Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.05.2009, Az. IV ZB 2/08

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 3417

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[X.] BESCHLUSS [X.]/08vom 20. Mai 2009 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]Z: nein [X.]R: ja ZPO § 233 B, Fe Der Absender eines fristgebundenen Schriftsatzes darf auf die angegebenen [X.]en des von ihm benutzten Briefkastens vertrauen. [X.], Beschluss vom 20. Mai 2009 - [X.]/08 - [X.] LG Saarbrücken

- 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.] am 20. Mai 2009 beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Be-schluss des 4. Zivilsenats des [X.] vom 5. Dezember 2007 aufgehoben. Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegrün-dung gewährt. Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung des [X.] an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kos-ten des Rechtsbeschwerdeverfahrens vorbehalten bleibt. [X.]: 25.564,60 •

Gründe: [X.] Der Kläger erstrebt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Er hat gegen das 1 - 3 -

ihm am 1. März 2007 zugestellte klageabweisende Urteil des Landge-richts rechtzeitig Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist erst am 3. Mai 2007 und damit einen Tag nach Fristablauf bei dem Oberlan-desgericht eingegangen. Darauf hat das [X.] den Kläger mit Verfügung vom 6. September 2007 hingewiesen. Mit einem am 26. September 2007 eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger [X.], ihm wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wieder-einsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Zur Begründung seines [X.] hat der Kläger vorgetragen und glaubhaft gemacht: Seine Prozessbevollmächtigte habe die Berufungsbegründung am Morgen des 30. April 2007 verfasst und kurz nach der Mittagspause zusammen mit anderer Post in einen in [X.] gelegenen Briefkasten, der um 14.30 Uhr geleert werde, eingeworfen. Auf Anfrage des [X.]s hat der Kläger ergän-zend mitgeteilt und glaubhaft gemacht: Seine Prozessbevollmächtigte sei am 30. April 2007 gegen 14.00 Uhr zu Fuß zu dem nahe gelegenen Briefkasten, der werktags um 14.30 Uhr geleert werde, gegangen. Der Weg von der Kanzlei zu dem Briefkasten dauere etwa sieben bis acht Gehminuten. 2 Das [X.] hat den Wiedereinsetzungsantrag abge-lehnt und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Prozessbevollmächtigte des [X.] habe es versäumt, sich vor Ablauf der Frist bei Gericht nach dem rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung zu erkundigen. Zwar könne sich der Absender grundsätzlich auf die Zuverlässigkeit der Postdienste verlassen. [X.] er einen Brief in einen Briefkasten ein, so müsse er die darauf angeschla-genen Leerungszeiten beachten. Die Prozessbevollmächtigte des [X.] - 4 -

[X.] habe den Briefkasten allenfalls kurz vor der angeschlagenen [X.] erreicht. In dieser Situation habe es nicht fern gelegen, dass die tägliche Leerung bereits stattgefunden gehabt habe. Es bestehe die Möglichkeit, dass die Prozessbevollmächtigte den Brief mit der [X.] erst nach der angegebenen Leerungszeit eingeworfen habe. Sie habe den genauen Zeitpunkt des [X.] nicht benennen können. Zunächst habe sie diesen Zeitpunkt in recht vager Weise ("kurz nach der Mittagspause") beschrieben und sich dann auf einen Zeitraum festgelegt, der gegen 14.00 Uhr beginne und vor 14.30 Uhr ende. Der ei-desstattlichen Versicherung sei nicht zu entnehmen, dass die Prozess-bevollmächtigte vor dem [X.] die Uhrzeit noch einmal überprüft habe. Überdies lasse der tatsächliche Eingang der Berufungsbegründung am 3. Mai 2007 darauf schließen, dass der Brief erst nach der Leerung, die nach Auskunft der [X.] am 30. April 2007 um 14.49 Uhr vorgenommen worden sei, in den Briefkasten gelangt sei. Zwar könne der verspätete Zugang auch auf eine Verzögerung im Ver-antwortungsbereich der Post zurückzuführen sein; dies sei jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich. Träfe die Darstellung des [X.] zu, so müsste zumindest eine der zusammen mit der Berufungsbegründung eingeworfenen weiteren Briefsendungen bereits am 2. Mai 2007 beim jeweiligen Empfänger eingegangen sein.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde. 4 I[X.] Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und zur [X.] an das Berufungsgericht. 5 - 5 -

