die Klägerin hierüber zu informieren. Der [X.] kam am 5.1.2017 zu der Einschätzung, dass das verordnete Hilfsmittel aus medizinischer Sicht nicht notwendig sei, da bereits eine ausreichende und zweckmäßige Versorgung erreicht sei. Er empfahl die Fortführung einer manuellen Lymphdrainage. Die Beklagte lehnte hierauf die beantragte Versorgung ab (Bescheid vom 24.1.2017). Während des Widerspruchsverfahrens hörte sie die Klägerin zur beabsichtigten Rücknahme einer infolge verstrichener Bescheidungsfristen nach § 13 Abs 3a [X.] eingetretenen fiktiven Genehmigung an und nahm die Genehmigung sodann mit Wirkung für die Zukunft nach § 45 [X.]B X zurück; die fingierte Genehmigung sei rechtswidrig, weil sie nicht mit der materiellen Rechtslage übereinstimme (Bescheid vom 13.4.2017). Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte anschließend zurück (Widerspruchsbescheid vom 15.9.2017).

3

Das dagegen angerufene [X.] hat die Beklagte unter Aufhebung der genannten Bescheide verurteilt, die Kosten für ein [X.] (lympha-mat 300 mit 12-Kammer-System und Ganzbeinmanschetten) zu übernehmen: Die beantragte Versorgung mit dem nicht selbstbeschafften Hilfsmittel gelte wegen des Ablaufs der in § 13 Abs 3a Satz 1 [X.] geregelten Drei- bzw [X.] für die Bescheidung des Antrags durch die Beklagte als genehmigt. Die eingetretene Genehmigungsfiktion sei nicht wirksam aufgehoben worden, da die [X.] nicht erfüllt seien, vielmehr hätten alle Voraussetzungen für den Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a [X.] vorgelegen (Urteil vom 28.6.2018).

4

Mit ihrer Sprungrevision rügt die Beklagte die Verletzung von § 45 [X.]B X sowie §§ 2, 12 und 13 Abs 3a [X.]. Zwar sei die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a [X.] eingetreten, aber durch deren Rücknahme nach § 45 [X.]B X erloschen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrte Hilfsmittelversorgung, weil sie nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot entspreche und daher rechtswidrig sei.

5

Nach einem Hinweis des Senats auf das Urteil des 1. Senats des B[X.] vom 26.5.2020 im Revisionsverfahren B 1 KR 9/18 R (B[X.]-Terminvorschau 19/20 vom 20.5.2020 und [X.] vom 26.5.2020, jeweils unter 1) hat die Beklagte ihren Aufhebungsbescheid vom 13.4.2017 aufgehoben und die Revision insoweit zurückgenommen.

6

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 28. Juni 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des [X.] vom 28. Juni 2018 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückzuverweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Sprungrevision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des [X.] und Zurückverweisung der Sache an das [X.] als Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 [X.] 2 Satz 2, [X.] 4 [X.]G).

9

Die [X.]lägerin hat entgegen der Auffassung der Vorinstanzen keinen Anspruch auf die Versorgung mit dem begehrten Hilfsmittel als Sachleistung aufgrund einer fiktiven Genehmigung nach § 13 [X.] 3a Satz 6 [X.]B V. Diese Regelung begründet für die Versicherten als Rechtsfolge keinen Sachleistungsanspruch, sondern allein einen (wie außer Streit ist) mangels erfolgter Selbstbeschaffung der beantragten Leistung nicht geltend gemachten Anspruch auf Erstattung bzw Freistellung von dafür entstandenen [X.]osten (dazu unten 4.). Ob die [X.]lägerin einen Anspruch auf das Hilfsmittel nach Maßgabe des Sachleistungsrechts der [X.] hat - hier des § 33 [X.]B V -, kann der Senat auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des [X.] nicht abschließend entscheiden (dazu 5.).

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind das zusprechende Urteil des [X.], der Ablehnungsbescheid vom 24.1.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.9.2017 und das Sachleistungsbegehren der [X.]lägerin; die Beklagte erstrebt als Revisionsführerin die Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidung sowie die Abweisung der [X.]lage. Nicht mehr Gegenstand des Verfahrens ist der Rücknahmebescheid, den die Beklagte im Revisionsverfahren aufgehoben hat.

