Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.03.2024, Az. VI ZR 475/20

6. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 2119

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Leitsatz

Zur deliktischen Haftung des Kfz-Herstellers wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasrückführung gegenüber dem Käufer eines Fahrzeugs.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 11. März 2020 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als auf die Berufung der Beklagten das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 7. August 2019 aufgehoben und die Klage hinsichtlich des Klageantrages zu 1 abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision des [X.] wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die beklagte [X.] wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Er erwarb am 20. März 2017 von der Streithelferin der [X.] einen gebrauchten, von der [X.] hergestellten [X.] A3 1.6 [X.] für 10.100 €. Das Fahrzeug ist mit einem von der [X.], der Muttergesellschaft der [X.], entwickelten und hergestellten Dieselmotor der [X.] ausgestattet. Für den Fahrzeugtyp wurde eine Typgenehmigung nach der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt. Die ursprünglich eingesetzte Steuerungssoftware erkannte, wenn das Fahrzeug auf einem Prüfstand den [X.] durchfuhr, und schaltete dann in einen Abgasrückführungsmodus mit niedrigerem Stickoxidausstoß. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des [X.] schaltete der Motor dagegen in einen Abgasrückführungsmodus mit höherem Stickoxidausstoß (sog. Umschaltlogik).

3

Vor Abschluss des Kaufvertrags, am 22. September 2015, hatte die [X.] eine Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG a.F. veröffentlicht, wonach bei weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen mit Motoren vom [X.] eine auffällige Abweichung zwischen [X.]werten und realem Fahrbetrieb festgestellt worden sei, sie mit Hochdruck daran arbeite, diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen und dazu in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem [X.] ([X.]) stehe. Am 2. Oktober 2015 hatte die Beklagte selbst eine Pressemitteilung herausgegeben, in der sie über die Dieselthematik informierte, insbesondere "Unregelmäßigkeiten mit der verwendeten Software" einräumte, und eine Internetseite freigeschaltet, auf der durch Eingabe der [X.] überprüft werden konnte, ob ein konkretes Fahrzeug mit der [X.] versehen ist. In der Folge hatten die Medien über den "Abgasskandal" auch in Bezug auf von der [X.] hergestellte Fahrzeuge berichtet. Mit veröffentlichtem Bescheid vom 14. Oktober 2015 hatte das [X.] gegenüber der [X.] insoweit angeordnet, geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge zu ergreifen. Am 21. November 2016 hatte es insoweit ein von der [X.] entwickeltes Software-Update zur Beseitigung der Abschalteinrichtung für den streitgegenständlichen Motortyp freigegeben, das der Kläger am 2. August 2017 aufspielen ließ. Er hat behauptet, es seien konkrete negative Auswirkungen des Updates zu befürchten (erhöhter Wartungsaufwand, vorzeitige Motorschäden).

4

Mit seiner Klage hat der Kläger Schadensersatz in Höhe des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises abzüglich Wertersatzes für gezogene Nutzungen zuzüglich [X.] um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs, ferner Feststellung des Verzugs der [X.] mit der Annahme der von ihm Zug um Zug zu bewirkenden Leistung begehrt.

5

Das [X.] hat der Klage - unter Abzug eines geringfügig höheren Wertersatzes für gezogene Nutzungen - stattgegeben. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] das Urteil des [X.]s abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.