6 1. Die nach den §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Ent-scheidung des [X.] ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2, [X.]. ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung [X.]. Denn die angefochtene Entscheidung verletzt die Verfahrensgrund-rechte des [X.] auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Sie steht zudem nicht in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des [X.].
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsge-richt hat dem Kläger zu Unrecht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt. 7 a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-richts, des [X.] und der anderen Obersten Gerichtshöfe dürfen dem Bürger Verzögerungen der Briefbeförderung oder der Brief-zustellung durch die [X.] nicht als Verschulden angerech-net werden. Er darf vielmehr darauf vertrauen, dass die Postlaufzeiten eingehalten werden, die seitens der [X.] für den [X.] festgelegt werden. Ein Versagen dieser Vorkehrungen darf dem Bür-ger im Rahmen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht als [X.] angerechnet werden, weil er darauf keinen Einfluss hat. Im Verantwortungsbereich einer [X.], die einen fristgebundenen Schrift-satz auf dem Postweg befördern lässt, liegt es allein, das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß aufzugeben, dass es nach den [X.] und betrieblichen Vorkehrungen der [X.] den Empfänger fristgerecht erreichen kann ([X.], Beschlüsse vom 18. Juli 2007 - [X.]/07 - NJW 2007, 2778 [X.]. 13; vom 13. Mai 2004 - [X.] - 6 -

62/03 - NJW-RR 2004, 1217 unter [X.] aa; [X.] NJW 2003, 1516; 2001, 1566; 1995, 1210, 1211, jeweils m.w.[X.]). Dabei darf eine [X.] grundsätzlich darauf vertrauen, dass im [X.] werktags aufge-gebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden ([X.], Beschluss vom 18. Juli 2007 aaO). Das gilt selbst dann, wenn - etwa vor Feiertagen - allgemein mit erhöhtem Postaufkommen zu [X.] ist ([X.], Beschluss vom 13. Mai 2004 aaO; [X.] NJW 2001 aaO; 1995 aaO, jeweils m.w.[X.]). Daran hat sich durch den Erlass der [X.] ([X.]) nichts geändert. Danach sind die regelmäßigen Postlaufzeiten sogar als Mindeststandards verbindlich vorgegeben. Nach § 2 Nr. 3 Satz 1 [X.] müssen die [X.] und andere Unternehmen, die Universal-dienstleistungen im Briefverkehr anbieten, sicherstellen, dass sie an Werktagen aufgegebene Inlandsendungen im gesamten [X.] im Jahresdurchschnitt mindestens zu 80% am ersten und zu 95% am zwei-ten Tag nach der Einlieferung ausliefern. Diese Quoten lassen die Ein-haltung der Postlaufzeiten erwarten. Ohne konkrete Anhaltspunkte muss ein Rechtsmittelführer deshalb nicht mit Postlaufzeiten rechnen, die die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen ([X.], Beschluss vom 13. Mai 2004 aaO). b) Davon ist das Berufungsgericht im Ansatz ausgegangen. Zu Recht hat es dem Absender eines fristgebundenen Schriftsatzes abver-langt, auf die angegebenen Leerungszeiten des von ihm benutzten Brief-kastens zu achten (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Januar 1993 - [X.] - NJW 1993, 1333 unter II). Das Vertrauen in den üblichen Post-lauf ist - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht schutzwürdig, wenn der Absender erkennen kann, dass der Briefkasten am selben Tag nicht mehr geleert und die Sendung daher erst am nächs-9 - 7 -

