Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.11.2011, Az. I ZR 206/10

1. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1111

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BUNDESGERICHTSHOF (BGH) GEWERBLICHER RECHTSSCHUTZ MARKENRECHT MODE PLAGIAT

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Gegenstand

Vorabentscheidungsersuchen zur Auslegung der Gemeinschaftsmarkenverordnung: Rechtserhaltende Benutzung einer Marke als Teil einer zusammengesetzten Marke - Stofffähnchen II


Leitsatz

Stofffähnchen II

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) 40/1994 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemein-schaftsmarke (ABl. EG Nr. L 11 vom 14. Januar 1994, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) 40/94 dahin auszulegen,

1. dass eine Marke, die Teil einer zusammengesetzten Marke ist und nur infolge der Benutzung der zusammengesetzten Marke Unterschei-dungskraft erlangt hat, rechtserhaltend benutzt sein kann, wenn nur die zusammengesetzte Marke Verwendung findet;

2. dass eine Marke rechtserhaltend benutzt wird, wenn sie nur zusammen mit einer weiteren Marke verwendet wird, das Publikum in den zwei Marken selbständige Kennzeichen sieht und beide Marken zusammen zusätzlich als Marke eingetragen sind?

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem [X.] werden zur Auslegung des Art. 15 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) 40/1994 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke ([X.]. [X.] Nr. L 11 vom 14. Januar 1994, [X.]) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 15 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) 40/94 dahin auszulegen,

1. dass eine Marke, die Teil einer zusammengesetzten Marke ist und nur infolge der Benutzung der zusammengesetzten Marke Unterscheidungskraft erlangt hat, rechtserhaltend benutzt sein kann, wenn nur die zusammengesetzte Marke Verwendung findet;

2. dass eine Marke rechtserhaltend benutzt wird, wenn sie nur zusammen mit einer weiteren Marke verwendet wird, das Publikum in den zwei Marken selbständige Kennzeichen sieht und beide Marken zusammen zusätzlich als Marke eingetragen sind?

Gründe

1

I. Die Klägerin, die [X.], ist Inhaberin der am 1. September 2000 unter anderem für Bekleidungsstücke eingetragenen [X.]sbildmarke Nr. 112 862 (nachfolgend [X.] 1) und der gleich gestalteten [X.] Bildmarke Nr. 2 914 002, eingetragen am 21. Oktober 1998 für [X.] (nachfolgend [X.] 2):

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2

Die Klägerin ist weiterhin Inhaberin der folgenden Marken:

- der am 12. Januar 1977 für Hosen, Hemden, Blusen und Jacken für Herren, [X.] und Kinder eingetragenen [X.] Wort/Bildmarke Nr. [X.] 641 687, die in dem roten rechteckigen Bestandteil am linken oberen Rand den Wortbestandteil „[X.]“ aufweist ([X.] 3):

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- der farbigen, am 23. Juni 1965 für Bekleidungsstücke eingetragenen [X.] Wort-/Bildmarke Nr. 805 774, die ein skizziert dargestelltes Stück Stoff mit einem „[X.]“ und der Aufschrift „[X.]“ zeigt ([X.] 4):

Abbildung

- der am 17. Dezember 1965 für Bekleidungsstücke eingetragenen [X.] Wort-/Bildmarke Nr. 813 729, die aus einem an ein Stück Stoff angenähten „[X.]“ ebenfalls mit der Aufschrift „[X.]“ besteht ([X.] 5):

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- der mit Priorität vom 5. Juli 2001 am 10. Februar 2005 für Hosen eingetragenen farbigen (rot, blau) [X.]sbildmarke Nr. 2 292 373, die nach der Beschreibung im Register eine [X.] ist und aus einem roten rechteckigen Label aus textilem Material besteht, das oben links in die Gesäßtasche von Hosen, Shorts oder Röcken eingenäht ist und aus der Naht hervorsteht. Die Eintragung enthält den [X.], dass kein Ausschließlichkeitsanspruch auf Form und Farbe der Tasche per se erhoben wird ([X.] 6):

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- der am 16. März 2005 mit Priorität vom 1. April 1996 eingetragenen [X.]sbildmarke Nr. 65318. Diese wird im Register beschrieben als aus einem rechteckigen Etikett aus textilem Material bestehend, das abstehend oben in den linken Saum der Gesäßtasche von Hosen, Shorts oder Röcken eingenäht wird ([X.] 7):

