Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.10.2011, Az. V ZB 72/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2670

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]

vom

6. Oktober 2011

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 9, § 511 Abs. 4
a)
[X.] zu einem jährlich wiederkehrenden Zurückschneiden einer [X.] verurteilten Beklagten bemisst sich nach § 9 ZPO.
b)
Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist nur zur prüfen, ob das Berufungsgericht die von dem Amtsgericht wegen der Annahme einer höheren Beschwer versäumte Entscheidung über die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 ZPO nachge-holt worden ist, nicht ob die getroffene Entscheidung richtig ist.
c)
An der erforderlichen Nachholung der Zulassungsentscheidung fehlt es, wenn sich aus der Entscheidung des Berufungsgerichts ergibt, dass dieses nicht alle Zulas-sungsgründe geprüft hat.
[X.], Beschluss vom 6. Oktober 2011 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 6. Oktober 2011
durch [X.] [X.], [X.] Lemke
und
Prof. Dr.
Schmidt-Räntsch, die Richterin [X.] und den
Richter Dr. Czub
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des [X.] vom 2. März 2011 auf-gehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 1.050

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat die Beklagten auf der Grundlage von § 14 Abs. 1 [X.] verurteilt, die auf ihrem Grundstück in [X.]befindliche
Thujahecke "so zurückzuschneiden, dass deren Höhe eine solche von 2,00
m nicht übersteigt". Den Streitwert hat es auf 1.000

Die gegen die-ses Urteil eingelegte Berufung der Beklagten hat das Landgericht durch Be-schluss als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit welcher diese weiterhin die Durchführung des Berufungsver-fahrens erreichen möchten.
1
-
3
-
II.

[X.] Beschwer nicht glaubhaft gemacht. Die Beschwer entspreche nach
§ 9 ZPO dem 3,5-Fachen der jährlichen Kosten. Dass diese mehr als 171,42

e-trügen, hätten die Beklagten nicht glaubhaft gemacht. Das dazu vorgelegte Schreiben ihres Gärtners weise zwar 200

aus, umfasse aber noch zusätzliche Pflegemaßnahmen, zu denen
die [X.] nicht verurteilt seien. Die Berufung sei auch nicht nach §
522 ZPO zuzulas-sen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung habe.

III.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1.
Die von den Beklagten eingelegte Rechtsbeschwerde ist nach §
522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Zulässig ist sie nach § 574 Abs. 2 ZPO nur, wenn auch ein Zulassungsgrund gegeben ist. Das ist hier im Ergebnis der Fall.

a) Mit der Fehlerhaftigkeit der Verweigerung der Berufungszulassung in dem angefochtenen Beschluss lässt sich das allerdings entgegen der Ansicht der Beklagten nicht begründen.

aa) Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist nur zu prüfen, ob das Berufungs-gericht seiner gesetzlichen
Pflicht zur Nachholung der Entscheidung über
die Zulassung der Berufung entsprochen hat. Diese Pflicht besteht, wenn -
wie hier
-
das erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung gesehen hat, die [X.] nach § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, weil es den Streitwert auf über 600

2
3
4
5
6
-
4
-
festgesetzt hat, und das Berufungsgericht diesen Wert für nicht erreicht hält ([X.], Urteil vom 14. November 2007 -
VIII
ZR 340/06, [X.], 218, 219 Rn.
12; Beschluss vom 26. Oktober 2010 -
VI
ZB 74/08, [X.], 615). Ob die Entscheidung über die Zulassung der Berufung sachlich richtig ist, ist im Rechtsbeschwerdeverfahren entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zu [X.]. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zulassung ersetzt ledig-lich die an sich -
ex post
-
gebotene Entscheidung des erstinstanzlichen [X.] nach §
511 Abs. 4 ZPO
und ist wie diese nicht anfechtbar. Diese Ent-scheidung des Gesetzgebers würde unterlaufen, könnte die nachgeholte [X.] im Rechtsbeschwerdeverfahren inhaltlich überprüft werden.

[X.]) Das Berufungsgericht ist seiner Pflicht zur Nachholung der [X.] hier allerdings
nur teilweise nachgekommen. Es hat schon nicht gesehen, dass die nachzuholende Entscheidung über die Zulassung nicht nach dem Maßstab des §
522 Abs.
2 Satz
1 ZPO zu
treffen ist, sondern nach
dem Maßstab des §
511 Abs.
4 ZPO. Vor allem aber hat es übersehen, dass sich die Zulassungsgründe nach §
511 Abs.
4 ZPO nicht in dem [X.] der grundsätzlichen Bedeutung erschöpfen, sondern auch die Zulas-sungsgründe der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und der Fort-bildung des Rechts umfassen. Die unterlassene Prüfung ist im [X.] nachzuholen, wenn die getroffenen Feststellungen -
wie hier
-
eine solche Entscheidung erlauben (Senat, Beschluss vom 19. Mai 2011 -
V
ZB 250/10, [X.], 432, 433). Sie ergibt, dass ein Zulassungsgrund nicht vorliegt. Hier kommt zwar der Zulassungsgrund der Sicherung einer ein-heitlichen Rechtsprechung in Betracht, weil das Amtsgericht den Einwand der Verjährung oder des Erlöschens des Anspruchs mit einer unhaltbaren Begrün-dung verneint hat. Ein nach §
15 [X.] aF erloschener Anspruch bleibt nach § 32a [X.] i.V.m. Art.
229 § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 EGBGB 7
-
5
-
auch nach dem Inkrafttreten von §
31 [X.] am 1. Januar 2009 erloschen und lebt nicht etwa wieder auf. Auf diese Frage kommt es aber nicht an, weil der Anspruch auf Zurückschneiden einer Hecke nach §
14 Abs.
1 [X.], worauf der Vertreter der Klägerin mit Recht aufmerksam gemacht hat, nach je-dem Nachwachsen über die höchstzulässige Höhe wieder neu entsteht und damit ungeachtet des Erlöschens früherer Ansprüche weder verjährt noch aus-geschlossen ist.

b) Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde ergibt sich indessen nach §
574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO daraus, dass das Berufungsgericht dem Kläger den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschwert hat (vgl. dazu: [X.] 40, 88, 91; 67, 208, 212 f.; [X.] NJW 1996, 2857; 2000, 1636; 2001, 1566; FamRZ 2002, 533; Senat, Beschluss vom 23.
Oktober
2003 -
V
ZB 28/03, [X.], 367, 368). Eine solche Erschwerung liegt zwar nicht schon in einem Fehler bei der Bemessung der Beschwer und auch nicht in [X.] Überschreitung des dabei gegebenen Ermessens (Senat, Beschlüsse
vom 20. Januar 2011 -
V
ZB 193/10, [X.] 2011, 174, 175
und vom 31. März 2011 -
V [X.], NJW-RR 2011, 1026). Bei der Bemessung der Beschwer des Klägers hat das Berufungsgericht aber nicht nur die Grenzen seines Ermessens überschritten. Es hat vielmehr schon den Umfang der Verurteilung der [X.] im entscheidenden Punkt verkannt.

2. Das Rechtsmittel ist begründet. Die Berufung durfte nicht als unzuläs-sig verworfen werden, weil die Beschwer des Klägers den Betrag von 600

übersteigt.

a) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es
allerdings nicht zu bean-standen, dass das Berufungsgericht die Beschwer nach §
9 ZPO bemessen 8
9
10
-
6
-
hat. Nach Satz 1 dieser Vorschrift wird der Wert des Rechts auf [X.] Nutzungen und Leistungen nach dem 3,5-Fachen des einjährigen Bezugs berechnet. Diese Vorschrift gilt zwar in erster Linie für Ansprüche aus Stamm-rechten, die dem Berechtigten einen Anspruch auf regelmäßig oder unregelmä-ßig wiederkehrende Geldzahlungen oder Sachleistungen gleichen Umfangs vermitteln ([X.]/[X.], ZPO, 28. Aufl., §
9 Rn.
3 f.).
Eine Sachleistung liegt auch vor, wenn der Verpflichtete eine regelmäßig wiederkehrende Störung zu beseitigen hat.
Umstritten muss dabei das Stammrecht selbst sein ([X.], [X.] 2005, 2051, 2052; [X.], ZPO, 22. Aufl., §
9 Rn.
11). Danach ist die hier umstrittene Verpflichtung zum Zurückschneiden der Hecke auf eine Höhe von 2
m als solche eine wiederkehrende Leistung. Die Beklagten müssen nach dem angefochtenen Urteil ihre Hecke nach jedem Hinauswach-sen über die Höchstgrenze beschneiden lassen. Dazu wird es jedes Jahr nach der Wachstumsperiode kommen. Dass die Häufigkeit von dem Wuchs abhängt, ändert an dem Charakter als wiederkehrende Verpflichtung nichts. Der [X.] Wuchs mag zwar unterschiedlich ausfallen. Anhaltspunkte [X.], dass der für das Zurückschneiden erforderliche Aufwand deshalb unter-schiedlich hoch wäre oder werden könnte, sind aber nicht ersichtlich. Die An-wendung von § 9 ZPO scheitert auch nicht daran, dass das Zurückschneiden keine "Leistung"
im Sinne dieser Vorschrift wäre. Der Begriff der Leistung ent-spricht dem Begriff der Leistung in §
241 Abs.
1 Satz 1 BGB (MünchKomm-ZPO/[X.], 3.
Aufl., §
9 Rn.
3; Prütting/Gehrlein/[X.], ZPO,
3.
Aufl., §
9 Rn. 2). Dieser
umfasst auch das wiederkehrende Zurückschneiden einer [X.].

b) Das Berufungsgericht hat aber den nach §
9 Satz
1 ZPO maßgebli-chen Wert des einjährigen Bezugs fehlerhaft festgestellt.

11
-
7
-
aa) Dabei hat das Berufungsgericht ein tatrichterliches Ermessen, [X.] wenn Sachleistungen zu bewerten sind. Die Festsetzung kann im [X.] nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht die Grenzen seines Ermessens überschritten oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Senat, Beschluss vom 9. Juli 2004 -
V
ZB 6/04, NJW-RR 2005, 219, 220
für § 3
ZPO).

