Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.07.2002, Az. II ZR 380/00

II. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 2550

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[X.] DES VOLKESURTEILII [X.]/00Verkündet am:1. Juli 2002VondrasekJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]:[X.]:ja[X.]R: jaBGB § 14 Abs. 2 n.F.Verlegt eine ausländische [X.], die entsprechend ihrem Statut nachdem Recht des Gründungsstaates als rechtsfähige [X.] ähnlich einer[X.] mit beschränkter Haftung [X.] Rechts zu behandeln wäre,ihren Verwaltungssitz nach [X.], so ist sie nach [X.] Recht je-denfalls eine rechtsfähige Personengesellschaft und damit vor den [X.]Gerichten aktiv und passiv parteifähig.[X.], Urteil vom 1. Juli 2002 - II [X.]/00 - [X.] I- 2 -Der I[X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 1. Juli 2002 durch [X.] h.c. Röhricht [X.], Prof. Dr. [X.], [X.] und die RichterinMünkefür Recht erkannt:Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 21. März 2000 aufgeho-ben.Die Anschlußberufung des Beklagten gegen das Urteil der29. Zivilkammer des [X.] vom 25. [X.] wird zurückgewiesen.Im übrigen wird die Sache zur anderweiten Verhandlung [X.], auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,an das Berufungsgericht zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer Bürgschaftserklärung vom17. Juni 1993 in Anspruch. Sie hat vorgetragen, sie sei eine [X.] mitbeschränkter Haftung ("[X.]") nach dem Recht der Kanalinsel [X.] der sie am 11. Oktober 1966 ordnungsgemäß gegründet worden sei- 3 -und ihren satzungsmäßigen und tatsächlichen Verwaltungssitz habe. Sie seidaher auch in [X.] rechts- und parteifähig. Der Beklagte ist der Ansicht,der Klägerin fehle die Rechts- und Parteifähigkeit, weil sie ihren tatsächlichenVerwaltungssitz in [X.] oder [X.] habe, ohne daß sie sich nachdem Recht dieser [X.] neu gegründet und die Eintragung ins Handelsregi-ster veranlaßt habe.Das [X.] hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil der Klä-gerin der Nachweis ihrer Parteifähigkeit nicht gelungen sei. Die gegen das [X.] Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen und die [X.] hin in Abänderung und Ergänzung des land-gerichtlichen Urteils zur Leistung von Prozeßkostensicherheit in Höhe von20.000,00 DM für den Beklagten verurteilt. Hiergegen und gegen die Klageab-weisung richtet sich die Revision.Entscheidungsgründe:Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des [X.]. Die Anschlußberufung wird zurückgewiesen. Im übrigen wird die [X.] das Berufungsgericht zurückverwiesen.[X.] Das Berufungsgericht begründet seine Entscheidung in Übereinstim-mung mit dem [X.] damit, der Klägerin obliege angesichts des Bestrei-tens des Beklagten der Beweis dafür, daß sich ihr tatsächlicher Verwaltungssitzauf [X.] befinde. Denn die Parteifähigkeit richte sich nach der Sitztheorie unddamit nach dem Personalstatut der [X.]. Den entsprechenden Beweishabe die Klägerin nicht zu führen vermocht. Dem Beklagten stehe nach § 110- 4 -ZPO ein Anspruch auf Prozeßkostensicherheit auch für die erste Instanz zu.Beides hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.I[X.] Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht im Hinblick auf einen mögli-chen Verwaltungssitz der Klägerin in [X.] oder [X.] deren Parteifä-higkeit.1. Der Klägerin könnte das Recht, ihre Ansprüche vor [X.] Ge-richten geltend zu machen, auch dann nicht versagt werden, wenn sie ihrentatsächlichen Verwaltungssitz in [X.] hätte und nach der hier überwie-gend vertretenen Sitztheorie ([X.]Z 53, 181, 183; 78, 318, 334; 97, 269, 271;[X.], Urt. v. 8. Oktober 1991 - [X.], [X.], 1582; Beschl. v.30. März 2000 - [X.], [X.], 1114; BFH, BStBl. II 1992, 263, 720;BayObLG, NJW-RR 1993, 43; [X.]