6

Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu. Es fehle zwar nicht an der Darlegung einer vorsätzlichen Täuschungshandlung, die Haftung der [X.] scheitere aber daran, dass die Willensbildung des [X.] bei Vertragsschluss nicht in einer solchen Weise gestört worden wäre, die es erforderlich mache, das Ergebnis über die Anwendung des § 826 BGB zu korrigieren. Der Motor des [X.] sei mit einer verbotenen Abschaltautomatik konzipiert und hergestellt worden. Dieser Umstand könne in bestimmten Konstellationen dazu führen, dass der Hersteller dem Erwerber eines betroffenen Fahrzeugs gemäß §§ 826, 31 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sei. Auch scheitere eine Haftung der [X.] nicht daran, dass die [X.] den Motor produziert habe. Die Beklagte sei als Herstellerin des Autos, in welches sie den Motor aus der [X.] eingebaut habe, passivlegitimiert. Die maßgebliche Tathandlung bei der Verwirklichung des § 826 BGB sei das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs, das mit einem entsprechenden Motor ausgestattet sei. Mit der Inverkehrgabe des von ihr hergestellten Fahrzeugs habe die Beklagte konkludent zum Ausdruck gebracht, dass das Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden dürfe. Der Hersteller des Fahrzeugs bestätige mit dessen Inverkehrgabe jedenfalls konkludent, dass die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren formal erfolgreich durchlaufen worden seien, dass die für den Fahrzeugtyp erforderliche [X.]-Typgenehmigung nicht durch eine Täuschung des zuständigen [X.] erschlichen worden sei und der Motor den einzuhaltenden Vorschriften tatsächlich entspreche. Eine derartige - zumindest bis 2015 objektiv unrichtige - Erklärung habe die Beklagte den Autokäufern vermittelt, denn sie habe damit rechnen müssen, dass die mit dem [X.] ausgerüsteten Fahrzeuge ohne Hinweis auf die Erwirkung der Typgenehmigung unter Einsatz einer manipulativ wirkenden Software mit zwei Betriebsmodi weiterveräußert werden würden. Es sei aber nicht festzustellen, dass dem Kläger durch die Täuschung der [X.] ein tatbestandlicher Schaden entstanden sei. Das Gericht sei nicht überzeugt, dass der Kläger durch den Kaufvertrag mit einer vom Tatbestand des § 826 BGB erfassten, ungewollten Verbindlichkeit belastet worden sei, selbst wenn unterstellt werde, dass der Kläger bei Erwerb keine Kenntnis davon gehabt habe, dass der so genannte Abgasskandal, über den bereits längere [X.] in den Medien berichtet worden sei, auch Pkw der Marke [X.] betreffe. Nach den unwidersprochen gebliebenen Darlegungen der [X.] habe das [X.] das Software-Update zur Beseitigung der unzulässigen Motorsteuerung bereits mit Bescheid vom 21. November 2016 freigegeben. Mithin sei der Wagen bei Abschluss des Kaufvertrages im März 2017 nicht mehr der konkreten Gefahr ausgesetzt gewesen, durch die zuständige Behörde stillgelegt zu werden.

7

Der Kläger habe das Update auch aufspielen lassen und im Termin vor dem Senat bekundet, dass sein [X.], der das Auto fahre, mit dem Wagen zufrieden sei. Einen etwaigen Wertverlust müsse sich die Beklagte unter [X.] in keinem Fall als Taterfolg eines vorsätzlichen sittenwidrigen Handelns zurechnen lassen. Während der [X.] zwar vorzuwerfen sei, Fahrzeuge mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf den Markt gebracht und dies zumindest bis zu der einschlägigen Ad-hoc-Mitteilung der konzernzugehörigen [X.] im September 2015 massenhaft vor Autokäufern verschleiert zu haben, habe der Kläger den [X.] A3 erst im März 2017 als Gebrauchtwagen erworben, in einem [X.]punkt, in dem der so genannte Abgasskandal nicht nur seit geraumer [X.] öffentlich bekannt gewesen sei, sondern das [X.] das Software-Update für diesen Fahrzeugtyp bereits freigegeben habe. Nachdem das Risiko der Stilllegung des Fahrzeugs auf diese Weise beseitigt worden sei, habe sich bei Erwerb des Fahrzeugs die Situation des [X.] nicht grundlegend von jener unterschieden, in der sich Kunden befänden, die einen nicht von der Abgasproblematik betroffenen Pkw mit einer erheblichen Laufleistung kauften. Diese könnten in der Regel ebenfalls nicht alle technischen Einzelheiten des erworbenen Fahrzeugs sicher beurteilen und seien auch nicht generell vor einem erheblichen künftigen Wertverlust geschützt, für den sehr viele unterschiedliche Ursachen denkbar seien.

8

Andere Normen, aus denen sich der geltend gemachte Anspruch ergeben könnte, seien weder dargetan noch ersichtlich.

II.

9

Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Prüfung nicht in allen Punkten stand. Eine Haftung der [X.] wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung (§ 826 BGB) hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint. [X.] hat es hingegen eine Haftung der [X.] nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV abgelehnt.

1. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, der mit der Klage verfolgte Anspruch ergebe sich bereits aus § 826 BGB.