2. Richtige [X.]lageart für das Begehren der [X.]lägerin ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 [X.] 1 Satz 1, [X.] 4 [X.]G), gerichtet auf Aufhebung der Ablehnungsentscheidung zur beantragten Hilfsmittelversorgung und auf Verurteilung der Beklagten zur Hilfsmittelversorgung.

3. Die Sprungrevision der Beklagten ist zulässig. Nach § 161 [X.] 1 Satz 1 [X.]G steht den Beteiligten die Revision gegen das Urteil des [X.] unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie vom [X.] - wie hier - im Urteil zugelassen wird.

4. Die [X.]lägerin hat keinen Anspruch auf die Versorgung mit dem begehrten Hilfsmittel als Sachleistung aufgrund einer Genehmigungsfiktion, weil eine nach § 13 [X.] 3a Satz 6 [X.]B V gesetzlich fingierte Genehmigung keinen eigenständig durchsetzbaren Sachleistungsanspruch begründet. Die Regelung vermittelt Versicherten allein eine Rechtsposition, die zur Selbstbeschaffung berechtigt, und kann nur zu einem Anspruch auf [X.]ostenerstattung bzw [X.]ostenfreistellung führen (vgl ebenso aus der Literatur zB [X.] in jurisP[X.]-[X.]B V, 4. Aufl 2020, § 13 Rd[X.] 141 ff, Stand 17.6.2020; [X.], [X.] 2017, 749, 753; aA zB [X.] in [X.] [X.]omm, § 13 [X.]B V Rd[X.] 134, 145, Stand Einzelkommentierung August 2019; [X.], [X.]b 2017, 567, 568 f).

Der erkennende 3. Senat schließt sich insoweit nach eigener Prüfung der geänderten Rechtsprechung des 1. Senats des B[X.] an (Urteil verkündet am [X.] [X.]R 9/18 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] vorgesehen, zitiert nach B[X.]-Terminbericht 19/20 vom 26.5.2020, unter 1). Soweit dem Urteil des 3. Senats vom [X.] [X.]R 18/17 R (B[X.]E 125, 189 = [X.]-2500 § 13 [X.], Rd[X.] 15) - im [X.] an die frühere Rechtsprechung des 1. Senats (Urteil vom 11.7.2017 - B 1 [X.]R 26/16 R - B[X.]E 123, 293 = [X.]-2500 § 13 [X.], Rd[X.] 12 f) - entnommen werden kann, dass der Senat bei Hilfsmitteln zur Sicherung des Erfolgs der [X.]rankenbehandlung (§ 33 [X.] 1 Satz 1 [X.] 1 [X.]B V) als Rechtsfolge einer fiktiven Genehmigung ebenfalls einen Sachleistungsanspruch in Betracht gezogen hat, hält der erkennende Senat daran nicht fest. Dafür, dass insoweit kein Sachleistungsanspruch besteht, sprechen entscheidend die systematische Einbindung des [X.] 3a in § 13 [X.]B V und die Binnenstruktur des § 13 [X.] 3a [X.]B V sowie die in den Gesetzesmaterialien niedergelegten Erwägungen (dazu im Folgenden a bis c); verfassungsrechtliche Gesichtspunkte stehen dieser Auslegung nicht entgegen (dazu d). Im Übrigen verbleibt es bei der Rechtsprechung des erkennenden Senats, dass Hilfsmittel der [X.] zur Vorbeugung oder zum Ausgleich einer Behinderung als Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu qualifizieren sind, für die von vornherein nicht die [X.] Genehmigungsfiktion nach § 13 [X.] 3a [X.]B V, sondern das [X.] nach § 18 [X.]B IX Anwendung findet (Urteil vom [X.] [X.]R 18/17 R - aaO, Leitsatz und Rd[X.] 14 ff).

a) Gegen einen eigenständig durchsetzbaren Sachleistungsanspruch als Rechtsfolge einer Genehmigungsfiktion spricht zunächst die Gesetzessystematik des § 13 [X.]B V, in die auch [X.] 3a seit 2013 eingebettet ist (§ 13 [X.] 3a [X.]B V in der Fassung des [X.] vom [X.], [X.] 277).

