Bundespatentgericht, Urteil vom 18.05.2010, Az. 3 Ni 54/08 (EU)

3. Senat | REWIS RS 2010, 6588

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren - europäisches Patent - Kriterien für die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 252 939

([X.])

hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18. Mai 2010 unter Mitwirkung des Richters [X.] als Vorsitzenden, der Richterin [X.]. [X.], des Richters [X.]. [X.] sowie der Richterinnen Dr. [X.] und Prietzel-Funk

für Recht erkannt:

Das [X.] Patent 1 252 939 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] im Hinblick auf die Patentansprüche 1 bis 6 insoweit für nichtig erklärt, als sie über folgende Fassung hinausgehen:

1. Verfahren zur verbesserten Bewirtschaftung von flüssigkeitsdicht abgedeckten Deponien mit verteilt angeordneten Gasbrunnen zur Abschöpfung des durch den biochemischen Abbauprozess entstehenden Deponiegases, dadurch gekennzeichnet, dass die in einzelne abgetrennte [X.]er eingeteilte [X.] in Abhängigkeit von der lokalen Gasergiebigkeit flächig von oben mit Wasser infiltriert wird, wobei das [X.] derart rasch aufgebracht wird, dass sich über das gesamte [X.] ein freier Wasserspiegel aufstaut.

2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass zur Infiltration deponiespezifische Wässer, insbesondere austretendes Sickerwasser, verwendet wird.

3. [X.] zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 2, dadurch gekennzeichnet, dass die [X.] in durch [X.] (14) voneinander getrennte [X.]er (2, 3, 4, 5, 6, 7) aufgeteilt ist, denen jeweils eine getrennt mit [X.] beaufschlagbare Speiseleitung (19, 20, 21, 22, 23, 24) zugeordnet ist.

4. [X.] nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die [X.]er (2, 3, 4, 5, 6, 7) eine Länge ≤ 60 m und eine Breite ≤ 10 m aufweisen.

5. [X.] nach Anspruch 3 oder 4, dadurch gekennzeichnet, dass in jedem [X.] (2, 3, 4, 5, 6, 7) wenigstens ein Gasbrunnen (28) angeordnet ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der [X.]eklagte ist eingetragener Inhaber des am 22. April 2002 unter Inanspruchnahme der Priorität der [X.] Patentanmeldung 10120107 vom 25. April 2001 beim [X.] angemeldeten, mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 1 252 939 (Streitpatent), das vom [X.] unter der Nummer 502 03 718 geführt wird. Das Streitpatent betrifft „Verfahren und Vorrichtung zur verbesserten [X.]ewirtschaftung von Deponien“ und umfasst 18 Patentansprüche. Die unabhängigen Patentansprüche 1 und 4 des Streitpatents lauten in der erteilten Fassung:

2

1. Verfahren zur verbesserten [X.]ewirtschaftung von flüssigkeitsdicht abgedeckten Deponien mit verteilt angeordneten Gasbrunnen zur Abschöpfung des durch den biochemischen Abbauprozess entstehenden Deponiegases, dadurch gekennzeichnet, dass die in einzelne abgetrennte Versickerungsfelder eingeteilte [X.] in Abhängigkeit von der lokalen Gasergiebigkeit flächig von oben mit Wasser infiltriert wird.

3

4. Deponieanlage zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die [X.] in durch [X.] (14) voneinander getrennte Versickerungsfelder (2, 3, 4, 5, 6, 7) aufgeteilt ist, denen jeweils eine getrennt mit [X.] beaufschlagbare Speiseleitung (19, 20, 21, 22, 23, 24) zugeordnet ist.

4

Die Patentansprüche 2 bis 3 und 5 bis 18 betreffen besondere Ausgestaltungen des Verfahrens und der Vorrichtung nach den Ansprüchen 1 und 4.