ten Tag befördert wird. Zu weit geht allerdings die Forderung des [X.], dass der Absender schon dann nicht mehr auf die [X.] Postlaufzeiten vertrauen dürfe, sondern weitergehende Maß-nahmen für den rechtzeitigen Zugang des Schriftsatzes treffen müsse, wenn er die Postsendung erst kurz vor der angeschlagenen Leerungszeit in den Briefkasten [X.]. Abgesehen davon, dass das Berufungsge-richt die Zeitangabe "kurz vorher" nicht konkretisiert hat, weicht es damit von dem Grundsatz ab, dass der Absender nur dafür sorgen muss, das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß aufzugeben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der [X.] den Empfänger fristgerecht erreichen kann. Beachtet er dabei die von der [X.] angegebenen Leerungszeiten des von ihm benutzten Briefkastens, so hat er alles getan, was in seinem Verantwortungsbereich liegt. Auch der Einwurf einer Postsendung [X.] vor der angeschlagenen Leerungszeit eines Briefkastens ist ausreichend. Der Absender darf auf die angegebenen Leerungszeiten vertrauen und muss nicht mit einer möglicherweise früheren Leerung des Briefkastens rechnen. Letzteres wäre ein dem Verantwortungsbereich der [X.] zuzuordnender Umstand, der dem Absender nicht als Verschulden angerechnet werden dürfte. Im Übrigen ist ein Fall, in dem der Absender einen Brief erst kurz vor der angegebenen [X.] in den Briefkasten einwirft, nicht mit einer Konstellation ver-gleichbar, in der konkrete Anhaltspunkte längere Postlaufzeiten erwarten lassen. Dazu zählen nur Umstände außerhalb des [X.] des Absenders. Auf die Einhaltung der angegebenen Beförde-rungszeiten darf der Postkunde in der Regel so lange vertrauen, bis die Post selbst eine mögliche Verzögerung - etwa infolge eines Streiks der Postmitarbeiter - bekannt gibt oder erhebliche Verzögerungen offenkun-dig sind ([X.] NJW 1995 aaO). - 8 -

10 c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts genügt der von dem Kläger glaubhaft gemachte Sachverhalt, um ein für die Verspätung [X.] Verschulden der Prozessbevollmächtigten des [X.] aus-zuschließen. Diese hat in ihrer eidesstattlichen Versicherung zwar nicht den genauen Zeitpunkt des [X.] genannt. In ihrer ergänzenden Stellungnahme hat sie aber die Einwurfzeit so konkretisiert, dass sie "gegen" 14.00 Uhr ihre Kanzlei verließ, nach einem Fußweg von sieben bis acht Minuten den Briefkasten erreichte und dort unter anderem die [X.] einwarf. Selbst unter Berücksichtigung ge-ringfügiger Verzögerungen auf dem Weg zum Briefkasten lässt sich aus dieser Darstellung bei lebensnaher Betrachtung entnehmen, dass der fragliche Brief deutlich vor der angegebenen Leerungszeit um 14.30 Uhr und jedenfalls vor der tatsächlichen Leerung um 14.49 Uhr in den Brief-kasten eingeworfen wurde.
Einen Rückschluss auf einen Einwurf des Schriftsatzes erst nach der Leerung des Briefkastens ermöglicht nicht die Auskunft der [X.], wonach ein Brief, wenn er am 30. April 2007 nach 14.49 Uhr in den betreffenden Briefkasten eingeworfen worden sei, übli-cherweise am 3. Mai 2007 beim Empfänger zugestellt worden sei. Diese Auskunft verhält sich nur zu dem - hier nicht gegebenen - Fall, in dem ein [X.] nach 14.49 Uhr feststeht. Hingegen erlaubt der tatsäch-liche Eingang am 3. Mai 2007 nicht die Schlussfolgerung, dass die [X.] in den Briefkasten erst nach der tatsächlichen Leerung am 30. April 2007 gelangte. 11 d) Der rechtzeitig gestellte Wiedereinsetzungsantrag des [X.] ist somit begründet. Darüber kann der Senat gemäß § 577 Abs. 5 Satz 1 12 - 9 -

ZPO selbst entscheiden, weil es keiner weiteren Tatsachenfeststellungen bedarf. Das Berufungsgericht wird nunmehr in der Sache über die Beru-fung des [X.] zu entscheiden haben. Terno [X.] [X.]

[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.] - 12 O 345/06 - [X.], Entscheidung vom 05.12.2007 - 4 U 188/07-62- -

Meta

IV ZB 2/08

20.05.2009

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.05.2009, Az. IV ZB 2/08 (REWIS RS 2009, 3417)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 3417

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