aa) Nach seiner amtlichen Überschrift enthält § 13 [X.]B V Regelungen zur "[X.]ostenerstattung". In § 13 [X.] 1 [X.]B V ist - übereinstimmend mit § 2 [X.] 2 Satz 1 [X.]B V - der Grundsatz der Sach- und Dienstleistungsgewährung verankert. Abweichend von der Naturalleistungsgewährung darf eine [X.]rankenkasse ([X.]) [X.]osten nur erstatten, soweit es das [X.]B V oder das [X.]B IX vorsieht. Derartige gesetzlich geregelte Ausnahmen enthalten [X.] 2, 3 und 4 bis 6 des § 13 [X.]B V:

        

- in [X.] 2 für Versicherte, die statt der Sach- und Dienstleistungsgewährung [X.]ostenerstattung vorab wählen;

        

- in [X.] 3 für Versicherte, die eine unaufschiebbare Leistung benötigen oder deren Leistungsantrag zu Unrecht abgelehnt wurde;

        

- in [X.] 4 bis 6 für Versicherte, die Leistungen in einem anderen Mitgliedstaat der [X.], einem anderen Vertragsstaat des EWR oder der [X.] in Anspruch nehmen.

§ 13 [X.] 3a [X.]B V sieht eingebettet in diese - schon vor seinem Inkrafttreten geschaffenen und vorgefundenen - [X.] übereinstimmend damit eine weitere Ausnahme bezogen auf die gleiche Rechtsfolge vor, nämlich nun auch erstreckt auf Versicherte, über deren Leistungsantrag die [X.] nicht fristgemäß entscheidet.

bb) Für diese Einordnung spricht auch die Binnensystematik des § 13 [X.] 3a [X.]B V. Dessen Sätze 1 bis 5 regeln das Fristenregime für die Entscheidung über einen Leistungsantrag. Hieran anschließend bestimmt Satz 6 die gesetzliche Fiktion, dass die beantragte Leistung nach Fristablauf als genehmigt gilt, wenn keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes für die Nichteinhaltung der Frist durch die [X.] erfolgt ist. Als Rechtsfolge dieser gesetzlich fingierten Genehmigung der beantragten Leistung verpflichtet sodann Satz 7 die [X.] zur "Erstattung der … [X.]osten", die durch die Selbstbeschaffung einer erforderlichen Leistung seitens des Leistungsberechtigten nach Ablauf der Frist entstanden sind. Nach Satz 8 berichtet die [X.] dem [X.] der [X.]n jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder "[X.]ostenerstattungen vorgenommen wurden". § 13 [X.] 3a [X.]B V ordnet sich mit diesem in Wortlaut und Systematik zum Ausdruck kommenden und angelegten Regelungsprogramm mithin auch insoweit stimmig in den Gesamtzusammenhang der [X.] des § 13 [X.]B V ein.

b) Für einen [X.]ostenerstattungsanspruch und gegen einen Sachleistungsanspruch als Rechtsfolge einer Genehmigungsfiktion sprechen gleichermaßen die Gesetzesmaterialien zur Entstehung des § 13 [X.] 3a [X.] Dort wird nämlich Folgendes ausgeführt (Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 [X.], zu Art 2 [X.] 1):

        

"Die Versicherten sind so zu stellen, als hätte die [X.]rankenkasse die Sachleistung rechtzeitig zur Verfügung gestellt. Insoweit orientiert sich die Regelung an der Erstattungsregelung in § 13 [X.]atz 3."