5

Die Klägerin, die das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 6 angreift, bestreitet die Patentfähigkeit dieser Ansprüche 6 wegen fehlender Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit. Sie stützt sich auf die Druckschriften:

6

T1 Vorwort und Inhaltsverzeichnis der „[X.] [X.]erichte zur Abfallwirtschaft“, [X.] - Deponiegas 2001,

7

[X.] [X.], Vortrag auf der Fachtagung „Deponiegas“ vom 20./21. Februar 2001: Erfahrungen mit der Sickerwasserinfiltration in [X.]ayern,

8

[X.] „[X.] [X.]erichte zur Abfallwirtschaft“, [X.]/[X.] (Hrsg.), [X.] 2001, [X.] Aktuell, [X.] 2001, [X.] bis 5, 115 bis 121 (Vortrag von [X.]) und rückwärtiger [X.]uchdeckel,

9

T3 Landgericht Nürnberg-Fürth Akz: 3 O 4762/08 Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 7. Januar 2009 zum parallelen Verletzungsprozess,

T4 Email der [X.] zum Herausgabedatum von [X.] vom 5. Februar 2009,

T5 [X.] [X.]: Vorhaben E9: Optimierung von biologischen Umsetzvorgängen in abgedichteten Deponien durch [X.] von Sickerwasser, Schlussbericht (1996), [X.]. 1 [X.] bis 3, [X.]. 2 [X.] bis 5, [X.]. 3 [X.] bis 14, [X.]. 4 [X.] bis 2, [X.]. 5 [X.] bis 62, [X.]. 6 [X.] und 2, [X.]. 7 [X.] bis 2 und Anhang 1,

T6 [X.] Lexikon der [X.]autechnik, [X.] (1966), [X.], 708 Stichwort: Kerndichtung

Die Klägerin bestreitet die Neuheit des Verfahrens zur verbesserten [X.]ewirtschaftung von Deponien nach Anspruch 1 und der Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 4 gegenüber [X.]/[X.]. Sie hat die von dem [X.]eklagten zunächst bestrittene Vorveröffentlichung dieser Druckschrift [X.]/[X.] unter [X.]eweis gestellt. Die Klägerin behauptet außerdem, dass die Lehre des Streitpatents durch die Deponie „Im [X.]“ - [X.] offenkundig vorbenutzt sei und im Übrigen im Hinblick auf den vorgelegten druckschriftlichen Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Die Klägerin beantragt:

das [X.] Patent 1 252 939 für das Hoheitsgebiet der [X.] im Umfang seiner Patentansprüche 1 bis 6 für nichtig zu erklären,

Der [X.]eklagte, der das Streitpatent ausschließlich nach Hauptantrag in der im [X.] wiedergegebenen Fassung verteidigt, beantragt,

die Klage in dem Umfang abzuweisen, soweit sie über die nunmehr verteidigte Fassung hinausgeht.

Der [X.]eklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und verweist auf die Druckschriften:

[X.] EP 1 252 939 A3 (Recherchebericht zum Streitpatent)

[X.]2 [X.] 5 201 609 A

[X.]3 [X.] 39 21 949 A1

[X.]4 Merkmalsanalyse der Patentansprüche 1 bis 6

[X.]5 [X.]auer/[X.]: Abfallwirtschaft in Forschung und Praxis, [X.], [X.] Verlag, [X.] 1999, Vorwort, Inhaltsverzeichnis [X.]4, 15 und 57 bis 60

[X.]6 Prof. [X.] „Oberflächenabdichtung von Deponien in Verbindung mit einer gezielten Rückbefeuchtung“, Vortrag auf der Tagung zur [X.] am 30. November 2000, [X.], 9, 10, 17 und 18

[X.] Vortrag [X.] „Grundlagen der [X.] mittels Sickerwasserrückführung im Zuge der neuen Deponieverordnung“ (nachveröffentlicht)

[X.]8 [X.]aubeschreibung und [X.]auplan der Hausmülldeponie in [X.], [X.] vom 17. März 2006