Das Verhalten der [X.] im Zusammenhang mit dem massenweisen Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung im Verhältnis zu Personen, die eines der betroffenen Fahrzeuge vor den von der Konzernmutter der [X.] im September 2015 und der [X.] im Oktober 2015 ergriffenen Maßnahmen erwarben und keine Kenntnis von der illegalen Abschalteinrichtung hatten, könnte - wenn man unterstellt, dass der [X.] beim Inverkehrbringen des Fahrzeugs die auf arglistige Täuschung des [X.] abzielende Prüfstandserkennungssoftware bekannt war - zwar sittenwidrig und geeignet gewesen sein, die Haftung der [X.] zu begründen (vgl. [X.], Urteile vom 17. Februar 2022 - [X.]/20, juris Rn. 18; vom 13. Januar 2022 - [X.]/20, [X.], 1173 Rn. 18; Senatsbeschluss vom 15. Juni 2021 - [X.], juris Rn. 6). Ein Anspruch des [X.] aus § 826 BGB besteht aber nicht, weil sich auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen und des revisionsrechtlich erheblichen Parteivorbringens das gesamte Verhalten der [X.] im [X.]raum bis zum Eintritt des etwaigen Schadens bei dem Kläger in der gebotenen Gesamtschau aufgrund einer zwischenzeitlichen Verhaltensänderung der [X.] (ständige Rechtsprechung des [X.]; vgl. zur [X.] [X.], Urteile vom 17. Februar 2022 - [X.]/20, juris Rn. 19; vom 13. Januar 2022 - [X.]/20, [X.], 1173 Rn. 19; Senatsbeschluss vom 15. Juni 2021 - [X.], juris Rn. 6; Senatsurteil vom 23. November 2021 - [X.], [X.], 451 Rn. 8; im Übrigen vgl. Senatsurteil vom 30. Juli 2020 - [X.], NJW 2020, 2798 Rn. 34 ff.; Senatsbeschluss vom 9. März 2021 - [X.] 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 15 ff.; [X.], Urteile vom 28. Oktober 2021 - [X.], NJW-RR 2022, 243 Rn. 17; vom 23. September 2021 - [X.]/20, NJW 2021, 3725 Rn. 18 f.) nicht als sittenwidrig darstellt (ständige Rechtsprechung des [X.]; vgl. Senatsurteil vom 24. Oktober 2023 - [X.] 493/20, [X.], 36 Rn. 8; Senatsbeschluss vom 14. September 2021 - [X.] 491/20, juris Rn. 7; auch [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2270 Rn. 14). Dieser [X.]raum ist insofern maßgeblich (ständige Rechtsprechung des [X.]; vgl. nur Senatsurteile vom 30. Juli 2020 - [X.], NJW 2020, 2798 Rn. 30 f.; vom 24. Oktober 2023 - [X.] 493/20, [X.], 36 Rn. 8; Senatsbeschluss vom 9. März 2021 - [X.] 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 13).

Die Beklagte hat im [X.] an die Ad-hoc-Mitteilung ihrer Konzernmutter vom 22. September 2015 ihrerseits durch die Mitteilung vom 2. Oktober 2015 die Öffentlichkeit über die Dieselproblematik informiert und eine Internetseite freigeschaltet, über die sich die Fahrzeughalter informieren konnten, ob ihr Fahrzeug mit der Software ausgestattet ist. Ferner hat sie die Händler und Vertriebspartner informiert (vgl. nur Senatsurteil vom 23. November 2021 - [X.], [X.], 451 Rn. 7; Senatsbeschluss vom 15. Juni 2021 - [X.], juris Rn. 6). Hierdurch wurden wesentliche Elemente, die ihr bisheriges Verhalten gegenüber bisherigen Käufern von Fahrzeugen mit Dieselmotoren der [X.] als besonders verwerflich erscheinen ließen, derart relativiert, dass der Vorwurf der Sittenwidrigkeit bezogen auf ihr Gesamtverhalten gegenüber dem Kläger und im Hinblick auf den Schaden, der bei ihm durch den Abschluss eines ungewollten Kaufvertrags im März 2017 entstanden sein könnte, nicht gerechtfertigt ist (vgl. Senatsurteile vom 24. Oktober 2023 - [X.] 493/20, [X.], 36 Rn. 9; vom 23. November 2021 - [X.], [X.], 451 Rn. 8; vom 8. Dezember 2020 - [X.] 244/20, [X.], 263 Rn. 14 f.; vom 30. Juli 2020 - [X.], NJW 2020, 2798 Rn. 34 ff.; Senatsbeschlüsse vom 14. September 2021 - [X.] 491/20, juris Rn. 8; vom 15. Juni 2021 - [X.], juris Rn. 6; vom 9. März 2021 - [X.] 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 17; [X.], Urteile vom 17. Februar 2022 - [X.]/20, juris Rn. 19 ff.; vom 13. Januar 2022 - [X.]/20, [X.], 1173 Rn. 19 ff.). Dass die Beklagte möglicherweise weitere Schritte zur umfassenden Aufklärung hätte unternehmen können, reicht für die Begründung des gravierenden Vorwurfs der sittenwidrigen Schädigung gegenüber späteren Käufern nicht aus.

