Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.12.2000, Az. VIII ZR 260/99

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 154

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:13. Dezember 2000Zöller,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z: neinZPO § 110Kläger mit gewöhnlichem Aufenthalt in [X.] sind seit 1. Oktober 1998 nicht mehrvon der Verpflichtung befreit, auf Verlangen des [X.] wegen der [X.] zu leisten.[X.], Urteil vom 13. Dezember 2000 - [X.] - [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 13. Dezember 2000 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.] [X.], [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] [X.] in [X.] vom9. September 1999 aufgehoben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Die Klägerin, nach eigenen Angaben eine in [X.] ansässige unddort registrierte Gesellschaft, nimmt den [X.] auf Kaufpreiszahlung inHöhe von 100.073,75 DM nebst Zinsen in Anspruch. Der [X.] hat einge-wandt, die der Klage zugrundeliegenden Kaufverträge nicht mit der Klägerin,sondern mit dem [X.]abgeschlossen zu haben. Bei der Klägerinhandele es sich um eine Briefkastenfirma, die in [X.] weder über einen Sitznoch über ein Geschäftslokal verfüge. Er hat beantragt anzuordnen, daß dieKlägerin Prozeßkostensicherheit zu leisten [X.] -Das [X.] hat den Antrag durch Zwischenurteil vom [X.] zurückgewiesen. Es hat offengelassen, ob es sich bei der Klägerin [X.] handelt, und ausgeführt: Sei dies nicht derFall, so brauche die Klägerin gemäß § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO keine Sicherheitzu leisten, weil nach den Gesetzen [X.]s ein [X.] im gleichen Fallezur Sicherheitsleistung nicht verpflichtet wäre. [X.] es sich dagegen [X.], so spreche viel dafür, daß die Klägerin ihrentatsächlichen Verwaltungssitz in der [X.] unterhalte. Auch dann sei dieKlägerin aber gemäß § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zur Leistung einer Ausländer[X.]heit nicht verpflichtet, weil zwischen [X.] und der [X.] nachdem [X.] Gegenseitigkeit verbürgt sei.Die hiergegen gerichtete Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben.Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt er seinBegehren nach Anordnung einer Prozeßkostensicherheit weiter.Entscheidungsgründe:[X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt:Die Klägerin sei nach § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zur Sicherheitsleistungnicht verpflichtet, weil nach den Gesetzen des Staates, dem sie angehöre, ein[X.] im gleichen Falle keine Prozeßkostensicherheit leisten müsse. [X.] könne, ob dies nach den Gesetzen des Staates [X.], in dem dieKlägerin gegründet worden sei, oder nach den Gesetzen der [X.], in [X.] möglicherweise ihren tatsächlichen Verwaltungssitz unterhalte, zu beurtei-- 4 -len sei. Denn Gegenseitigkeit sei nach beiden Rechtsordnungen gegeben. [X.] zu [X.] gelte dies, weil die dortige Zivilprozeßordnung seit einerRechtsänderung im Jahre 1987 keine Sicherheitsleistung für [X.] vorsehe. Zwischen [X.] und der [X.] sei die [X.]. Ein dritter Staat komme als Sitz der Klägerin nicht in Betracht. Solltesie als sogenannte Briefkastenfirma ihren Sitz tatsächlich nicht in [X.] ha-ben, so käme nach den vom [X.] aufgeführten Umständen allenfalls die[X.] als Verwaltungssitz der Klägerin in Frage. Für eine Tätigkeit in einemdritten Staat habe der [X.] ausreichende Anhaltspunkte nicht vorgetragen.I[X.] Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.Das Berufungsgericht hat - ebenso wie bereits zuvor das [X.] -übersehen, daß die für die Anordnung der Prozeßkostensicherheit maßgebli-che Vorschrift des § 110 ZPO durch Art. 2c des [X.] Rechtspflegergesetzes und anderer Gesetze vom 6. August 1998 (BGBl. [X.]. 