[X.]) Ein solcher Fehler liegt hier zwar nicht in der Bewertung der von den Beklagten vorgelegten Kostenaufstellung. Das Berufungsgericht hat aber den Umfang der Verurteilung der Beklagten verkannt
und den "Wert des einjährigen Bezugs"
zu niedrig angesetzt.

(1) Das Berufungsgericht begründet seine Entscheidung damit, dass die vorgelegte Kostenschätzung des Gärtners der Beklagten im Umfang von 30

Kosten für Leistungen enthält, zu deren Vornahme die Beklagten nicht verurteilt worden sind,
und dass das 3,5-Fache der bereinigten Kostenschätzung in Höhe 170

den Grenzwert von 600

Dabei hat es aber übersehen, dass der Gärtner, worauf die Beklagten ausdrücklich hingewiesen haben, nur die Kosten für den von ihnen bislang jährlich im [X.] veranlassten einmaligen Rückschnitt der Hecke angesetzt hat.

(2) Nach § 14 [X.] sind die Beklagten zwar rechtlich zu nicht mehr als nur einem Rückschnitt jährlich verpflichtet. Das ergibt sich daraus, dass der Grundstückseigentümer nach §
14 Abs. 2 [X.] das Zurückschneiden und die Beseitigung von Pflanzen nicht in der [X.] vom 1. März bis zum 30. [X.] vorzunehmen braucht und nach §
25 Abs.
1
Nr.
5 [X.] vor-behaltlich einer Ausnahmegenehmigung nach §
25 Abs.
2, 2a [X.] 12
13
14
15
-
8
-
auch nicht vornehmen darf. Solche gesetzliche Beschränkungen müssen aber in der konkreten Verurteilung ihren Niederschlag finden (vgl. Senat, Urteil vom 20. November 1992 -
V
ZR 82/91, [X.]Z 120, 239, 247 für ein öffentlich-rechtliches Verbot nach [X.]). Die [X.] könnten sonst mit den im Vollstreckungsverfahren zu Gebote stehenden Mitteln nicht feststel-len, ob eine dem Wortlaut nach nicht beschränkte Urteilsverpflichtung in Wirk-lichkeit auf eine Durchsetzung in bestimmten [X.]räumen beschränkt sein soll. Daran fehlt es hier. Nach dem Wortlaut der Verurteilung haben die Beklagten die Hecke ständig auf einer Höhe bis zu 2
m zu halten. Eine Beschränkung auf den [X.]raum außerhalb der Wachstumsperiode enthält die Verurteilung nicht.

(3) Die
Klägerin kann deshalb von den Beklagten ein jährlich nicht nur ein einmaliges, sondern ein mehrmaliges Zurückschneiden der [X.]. Die Hecke wird nämlich bei Einbeziehung auch der Wachstumsperiode jährlich voraussichtlich mehrmals die vorgegebene Höhe von 2
m übersteigen. Das hat zur Folge, dass der Wert des
einjährigen Bezugs im Sinne von §
9 Satz
1 ZPO nicht
dem Wert eines einmaligen, sondern dem Wert eines mehr-maligen jährlichen Zurückschneidens der Hecke entspricht. Bliebe
die Verurtei-lung unverändert bestehen, müssten die Beklagten ihre Hecke nach der [X.] des Senats mindestens
zweimal im Jahr, nämlich in und nach der Wachstumsperiode,
zurückschneiden. Den dafür jeweils erforderlichen Aufwand schätzt der Senat auf der Grundlage der von den Beklagten vorgelegten
Auf-stellung des Gärtners mit 150

em jährlichen Gesamtaufwand von 300

ht. Die Beschwer der Beklagten beträgt damit 1.050

u-fung ist deshalb
ohne Zulassung statthaft.

IV.
16
-
9
-

Die Sache ist nach §
577 Abs.
4 Satz
1 ZPO an das Berufungsgericht zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. Dafür wird es nicht auf die bisher streitige Frage der Verjährung, sondern darauf ankommen, den Ausspruch ent-sprechend §
14 Abs. 2 [X.] einzuschränken.

Krüger

Lemke

Schmidt-Räntsch

Stresemann

Czub
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.09.2010 -
112 C 1582/08 (2) -

LG [X.], Entscheidung vom 02.03.2011 -
7 S 542/10 -

17

Meta

V ZB 72/11

06.10.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.10.2011, Az. V ZB 72/11 (REWIS RS 2011, 2670)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2670

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZB 72/11 (Bundesgerichtshof)

Bemessung der Beschwer bei Verurteilung zu jährlich wiederkehrendem Zurückschneiden einer Hecke; Überprüfbarkeit der nachgeholten Zulassungsentscheidung …


V ZB 168/13 (Bundesgerichtshof)


V ZB 189/11 (Bundesgerichtshof)


V ZB 222/11 (Bundesgerichtshof)


III ZB 55/11 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

V ZB 72/11

V ZB 236/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.