Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.07.2007, Az. I ZB 100/06

I. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 2772

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[X.] vom 19. Juli 2007 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.] : nein [X.]R : ja

ZPO § 233 I [X.] und ihr Prozessbevollmächtigter handeln nicht schuldhaft i.S. des § 233 ZPO, wenn sie sich auch vor und an Feiertagen auf die Einhaltung der von der Post angegebenen Brieflaufzeiten verlassen und deshalb keine beson-deren [X.]orkehrungen treffen, um den Eingang eines fristwahrenden Schriftsat-zes bei Gericht zu überwachen. [X.], [X.]. v. 19. Juli 2007 - [X.]/06 - [X.] - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 19. Juli 2007 durch [X.] [X.] und [X.], Dr. Schaffert, [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der [X.]uss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 6. Oktober 2006 aufgehoben. Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die [X.]ersäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 876,73 • festgesetzt. Gründe: [X.] Der Kläger hat gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 16. Fe-bruar 2006 zugestellte Urteil des [X.] vom 14. Februar 2006 am 14. März 2006 beim [X.] Berufung eingelegt. Diese hat der Kläger mit Schriftsatz vom 13. April 2006 begründet, der am 19. April 2006 beim [X.] eingegangen ist. Mit einem am 26. April 2006 zugegangenen 1 - 3 - Schriftsatz hat der Kläger beantragt, ihm wegen [X.]ersäumung der [X.]sfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. 2 Hierzu hat der Kläger ausgeführt: 3 Die Berufungsbegründung sei am Donnerstag, dem 13. April 2006, ge-gen 19.30 Uhr von einer Mitarbeiterin seines Prozessbevollmächtigten in den Briefkasten am Hauptpostamt in [X.] eingeworfen worden. Der Briefkas-ten werde nach den dort angebrachten Angaben täglich um 19.30 Uhr (Spätlee-rung) und um 22.00 Uhr (Nachtleerung) geleert. An dem Briefkasten sei folgen-der Hinweis angebracht: "Alle Sendungen aus einer Tages- und [X.] erreichen den [X.] bundesweit mit der nächsten Zustellung. Bei Nachtleerungen gilt dies nur für den Bereich mit der Postleitzahl 26". Das Berufungsgericht hat den Antrag des [X.] auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verwor-fen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die [X.]ersäumung der Berufungsbegründungsfrist beruhe auf einem Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten des [X.]. Dieser habe damit rechnen müssen, dass beim Einwurf des Schriftsatzes in den Briefkasten am 13. April 2006 ge-gen 19.30 Uhr die [X.] bereits erfolgt und wegen des folgenden Oster-wochenendes der Eingang des Schriftsatzes am 18. April 2006 beim [X.], das nicht zum Postleitzahlenbereich 26 gehöre, nicht gewähr-leistet gewesen sei. Davon sei offensichtlich auch der Prozessbevollmächtigte des [X.] ausgegangen, der eine Mitarbeiterin beauftragt habe, am 18. April 2006 beim [X.] anzurufen, um sich nach dem Eingang des Schriftsatzes zu erkundigen. Die Mitarbeiterin habe aber nach den eigenen [X.] - 4 - gaben des Prozessbevollmächtigten des [X.] an diesem Tag niemanden mehr telefonisch auf der Geschäftsstelle erreicht. 5 I[X.] 1. Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Entscheidung des [X.] ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) geboten. Der angefochtene [X.]uss verletzt den Kläger in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wir-kungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.[X.]