2030) mit Wirkung vom 1. Oktober 1998 geändert worden ist und daß mitdieser Änderung der Befreiungsgrund der Verbürgung der Gegenseitigkeit imSinne des § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in der bis zum 30. September 1998 gelten-den Fassung entfallen ist.1. Nach § 110 Abs. 1 ZPO in der seit 1. Oktober 1998 geltenden [X.] haben Kläger, die wie die Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits ihrengewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der [X.] einem Vertragsstaat des Abkommens über den [X.] haben, auf Verlangen des [X.] wegen der Prozeßkosten Sicherheitzu leisten. Nach Abs. 2 Nr. 1 der Bestimmung tritt diese Verpflichtung nicht ein,wenn aufgrund völkerrechtlicher Verträge keine Sicherheit verlangt [X.]. Dieser Ausnahmetatbestand ersetzt das nach der alten, bis- 5 -30. September 1998 geltenden Fassung maßgebliche Merkmal der Gegensei-tigkeit der Befreiung von der Pflicht zur Leistung einer Prozeßkostensicherheit.Seit dem Inkrafttreten der Neufassung genügt es für die Befreiung eines aus-ländischen Klägers von der Pflicht zur Sicherheitsleistung nicht mehr, daß ein[X.] nach den Gesetzen des Staates, dem der Kläger angehört, dort [X.] nicht zur Sicherheitsleistung verpflichtet wäre. Vielmehr tritt nach [X.] des [X.] des § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die nachAbsatz 1 bestehende Verpflichtung zur Sicherheitsleistung nur dann nicht ein,wenn aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem Staat, dem der Klä-ger angehört, keine Sicherheit verlangt werden kann. Diese mit Wirkung [X.] Oktober 1998 ohne Übergangsregelung in [X.] gesetzte (Art. 3 des [X.] vom 6. August 1998) Bestimmung gilt auch für bei ihrem Inkrafttreten be-reits laufende Verfahren ([X.] [X.] 1999, 970, 971 = [X.], 1588, 1589; Musielak/Foerste, ZPO, 2. Aufl., § 110 Rdnr. 1; Zöl-ler/[X.], ZPO, 22. Aufl., § 110 Rdnr. 1). [X.] und Oberlandesgerichthätten deshalb ungeachtet des Umstands, daß bei Klageerhebung noch diealte Fassung des § 110 ZPO maßgeblich war, der Entscheidung über den [X.] des [X.] die seit 1. Oktober 1998 geltende neue Fassung des [X.] zugrunde legen müssen.2. Hiernach kann die Zurückweisung des Antrags des [X.] keinenBestand haben.a) Im Verhältnis zu [X.] ist die Ausnahmebestimmung des § 110Abs. 2 Nr. 1 ZPO neuer Fassung ebensowenig einschlägig wie der Ausnah-mefall des § 110 Abs. 2 Nr. 2 ZPO neuer Fassung, wonach keine Verpflichtungzur Sicherheitsleistung besteht, wenn die Entscheidung über die Erstattung [X.] an den [X.] aufgrund völkerrechtlicher Verträge vollstreckt- 6 -würde (vgl. die Zusammenstellung der in Betracht kommenden [X.] Schütze, [X.] 1999, 10 ff). Der Umstand, daß ein [X.] Kläger nachden Gesetzen [X.]s keine Prozeßkostensicherheit zu leisten hat, weil einedahingehende Verpflichtung seit dem Jahre 1987 in der Zivilprozeßordnung[X.]s nicht mehr vorgesehen ist (siehe dazu [X.] 1990,1156 = NJW 1990, 2204; [X.] IPRax 1991, 189; [X.] 1991, 3103), ist nach der Neufassung des § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO keinBefreiungsgrund mehr.Im Gegensatz hierzu vertritt die Revisionserwiderung die Auffassung,die Vorschrift des § 110 ZPO neuer Fassung müsse angesichts ihrer Entste-hungsgeschichte dahin interpretiert werden, daß auf ausländische Kläger [X.] oder gewöhnlichem Aufenthalt im außer[X.] Ausland die Befrei-ungstatbestände der alten Fassung weiterhin anzuwenden seien. Dem [X.] gefolgt werden. Richtig ist zwar, daß der Gesetzgeber mit der [X.] § 110 ZPO vor allem den Zweck verfolgte, eine vom [X.] beanstandete Diskriminierung ausländischer Kläger aus [X.] zu beseitigen (s. dazu im einzelnen [X.]. 13/10871 S. 13 f).Dieses Vorhaben ist dadurch verwirklicht worden, daß die Pflicht zur Leistungeiner Prozeßkostensicherheit für Kläger aus Mitgliedstaaten der [X.] und aus Vertragsstaaten des Abkommens über den [X.] vollständig abgeschafft worden ist. Nach Abs. 1 der Vorschrift inder Neufassung trifft sie nurmehr solche Kläger, die ihren gewöhnlichen Auf-enthalt nicht in einem dieser [X.] haben. Nur für diesen Personenkreisgelten mithin die in Abs. 2 der Bestimmung geregelten Ausnahmen. Schon ausdiesem Grunde kommt die von der Revisionserwiderung befürwortete Be-schränkung des Anwendungsbereichs des neu gefaßten [X.]