/Großfeld, Internationales Gesell-schaftsrecht, 13. Aufl. [X.]. 24) nicht entsprechend ihrem Gründungsstatut als[X.] mit beschränkter Haftung ("[X.]") nach dem auf [X.] [X.] geltenden Recht zu behandeln wäre. Denn dann wäre sie in[X.] jedenfalls eine rechtsfähige Personengesellschaft (§ 14 Abs. [X.]) und damit vor [X.] Gerichten aktiv und passiv parteifähig. Dies giltnach der neueren Rechtsprechung des Senats, die das Berufungsgericht nochnicht berücksichtigen konnte, auch für die [X.] bürgerlichen Rechts(Urt. v. 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, [X.], 330; Beschl. v. 18. [X.], [X.], 614).a) Eine Behandlung der ausländischen [X.] als [X.]bürgerlichen Rechts wird in der Literatur schon seit längerem als mögliche Al-ternative zur Anwendung der Sitz- oder Gründungstheorie diskutiert (vgl. [X.], [X.] 1985, 32; [X.], [X.], 1361, 1363 m.w.N.). Ihr wurde bisherentgegengehalten, daß sie zu erheblichen Problemen im [X.] und [X.] 5 -vollstreckungsrecht führen würde, etwa weil zur Aufrechnung gestellte [X.] sich nicht gegen die [X.]er in gesamthänderischer Verbun-denheit richten würden, sondern in aller Regel gegen die ausländische Gesell-schaft als - nach Gründungsrecht - juristische Person ([X.] aaO). [X.] teilweiser oder gänzlicher Klageabweisung Zwangsvollstreckungsmaß-nahmen gegen die klagende ausländische [X.] notwendig, entstündedas Problem, daß ein Titel gegen die [X.]er als [X.] bürgerli-chen Rechts existieren würde, im Zweifel aber in Vermögensgegenstände voll-streckt werden müsse, die nominell im Eigentum der ausländischen Gesell-schaft als juristischer Person stehen oder in Konten, die auf deren Namen er-richtet sind. Eine Titelumschreibung auf die ausländische [X.] nach§ 727 ZPO würde mangels Rechtsnachfolge schon begrifflich ausscheiden,aber auch deshalb, weil die Rechtsnachfolge nach Rechtshängigkeit eingetre-ten sein muß ([X.], ZPO 21. Aufl. 1999 § 727 [X.]. 19).b) Diese Einwände sind mit der neuen Rechtsprechung des Senats [X.] und Parteifähigkeit der [X.] bürgerlichen Rechts entfallen. Dieausländische [X.] kann, ohne nach [X.] Recht juristische Per-son zu sein, als [X.] bürgerlichen Rechts klagen, so daß auch [X.] und Einreden oder Einwendungen unproblematisch geltend gemachtwerden können und aus einem Titel gegen sie vollstreckt werden kann, [X.] sich die Frage einer Umschreibung stellt. Ferner kann sie wirksam Verträgeabschließen und Eigentum erwerben.Damit entfallen zugleich die Bedenken, daß nach ausländischem [X.] gegründete [X.]en, die ihren Verwaltungssitz nach [X.] verlegt haben, durch die Weigerung, ihre Rechts- und Parteifähigkeit an-zuerkennen, in einem durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls nicht ge-forderten und damit unverhältnismäßigen Umfang ihres rechtlichen [X.] 6 -des und ihrer Klagemöglichkeiten beraubt werden könnten, was angesichts [X.] der von solchen [X.]en tatsächlich getätigten Geschäfte, desvon ihnen vollzogenen Erwerbs von Immobilien- und Mobiliareigentums und derauch für sie bestehenden Notwendigkeit, im Rahmen ihrer Tätigkeit zur Wah-rung ihrer Rechte um gerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen, weder durchdie Notwendigkeit eines wirksamen Gläubigerschutzes noch durch das [X.] zur rechtfertigen wäre. Dementsprechend hat sich [X.] auch schon vor den Grundsatzentscheidungen des [X.] 29. Januar 2001 und 18. Februar 2002 genötigt gesehen, die passiveParteifähigkeit der ausländischen [X.] anzuerkennen ([X.],[X.] 1985, 342; dazu [X.], [X.] 1985, 324; [X.]Z 97, 269, 271). [X.] weist die Revision aber auch auf weitere Widersprüche der