Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13.01.2015, Az. 2 BvE 1/13

2. Senat | REWIS RS 2015, 17280

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Zur Antragsbefugnis politischer Parteien im Organstreitverfahren - hier: unzureichende Darlegung einer Verletzung des durch Art 21 GG begründeten verfassungsrechtlichen Status der Antragsteller


Gründe

1

Das mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene [X.]verfahren betrifft insgesamt 20 Anträge von acht nicht im [X.] vertretenen Parteien.

2

Die Antragsteller machen die Verletzung der verfassungsgemäßen Ordnung sowie die Missachtung internationaler Normen durch die Antragsgegner geltend. Hierzu führen sie 20 unterschiedliche Punkte an, in denen ihrer Auffassung nach die gegenwärtige Rechtslage und/oder -praxis mit Vorgaben des Grundgesetzes, der [X.] oder internationaler Organisationen nicht vereinbar ist. Gegenständlich beziehen sich die Begehren der Antragsteller auf wahlrechtliche (Anträge zu 1. und 13.), parteienrechtliche (Anträge zu 14. - 17.) und sonstige staatsorganisationsrechtliche Fragen (Anträge zu 2., 3., 7. - 11.). Hinzu kommt die Forderung nach der Ratifizierung der [X.] gegen Korruption sowie des Straf- und Zivilrechtsübereinkommens des [X.] (Anträge zu 4. - 6.). Außerdem begehren die Antragsteller die Abschaffung des [X.] (Antrag zu 12.), die Einstellung von [X.] (Antrag zu 18.), Kostenfreiheit des Zugangs zu allen Akten öffentlicher Dienststellen (Antrag zu 19.) und die Übertragung von Hoheitsrechten nur auf Einrichtungen, die [X.], rechtsstaatlichen, [X.] und föderativen Grundsätzen und dem Subsidiaritätsgrundsatz entsprechen (Antrag zu 20.).

3

Die Anträge sind bereits deshalb unzulässig, weil sie den Anforderungen des § 64 Abs. 1 [X.] nicht genügen.

4

1. Ein Antrag im [X.]verfahren ist gemäß § 64 Abs. 1 [X.] nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, dass er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. Bei dem [X.] handelt es sich um eine kontradiktorische Parteistreitigkeit (vgl. [X.] 126, 55 <67>). Er dient maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihren Teilen in einem Verfassungsrechtsverhältnis, hingegen nicht der Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns (vgl. [X.] 68, 1 <69 ff.>; 73, 1 <29 f.>; 80, 188 <212>; 104, 151 <193 f.>; 118, 244 <257>; 126, 55 <67 f.>; stRspr).

5

Politische Parteien können demgemäß im [X.] die Verletzung ihres durch Art. 21 Abs. 1 GG begründeten verfassungsrechtlichen Status durch eine Maßnahme oder Unterlassung eines anderen Verfassungsorgans geltend machen (vgl. [X.] 82, 322 <335>; 84, 290 <298>; 85, 264 <284>). Die Möglichkeit einer objektiven Beanstandungsklage eröffnet der [X.] demgegenüber nicht (vgl. [X.] 126, 55 <68>).

6

Für die Zulässigkeit eines [X.]verfahrens erforderlich, aber auch ausreichend ist es, dass die von dem Antragsteller behauptete Verletzung oder unmittelbare Gefährdung seiner verfassungsmäßigen Rechte unter Beachtung der vom [X.] entwickelten Maßstäbe nach dem vorgetragenen Sachverhalt möglich erscheint (vgl. [X.] 24, 252 <258 f.>; 80, 188 <209>; 94, 351 <362 f.>; 99, 19 <28>; 102, 224 <231 f.>; stRspr).

7

2. Dem genügen die vorliegenden Anträge nicht. Die Antragsteller legen die Möglichkeit einer Verletzung oder unmittelbaren Gefährdung ihres durch Art. 21 Abs. 1 GG begründeten verfassungsrechtlichen Status nicht nachvollziehbar dar. Dies ist auch nicht in sonstiger Weise ersichtlich.

