Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18.03.2010, Az. 2 AZN 889/09

2. Senat | REWIS RS 2010, 8316

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Alternativbegründung in Berufungsurteil


Tenor

1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 8. Juni 2009 - 11 Sa 1768/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. [X.] wird auf 14.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

[X.] ist unbegründet.

2

1. Der Zulassungsgrund einer entscheidungserheblichen Verletzung des Anspruchs des [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG) liegt nicht vor.

3

a) Das [X.] hat den Vortrag der [X.]n zum Vorliegen eines Gesellschafterbeschlusses vom 17. März 2008 im streitigen [X.](S. 7 des Berufungsurteils) aufgeführt. Das spricht gegen ein Übergehen des unter I 1 der Beschwerdebegründung (S. 2, 3) angeführten Bestreitens des [X.]. Soweit das [X.] hierauf in den Entscheidungsgründen nicht nochmals eingegangen ist, lag dies erkennbar daran, dass es diesen Gesichtspunkt wegen der für erwiesen erachteten Durchführung der im „[X.]“ vom 13. März 2008 vorgesehenen Maßnahmen nicht für entscheidungserheblich erachtet hat.

4

b) Die Annahme des [X.]s, der [X.] sei die „Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt gewesen“, lässt keinen Gehörsverstoß erkennen. Dafür, dass diese Feststellung auf einem Übergehen des Vorbringens des [X.] beruht, es sei „unstreitig“, dass die [X.] „der Anzeige keine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt habe“ (vgl. I 2 a der Beschwerdebegründung), fehlt es an genügenden Anhaltspunkten. Die Feststellung des [X.]s kann durchaus darauf beruhen, dass es das - einfache - klägerische Bestreiten des Vortrags der [X.]n zur ordnungsgemäßen Erstattung der [X.] für unbeachtlich gehalten hat, nachdem die zuständige Arbeitsagentur mit dem Bescheid vom 29. April 2008 eine Unvollständigkeit der Anzeige nicht beanstandet hatte.

5

c) Der Beschwerdebegründung lässt sich nicht entnehmen, dass das Berufungsgericht das unter I 2 b und I 2 c der Beschwerdebegründung dargestellte Vorbringen übergangen hätte. Ob außer den angezeigten 20 Entlassungen im maßgebenden Zeitraum weitere - anzeigepflichtige - Entlassungen vorlagen, war für das [X.] im Hinblick auf die Kündigung des [X.] ersichtlich nicht entscheidungserheblich. Aus seiner Sicht genügte es, dass der Kläger in der der [X.] beigefügten Liste zu kündigender Arbeitnehmer individualisierbar aufgeführt war.

6

d) Unter I 3 der Beschwerdebegründung beanstandet der Kläger, das [X.] habe das Ergebnis einer durchgeführten Beweisaufnahme unzureichend gewürdigt und deshalb zu Unrecht die [X.] für ordnungsgemäß erachtet. Damit rügt der Kläger keine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, sondern eine unzureichende Rechtsanwendung durch das [X.]. Darin liegt kein iSv. § 72 Abs. 2 ArbGG beachtlicher Zulassungsgrund (vgl. [X.] 23. September 2008 - 6 [X.]/08 - Rn. 19 ff., [X.] ArbGG 1979 § 78a Nr. 5).

7

e) Einen unbeachtlichen [X.] rügt der Kläger auch insoweit, wie er sich gegen eine unzureichende Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Einschränkungen im Rahmen der [X.] wendet.

8

f) Es kann offenbleiben, ob das [X.] Vorbringen des [X.] übergangen hat, soweit es nicht näher auf das Bestehen eines Gemeinschaftsbetriebs zwischen der [X.]n und der „[X.]“ eingegangen ist. Zu einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG kann nur die Nichtbeachtung schlüssigen Vorbringens führen ([X.] 30. Juni 1994 - 1 BvR 2112/93 - zu [X.] 2 b der Gründe, NJW 1994, 2683). Daran fehlt es. Dem Vortrag des insoweit darlegungs- und beweispflichtigen [X.] lassen sich keine äußeren Umstände dafür entnehmen, dass sich die [X.] und die „[X.]“ über die Führung eines gemeinsamen Betriebs geeinigt hätten und dementsprechend arbeitstechnische Zwecke innerhalb der organisatorischen Einheit unter einem einheitlichen [X.] fortgesetzt verfolgten (zu diesen Voraussetzungen [X.] 13. Juni 2002 - 2 [X.] - zu II 3 b der Gründe, [X.]E 101, 321; 7. November 1996 - 2 [X.] - zu II 2 der Gründe) . Insbesondere ergeben sich aus seinem Vorbringen keine Anhaltspunkte für einen gemeinsam verfolgten [X.]. Dass die [X.] im Rahmen einer unternehmerischen Zusammenarbeit Aufgaben für die „[X.]“ ausführt, reicht dafür nicht aus. Ebenso wenig ist es ein hinreichendes Indiz, dass die „[X.]“ die „[X.] 2“ der [X.]n „übernehmen“ soll. Das spricht nicht für, sondern gegen die gemeinsame Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke.

