Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.02.2014, Az. X ZR 107/12

X. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 8018

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
X [X.]
Verkündet am:

11. Februar 2014

Wermes

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja

Kommunikationskanal
EPÜ Art. 88
Die Priorität einer Voranmeldung kann in Anspruch genommen werden, wenn sich die dort anhand eines Ausführungsbeispiels oder in sonstiger Weise beschriebenen technischen Anweisungen für den Fachmann als Ausgestaltung der in der [X.] umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellen und diese [X.] in der in der Nachanmeldung offenbarten Allgemeinheit bereits der Voranmeldung als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist.
[X.], Urteil vom 11. Februar 2014 -
X [X.] -
[X.]

-
2
-
Der X. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 11.
Februar 2014
durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr.
Meier-Beck, die Richter Dr. [X.], Hoffmann
und
Dr. [X.] sowie die Richterin Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23. Mai 2012 verkündete Urteil des 5.
Senats ([X.]) des [X.]. Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen
-
3
-
Tatbestand:
Die
Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 1
062
743 (Streitpatents). Das Streitpatent, das am 24.
Dezember 1999 angemeldet worden ist, nimmt die Priorität von vier [X.] Patentanmeldungen in Anspruch und umfasst sechs Ansprüche. Die nebengeordne-ten Ansprüche
1
und 4, auf die
die weiteren Ansprüche zurückbezogen sind, lauten in der Verfahrenssprache
wie folgt:
1.
A radio station for use in a radio communication system having a commu-nication channel between the radio station and a further station, [X.] an [X.], and a data channel for the transmission of data, [X.], [X.] power.
4.
A method of operating a radio station in a radio communication system having a communication channel between the radio station and a further station, the channel comprising an [X.], and a data channel for the trans-mission of data, [X.] loop power control and character-ized by delaying the initial transmission of the data channel until after the initial transmission of the control channels during which delay the closed loop power control is operable to adjust the control channel power.
Die Klägerin hat
das Streitpatent insgesamt
angegriffen
und geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streit-patent in der erteilten
Fassung sowie mit siebzehn Hilfsanträgen verteidigt.
Das Patentgericht hat das Streitpatent
für nichtig erklärt.
1
2
3
4
-
4
-
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Streitpatent wie in erster Instanz
verteidigt, wobei sie die [X.] bis [X.] in geänderter [X.] und nur weiter hilfsweise in der erstinstanzlichen Fassung weiter verfolgt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Streitpatent betrifft ein Funkkommunikationssystem mit primären und sekundären Stationen sowie eine Methode zum Betrieb eines solchen Systems.
1.
In der Beschreibung wird eingangs ausgeführt, dass es zwei grundlegen-de Arten von Kommunikation zwischen einer Basisstation und einer [X.] in einem Funkkommunikationssystem gibt. Dabei handele es sich einmal um Benutzer-verkehr, etwa Sprach-
oder Paketdaten,
zum anderen um Steuerinformationen, die erforderlich sind, um verschiedene Parameter des Übertragungskanals einzustellen