An dieser Grundkonzeption wurde auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren festgehalten (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des [X.] zum Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/11710 S 29 f, zu Art 2 [X.] 1).

c) Hierin fügt sich ein, dass der seit 2018 geltenden Regelung einer Genehmigungsfiktion in § 18 [X.] 1 bis 5 [X.]B IX im Recht der Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ebenfalls die gesetzliche [X.]onzeption einer [X.]ostenerstattungsregelung zu entnehmen ist (§ 18 [X.]B IX in der Fassung des Bundesteilhabegesetzes - [X.] vom 23.12.2016, [X.] 3234). Dort ist schon in der amtlichen Überschrift des § 18 [X.]B IX ebenfalls zweifelsfrei und unmissverständlich nur von der "Erstattung [X.]r Leistungen" die Rede. In den Gesetzesmaterialien zu dieser Regelung wird dazu explizit auf § 13 [X.] 3a [X.]B V Bezug genommen, dem insoweit Vorbildcharakter beigemessen wird (vgl Entwurf der Bundesregierung eines [X.], BT-Drucks 18/9522 [X.] f, zu Art 1 § 18).

d) Verfassungsrecht steht dieser Auslegung von § 13 [X.] 3a [X.]B V nicht entgegen. Insbesondere folgt aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 [X.] 1 [X.] nichts Gegenteiliges.

Art 3 [X.] 1 [X.] gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln, verwehrt dem Gesetzgeber aber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen (ebenso wie Gleichbehandlungen) bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung (bzw Gleichbehandlung) angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders (oder gleich) behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine (bzw zu bejahende) Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche (bzw gleiche) Behandlung rechtfertigen können. Dabei gilt ein am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierter, stufenloser Prüfungsmaßstab, der nach dem jeweils betroffenen Sach- und Regelungsbereich näher zu bestimmen ist. In diesem Zusammenhang kommt dem weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der sozialstaatlichen Ordnung Bedeutung zu, wonach dessen Entscheidungen anzuerkennen sind, solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des [X.] unvereinbar sind (vgl zB [X.] 104, 126, 144 f = [X.] 3-8570 § 11 [X.] 5 S 48 f; [X.] 113, 167, 215 = [X.]-2500 § 266 [X.] 8 Rd[X.] 84 ff; [X.] 142, 353, 385 f = [X.]-4200 § 9 [X.] 15 Rd[X.] 69; stRspr).

Nach diesen Grundsätzen steht es dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht entgegen, wenn die in erster Linie zur Beschleunigung der Verwaltungsverfahren eingeführte (vgl Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 [X.], zu Art 2 [X.] 1) gesetzliche Genehmigungsfiktion nicht auch zu einem Sachleistungsanspruch führt. Auf diesen Zweck bezogen macht es rechtlich keinen Unterschied, ob Versicherte mittellos sind oder über hinreichende Mittel verfügen, sich auch solche [X.]rankenbehandlungsleistungen zunächst auf eigene [X.]osten zu verschaffen, für die das materielle Leistungsrecht des [X.]B V keine hinreichende Grundlage bietet. Insoweit stellen die tatsächlichen Auswirkungen des § 13 [X.] 3a [X.]B V als ohnehin nur ausnahmsweise vorgesehene, vom [X.] abweichende [X.]ostenerstattungsregelung keine Besonderheit im Vergleich zu [X.] in anderen Rechtsgebieten dar. In der [X.] ist für eine Selbstbeschaffung und [X.]ostenerstattung grundsätzlich eine vorhandene finanzielle Leistungsfähigkeit gefordert und von den Betroffenen das Risiko in [X.]auf zu nehmen, die [X.]osten einer nicht von der [X.] abgedeckten Leistung letztendlich selbst tragen zu müssen (vgl dazu zB [X.], [X.] 2017, 749, 753). Entscheidend ist in verfassungsrechtlicher Hinsicht indes, dass alle Versicherten der [X.] nach den gleichen rechtlichen Grundsätzen ungeschmälerten Zugang zu den [X.] haben und zwar unabhängig von ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit. Vor diesem Hintergrund erfordert Art 3 [X.] 1 [X.] keine allgemeine und umfassende Einräumung von über das allgemeine Leistungsrecht des [X.]B V hinausgehenden Sachleistungsansprüchen.