9

2. Die Revision ist auch nicht, wie geltend gemacht, wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 72 Abs. 2 Nr. 1, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG) zuzulassen.

a) [X.] der Beschwerdebegründung benannten Rechtsfragen:

        

„Kann bei einer richtlinienkonformen Auslegung die Erhaltung einer bestimmten Altersstruktur im Betrieb ein legitimes, die Altersdiskriminierung rechtfertigendes sozialpolitisches Ziel sein?“

        

und

        

„Kann ein Rechtfertigungsgrund im Sinne von Art. 6 I der Richtlinie 2000/78/[X.] dafür, dass der Arbeitgeber bei Betriebsänderungen durch eine Altersgruppenbildung bei der [X.] ältere Arbeitnehmer benachteiligt, die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit des Betriebes sein?“

sind höchstrichterlich geklärt. Die Bildung von Altersgruppen kann, wie der [X.] auch für den hier vorliegenden Fall einer nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erklärten Kündigung bereits entschieden hat (6. November 2008 - 2 [X.] - [X.] KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 82), nach § 10 Satz 1, 2 AGG durch legitime Ziele gerechtfertigt sein. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn die Altersgruppenbildung bei Massenkündigungen aufgrund einer Betriebsänderung erfolgt ([X.] 6. November 2008 - 2 [X.] - Rn. 54, aaO).

b) Die unter II 2 der Beschwerdebegründung angeführte Frage,

        

ob die generelle Herausnahme von Schwerbehinderten/Gleichgestellten und Langzeiterkrankten aus der [X.] gerechtfertigt sein kann,

ist nicht entscheidungserheblich. Das [X.] hat sich mit ihr weder auseinandergesetzt, noch hätte es sich mit ihr auseinandersetzen müssen. Es hat sie ausdrücklich dahinstehen lassen, weil der Kläger auch bei Einbeziehung der insoweit in Betracht zu ziehenden Arbeitnehmer in die [X.] aufgrund der erreichten Punktzahl zu kündigen gewesen wäre. Für eine Zulassung der Revision genügt es nicht, dass sich das [X.] nach Auffassung des Beschwerdeführers sich mit Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung hätte befassen müssen, die sich nach der vom Gericht gegebenen Begründung nicht stellen ([X.] 13. Juni 2006 - 9 [X.] 226/06 - Rn. 11, [X.]E 118, 247).

c) Der Kläger meint, das Urteil des [X.]s werfe die Rechtsfrage auf:

        

„Ist dem Arbeitgeber auch dann, wenn er sich nicht auf den korrekten Vollzug eines zulässigen Punkteschemas beschränkt, z.B. die Auswahlentscheidung nach einem rechtsfehlerhaften [X.] getroffen hat, der Einwand gestattet, dass ein Auswahlfehler sich auf die Kündigungsentscheidung nicht ausgewirkt hat?“

Die Frage hat keine grundsätzliche Bedeutung. Dabei kann dahinstehen, ob sie nicht schon durch die Entscheidung des [X.]s vom 9. November 2006 (- 2 [X.] - Rn. 19, [X.]E 120, 137) hinreichend beantwortet ist. Sie ist jedenfalls nicht entscheidungserheblich.

aa) Das [X.] hat bei seiner Entscheidung dahinstehen lassen, ob die [X.] die [X.] nach Altersgruppen vornehmen durfte. Es hat die [X.] Rechtfertigung der Kündigung im Hinblick auf die [X.] (§ 1 Abs. 3 KSchG) sowohl unter der Voraussetzung einer zulässigen Bildung von Altersgruppen als auch einer Unwirksamkeit des angewandten [X.] überprüft. Für beide Alternativen hat es angenommen, die Kündigung sei sozial gerechtfertigt, da die [X.] in jedem Fall [X.] Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt habe (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG). Eine solche Alternativbegründung steht hinsichtlich der Beurteilung, ob [X.] iSv. § 72 Abs. 2 ArbGG vorliegen, einer Mehrfachbegründung gleich. In einem solchen Fall ist die Revision nur zuzulassen, wenn mit der Nichtzulassungsbeschwerde jeder der Gründe angegriffen wird und die entsprechenden [X.] hinsichtlich eines jeden von ihnen durchgreifen (zur Doppelbegründung vgl. [X.] 10. März 1999 - 4 [X.] 857/98 - zu [X.] 2.1.2 der Gründe, [X.]E 91, 93). Für eine Alternativbegründung gilt nichts anderes. Die Nichtzulassungsbeschwerde muss bezüglich beider Alternativen zulässig und begründet sein. [X.] soll dazu führen, dass das [X.] die aufgezeigte Frage von grundsätzlicher Bedeutung iSd. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG beantworten muss, auf die sie gestützt wird. Dieses Ziel wird nicht erreicht, wenn das anzufechtende Urteil - auch - auf einer selbständig tragenden Begründung beruht, die nicht erfolgreich Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde war. Das [X.] kann sich dann möglicherweise darauf beschränken, die nicht zum Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde gewordene Begründung zu bestätigen, ohne zu der anderen Stellung zu nehmen ([X.] 6. März 2003 - 2 [X.] 446/02 - zu II 2 a der Gründe; [X.] 10. März 1999 - 4 [X.] 857/98 - aaO) .

bb) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Selbst wenn der vom Kläger bezeichneten Frage bei einer unzulässigen Altersgruppenbildung grundsätzliche Bedeutung zukommen sollte, hat er hinsichtlich der Alternativbegründung des [X.]s, derzufolge die [X.] (erst recht) bei Zulässigkeit der Altersgruppenbildung nicht zu beanstanden ist, keine [X.] dargelegt.

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG abgesehen.

        

    Kreft    

        

    Eylert    

        

    [X.]    

        

        

        

    Sieg    

        

    Baerbaum    

        

        

Meta

2 AZN 889/09

18.03.2010

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZN

vorgehend ArbG Bochum, 5. November 2008, Az: 5 Ca 1365/08, Urteil

§ 72 Abs 2 ArbGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18.03.2010, Az. 2 AZN 889/09 (REWIS RS 2010, 8316)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8316

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

5 PB 23/15

14 Sa 190/21

14 Sa 340/17

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