. mit dem Rechtsstaatsprinzip), wonach den [X.]en der Zugang zu einer in der [X.]erfahrensordnung vorgese-henen Instanz nicht in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfer-tigender Weise erschwert werden darf. Dies bedeutet, dass einer [X.] die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden darf, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen er auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Spruchkörpers nicht rechnen musste ([X.], [X.]. v. 14.12.2001 - 1 BvR 1009/01, NJW-RR 2002, 1004). 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Gewährung der Wiedereinsetzung. Das Berufungsgericht hat dem Kläger die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Unrecht verwehrt. Der Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand steht kein dem Kläger zurechenbares [X.]erschulden seines Prozessbevollmächtigten an der [X.]ersäumung der Berufungsbegründungsfrist entgegen (§ 85 Abs. 2, § 233 ZPO). 6 a) Den Prozessbevollmächtigten einer [X.] trifft im Regelfall kein [X.] an dem verspäteten Zugang eines Schriftsatzes, wenn er veranlasst, 7 - 5 - dass der Schriftsatz so rechtzeitig in den Briefkasten eingeworfen wird, dass er nach den normalen Postlaufzeiten fristgerecht bei dem Gericht hätte eingehen müssen. Wenn dem Prozessbevollmächtigten keine besonderen Umstände [X.] sind, die zu einer [X.]erlängerung der normalen Postlaufzeiten führen [X.], darf er darauf vertrauen, dass diese eingehalten werden ([X.], [X.]. v. 30.9.2003 - [X.], NJW 2003, 3712, 3713). Dies gilt auch, wenn vor [X.] mit einer besonders starken Beanspruchung der Post zu rechnen ist ([X.], [X.]. v. [X.] - 1 BvR 2104/99, NJW 2001, 1566 f.). b) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger den Einwurf der Postsendung mit der Berufungsbegründung am 13. April 2006 ge-gen 19.30 Uhr in den Briefkasten am Hauptpostamt [X.] und den an dem Briefkasten angebrachten Hinweis auf die Postlaufzeiten durch eidesstattliche [X.]ersicherung der Mitarbeiterin [X.] seines Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemacht hat. 8 Bei einem Einwurf der [X.] in den Postkasten am 13. April 2006 auch zu einem Zeitpunkt nach der [X.] konnte der Prozessbevollmächtigte aufgrund des an dem Briefkasten angebrachten [X.] davon ausgehen, dass der Brief - ebenso wie die [X.] am 14. April 2006 ([X.]) um 19.30 Uhr - am Samstag, dem 15. April 2006, beim [X.] eingehen würde. Jedenfalls konnte der Prozess-bevollmächtigte - selbst wenn er den Brief erst am [X.] vor der Spät-leerung in den Briefkasten eingeworfen hätte - annehmen, dass die Postsen-dung mit der [X.] an dem den [X.] folgen-den Zustelltag, dem 18. April 2006, dem [X.] zugehen würde. Dies wäre zur Wahrung der Berufungsbegründungsfrist ausreichend gewesen. 9 - 6 - Darauf, ob der Kläger durch weitere Maßnahmen (Nachfrage am 18. April 2006 beim [X.] und erneute Zusendung der [X.] am selben Tag per Telefax) die Wahrung der Frist noch hätte [X.] können, kommt es nicht an. Der Prozessbevollmächtigte des [X.] war nicht verpflichtet, sich darüber zu vergewissern, ob der Schriftsatz rechtzeitig beim [X.] eingegangen war. Wenn er seine Mitarbeiterin M. anwies, sich am Dienstag, dem 18. April 2006, nach dem Eingang des Schriftsatzes beim [X.] zu erkundigen, hat er mehr als erforderlich getan. [X.] der [X.]ersuch, eine Bestätigung des Eingangs der Berufungsbegründung zu erhalten, keine Klärung, kann dies dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen (vgl. [X.], [X.]. v. 11.10.1989 - [X.], NJW 1990, 188, 189). 10 [X.]Büscher Schaffert
Bergmann [X.] [X.]orinstanzen: [X.] ([X.]), Entscheidung vom 14.02.2006 - 4 C 1077/05 ([X.]) - [X.], Entscheidung vom 06.10.2006 - 4 S 167/06 -

Meta

I ZB 100/06

19.07.2007

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.07.2007, Az. I ZB 100/06 (REWIS RS 2007, 2772)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 2772

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