Zudem stellt sich die gleiche rechtstatsächliche Situation im [X.] schon seit jeher in vergleichbarer Weise auch bei der Anwendung des § 13 [X.] 3 [X.]B V (= [X.]ostenerstattung für [X.] unaufschiebbar benötigte Leistungen oder bei nach vorherigem Antrag rechtswidrig von der [X.] abgelehnter Leistung). Die vorliegende umfangreiche Rechtsprechung des 1. und des 3. Senats des B[X.] zu dieser [X.]ostenerstattungsregelung hat deren gesetzliche Ausgestaltung bislang ebenfalls nicht für verfassungswidrig gehalten und nicht etwa finanziell schlechter gestellten Versicherten einen quasi "übergesetzlichen" Sachleistungsanspruch zuerkannt. Ergänzt hat das B[X.] den durch § 13 [X.] 3 [X.]B V eingeräumten [X.]ostenerstattungsanspruch allerdings um einen Anspruch auf Freistellung von bereits rechtsgültig vom Versicherten eingegangenen Zahlungsverpflichtungen; dieser Anspruch erfordert nicht zwingend, dass bereits tatsächlich Zahlungen des Versicherten erbracht (sondern etwa gestundet) wurden und ermöglicht so in gewisser Weise auch bei geringerer finanzieller Leistungsfähigkeit des Versicherten grundsätzlich eine Selbstbeschaffung (vgl zB bereits B[X.] Urteil vom 10.2.2000 - B 3 [X.]R 26/99 R - B[X.]E 85, 287, 289 = [X.] 3-2500 § 33 [X.] 37 S 212; B[X.] Urteil vom 13.7.2004 - B 1 [X.]R 11/04 R - B[X.]E 93, 94 = [X.]-2500 § 13 [X.] 4, Rd[X.] 17; B[X.] Urteil vom 18.7.2006 - B 1 [X.]R 24/05 R - B[X.]E 97, 6 = [X.]-2500 § 13 [X.] 9, Rd[X.] 22, 24; vgl allgemein zu § 13 [X.] 3 [X.]B V und zur B[X.]-Rspr hierzu aus der [X.]ommentarliteratur nur: [X.] in jurisP[X.]-[X.]B V, aaO, § 13 Rd[X.] 46 ff; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B V, [X.] § 13 Rd[X.] 42 ff, Stand August 2019; [X.] in [X.] [X.]omm, aaO, § 13 [X.]B V Rd[X.] 53 ff). Auch kommt in Betracht, dass betroffene Versicherte zur zeitnahen Erlangung einer begehrten Sachleistung ihren [X.]ostenerstattungsanspruch gegen die [X.] sicherungshalber an den Leistungserbringer abtreten, wie dies bislang in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 13 [X.] 3 [X.]B V anerkannt ist (vgl insoweit zu den Möglichkeiten und Grenzen zB B[X.] Urteil vom [X.] [X.]R 21/99 R - B[X.]E 86, 66, 75 f = [X.] 3-2500 § 13 [X.] 21 S 96 f; B[X.] Urteil vom 18.7.2006 - B 1 [X.]R 24/05 R - B[X.]E 97, 6 = [X.]-2500 § 13 [X.] 9, Rd[X.] 13 ff, 18, 24). Hier - wie auch im Rahmen des § 13 [X.] 3a [X.]B V - sind die Versicherten der [X.] im Übrigen zur Durchsetzung ihrer materiell-rechtlich nach dem [X.]B V bestehenden Sachleistungsansprüche zumutbar auf die Inanspruchnahme von Rechtsschutz, auch von einstweiligem sozialgerichtlichen Rechtsschutz, gegen ablehnende oder bei nicht fristgemäßen (ablehnenden) Entscheidungen ihrer [X.] verwiesen.

e) Es kann vor dem geschilderten rechtlichen Hintergrund im Falle der [X.]lägerin offenbleiben, ob hier eine Genehmigungsfiktion eingetreten war und bedarf keiner Entscheidung, unter welchen weiteren Voraussetzungen eine Genehmigungsfiktion zur Selbstbeschaffung berechtigt sowie zum Anspruch auf [X.]ostenerstattung bzw auf [X.]ostenfreistellung führt. [X.]ostenerstattung oder [X.]ostenfreistellung begehrt die [X.]lägerin ausdrücklich nicht. Nach den für den Senat im Revisionsverfahren maßgebenden Feststellungen des [X.] (vgl § 163 und § 161 [X.] 4 [X.]G) ist eine Selbstbeschaffung des beantragten Hilfsmittels bislang nämlich nicht erfolgt.

