Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.03.2013, Az. XII ZB 271/11

12. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 7621

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Versorgungsausgleich: Anpassung der Rentenkürzung wegen Tod der ausgleichsberechtigten Person; sachliche Zuständigkeit; Anpassung im Bereich der ergänzenden Altersversorgung


Leitsatz

1. Für Anträge auf Anpassung der infolge des Versorgungsausgleichs durchgeführten Rentenkürzung wegen Tod der ausgleichsberechtigten Person ist das Familiengericht nicht zuständig.

2. Die Regelung, wonach die Anpassung der Rentenkürzung wegen Tod der ausgleichsberechtigten Person nur für Regelsicherungssysteme und nicht für die ergänzende Altersversorgung vorgesehen ist, ist mit dem Grundgesetz vereinbar (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 7. November 2012, XII ZB 271/12, FamRZ 2013, 189).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. [X.] des [X.] vom 17. Mai 2011 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

[X.]: 1.000 €

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Anpassung einer durch den Versorgungsausgleich bedingten Kürzung der Versorgung des Antragstellers (früherer Ehemann) bei der Antragsgegnerin, der [X.] und der Länder ([X.]).

2

Die Ehe des Antragstellers mit seiner früheren Ehefrau wurde im Juni 1989 geschieden. Während der Ehezeit erwarb der Ehemann neben Anrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung Anrechte auf eine Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes. Beide Anrechte glich das Familiengericht aus, indem es vom [X.] des Ehemanns in der gesetzlichen Rentenversicherung [X.] in Höhe von monatlich 343,20 [X.] im Wege des [X.] auf das [X.] der Ehefrau übertrug und zu Lasten der Versorgungsanwartschaft des Ehemanns bei der [X.] Anwartschaften in Höhe von monatlich 13,91 [X.] im Wege des analogen Quasisplittings nach § 1 Abs. 3 [X.] auf dem [X.] der Ehefrau begründete, jeweils bezogen auf den 31. Juli 1987 als Ehezeitende. Im damaligen Beschwerdeverfahren erhöhte das [X.] die im Wege des analogen Quasisplittings zulasten der [X.] zu begründenden Anrechte auf 18,81 [X.]. Der Antragsteller bezieht seit September 2007 die um den Versorgungsausgleich gekürzte Altersrente und Zusatzversorgung. Seine geschiedene Ehefrau bezog seit Mai 2008 eine Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung; sie verstarb am 22. September 2009. Auf Antrag des Ehemanns wurde die Kürzung seiner Versorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 37 [X.] angepasst. Mit Schreiben vom 25. September 2009 beantragte er auch bei der [X.] eine Anpassung der Kürzung seiner Versorgung, was diese ablehnte.

3

Den nachfolgenden gerichtlichen Antrag des Ehemanns auf Feststellung, dass die Kürzung seiner Betriebsrente ab dem 1. Oktober 2009 nicht mehr erfolge, hat das Familiengericht abgelehnt. Das [X.] hat seine Beschwerde zurückgewiesen; hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Ehemanns.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

5

1. Das [X.] hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Obgleich das Familiengericht für die Entscheidung über den Antrag gemäß § 46 der [X.]-Satzung unzuständig gewesen sei, habe das Beschwerdegericht in der Sache zu entscheiden, da ein Rechtsmittel nicht darauf gestützt werden könne, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe.

6

Der vom Ehemann geltend gemachte Anspruch könne sich allenfalls aus § 37 [X.] ergeben. Diese Vorschrift sei jedoch auf die Versorgungsanteile des Ehemanns bei der [X.] nicht anwendbar, da die Vorschriften der §§ 33 bis 38 [X.] nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers nur für die in § 32 Nr. 1 bis 5 [X.] genannten [X.] gälten. Hierzu zähle die Zusatzversorgung bei der [X.] nicht. Diese Differenzierung sei auch verfassungskonform, weil die auf Tarifvertrag beruhende privatrechtlich organisierte Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes dem Versicherungsprinzip folge. Das [X.] habe die Forderung einer ergänzenden Härteregelung für den Fall des Vorversterbens des [X.] Ehegatten nur für solche Fälle erhoben, in denen vom [X.] ein unverhältnismäßiges Opfer verlangt werde. Eine solch existenzielle Bedeutung komme den [X.] nicht zu. Die Grenze der Unzumutbarkeit werde bei [X.] nicht erreicht.

7

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.

8

Gemäß § 37 Abs. 1, 2 [X.] wird ein Anrecht der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag nicht länger auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn die ausgleichsberechtigte Person gestorben ist, wobei die Anpassung nur stattfindet, wenn die ausgleichsberechtigte Person die Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen hat.