[X.]9 Zeichnungen 5.1 A, [X.], [X.], [X.] und 6.1

Der [X.]eklagte bestreitet, dass die Deponie „Im [X.]“ - [X.] - eine offenkundige Vorbenutzung der patentgemäßen Lehre darstelle, insbesondere relevante Informationen öffentlich gemacht worden seien. Das anfängliche [X.]estreiten der Vorveröffentlichung der Druckschriften [X.]/[X.] hat der [X.]eklagte in der mündlichen Verhandlung fallen gelassen. Diese könne allerdings - wie auch der weitere Stand der Technik - weder die Neuheit noch die erfinderische Tätigkeit der Gegenstände der geltenden Ansprüche 1 und 3 in Frage stellen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien sowie des Wortlauts der weiteren Patentansprüche wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

[X.] ist zulässig und teilweise begründet. Der von der Klägerin geltend gemachte [X.] der mangelnden Patentfähigkeit, Art. 138 Abs. 1 lit a EPÜ, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents in dem aus dem [X.] ersichtlichen Umfang (Art. 138 Abs. 1, lit a, Abs. 2 EPÜ), Im Übrigen war die Klage abzuweisen, da sich die gemäß Hauptantrag zulässig beschränkt verteidigte patentgegenständliche Lehre als neu und erfinderisch (Art. 54, 56 EPÜ) erweist.

I.

1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur verbesserten Bewirtschaftung von flüssigkeitsdicht abgedeckten Mülldeponien mit verteilt angeordneten Gasbrunnen zur Abschöpfung des durch den biochemischen Abbauprozess entstehenden Deponiegases sowie eine Deponieanordnung zur Durchführung dieses Verfahrens.

Deponien werden seit geraumer Zeit großflächig abgedeckt, damit kein Oberflächenwasser ständig in den [X.] eindringt, das dann kontaminiert als Sickerwasser zu entsorgen ist, und um unerwünschte Kontaminationen der Umwelt durch den [X.] selbst zu vermeiden. Bei der großflächigen Abdeckung zeigt sich in kurzer Zeit, dass der biochemische Abbauprozess abklingt und folglich die [X.] versiegt, da die im [X.] abgelagerten organischen Bestandteile bei Wasserentzug nicht umgesetzt werden und mumifizieren. Es wurden in verschiedenen Deponien Versuche unternommen, mit eingebohrten Metalllanzen bzw. Gräben oder Brunnen punktuell bzw. linear Sickerwasser in die Deponie zurückzuführen. Dabei bauen sich aber infolge der Inhomogenität der Müllschüttung [X.] auf, durch die ein Kurzschluss zur Deponiebasis entsteht, worüber infiltriertes Wasser ohne Befeuchtungseffekt wieder versickert. Auch haben diese Techniken wegen ihrer geringen Grundfläche gegenüber der grundsätzlich relativ großen [X.] nur ein geringes Wirkungsspektrum (Streitpatent Abs. [0001] bis [0004]).

2. Davon ausgehend liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und eine [X.] zur Durchführung des Verfahrens zur verbesserten Bewirtschaftung von flüssigkeitsdicht abgedeckten Deponien zu schaffen, welches eine optimale Durchfeuchtung des [X.]s im Sinne einer gezielten biochemischen Umsetzung der Inhaltsstoffe gewährleistet (Streitpatent Abs. [0005]).

3. Zuständiger Fachmann ist ein Tiefbauingenieur mit speziellen Kenntnissen der Abfallentsorgung sowie dem Bau und Betrieb von Deponien.