Rechtspraxishin: So werden etwa die Bankbürgschaften, die die Klägerin zur Abwehr derVollstreckung und zur Stellung der Prozeßkostensicherheit beigebracht hat, vonden Instanzgerichten wie dem Beklagten akzeptiert, obwohl die in [X.]abgeschlossenen [X.] bei fehlender Rechtsfähigkeit der Kläge-rin nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts eigentlich nichtig wären.2. Das Berufungsgericht ist dem unter Beweis gestellten Vortrag des [X.], die Klägerin habe ihren Verwaltungssitz in [X.] oder in [X.] nicht nachgegangen, sondern hat die Frage offengelassen. Diese Fragekönnte jedoch nur dann offenbleiben, wenn die im Falle ihres Sitzes in[X.] rechts- und parteifähige Klägerin dies auch im Falle ihres Sitzes in[X.] wäre. Insoweit hat das Berufungsgericht indes keinerlei Feststellungengetroffen. Seiner Entscheidung ist nicht zu entnehmen, um welche Art von [X.] es sich nach [X.] Recht handeln könnte und welcheKonsequenzen hieraus für den vorliegenden Fall gezogen werden [X.] -II[X.] Mit Erfolg greift die Revision schließlich die Verurteilung zur Zahlungvon Prozeßkostensicherheit nach § 110 ZPO an.Hat die [X.] ihren Verwaltungssitz in [X.] oder [X.],scheidet die Anwendbarkeit des § 110 ZPO ohnehin aus.Aber auch dann, wenn sie als [X.] nach dem Recht der [X.] zu behandeln wäre, kann von ihr Prozeßkostensicherheit nach § 110ZPO nicht verlangt werden. Richtig ist zwar, daß die frühere Fassung des § 110ZPO nur dann gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 6 (jetzt: Art. 12) [X.], wenn eine inländische Prozeßpartei von der Verpflichtung zur [X.] frei war und die Klage eine der Grundfreiheiten [X.] ([X.] NJW 1996, 3407; 1998, 2127), so daß angesichts der einge-schränkten Geltung der Grundfreiheiten für [X.] nach Art. 299 Abs. 6 lit. [X.]. dem Protokoll Nr. 3 zu der [X.] 1972 ([X.]) der Ge-setzgeber bei der Neufassung des § 110 ZPO möglicherweise [X.] von [X.] für Mitgliedstaaten der [X.] hätte ausnehmen [X.]. Gerade dies ist jedoch nicht erfolgt, so daß die Begründung des [X.], Art. 6 (jetzt Art. 12) [X.] gelte im Verhältnis zu [X.] nicht, zwarin Einklang mit der Rechtsprechung des [X.] stehen mag, nicht aber mit demklaren Wortlaut des § 110 ZPO, der ohne Einschränkung für den Bereich der[X.] eine Prozeßkostensicherheit nicht vorsieht und damit [X.] reicht als die Vorgaben, die der [X.] gemacht hat. Da [X.] als Be-standteil des [X.], wenn auch unter Beachtung seinesverfassungsrechtlichen Sonderstatus zur [X.] gehört, siehtauch die Kommentarliteratur eine nur teilweise Geltung der [X.] § 110 ZPO für [X.] nicht vor, sondern geht von einer uneinge-schränkten Geltung aus ([X.], ZPO 2. Aufl. § 110 [X.]. 8;- 8 -Baumbach/[X.]/[X.]/[X.], ZPO 60. Aufl. [X.]. zu § 110 [X.]. 11;Schütze, [X.], S. 10).Die Verurteilung der Klägerin zur Leistung von [X.] daher unabhängig davon, wo sie ihren Verwaltungssitz hat, zu Unrecht.[X.] Soweit die Klägerin auf die Anschlußberufung hin zur Leistung [X.] verurteilt wurde, konnte der Senat in der Sache selbstentscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.). Im übrigen war der Rechtsstreit andas Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es Gelegenheit hat, die obenunter I[X.] 2. erörterten, bisher fehlenden Feststellungen nachzuholen und sich [X.] der Zulässigkeit der Klage mit deren Begründetheit- erforderlichenfalls nach weiterem Sachvortrag der Parteien - auseinanderzu-setzen.[X.] [X.] [X.] Münke

Meta

II ZR 380/00

01.07.2002

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.07.2002, Az. II ZR 380/00 (REWIS RS 2002, 2550)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 2550

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