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- der am 6. Februar 2008 (Priorität 5. Juli 2001) eingetragenen [X.]sbildmarke Nr. 2 287 613, bei der es sich nach der Registereintragung um eine Bildmarke ([X.]) handelt, die aus einem rechteckigen Etikett aus textilem Material besteht, das abstehend oben in den linken Saum der Gesäßtasche von Hosen, Shorts oder Röcken eingenäht wird. Die Eintragung enthält den [X.], dass auf die Form des Rechtecks als solches kein Ausschließlichkeitsanspruch erhoben wird ([X.] 8):

Abbildung

3

Die Beklagte betreibt einen Einzelhandel mit Oberbekleidung. Sie brachte seit November 2002 Jeans der Marken „[X.]“, „S. MALIK“ und „[X.]“ auf den Markt. Diese sind in der im Klageantrag wiedergegebenen Aufmachung an der rechten Gesäßtasche mit roten, rechteckigen [X.] versehen, die an der rechten Außennaht im oberen Drittel der Tasche eingenäht sind und auf denen die jeweiligen Marken beziehungsweise die Bezeichnung „[X.]“ wiedergegeben sind.

4

Die Klägerin hat geltend gemacht, das rote [X.] werde vom inländischen Verkehr aufgrund langjähriger intensiver Benutzung als Hinweis auf die Herkunft der Jeans aus ihrem Hause verstanden. An dem als „Red [X.]“ bezeichneten roten [X.] habe sie zudem markenrechtlichen Schutz als Benutzungsmarke ([X.] 9) erlangt. Bei den von der Beklagten vertriebenen Aufmachungen werde das rote [X.] markenmäßig benutzt und verletze ihre Markenrechte.

5

Die Klägerin hat - soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, [X.] anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu diesem Zweck zu besitzen, die gemäß folgenden Abbildungen mit einem roten, an der Außennaht der Gesäßtasche angebrachten rechteckigen [X.] versehen sind

a) es folgt die Abbildung einer blauen [X.] mit rotem [X.] an der rechten Außennaht, auf dem [X.] steht „[X.]“:

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b) es folgt die Abbildung einer blauen [X.] mit rotem [X.] an der rechten Außennaht, auf dem [X.] steht „SM. [X.]“:

Abbildung

c) es folgt die Abbildung einer blaugrundig-längsgestreiften [X.] mit rotem [X.] an der rechten Außennaht, auf dem [X.] befindet sich die Aufschrift „[X.]“:

Abbildung

2. der Beklagten für den Fall des Verstoßes gegen die in Ziffer 1 ausgesprochenen Verpflichtungen bestimmte Ordnungsmittel anzudrohen.

6

Die Beklagte hat geltend gemacht, die angegriffenen Ausführungsformen hätten nur dekorativen Charakter. Bei einer Vielzahl von Jeans-Modellen anderer Hersteller werde an der rechten Gesäßtasche ein rotes [X.] angebracht. Der Schutzumfang der als [X.]n eingetragenen Bildmarken der Klägerin sei eng bemessen. Die Beklagte hat die Einrede mangelnder Benutzung der [X.] erhoben.

7

Das [X.] hat die Beklagte nach den [X.] zu 1 und 2 verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Auf die Revision der Beklagten hat der [X.] diese Entscheidung aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen ([X.], Urteil vom 5. November 2008 - [X.], [X.], 766 = [X.], 831 - [X.] I). Das Berufungsgericht hat die Berufung erneut zurückgewiesen.

8

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

9

II. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Artikels 15 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) 40/1994 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die [X.]smarke ([X.]. [X.] Nr. L 11 vom 14. Januar 1994, [X.] - nachfolgend [X.]) ab. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 A[X.]V eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] einzuholen.

1. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Unterlassungsanspruch aufgrund der [X.] 2 und 3 nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 [X.] und aufgrund der [X.] 6 aus Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b [X.] für gegeben erachtet. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Zwischen der [X.] 6 und den angegriffenen Ausstattungen bestehe Verwechslungsgefahr. Die Marke habe aufgrund ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt und sei nach Art. 7 Abs. 3 [X.] eingetragen. Sie verfüge über gesteigerte, jedenfalls über durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Dies folge aus dem von der Klägerin vorgelegten demoskopischen Gutachten aus dem Jahre 2009. Das Zeichen der Klägerin habe sich zu einem [X.] mit hohem Wiedererkennungswert entwickelt. Nach dem Gutachten verfüge die in Rede stehende Marke bei Jeansträgern und -käufern über einen Bekanntheitsgrad von 65,1%, einen Kennzeichnungsgrad von 40,3% und einen Zuordnungsgrad von 25,7%. Dies reiche für eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der [X.] 6 aus.