4. Die Aufgabe wird durch ein Verfahren zur verbesserten Bewirtschaftung von Deponien nach Patentanspruch 1 und eine [X.] zur Durchführung des Verfahrens nach Patentanspruch 3 der ausschließlich nach Hauptantrag verteidigten Fassung mit folgenden Merkmalen gelöst:

1. Verfahren zur verbesserten Bewirtschaftung von flüssigkeitsdicht abgedeckten Deponien

1.2. mit verteilt angeordneten Gasbrunnen zur Abschöpfung des durch den biochemischen Abbauprozess entstehenden Deponiegases, dadurch gekennzeichnet, dass

1.3. die in einzelne abgetrennte [X.]er eingeteilte [X.] in Abhängigkeit von der lokalen Gasergiebigkeit flächig von oben mit Wasser infiltriert wird,

1.4. wobei das [X.] derart rasch aufgebracht wird; dass sich über das gesamte [X.] ein freier Wasserspiegel aufstaut.

3. [X.] zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 2, dadurch gekennzeichnet, dass

3.1 die [X.] in durch [X.] (14) voneinander getrennte [X.]er (2, 3, 4, 5, 6, 7) aufgeteilt ist,

3.2. Denen jeweils eine getrennt mit [X.] beaufschlagbare Speiseleitung (19, 20, 21, 22, 23, 24) zugeordnet ist.

II.

1. Die Patentansprüche 1 bis 5 beruhen auf einer zulässigen Beschränkung des Streitpatents. Der Patentanspruch 1 geht aus den erteilten und ursprünglichen Ansprüchen 1 und 3 hervor. Die Ansprüche 2 bis 5 entsprechen den erteilten und ursprünglichen Ansprüchen 2 und 4 bis 6.

2. Die Neuheit der Gegenstände der Patentansprüche 1 und 3 ist gegeben.

Es kann dahinstehen, ob der Vortrag [X.] bzw seine Veröffentlichung in den [X.] Berichten zur Abfallwirtschaft [X.] vorveröffentlichten Stand der Technik darstellen, denn auch unter Einräumen der von dem Beklagten nicht mehr bestrittenen Vorveröffentlichung kann [X.]/[X.] die Neuheit der Gegenstände der Patentansprüche 1 und 3 nicht in Frage stellen. In [X.]/[X.] ist nämlich jedenfalls kein Verfahren zur verbesserten Bewirtschaftung von flüssigkeitsdicht abgedeckten Deponien beschrieben, bei dem das [X.] auf einzelne abgetrennte [X.]er derart rasch aufgebracht wird, dass sich über das gesamte [X.] ein freier Wasserspiegel aufstaut, und keine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 mit durch [X.] voneinander getrennten [X.]ern beschrieben, denen jeweils eine getrennt mit [X.] beaufschlagbare Speiseleitung zugeordnet ist. Diese Merkmale sind auch [X.] nicht zu entnehmen. Das gleiche gilt für [X.], die Kerndichtungen von Staudämmen betrifft, und dem von dem Beklagten selbst angegebenen Stand der Technik. Dies gilt auch für die im [X.] von der Klägerin lediglich angedeutete Behauptung einer offenkundigen Vorbenutzung durch die Deponie „Im [X.]“, die auch im Verlauf des [X.] und in der mündlichen Verhandlung nicht mehr präsentiert worden ist.

3. Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 3 beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3.1 Für die Frage der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit ist entscheidend, um welche Leistung der Stand der Technik bereichert wird, was die Erfindung also gegenüber diesem tatsächlich leistet ([X.], 382 - Olanzapin; [X.], 1039 - [X.]; [X.], 693 - Hochdruckreiniger), wobei verschiedene Ausgangspunkte in Betracht zu ziehen sein können ([X.], 317 - Programmartmitteilung;) und zu fragen ist, ob der Fachmann Veranlassung hatte, diesen Stand der Technik zu ändern.