und zu überwachen, wodurch Basisstation und [X.] in die Lage versetzt wer-den, den [X.] abzuwickeln. Das Streitpatent geht dabei von Funkkom-munikationssystemen aus, in denen eine der Funktionen der Steuerinformation darin besteht, eine Leistungsregelung zu ermöglichen. Eine Regelung der Leistung ist in beide Richtungen erforderlich. Die Regelung der Leistung der [X.] soll si-cherstellen, dass die Basisstation die Signale verschiedener [X.]en auf etwa dem gleichen [X.] empfängt. Die Regelung der Leistung der Basisstation ist erforderlich, damit die [X.] die Daten mit geringer Fehlerquote erhält, zu-gleich aber Interferenzen mit anderen Funkzellen oder Funksystemen gering gehal-ten werden. Das Streitpatent legt insoweit einen Stand der Technik zugrunde, bei dem in einem Zweiwege-Funkkommunikationssystem die Leistungsregelung in ei-nem geschlossenen Regelkreis erfolgt, bei dem die [X.] erforderliche Ände-rungen der Übertragungsleistung der Basisstation bestimmt
und dieser signalisiert
und umgekehrt.
5
6
-
5
-
Ein Nachteil
dieser Technik besteht nach den Angaben der [X.] darin, dass beim Start der Übertragung oder nach einer Unterbrechung die Leis-tungsregelung eine gewisse [X.] in Anspruch nimmt, während der es zu Störungen der Datenübertragung kommen kann. Ist die Leistung zu niedrig, kommen die Daten beschädigt an, ist sie zu hoch, werden unerwünschte Interferenzen hervorgerufen.
Das technische Problem besteht mithin darin, die dargestellten Schwierigkei-ten zu beheben.
2.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent in Anspruch 1
eine Vorrichtung vor,
die folgende Merkmale aufweist
(Gliederung des Patentgerichts in Klammern)
1.
einen Kanal zur Kommunikation zwischen der Funkstation und ei-ner weiteren Station (1a), umfassend
1.1
einen Uplink-
und einen Downlink-[X.] zur [X.] (1b) und
1.2
einen [X.] zur Übertragung von Daten (1c);
2.
Mittel zur Verzögerung des Beginns der Übertragung im [X.] bis nach dem Beginn der Übertragung in den [X.]n (1e) und
3.
Mittel zur Leistungsregelung mit einem geschlossenen Regelkreis (closed loop power control means, 1d), die
3.1
die Leistung der Steuer-
und [X.] anpassen (1d) und
3.2
während der Verzögerung die [X.]leistung anpassen können (is operable to adjust the control channel power, 1f).
3.
Zur Bedeutung der Merkmale
ist zu bemerken:
Die Vorrichtung wird in einem Funkkommunikationssystem verwendet, das ei-nen Kommunikationskanal zwischen einer Funkstation und einer weiteren Station aufweist. Dieser Kommunikationskanal umfasst zwei [X.] und (mindestens) einen
[X.]. Der [X.] dient zur Übertragung von Steuerinformationen. Dabei handelt es sich nach dem Sprachgebrauch des Streitpatents um Signale, die benötigt werden, um die Parameter des Übertragungskanals einzustellen und zu 7
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10
11
-
6
-
überwachen, die die Datenübermittlung
per Funk ermöglichen. Zu diesen [X.] zählen insbesondere
Signale zur Leistungsregelung. Über den [X.] wird lediglich gesagt, dass er der Übertragung von Daten dient. Der [X.] ist zu entnehmen, dass damit jedenfalls auch Nutzerdaten, etwa Sprach-, Text-
oder Bilddaten gemeint sind.
Nähere Angaben über die Gestaltung der Kanäle enthält das Streitpatent nicht. Unter einem Kanal im Bereich der Funkkommunikation ist aus fachlicher Sicht ein Weg zur Übertragung von Signalen von einer Funkstation an eine andere zu [X.]. Verschiedene Kanäle müssen danach nicht notwendig physikalisch [X.] werden, etwa in der Weise, dass sie verschiedene Frequenzen in Anspruch nehmen. Die Trennung kann auch auf andere Weise erfolgen, etwa durch Zuweisung unterschiedlicher [X.]schlitze