Die Bedeutung der dargestellten ([X.] wird auch nicht dadurch relativiert, dass das am 2. August 2017 aufgespielte Software-Update nach der mangels abweichender Feststellungen revisionsrechtlich zu unterstellenden Behauptung des [X.] negative Auswirkungen auf den Wartungsaufwand und den Verschleiß der betroffenen Fahrzeuge hat. Dies rechtfertigt den Vorwurf besonderer Verwerflichkeit in der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht. Der Umstand, dass mit dem Update nicht nur die unzulässige Manipulationssoftware entfernt wird, sondern auch eine - unterstellt nachteilige - Veränderung des Wartungsaufwands oder sonstiger Parameter verbunden ist, reicht nicht aus, um das Gesamtverhalten der [X.] als sittenwidrig zu qualifizieren (Senatsbeschlüsse vom 14. September 2021 - [X.] 491/20, juris Rn. 13; vom 9. März 2021 - [X.] 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 30; [X.], Beschluss vom 12. Januar 2022 - [X.], juris Rn. 33).

2. Das Berufungsgericht hat - worauf die Revision ausdrücklich hingewiesen hat - nicht geprüft, ob die Haftung der [X.] nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV, Art. 5 Abs. 1 und 2 VO ([X.]) Nr. 715/2007 begründet ist. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, um diesem Gelegenheit zu geben, die insoweit erforderlichen Feststellungen zu treffen (vgl. § 563 Abs. 3 ZPO).

a) Bei diesen Normen handelt es sich - unter Zugrundelegung der Ausführungen des Gerichtshofs der [X.] in seinem Urteil vom 21. März 2023 ([X.]/21, NJW 2023, 1111) - um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, in deren persönlichen Schutzbereich der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Kraftfahrzeugs einbezogen ist.

b) Die oben angeführten Abgasnormen - auch in Verbindung mit der Übereinstimmungsbescheinigung - schützen allerdings nicht die allgemeine Handlungsfreiheit und als deren Ausfluss das wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht des Käufers, das heißt das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, mit der Folge, dass die - gegebenenfalls auch fahrlässige - Erteilung einer unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung zu einem deliktischen Anspruch des Käufers gegen den Hersteller auf Rückerstattung des an den Verkäufer gezahlten Kaufpreises führte. Die allgemeine Handlungsfreiheit fällt nicht in den sachlichen Schutzbereich dieser Normen (so bereits Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - [X.] 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 76; nachfolgend ständige Rechtsprechung des [X.]). Dem Urteil des Gerichtshofs der [X.] vom 21. März 2023 ([X.]/21, NJW 2023, 1111) lässt sich nichts entnehmen, was zu einer Abkehr von dieser Rechtsprechung nötigen würde ([X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 24-26; Senatsurteil vom 24. Oktober 2023 - [X.] 493/20, [X.], 36 Rn. 23).

c) Jedoch kann dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Kraftfahrzeugs ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Schutzgesetzverletzung zustehen, weil ihm aufgrund des Erwerbs eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs ein Vermögensschaden in Form des Differenzschadens entstanden ist. Ein solcher Schaden, der darauf zurückzuführen ist, dass der Hersteller die ihm auch zugunsten des Käufers auferlegten Pflichten nach dem [X.] nicht eingehalten hat, fällt nach Maßgabe des Urteils des Gerichtshofs der [X.] vom 21. März 2023 ([X.]/21, NJW 2023, 1111) in den sachlichen Schutzbereich der [X.] Abgasnormen und ist insoweit im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB zu entschädigen.

d) Ob dem Kläger im Ergebnis ein solcher Anspruch zusteht, lässt sich auf der Grundlage der bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Das Berufungsgericht wird dem Kläger im erneuten Berufungsverfahren Gelegenheit zu geben haben, zu den Voraussetzungen einer Haftung nach diesen Normen vorzutragen und den von ihm geltend gemachten Schaden im Sinne des Differenzschadens zu berechnen.

III.

Das Berufungsurteil ist daher im tenorierten Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Einschränkung der Aufhebung betrifft den Klageantrag auf Feststellung des Verzugs der [X.] mit der Annahme der Zug-um-Zug-Leistung. Dieser hat keinen Erfolg, weil dem Kläger der diesbezügliche Anspruch aus § 826 BGB nicht zusteht (oben unter II.1). Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

[X.]     

      

[X.]     

      

[X.] 

      

Allgayer     

      

Böhm     

      

Meta

VI ZR 475/20

05.03.2024

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 11. März 2020, Az: 5 U 295/19

§ 823 Abs 2 BGB, § 826 BGB, § 6 Abs 1 EG-FGV, § 27 Abs 1 EG-FGV, Art 5 EGV 715/2007

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.03.2024, Az. VI ZR 475/20 (REWIS RS 2024, 2119)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 2119

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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