8

Das gilt bereits hinsichtlich der Antragsgegenstände, die im Wahl- und Parteienrecht wurzeln. Eine Verletzung oder unmittelbare Gefährdung des aus Art. 21 Abs. 1 GG folgenden Anspruchs auf Chancengleichheit oder anderer aus dem Parteienstatus der Antragsteller sich ergebender Rechte ist weder bezogen auf die Forderung nach Abschaffung der Listenwahl (Antrag zu 1.) noch im Zusammenhang mit der Forderung nach einer Neuregelung der Besetzung der Wahlprüfungsausschüsse (Antrag zu 13.) erkennbar. Dass bei der Wahl des Deutschen [X.]es eine Verbindung von Verhältnis- und Listenwahl verfassungsrechtlich zulässig ist, hat das [X.] mehrfach ausdrücklich festgestellt (vgl. [X.] 95, 335 <349>; 121, 266 <296>). Auch hinsichtlich der beanstandeten Erhebung von [X.] (Antrag zu 14.) und der Nichterfüllung der Begehren der Antragsteller nach einer Parteienfinanzierung durch ein parteienunabhängiges Gremium sowie nach einer Neuregelung der Verpflichtung zur Veröffentlichung von Einnahmen und Zuweisungen (Anträge zu 15. - 17.) erschließt sich aus dem Vorbringen, das die insoweit in der Rechtsprechung des [X.]s entwickelten Maßstäbe (vgl. [X.] 73, 1 <31 ff.>; 85, 264 <285 ff.>) nicht in Rechnung stellt, eine Verletzung der verfassungsmäßigen Rechte der Antragsteller durch die Antragsgegner nicht.

9

Erst recht gilt dies, soweit die Anträge sonstige staatsorganisationsrechtliche Fragen betreffen. Dass das Fehlen von Volksabstimmungen (Antrag zu 2.) und [X.] (Antrag zu 3.), die Beteiligung von Lobbyisten am parlamentarischen Verfahren (Antrag zu 7.), die Ernennung von Richtern durch die Exekutive, die Weisungsgebundenheit von Staatsanwälten und die Parteimitgliedschaft von Bundesrichtern (Anträge zu 8., 9. und 11.) sowie das Verfahren zur Wahl [X.] des [X.]s (Antrag zu 10.) den verfassungsrechtlichen Status der Antragsteller verletzen oder unmittelbar berühren, kann deren Vorbringen nicht entnommen werden. Auch soweit die Antragsteller die Ratifikation von völkerrechtlichen Abkommen (Anträge zu 4. - 6.) einfordern und im Übrigen allgemein- und verfassungspolitische Forderungen (Anträge zu 12., 18.- 20.) erheben, ist die Betroffenheit der Antragsteller in ihren verfassungsgemäßen Rechten nicht dargelegt.

Daneben fehlt es, soweit die Antragsteller im Wesentlichen gesetzgeberisches Unterlassen rügen, an einer Auseinandersetzung mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen dies überhaupt zulässiger Gegenstand des [X.]verfahrens sein kann (vgl. dazu [X.] 92, 80 <87>; 103, 164 <168 f.>; 107, 286 <294>; 110, 403 <405>; 120, 82 <97>; 129, 356 <371>). Schließlich lassen die Antragsteller, soweit sie eine Verletzung der verfassungsmäßigen Ordnung behaupten, die zu den einzelnen Antragsgegenständen ergangene Rechtsprechung des [X.]s durchgängig außer Betracht.

Das Vorbringen der Antragsteller genügt daher den Anforderungen an die schlüssige Darlegung einer möglichen Verletzung ihrer durch Art. 21 Abs. 1 GG begründeten verfassungsmäßigen Rechte nicht. Die Antragsteller verkennen den kontradiktorischen Charakter des [X.]verfahrens und begehren im Ergebnis eine hiervon losgelöste objektive verfassungsrechtliche Kontrolle der einzelnen Antragsgegenstände. Dafür ist im [X.] kein Raum.

3. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob sämtliche Vertreter der Antragsteller zu 1) bis 8) zur Erhebung der Anträge im [X.]verfahren vertretungsbefugt waren und ob die Antragsfrist des § 64 Abs. 3 [X.] hinsichtlich sämtlicher Anträge gewahrt wurde.

Meta

2 BvE 1/13

13.01.2015

Bundesverfassungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BvE

Art 21 Abs 1 GG, § 64 Abs 1 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13.01.2015, Az. 2 BvE 1/13 (REWIS RS 2015, 17280)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 17280 BVerfGE 138, 256-261 REWIS RS 2015, 17280

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Referenzen
Wird zitiert von

AN 4 K 22.02123

2 BvE 1/13

Zitiert

2 BvE 1/13

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