auf einer bestimmten Frequenz, durch unterschiedliche Gestaltung der übermittelten Daten mittels spezifischer Angaben in einem Header, durch die Verwendung eines für das jeweilige Teilnehmergerät spezifischen Spreizcodes oder dergleichen mehr, sofern gewährleistet wird, dass der jeweilige Empfänger die übermittelten Daten von anderen, auf einem anderen Übertragungs-weg übermittelten Daten unterscheiden kann.
Die vorgesehenen Mittel zur Leistungsregelung arbeiten in einem geschlosse-nen Regelkreis (Merkmal 3), d.h. dass auf der Grundlage des übertragenen [X.] eine Rückkoppelung von der empfangenden Funkstation an die sen-dende Funkstation erfolgt, die Informationen darüber liefert, ob eine
Änderung der Leistung erforderlich ist.
Sie dienen der Regelung der Leistung sowohl der [X.] als auch des [X.]s
(Merkmal 3.1). Dabei ist für den Beginn der Übertra-gung vorgesehen, dass die Übertragung im [X.] verzögert erfolgt, also [X.] nur über die [X.] Daten (Steuerinformationen) übertragen werden
(Merkmal 2). Die
durch diese Verzögerung gewonnene [X.]spanne wird genutzt, um die Leistung des
[X.]s zu regeln
(Merkmal 3.2). Der Anspruch trifft
unmittel-bar
keine Aussage darüber, ob und auf welche Weise sich die Regelung der Leistung des [X.]s auf die Leistung des [X.]s auswirkt. Der Umstand, dass
das 12
13
-
7
-
Streitpatent darauf zielt, die Probleme zu lösen, die sich aus einer unzureichenden Regelung hinsichtlich der Qualität der Übertragung von Daten ergeben, spricht [X.] dafür, dass die in Merkmal 3.2
beschriebene Leistungsregelung -
auf eine
im Streitpatent
nicht näher beschriebene Weise -
auch für die Übertragungsleistung des [X.]s genutzt wird. Denn anderenfalls wäre die Übertragung der für den [X.] im Vordergrund stehenden Daten weiterhin gefährdet. Dem entspricht es, dass in Absatz 18 der
[X.]
ausgeführt wird, der mit der Übermittlung zusätzli-cher Steuerinformationen verbundene Aufwand
werde dadurch ausgeglichen, dass die Nutzerdaten, die über den [X.] an die Basisstation übertragen werden, in besserer
Qualität empfangen werden.
II.
Das Patentgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung sei nicht patentfä-hig.
Das Streitpatent könne lediglich die Priorität der [X.] Patentanmeldung
9
922
575 ([X.]) vom 24. September 1999 in Anspruch nehmen, nicht jedoch [X.] aus den [X.] Patentanmeldungen
9
900
910, 9
911
622 und 9
915
569 ([X.] bis [X.]). Diese enthielten für den Fachmann explizite Aussagen dahin, dass es sich bei dem Kommunikationskanal um einen [X.] handele und über die [X.] Leistungssteuerungs-
und [X.] übertragen würden. In dem erteilten Patentanspruch 1 werde demgegenüber allgemein ein Kommunikationskanal beansprucht, bei dem nicht nä-her spezifizierte Steuerinformationen über die [X.] übertragen werden. [X.] handele es sich bei dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht um dieselbe Erfindung wie diejenige, die [X.] bis [X.] zu entnehmen sei.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seien die
Beiträge "[X.]"
und "[X.]"
des Unternehmens [X.] ([X.] und [X.])
bereits vor dem Prioritätszeitpunkt, im Rahmen einer Konferenz, die von 1. bis 4.
Juni 1999 in [X.] den Mitgliedern der 3GPP-14
15
16
17
-
8
-
Gremien und damit einem Querschnitt der bedeutendsten Unternehmen auf dem Gebiet der Mobilfunktechnologie ohne Verpflichtung zur Geheimhaltung bekannt ge-worden. [X.] nehme alle Merkmale des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung vorweg.
Das Streitpatent habe
auch in der Fassung der Hilfsanträge
keinen Bestand.