Hierbei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass erfahrungsgemäß die technische Entwicklung nicht notwendigerweise diejenigen Wege geht, die sich bei nachträglicher Analyse der Ausgangsposition als sachlich plausibel oder gar mehr oder weniger zwangsläufig darstellen und es - abgesehen von denjenigen Fällen, in denen für den Fachmann auf der Hand liegt was zu tun ist - in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür bedarf, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen ([X.], 746 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung). Das Auffinden einer neuen Lehre zum technischen Handeln kann insbesondere nicht schon deshalb als nahegelegt bewertet werden, weil lediglich keine Hinderungsgründe zutage treten, von dem im Stand der Technik Bekannten zum Gegenstand dieser Lehre zu gelangen. Diese Wertung setzt vielmehr voraus, dass das Bekannte dem Fachmann Anlass oder Anregung gab, zu der vorgeschlagenen Lehre zu gelangen ([X.], 487 - einteilige Öse).

3.2 Zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist hier von dem in [X.] und [X.]/[X.], ihre Vorveröffentlichung eingeräumt, beschriebenen Stand der Technik auszugehen. [X.] betrifft den Schlussbericht über das bei der Hausmülldeponie E… durchgeführte Vorhaben zur Optimierung von biologischen Umsetzvorgängen in abgedichteten Deponien durch [X.] von Sickerwasser. Dabei sollte die Eignung von Infiltrationsanlagen unterhalb der Oberflächendichtung zur definierten Zugabe von [X.] in den Müllkörper untersucht werden, wobei nur so viel [X.] zugegeben werden soll, wie der Müllkörper aufnehmen kann ([X.]. 1 S. 2 Abs. 4, [X.]. 2 S. 1 Abs. 1). Fünf Methoden zur [X.] von Wasser in einen bestehenden Deponiekörper werden dabei beschrieben, wobei nur die Bewässerung mittels Lanzen praktisch durchgeführt wurde, da hierfür unter Abwägung der Vor- und Nachteile nur geringfügige Eingriffe in die Oberflächenabdichtungsschicht des bestehenden Müllkörpers erforderlich waren ([X.]. 5 Abschnitt 5.2 S. 25 Abs. 2 bis 4 [X.] 36). Bei einer weiteren diskutierten Methode erfolgt die Bewässerung mittels Bewässerungsleitungen in die gasgängige Stützschicht über das Sickerwasser parallel zu den Höhenlinien weitgehend flächendeckend. In der Oberflächenabdeckungsschicht werden dazu Gräben angelegt, in die die Dränleitungen eingebaut werden, wobei die gasgängige Stützschicht als Füllkörper dient ([X.]. 5 S. 30 Abs. 1 und 2 i. V. m. Abb. 5.9 auf [X.]). In [X.] wird damit zwar entsprechend Merkmal 1.3 die Deponieoberfläche flächig von oben mit Wasser infiltriert. [X.] liefert aber keinen Hinweis darauf, zur Lösung der Aufgabe die Deponieoberfläche in einzelne [X.]er gemäß Merkmal 1.3 einzuteilen und das [X.] gemäß Merkmal 1.4 derart rasch aufzubringen, dass sich über das gesamte [X.] ein freier Wasserspiegel aufstaut.