9

a) Über einen Anpassungsantrag des [X.] nach dieser Vorschrift hat gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 [X.] der Versorgungsträger zu entscheiden, bei dem das aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzte Anrecht besteht. Insoweit besteht - wie schon nach früherem Recht - keine Zuständigkeit des Familiengerichts; ein dort gestellter Antrag ist unzulässig. Hat der [X.] mehrere Versorgungen, die aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt werden, muss er gegebenenfalls mehrere Anträge bei den jeweils zuständigen Versorgungsträgern stellen. Die Versorgungsträger entscheiden im [X.]. Gegen ihre Entscheidung ist der Rechtsweg zum Gericht der jeweils zuständigen [X.] gegeben (FAKomm-FamR/[X.] 5. Aufl. § 38 [X.] Rn. 2).

Für die Entscheidung über den Antrag des Ehemanns war daher die alleinige Zuständigkeit der allgemeinen Zivilgerichte und nicht die der Familiengerichte begründet. Allerdings kann die Rechtsbeschwerde nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat (§ 72 Abs. 2 FamFG; vgl. [X.]/[X.] FamFG 17. Aufl. § 72 Rn. 47).

b) Nach § 32 [X.] ist die Anpassung der Rentenkürzung wegen Tod der [X.] Person allerdings nur für Regelsicherungssysteme vorgesehen. Im Bereich der ergänzenden Altersvorsorge sollen die Anpassungsvorschriften hingegen nicht zur Anwendung kommen (BT-Drucks. 16/10144 S. 71 f.).

Jedenfalls die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes gehört nicht zu den von der Vorschrift erfassten Regelsicherungssystemen. Sie ist - auf tarifvertraglicher Grundlage - privatrechtlich organisiert, auch wenn der Versorgungsträger Anstalt des öffentlichen Rechts ist (FAKomm-FamR/[X.] 5. Aufl. § 32 [X.] Rn. 11).

c) Die damit vorgenommene Differenzierung zwischen Regelsicherungssystemen und Systemen der ergänzenden Altersvorsorge ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

Der Senat hat bereits zum sogenannten [X.] (§§ 33 f. [X.]) entschieden, dass der Gesetzgeber nicht von [X.] wegen verpflichtet war, gleiche Regelungen für Regelsicherungssysteme und für Systeme der ergänzenden Altersvorsorge zu treffen (Senatsbeschluss vom 7. November 2012 - [X.] 271/12 - FamRZ 2013, 189). Dies gilt im Ergebnis auch für die Anpassung wegen Tod der [X.] Person (§ 37 f. [X.]), obgleich in solchen Fällen bereits feststeht, dass die ausgleichsberechtigte Person über die längstens 36 Monate bezogenen Leistungen hinaus keine weiteren Leistungen mehr beziehen wird.

Denn bei den in §§ 32 ff. [X.] normierten "Privilegien", welche eine Leistungspflicht des Versicherers über die schlichte Teilung der ehezeitlich erworbenen Anrechte hinaus begründen, handelt es sich regelmäßig um versicherungsmathematische Besserstellungen geschiedener Ehegatten gegenüber anderen Angehörigen der Versichertengemeinschaft, die - wovon auch das [X.] ausgegangen ist ([X.] 53, 257, 303 = FamRZ 1980, 326, 335) - nicht kostenneutral bewirkt werden können. Denn während der ausgleichsberechtigte Ehegatte den hälftigen versicherungsmathematischen Wertanteil des ehezeitlich erworbenen Anrechts bereits mit der Durchführung des Versorgungsausgleichs als eine eigenständige, vom [X.] des ausgleichspflichtigen Ehegatten losgelöste Versorgung erwirbt, welche anders als das zu Ehezeiten bestehende Recht auch eine eigene Invaliditätsversorgung umfasst, einer Wiederverheiratung standhält und sogar spätere Ansprüche auf Witwer- oder Witwenrente eines neuen Ehegatten begründen kann, nimmt der ausgleichspflichtige Ehegatte über das Privileg der Anpassung der Rentenkürzung wegen Tod der [X.] Person an zusätzlichen Rentenleistungen teil, die ihm aufgrund eines bei ihm eingetretenen Versicherungsfalls so gewährt werden, als verfüge er noch über sein ungeteiltes Anrecht. Hierin liegt eine Vermehrung der möglichen Versicherungsfälle und Leistungspflichten des Versicherers, die nicht durch rentenrechtliche Zeiten (§ 54 [X.]) erdient ist und deshalb der Sache nach eine versicherungsfremde Sozialleistung des Trägers der Rentenversicherung an geschiedene Ehegatten darstellt. Eine weitere Mehrung der Leistungspflichten tritt ein, wenn der [X.] die Leistung bereits für längstens 36 Monate bezogen hatte und dennoch die Kürzung beim [X.] vollständig entfällt.