III.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Die Auf-fassung des Patentgerichts, die Beklagte könne die Priorität der [X.] Anmel-dung 9
900
910 ([X.]) nicht in Anspruch nehmen, trifft nicht zu.
1.
Bei Anmeldung eines [X.] Patents kann das Prioritätsrecht einer vorangegangenen Anmeldung nach Art. 87 Abs. 1 EPÜ in Anspruch genommen werden, wenn beide dieselbe Erfindung betreffen.
a)
Diese Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Senats erfüllt, wenn die mit der Nachanmeldung
beanspruchte Merkmalskombination in der [X.] in ihrer Gesamtheit als zu der angemeldeten Erfindung gehörend offen-bart ist ([X.], Urteil vom 11.
September 2001
X
ZR
168/98, [X.]Z 148, 383, 388

Luftverteiler; Urteil vom 30.
Januar 2008
X
ZR
107/04, [X.], 597, 599

[X.]). Der Gegenstand der beanspruchten Erfindung muss im Prio-ritätsdokument identisch offenbart sein; es muss sich um dieselbe Erfindung handeln ([X.], Beschluss vom 31. Mai 2001 -
G2/98,
GRUR Int. 2002, 80; [X.], Urteil vom 14.
Oktober 2003
X
ZR
4/00, [X.], 133, 135
Elektronische [X.]). Dabei ist die [X.] der ersten Anmeldung nicht auf die dort formulierten Ansprüche beschränkt, vielmehr ist dieser aus der Gesamt-heit der Anmeldeunterlagen zu ermitteln.
b)
Für die Beurteilung der identischen [X.] gelten die Prinzipien der Neuheitsprüfung
([X.], [X.], 133, 135
Elektronische Funktionseinheit).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist danach erforderlich, dass der Fachmann die im Anspruch bezeichnete technische
Lehre den Ursprungsunterlagen
18
19
20
21
22
-
9
-
"unmittelbar und eindeutig" ([X.], Urteil vom 11. September 2001 -
X [X.], [X.]Z 148, 383, 389 -
Luftverteiler; Urteil vom 8. Juli 2010 -
Xa [X.], [X.], 910, Rn. 62 -
Fälschungssicheres Dokument; Urteil vom 14. August 2012

X
ZR 3/10, [X.], 1133 Rn. 31 -
UV-unempfindliche Druckplatte)
als mögli-che Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann ([X.],
Beschluss vom 11. Sep-tember 2001 -
X ZB 18/00, GRUR 2002, 49, 51 -
Drehmomentübertragungseinrich-tung; Urteil vom 18. Februar 2010 -
Xa [X.], [X.], 599 Rn. 22, 24

Formteil). Zu ermitteln ist mithin, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der gegebenen allgemeinen Lehre entnimmt ([X.], Urteil vom 16. [X.] -
X [X.], [X.]Z 179, 168 Rn. 25 -
Olanzapin).
Maßgeblich ist da-bei das Verständnis des Fachmanns zum [X.]punkt der Einreichung der [X.] Patentanmeldung ([X.],
[X.], 133, 135 -
Elektronische Funktionseinheit).
c)
Das Erfordernis einer unmittelbaren und eindeutigen [X.] muss dabei in einer Weise angewendet werden, die berücksichtigt, dass die Ermittlung dessen, was dem Fachmann als Erfindung und was als Ausführungsbeispiel der Er-findung offenbart wird, wertenden Charakter hat,
und eine unangemessene
Be-schränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des [X.]sgehalts der Vo-ranmeldung
vermeidet.
Insoweit ist zugrunde
zu legen, dass das Interesse des [X.] regelmäßig erkennbar darauf gerichtet ist, möglichst breiten Schutz zu er-langen, also die Erfindung in möglichst allgemeiner Weise vorzustellen
und nicht auf aufgezeigte Anwendungsbeispiele zu beschränken. Soweit in der Anmeldung bereits Ansprüche formuliert sind, haben diese vorläufigen Charakter. Erst im Verlauf des sich anschließenden Prüfungsverfahrens ist herauszuarbeiten, was unter [X.] schutzfähig ist
und für welche Ansprüche der Anmelder Schutz begehrt.
Erst mit der Erteilung des Patents mit bestimmten Ansprü-chen erfolgt eine endgültige Festlegung des Schutzgegenstands.
aa)
Dieser Gesichtspunkt liegt der Rechtsprechung des Senats zugrunde, wo-nach bei der Ausschöpfung des [X.]sgehalts auch Verallgemeinerungen 23
24
-
10
-
ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele zugelassen werden. Danach ist ein "breit" formulierter
Anspruch unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung jedenfalls dann unbedenklich, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes [X.] der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung -
sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen -
als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist ([X.], Urteil vom 17. Juli 2012 -
X [X.], [X.]Z 194, 107 Rn. 52 -
Polymerschaum). Solche Verallgemeinerungen sind vornehmlich dann zugelassen worden, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusammengenommen, aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines oder nur einzelne in den Anspruch aufgenommen worden sind (ständige Rechtspre-chung seit [X.], Beschluss vom 23. Januar 1990 -
X [X.], [X.]Z 110, 123, 126