In [X.]/[X.] wird auf den Schlussbericht [X.] Bezug genommen ([X.]: [X.] bis 116 Abschnitt 2.). Davon ausgehend werden vier technische Einrichtungen zur Sickerwasserinfiltration diskutiert, nämlich Bewässerungslanzen, Bewässerungsschächte, Bewässerungsrigolen und Bewässerungsfelder. Bei der technischen Einrichtung der Bewässerungsfelder werden großflächige Bewässerungsfelder unter der Abdeckung mit [X.] zur besseren Steuerung in mehrere Felder unterteilt, die aus einer Kies- oder Schotterschicht bestehen, wobei in die Felder zur Beschickung Bewässerungsleitungen verlegt sind. Die Wasserzugabe hat dabei so zu erfolgen, dass die Energiemenge des erfassten Deponiegases pro Zeiteinheit (berechnet aus Gasmenge und [X.]) maximiert wird. Dies wird an den betreffenden Gasbrunnen gemessen ([X.]: S. 117 Abschnitt 4. bis S. 118 Abschnitt 6, insbesondere [X.] und 7, [X.] 120 Anhang 1 Punkt 6.). Damit sind in [X.] die Merkmale 1.1 bis 1.3 beschrieben. Einen Hinweis darauf aber, dass, wenn der Fachmann die Einrichtung einzelner abgetrennter [X.] bzw. [X.]er zur Lösung der Aufgabe in Betracht zieht, dann gemäß Merkmal 1.4 das [X.] derart rasch aufzubringen, dass sich über das gesamte [X.] ein freier Wasserspiegel aufstaut, liefert auch [X.]/[X.] nicht. Gerade durch diese Maßnahme werden nach den Ausführungen im Streitpatent die Nachteile der punktuellen Wasserzuführung vermieden und eine im Wesentlichen gleichmäßige Durchfeuchtung des [X.]es unterhalb des gefluteten [X.]es erreicht, wodurch sich optimale Bedingungen für die biochemische Umsetzung der abgelagerten organischen Bestandteile ergeben ([X.]. 2 Abs. [0007]).

[X.] vorliegende Stand der Technik liegt ferner und kann daher das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 des geltenden [X.] ebenfalls nicht nahelegen.

3.3 Das Gleiche gilt für den Gegenstand des Patentspruchs 3, die [X.] zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 2. Durch den Rückbezug auf das Verfahren nach Patentanspruch 1 muss die [X.] gegenständlich in der Weise ausgestaltet sein, dass sie zur Durchführung des Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 geeignet ist. Dies bedeutet zumindest, dass die [X.] zur Beaufschlagung mit [X.] und die flüssigkeitsdichten Trennschürzen entsprechend ausgestaltet sind, damit das [X.] gemäß Merkmal 1.4 derart rasch aufgebracht werden kann, dass sich über das gesamte [X.] ein freier Wasserspiegel aufstaut. Es handelt sich damit hier um ein funktionelles technisches Merkmal, das geeignet ist die Vorrichtung vom Stand der Technik zu unterscheiden (vgl [X.] [X.]. § 1 [X.]. 228, § 34 [X.]. 131). Die erfinderische Tätigkeit der Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 wird damit bereits durch das erfinderische Verfahren gemäß Anspruch 1 getragen. Darüber hinaus sind weder in [X.] noch in [X.]/[X.] flüssigkeitsdichte Trennschürzen gemäß Merkmal 3.1 beschrieben, noch geht aus diesen Druckschriften hervor, dass den getrennten [X.]ern gemäß Merkmal 3.2 auch eine jeweils getrennt mit [X.] beaufschlagbare Speiseleitung zugeordnet ist. [X.] ist lediglich zu entnehmen, dass Mülldeponien mittels flüssigkeitsdichten Trennwänden in einzelne Zellen unterteilt werden können (Ansprüche 1, 9, 27, 37 und 50). Eine Bewässerung ist dabei nicht vorgesehen. [X.] liegt noch weiter entfernt, da daraus nur hervorgeht, dass z. B. Staudämme mittels Kerndichtungen flüssigkeitsdicht abgedichtet werden können.

3.4 Nach alledem werden die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 3 des [X.] vom Stand der Technik nicht nahegelegt. Die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 3 haben danach Bestand. Mit ihnen haben die darauf rückbezogenen, vorteilhafte Ausführungsformen der Patentansprüche 1 und 3 betreffenden Ansprüche 2, 4 und 5 ebenfalls Bestand. Soweit das Streitpatent nicht verteidigt worden ist, war der über die Beschränkung hinausgehende Teil ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären.

III.

[X.] beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO, wonach die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben waren. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

Meta

3 Ni 54/08 (EU)

18.05.2010

Bundespatentgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 18.05.2010, Az. 3 Ni 54/08 (EU) (REWIS RS 2010, 6588)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6588

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