Die Beklagte verwende das Fähnchen in den drei Beanstandungsformen markenmäßig. Der Verkehr sehe in dem roten Fähnchen an der linken Seitennaht der Gesäßtasche an Textilien der Klägerin einen Herkunftshinweis. Entsprechendes gelte, wenn das rote Fähnchen an der oberen Seitennaht der Gesäßtasche rechts angebracht sei, wie dies bei den angegriffenen Aufmachungen der Fall sei.

Bei bestehender Warenidentität und gesteigerter Kennzeichnungskraft der [X.] sei im Hinblick auf die große Zeichenähnlichkeit zwischen der [X.] 6 und den angegriffenen Aufmachungen von Verwechslungsgefahr auszugehen. Der Unterschied zwischen den [X.] bestehe nur in der unterschiedlichen Anbringung links oder rechts der Seitennaht. Würden die Jeans getragen, seien die Schriftzüge von dritten Personen nicht näher wahrnehmbar.

Die Klägerin habe die [X.] 6 rechtserhaltend im Sinne von Art. 15 Abs. 1 [X.] benutzt. Die [X.] werde zwar nur mit der Beschriftung „[X.]“ und damit in der Form der [X.] 3 rechtserhaltend benutzt. Dies stehe einer rechtserhaltenden Benutzung im Sinne von Art. 15 [X.] aber nicht entgegen, weil die [X.] 6 infolge erworbener Unterscheidungskraft eingetragen sei und vom Publikum als unterscheidungskräftig angesehen werde.

Die Klage sei auch aus den [X.] [X.] 2 und 3 begründet. Deren Gesamteindruck werde durch das rote Fähnchen maßgeblich mitbestimmt. Aus den für die [X.] 6 geltenden Gründen bestehe auch zwischen den [X.] 2 und 3 einerseits und den angegriffenen Aufmachungen andererseits Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 [X.].

2. Die Klägerin hat ihr Klagebegehren in erster Linie auf einen Unterlassungsanspruch aus der [X.]sbildmarke Nr. 2 292 373 ([X.] 6) und hilfsweise in der Reihenfolge der Nummerierung auf die weiteren [X.] 1 bis 5 und 7 bis 9 gestützt. Es ist deshalb zunächst abschließend über den Anspruch aus der [X.] 6 zu entscheiden. Nur wenn der Klägerin der gegen die Beklagte geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach Art. 98 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b [X.] aufgrund der [X.] 6 nicht zusteht, ist über das Verbot aufgrund der weiteren Marken der Klägerin zu befinden.

3. Der [X.] möchte eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr zwischen der [X.] 6 und den angegriffenen Aufmachungen bejahen (Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b [X.]). Für die Beurteilung des Streitfalls kommt es daher auf die Frage an, ob die [X.] 6 rechtserhaltend im Sinne von Art. 15 Abs. 1 [X.] benutzt worden ist. Nach dieser Bestimmung unterliegt die [X.]smarke den in dieser Verordnung vorgesehenen Sanktionen, wenn der Inhaber die [X.]smarke für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb von fünf Jahren, gerechnet von der Eintragung an, nicht ernsthaft in der [X.] benutzt hat, es sei denn, es liegen berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vor. Zu den Sanktionen zählt der Verfall der [X.]smarke nach Art. 50 Abs. 1 Buchst. a [X.]. Den Verfall der [X.]smarke kann die Beklagte im vorliegenden Verfahren dem Unterlassungsanspruch der Klägerin entgegenhalten (Art. 92 Buchst. a i.V.m. Art. 95 Abs. 3 [X.]). Die Vorschriften entsprechen Art. 15 Abs. 1 Satz 1, Art. 51 Abs. 1 Buchst. a, Art. 96 Buchst. a und Art. 99 Abs. 3 der Verordnung ([X.]) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die [X.]smarke ([X.]. [X.] Nr. L 78 vom 24. März 2009, [X.]), die an die Stelle der Verordnung ([X.]) 40/94 getreten ist. Im vorliegenden Rechtsstreit findet jedoch im Hinblick auf den für die Beurteilung des Sachverhalts maßgeblichen Zeitraum, der vor dem Inkrafttreten der Verordnung ([X.]) 207/09 am 13. April 2009 liegt, die Verordnung ([X.]) 40/94 Anwendung (vgl. [X.], Urteil vom 22. September 2011 - [X.]/09, [X.], 1550 Rn. 3 - Interflora/[X.] & Spencer).

a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist die [X.] am 10. Februar 2005 eingetragen worden. Die Marke ist daher verfallen, wenn sie nicht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 18. Februar 2010 rechtserhaltend im Sinne von Art. 15 Abs. 1 und 2 [X.] benutzt worden ist.

Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Klägerin die [X.] 6 nur in der ebenfalls eingetragenen Form der [X.] Marke mit der Beschriftung „[X.]“ ([X.] 3) benutzt hat. Im Streitfall kommt es daher auf die Frage an, ob eine eingetragene Marke (Marke 1), die ein Bestandteil einer anderen Marke (Marke 2) ist und infolge der Benutzung der anderen Marke (Marke 2) Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 3 [X.] erlangt hat, durch Verwendung der anderen Marke (Marke 2) rechtserhaltend benutzt werden kann (Vorlagefrage 1). Ob dies der Fall ist, kann nicht als geklärt angesehen werden.

b) Der Gerichtshof der [X.] hat in der Entscheidung „[X.]/[X.] ([X.])“ angenommen, die Vorschriften über die rechtserhaltende Benutzung erlaubten es nicht, den einer Marke zukommenden Schutz mittels des Nachweises ihrer Benutzung auf eine andere eingetragene Marke, deren Benutzung nicht nachgewiesen ist, mit der Begründung auszuweiten, die letztgenannte Marke stelle nur eine leichte Abwandlung der erstgenannten Marke dar (Urteil vom 13. September 2007 - [X.]/06, [X.]. 2007, [X.] = [X.], 343 Rn. 82-86). Der [X.] hat hierzu dem Gerichtshof der [X.] zur Vorabentscheidung Fragen zu den Anforderungen an die rechtserhaltende Benutzung nach Art. 10 Abs. 1 und 2 Buchst. a der [X.]/[X.] vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ([X.]. [X.] Nr. L 40 vom 11. Februar 1989, [X.]) vorgelegt ([X.], Beschluss vom 17. August 2011 - [X.]/09 - [X.]). Von dem jenem Vorabentscheidungsverfahren zugrundeliegenden Sachverhalt unterscheidet sich der vorliegende Rechtsstreit dadurch, dass die [X.] 3 und 6 nicht nur in Bestandteilen voneinander abweichen, die die Unterscheidungskraft der Marken nicht beeinflussen. Die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 Buchst. a [X.] liegen daher nicht vor.

c) Für eine rechtserhaltende Benutzung der [X.] 6 durch eine der [X.] 3 entsprechende Zeichenform könnte sprechen, dass eine Marke Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 3 Abs. 3 der [X.]/[X.] durch Benutzung als Bestandteil einer eingetragenen Marke erlangen kann, ohne dass die Marke, deren Eintragung beantragt ist, eigenständig benutzt worden ist ([X.], Urteil vom 7. Juli 2005 - [X.], [X.]. 2005, [X.] = [X.], 763 Rn. 27 und 30 - [X.]/[X.] [HAVE A BREAK … HAVE A [X.]]). Zudem kann sich eine besondere Unterscheidungskraft einer Marke, die als Teil einer zusammengesetzten Marke anzusehen ist, aufgrund von Nachweisen für die Benutzung und Bekanntheit der zusammengesetzten Marke ergeben ([X.], Urteil vom 17. Juli 2008 - [X.]/06, [X.]. 2008, [X.] = [X.]. 2008, 830 Rn. 51 f. - [X.]/[X.]). Im Streitfall kommt in Betracht, dass die [X.] 6 Unterscheidungskraft durch Benutzung in einer Form erlangt hat, die der [X.] 3 oder den [X.] 1 und 2 entspricht.