Spleißkammer;
aus jüngerer [X.]
[X.]Z 194, 107 Rn. 52 -
Polymerschaum; [X.],
[X.], 1133 Rn. 31 f. -
UV-unempfindliche Druckplatte).
[X.])
Nach vergleichbaren Maßgaben
ist die Prüfung vorzunehmen, ob der Ge-genstand der Erfindung im Prioritätsdokument identisch offenbart ist. Die Priorität einer Voranmeldung kann in Anspruch genommen werden, wenn sich die dort an-hand eines
Ausführungsbeispiels
oder in sonstiger Weise beschriebenen Anweisun-gen für den Fachmann als Ausgestaltung der in der Nachanmeldung umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellen und diese Lehre in der in der [X.] offenbarten Allgemeinheit bereits der Voranmeldung als zu der angemelde-ten Erfindung gehörend entnehmbar ist.
2.
Danach
kann die Beklagte die Priorität der [X.] in Anspruch nehmen.
a)
Die Beschreibung des Prioritätsdokuments [X.] erwähnt zunächst ganz allgemein, dass die Erfindung ein Funkkommunikationssystem betreffe und im [X.] zwar unter Bezugnahme auf das aufkommende UMTS-System beschrieben 25
26
27
-
11
-
sei, es sich aber verstehe, dass sie gleichermaßen für andere [X.] ge-eignet sei. Im folgenden Absatz werden in gleicher Allgemeinheit der Nutzerdaten-verkehr (user traffic) und die Übermittlung von Steuerinformationen (control informa-tion) erörtert. Zu
dieser erläutert der dritte Absatz, dass eine Funktion der [X.] bei vielen Kommunikationssystemen darin bestehe, eine Leistungssteu-erung (in einem geschlossenen Regelkreis) zu ermöglichen. Sodann wird ausgeführt, welche Bedeutung der Leistungssteuerung in [X.]n sowohl für die [X.] als auch für die [X.]en zukommt.
Als Beispiel eines kombinierten zeit-
und frequenzgesteuerten Mehrfachzu-griffssystems
mit einer Leistungssteuerung ("An example of a combined time and frequency division access system employing power control") nennt die Beschreibung das GSM-System, und fügt unter Verweis auf eine US-Patentschrift an, in ähnlicher Weise sei eine Leistungssteuerung für ein Codemultiplexsystem mit Frequenzsprei-zung (spread spectrum Code Division Multiple Access [CDMA]) beschrieben.
Die Beschreibung des Nachteils der bekannten Lösungen und der hieraus ab-geleiteten Aufgabe ist -
wie im Streitpatent -
ganz allgemein dahin formuliert, dass die Regelkreise einige [X.] benötigten, die Leistungsstärke hinreichend präzise ein-zuregeln.
b)
Die erste erfindungsgemäße Lösung soll nach der Anspruch 1 der Anmel-dung wiedergebenden Beschreibung darin bestehen, dass bei einem Funkkommuni-kationssystem mit einer Primär-
und einer Vielzahl von Sekundärstationen mit einem [X.]kanal (frequency division duplex communication channel) zwischen Primär-
und Sekundärstation, der einen Uplink-
und einen Downlink-[X.] zur Übertragung von Leistungssteuerungs-
und [X.] sowie einen [X.] zur Übertragung von Datenpaketen umfasse, und mit [X.] zur schrittweisen Veränderung der Leistung der Steuer-
und [X.] die
Größe der Schritte variiert werden könne. Die zweite [X.] soll