Obwohl in der hiermit einhergehenden Vermehrung der möglichen Versicherungsfälle und Leistungsansprüche geschiedener Ehegatten zugleich eine Benachteiligung der in [X.] Ehe lebenden Versicherten gesehen werden könnte, hat das [X.] den Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 GG dahin verstanden, dass es im Zusammenhang mit dem Vorversterben des [X.] vor dem ausgleichsverpflichteten Ehegatten zu einem verfassungswidrigen Zustand kommen könne, wenn die abgesplitteten Werteinheiten beim Berechtigten keine Rentenleistung ausgelöst haben, den Verpflichteten hingegen wegen ihres Umfangs spürbar belasten. Ferner sei es auch möglich, dass der Versorgungsausgleich wegen der Kürze der Rentenleistungen an den [X.] Ehegatten im Verhältnis zur Höhe der übertragenen Werteinheiten und unter Würdigung der Lage des überlebenden Ausgleichsverpflichteten verfassungswidrige Auswirkungen haben könne ([X.] 53, 257, 303 = FamRZ 1980, 326, 335).

Die nach dieser [X.]rechtsprechung notwendigen, für den Versicherer aufwandserhöhenden Leistungen hat der Gesetzgeber den Trägern der staatlichen Regelsicherungssysteme auferlegt, nicht jedoch den privaten Rentenversicherungsträgern und beitragsfinanzierten [X.]. Zu dieser Differenzierung war der Gesetzgeber berechtigt, da zwischen den Regelsicherungssystemen und den Systemen der ergänzenden Altersvorsorge Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen. Denn anders als bei den Regelsicherungssystemen muss sich die Rentenleistungspflicht der Träger der ergänzenden Altersvorsorge in ein versicherungsmathematisches Äquivalenzverhältnis zur vorherigen Beitragsleistung fügen, im Falle der [X.] durch ein Umlagesystem. Dies hindert es, Trägern der ergänzenden Altersvorsorge über die durch den Versorgungsausgleich angeordnete, wertneutrale Halbteilung bestehender Anrechte hinaus zusätzliche Leistungspflichten und Risiken durch die in den §§ 32 ff. [X.] normierten Privilegien aufzubürden, welche das versicherungsmathematische Gleichgewicht von Beitragszahlung und Leistungsanspruch einseitig zulasten des Versicherers oder der [X.]. Aus diesem Grund hält der Senat an seiner Rechtsprechung fest, wonach eine Kürzung der Aussetzung der Versorgung außerhalb der Regelsicherungssysteme nicht in Betracht kommt (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 7. November 2012 - [X.] 271/12 - FamRZ 2013, 189 Rn. 14 ff.).

d) Davon abgesehen hat das [X.] zutreffend hervorgehoben, dass der Grundrechtsschutz einen Härteausgleich allenfalls dann fordert, wenn die abgesplitteten Werteinheiten den Verpflichteten wegen ihres Umfangs spürbar belasten. Das ist hier jedenfalls nicht gegeben, da im vorliegenden Fall nur ein Anteil von rund fünf Prozent der durch den Versorgungsausgleich bedingten Kürzungen auf die Zusatzversorgung entfällt.

Dose                               [X.]                               Schilling

                 [X.]

Meta

XII ZB 271/11

06.03.2013

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Hamm, 17. Mai 2011, Az: II-1 UF 192/10

§ 32 VersAusglG, § 37 VersAusglG, § 38 VersAusglG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.03.2013, Az. XII ZB 271/11 (REWIS RS 2013, 7621)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7621

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 271/11 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 271/12 (Bundesgerichtshof)

Versorgungsausgleichsverfahren: Voraussetzungen der Aussetzung einer durch den Versorgungsausgleich bedingten Rentenkürzung; Verfassungsmäßigkeit der Regelung; Obergrenze für …


XII ZB 271/12 (Bundesgerichtshof)


1 BvL 9/12, 1 BvR 1145/13 (Bundesverfassungsgericht)

Ausschluss bestimmter Anrechte aus dem Anwendungsbereich des § 32 VersAusglG verfassungsrechtlich unbedenklich - keine Verletzung …


XII ZB 428/11 (Bundesgerichtshof)

Versorgungsausgleich: Berücksichtigung des vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gewährten Anpassungsgeldes an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.