5. Ein Sachleistungsanspruch der [X.]lägerin gegen die Beklagte auf das Hilfsmittel kann jedoch nach Maßgabe des § 33 [X.]B V bestehen.

Rechtsgrundlage für die begehrte Hilfsmittelversorgung als Naturalleistung ist § 33 [X.] 1 Satz 1 [X.]B V (in der Fassung des [X.]-Wettbewerbsstärkungsgesetzes - [X.]-W[X.] vom [X.], [X.] 378). Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, [X.]örperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der [X.]rankenbehandlung zu sichern ([X.] 1), einer drohenden Behinderung vorzubeugen ([X.] 2) oder eine Behinderung auszugleichen ([X.] 3), soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 [X.] 4 [X.]B V ausgeschlossen sind.

Der sachliche Anwendungsbereich des § 33 [X.] 1 Satz 1 [X.]B V ist hier eröffnet, weil es sich nach revisionsrechtlicher Würdigung der Feststellungen des [X.] bei dem beantragten [X.] nach dessen allgemeiner Einordnung um ein Hilfsmittel im Rechtssinne handelt. Ob - entgegen der angefochtenen Entscheidung der Beklagten (zur Berechtigung und Verpflichtung der [X.], über den Antrag auf die Sachleistung auch bei Eintritt einer Genehmigungsfiktion zu entscheiden, vgl B[X.] Urteil vom [X.] [X.]R 9/18 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] vorgesehen) - nach Maßgabe der weiteren Leistungsvoraussetzungen des § 33 [X.]B V ein Anspruch der [X.]lägerin auf Versorgung mit dem begehrten Hilfsmittel besteht (vgl zu diesen Voraussetzungen erneut B[X.] Urteil vom [X.] [X.]R 18/17 R - B[X.]E 125, 189 = [X.]-2500 § 13 [X.], Rd[X.] 23 ff; zuletzt B[X.] Urteil vom [X.] [X.]R 7/19 R - Rd[X.] 14 ff, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen), kann der Senat indes nicht abschließend selbst entscheiden. Das [X.] hat - nach seiner von einem Sachleistungsanspruch aufgrund fingierter Genehmigung ausgehenden Rechtsauffassung folgerichtig - hierzu keine Feststellungen getroffen.

Der Senat macht von dem ihm durch § 170 [X.] 4 Satz 1 [X.]G eingeräumten Ermessen Gebrauch und verweist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurück, um eine unnötige Verzögerung zu vermeiden. Das [X.] wird die fehlenden Feststellungen im Berufungsverfahren (vgl § 170 [X.] 4 Satz 2 [X.]G) nachzuholen haben und muss gestützt hierauf über den geltend gemachten Anspruch der [X.]lägerin auf Hilfsmittelversorgung entscheiden.

6. Das [X.] wird im Berufungsverfahren auch über die [X.]osten des Revisionsverfahrens mit zu entscheiden haben.

Meta

B 3 KR 14/18 R

18.06.2020

Bundessozialgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Düsseldorf, 28. Juni 2018, Az: S 8 KN 1459/17 KR, Urteil

§ 13 Abs 3a S 6 SGB 5, § 33 Abs 1 S 1 SGB 5, § 2 Abs 2 S 1 SGB 5, § 18 SGB 9 2018, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 18.06.2020, Az. B 3 KR 14/18 R (REWIS RS 2020, 2252)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2252

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 3 KR 6/19 R (Bundessozialgericht)


B 3 KR 13/19 R (Bundessozialgericht)


B 3 KR 7/19 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Hilfsmittel - Spezialtherapiedreirad - Vorbeugung einer drohenden Behinderung bei bestehender Behinderung - Verhütung …


B 1 KR 9/18 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - fingierte Leistungsgenehmigung begründet keinen eigenständigen Naturalleistungsanspruch - Recht auf Selbstbeschaffung der Leistung auch …


B 3 KR 21/18 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Hilfsmittel (hier: Elektrorollstuhl) - Genehmigungsfiktion - Rehabilitationsantrag


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.