in Übereinstimmung mit Anspruch 5 der Anmeldung

darin 28
29
30
-
12
-
bestehen, dass bei einem (mit Ausnahme der entfallenen Leistungssteuerungsmittel zur schrittweisen Veränderung der Leistung der Steuer-
und [X.]) wortgleich beschriebenen System die Primär-
und Sekundärstationen Mittel zur Verzögerung des Beginns der Übertragung auf dem [X.] gegenüber der Übertragung auf den [X.]n aufweisen.
Unter Bezugnahme auf Figur 1 wird sodann ein Ausführungsbeispiel [X.], von dem es heißt, es umfasse ein Funkkommunikationssystem, das in einem [X.] arbeiten könne. Figur 2 zeigt schematisch ein her-kömmliches Modell zum Aufbau einer Kommunikationsverbindung, wie es, so die Beschreibung, eine [X.] nutze. Anhand dieses Modells wird wie-derum das Problem der Verzögerung bei der [X.] beschrieben, dessen Lösung durch einen verzögerten Beginn der Übertragung auf dem [X.] an-hand der Figur 3 erläutert wird. Unter Rückgriff auf Figur 4 wird die zweite Lösung einer variablen Schrittgröße bei der [X.] erklärt. Abschließend heißt es, Ausführungsformen der Erfindung seien unter Verwendung von Frequenzsprei-zungsverfahren beschrieben worden, wie sie etwa in [X.]en ein-gesetzt würden; es verstehe sich jedoch, dass die Erfindung nicht auf den Einsatz in [X.] beschränkt sei.
c)
Weder die Problembeschreibung noch die unter Bezugnahme auf die Fi-guren näher erläuterten Ausführungsbeispiele weisen damit einen konkreten Bezug zu der Ausgestaltung des [X.] als [X.] oder zu dem Umstand auf, dass auf dem [X.] auch [X.] übertragen werden. Die Bitrateninformation
wird überhaupt nur bei der Wiedergabe des Wortlauts der angemeldeten Ansprüche erwähnt. Auf den [X.] kommt zwar, wie ausgeführt, die Beschreibung der Ausführungsbeispiele zurück; ein Zusammenhang mit den beanspruchten Lösungen des geschilderten technischen Problems, den Schwierigkeiten einer rechtzeitigen [X.] durch eine Va-riation der [X.] oder durch eine Verzögerung des Beginns der Über-tragung auf dem [X.] zu begegnen, wird jedoch nicht hergestellt. Weder ist 31
32
-
13
-
irgendein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass sich das Problem der [X.] nur oder doch zumindest in einer besonderen Ausprägung bei einem Funk-kommunikationssystem mit einem [X.] stelle, noch gibt es Hinweise darauf, dass die Wahl eines solchen Kanals in [X.] zur Lösung dieses Problems beiträgt. Entsprechendes gilt für die Ausge-staltung des [X.]s in der Weise, dass er auch der Übertragung von Bitraten-informationen dient.
d)
Danach
ist für den Fachmann, der sich die Frage vorlegt, welche techni-sche Lehre zur Lösung des geschilderten technischen Problems er dem [X.] entnehmen kann, ohne weiteres ersichtlich, dass bereits in der [X.] die all-gemeine technische Lehre offenbart wird, bei einem Funkkommunikationssystem mit Uplink-
und Downlink-[X.] zur Übertragung von Steuerinformationen die an sich bekannten Mittel zur Leistungsregelung mit einem geschlossenen Regelkreis vorteilhafterweise so zu nutzen, dass Mittel zur Verzögerung des Beginns der Über-tragung im [X.] bis nach Beginn der Übertragung in den [X.]n vor-gesehen werden, damit während dieser Verzögerung die [X.]leistung ange-passt werden kann. Zugleich liegt damit für ihn auf der Hand, dass diese allgemeine Lehre lediglich beispielhaft anhand einer üblichen Ausgestaltung eines solchen Funkkommunikationssystems erläutert wird, bei dem der Kommunikationskanal als [X.] ausgebildet ist und der [X.] auch der Über-tragung von [X.] dient.
e)
Dieser Beurteilung stehen die Feststellungen des Patentgerichts nicht entgegen, das lediglich ausführt, das Prioritätsdokument enthalte "explizite Aussagen bezüglich der Ausgestaltung des [X.]", und der Fachmann werde den übrigen Inhalt der Beschreibung hierauf beziehen. Aus seinen
Feststellungen ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Ausgestaltung des Kommunika-tionskanals als [X.] oder die Wahl eines [X.]s, in dem auch [X.] übertragen werden können, zu der Lösung des in 33
34
-
14
-