Vor diesem Hintergrund ist aus Sicht des [X.]s auch auf das beachtenswerte Interesse der Markeninhaberin an einem effektiven Rechtsschutz im Verletzungsverfahren abzustellen. Dieses wird beeinträchtigt, wenn die Markeninhaberin durch die Verwendung der [X.] 3 nicht auch die [X.] 6 rechtserhaltend benutzen kann. Hat der Markeninhaber, der eine aus mehreren [X.]en zusammengesetzte Marke verwendet, nur diese komplexe Marke eintragen lassen, läuft er wegen einer geringen oder fehlenden Zeichenähnlichkeit Gefahr, in einem Verletzungsverfahren zu unterliegen, wenn das [X.] aus einem aus der komplexen Marke herausgelösten [X.] besteht und wenn dieser [X.] die komplexe Marke nicht prägt (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juli 1975 - [X.], [X.], 353, 354 - COLORBOY; Urteil vom 20. Januar 2011 - [X.], [X.], 824 Rn. 24 = [X.], 1157 - Kappa). Verfügt der Markeninhaber dagegen über einen gesonderten markenrechtlichen Schutz eines Bestandteils eines komplexen Zeichens, sind die Zeichenähnlichkeit und die Verwechslungsgefahr größer, wenn dieser Bestandteil sich in identischer oder ähnlicher Form im [X.] wiederfindet (vgl. EuG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - [X.]/03, [X.]. 2007, 520 Rn. 80, 92 und 96 - [X.]/[X.]).

Die Annahme, dass die [X.] 6 als Teil der [X.] 3 rechtserhaltend benutzt wird, steht auch mit Sinn und Zweck des Benutzungszwangs in Einklang. Dieser dient dazu, die Gesamtzahl der in der [X.] eingetragenen und geschützten Marken und damit die Anzahl der zwischen ihnen möglichen Konflikte zu verringern (vgl. Erwägungsgrund 9 der Richtlinie 2008/95/[X.] des Europäischen Parlaments und des [X.] über die Marken vom 22. Oktober 2008; vgl. auch Erwägungsgrund 9 [X.]). Da die [X.] 6 nur als Teil der - tatsächlich verwendeten - [X.] 3 eingetragen ist, besteht nicht die Gefahr, dass durch die Annahme der rechtserhaltenden Benutzung in der vorliegenden Fallkonstellation und in vergleichbaren Fällen die Anzahl der eingetragenen Marken wesentlich erhöht und das Register mit ungenutzten Marken belastet wird.

d) Im vorliegenden Revisionsverfahren ist zudem davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise aufgrund der umfangreichen Verwendung des roten Fähnchens beim Vertrieb von [X.] durch die Klägerin in diesem Gestaltungsmittel eine eigenständige von anderen [X.] unabhängige Kennzeichnungsfunktion sehen. Das kann die Annahme rechtfertigen, dass der Verkehr, der an das Vorhandensein von Zweitmarken gewöhnt ist, in dem der [X.] 6 entsprechenden roten Fähnchen und der Aufschrift „[X.]“ zwei Marken erblickt. In diesem Fall kommt in Betracht, dass durch die Verwendung des roten rechteckigen [X.]s mit der Aufschrift „[X.]“ sowohl die [X.] 6 als auch eine Wortmarke „[X.]“ rechtserhaltend benutzt worden sind, obwohl beide Marken auch in ihrer zusammengesetzten Form als [X.] eingetragen sind ([X.] 3). Dem [X.] stellt sich deshalb die Frage, ob eine Marke rechtserhaltend im Sinne von Art. 15 Abs. 1 [X.] benutzt werden kann, wenn sie nur zusammen mit einer weiteren Marke verwendet wird, das Publikum in den zwei Marken selbständige Kennzeichen sieht und beide Marken zusammen zusätzlich als Marke eingetragen sind (Vorlagefrage 2).

Der [X.] neigt dazu, in einer entsprechenden Fallkonstellation ebenfalls von einer rechtserhaltenden Benutzung auszugehen, weil der Markeninhaber auch an der Eintragung der [X.] ein gewichtiges Interesse hat. Lässt der Markeninhaber nur die einzelnen Bestandteile eines zusammengesetzten Zeichens als Marke eintragen, trägt er das Risiko, dass die Zeichenähnlichkeit zwischen jeder der als Marke eingetragenen [X.]e einerseits und einem zusammengesetzten [X.] andererseits geringer ist, als die Zeichenähnlichkeit zwischen einer aus den einzelnen [X.]en zusammengesetzten Marke und dem [X.].

[X.]                                        Büscher

                                Koch                                                 [X.]

Meta

I ZR 206/10

24.11.2011

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 18. November 2010, Az: 3 U 130/04

Art 15 Abs 1 EGV 40/94

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.11.2011, Az. I ZR 206/10 (REWIS RS 2011, 1111)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1111

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