- 7 -des § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO auf Kläger aus [X.] bzw. EWR-[X.] nicht inBetracht.b) Hat die Klägerin, wie sie selbst behauptet, der [X.] indessen [X.], ihren Sitz in [X.], so ist sie mithin mangels Erfüllung der Ausnah-metatbestände des § 110 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO neuer Fassung - dieweiteren Ausnahmetatbestände nach § 110 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 ZPO neuer [X.] kommen ersichtlich nicht in Betracht - zur Sicherheitsleistung verpflichtet.Demgegenüber besteht auch nach neuem Recht keine Verpflichtung zurLeistung von Prozeßkostensicherheit, wenn die Klägerin ihren Verwaltungssitzin der [X.] ([X.]) hat; denn [X.] und die [X.] sind [X.] völkerrechtlicher Verträge, nach denen keine Prozeßkosten[X.]heit verlangt werden kann bzw. die Entscheidung über die Erstattung [X.] des [X.] zu vollstrecken ist (siehe dazu im einzelnenSchütze aaO S. 12 zu [X.]. 53, [X.] zu [X.]. 183).II[X.] Eine abschließende Entscheidung über das Begehren des [X.]nach Anordnung einer Sicherheitsleistung ist dem erkennenden Senat ver-wehrt.Eindeutige Feststellungen zum Sitz der Klägerin hat das Berufungsge-richt, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, nicht getroffen. Es stellt [X.] auf den Gründungsstaat [X.] ab, entnimmt aber andererseits [X.] des [X.]s Anzeichen dafür, daß sich der [X.] Klägerin möglicherweise in der [X.] befindet. Auf dieser tatsächlichenGrundlage ist nicht völlig auszuschließen, daß die Klägerin als Gesellschaft [X.] in der [X.] zu behandeln sein könnte. Zwar hat sie in den [X.] stets selbst vorgetragen, sie sei eine international tätige Gesellschaft- 8 -mit Firmensitz in [X.]. Soweit die Revisionserwiderung auf Sachvortrag derKlägerin verweist, aus dem sich ergeben soll, daß die Klägerin "neben ihremeigentlichen Sitz in [X.] für ihre [X.] Geschäfte eine Geschäfts-stelle in [X.]/[X.]" unterhalte, bestätigt dieser Sachvortrag gerade, daßder "eigentliche" Sitz der Klägerin nicht [X.], sondern [X.] ist.Gleichwohl kann für die Entscheidung im Revisionsverfahren nicht [X.] davon ausgegangen werden, daß die Klägerin ihren Sitz in [X.] hatund daß [X.] als Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes nicht in [X.]. Denn zum einen ist zu berücksichtigen, daß sowohl die Behauptungder Klägerin, sie habe ihren Sitz in [X.], als auch das Bestreiten dieserBehauptung seitens des [X.] ersichtlich von der irrigen, auf der Unkennt-nis der am 1. Oktober 1998 in [X.] getretenen Rechtsänderung beruhendenVorstellung geprägt sind, Kläger mit gewöhnlichem Aufenthalt oder Sitz in [X.] seien auch weiterhin von der Verpflichtung zur Leistung einer Prozeßko-stensicherheit befreit. Vor allem aber ist nach dem Vorbringen des [X.]nicht auszuschließen, daß es sich bei der Klägerin um eine bloße sogenannteBriefkastenfirma handelt, die in [X.] weder ein Geschäftslokal unterhältnoch von dort aus geschäftliche Aktivitäten entfaltet, was zur Folge habenkönnte, daß möglicherweise [X.] als (einziger) Ort ihrer geschäftlichen Be-tätigung als ihr Verwaltungssitz zu gelten [X.] war daher unter Aufhebung des Berufungsurteils an die [X.] zurückzuverweisen, damit die für die Lokalisierung des Sitzes der Klä-gerin erforderlichen Feststellungen - gegebenenfalls nach weiterem Sachvor-trag der Parteien - getroffen werden können.[X.] [X.] [X.][X.] Dr. [X.]

Meta

VIII ZR 260/99

13.12.2000

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.12.2000, Az. VIII ZR 260/99 (REWIS RS 2000, 154)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 154

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