[X.] behandelten technischen Problems der Leistungssteuerung etwas beitragen, geschweige denn, dass sie hierfür erforderlich wären.
f)
Das
Streitpatent nimmt deshalb, entgegen der Auffassung des Patentge-richts, die Priorität der [X.] vom 16. Januar 1999 zu Recht in Anspruch. Danach ha-ben die Entgegenhaltungen [X.], [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.], die nach dem Vorbringen der Klägerin erst im Frühjahr 1999 veröffentlicht worden sind, bei der Beurteilung der Patentfähigkeit außer Betracht zu bleiben. Die Entscheidung des Patentgerichts, das der Klage mit der Begründung stattgegeben hat, der Gegenstand der Patentansprüche 1 und 4 sei durch [X.] und [X.] vorweggenommen, kann mithin keinen Bestand haben.
[X.].
Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als
im Ergebnis
zutreffend.
1.
Die [X.] Patentschrift
5
841
768 ([X.]) nimmt den Gegenstand von Patentanspruch
1 weder vorweg noch legt sie ihn nahe.
Zwar befasst sich [X.] mit der Regelung der Übertragungsleistung in einem Funkkommunikationssystem beim Aufbau einer Verbindung. In der dort behandelten frühen Phase
des Verbindungsaufbaus erfolgt dies jedoch
nicht mit Mitteln zur Leis-tungsregelung in einem geschlossenen Regelkreis. Wie der Beschreibung zu ent-nehmen ist (Sp.
6,
Z.
56
ff.) werden solche Mittel
erst zu einem späteren [X.]punkt eingesetzt, nämlich erst dann, wenn das in [X.] vorgeschlagene Verfahren bereits beendet ist. Die [X.], die die auch vom Streitpatent als bekannt vorausgesetzten und den Ausgangspunkt der erfindungsgemäßen Lösung bildenden [X.]smittel unter Bezugnahme auf die in der [X.] ebenfalls erörterte US-Patentschrift 5
056
109 als Mittel der [X.] erwähnt, aber als wenig geeignet ablehnt (Sp.
2,. Z.
42
bis 62), schlägt statt dessen eine andere
Lösung vor. Sie setzt in einem frühen Stadium des Verbindungsaufbaus
ein, in dem eine Leis-tungsregelungsschleife noch nicht eingerichtet worden ist (Sp.
2,
Z.
27
bis 30) und ein Kommunikationskanal noch nicht besteht, sondern erst aufgebaut wird (Abstract, 35
36
37
38
-
15
-
Z.
2, Sp.
3, Z.
8, Sp.
4, Z.
56, Sp.
5, Z.
45 bis 48 und Z.
60; Sp.
8,
Z.
60 sowie
Fi-gur
11B). Demgegenüber befasst sich das Streitpatent mit einem Stadium des (Wie-der-)Aufbaus einer Verbindung, in dem bereits ein Kommunikationskanal eingerichtet worden ist. Der Umstand, dass auch schon in dem früheren Stadium des [X.], das Gegenstand der [X.] ist, Signale zwischen der [X.] und der Basisstation ausgetauscht werden (request
und acknowledgment), lässt nicht den Schluss zu, dass schon ein Kommunikationskanal bzw. ein [X.] einge-richtet worden ist. Die entsprechenden Signale werden vielmehr auf einem gemein-sam genutzten Kanal (random access channel
-
RACH) übertragen.
[X.] ist
demgemäß
nicht zu entnehmen, dass dort Mittel vorgesehen sind, die eine Verzögerung des Beginns der Übertragung im [X.] zu einem [X.]punkt bewirken, in dem bereits [X.] eingerichtet sind, auf denen die Übertragung schon
aufgenommen wird (Merkmal
2). Die Entgegenhaltung
befasst sich auch nicht mit Mitteln zur Regelung der Übertragungsleistung gerade in diesem [X.]raum nach Einrichtung der [X.], aber vor Beginn der Übertragung im [X.] (Merkmal
3.2) und kann hierzu auch keine Anregung geben.
2.
Auf die "[X.]"
in der [X.] ([X.]), die im ersten Rechtszug eingeführt worden war, ist die Klägerin nicht mehr zurückgekommen, nachdem die Beklagte vorgetragen hatte, sie sei nicht veröf-fentlicht worden.
39
40
-
16
-
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
121 Abs.
2 [X.] und §
91 Abs.
1 ZPO.

Meier-Beck
[X.]
Hoffmann

[X.]
Kober-Dehm
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 23.05.2012 -
5 Ni 22/10 (EP) -

41

Meta

X ZR 107/12

11.02.2014

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.02.2014, Az. X ZR 107/12 (REWIS RS 2014, 8018)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8018

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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