Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.04.2023, Az. 2 C 1/22

2. Senat | REWIS RS 2023, 4876

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Gegenstand

Einstellungshöchstaltersgrenze für Beamte in Bremen


Leitsatz

Die in Bremen für Beamte geltende Einstellungshöchstaltersgrenze von 45 Jahren bewirkt keine ungerechtfertigte mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der [X.] vom 24. November 2021 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die in [X.] geltende [X.] von regelmäßig 45 Jahren eine unzulässige mittelbare Diskriminierung von Frauen bewirkt.

2

Die im Mai 1971 geborene Klägerin begehrt die Übernahme in ein Beamtenverhältnis. Sie studierte ab dem [X.] an der Universität [X.] im Studiengang Behindertenpädagogik und erwarb 1999 den akademischen Grad einer [X.]. Von 1993 bis 2004 betreute die Klägerin eine Wohngruppe der Behindertenhilfe in Teilzeitbeschäftigung. Nach der Geburt ihres ersten Kindes im Jahr 2002 war sie bis 2004 in Elternzeit und anschließend arbeitssuchend. Von 2006 bis 2014 war sie in Teilzeit bei einem privaten Arbeitgeber in der Betreuung schwerbehinderter Kinder beschäftigt. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes im [X.] nahm sie Elternzeit bis 2010. Ab September 2014 war die Klägerin bei der [X.] im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses zur berufsbegleitenden Ausbildung beschäftigt. Im Juli 2016 erwarb sie eine Qualifikation, die dem Lehramt für Sonderpädagogik im Unterrichtsfach [X.] gleichgestellt ist. Seit Juli 2016 ist sie als angestellte Lehrerin im Schuldienst der [X.] tätig und in der [X.] 13 TV-L eingruppiert.

3

Den am 5. Oktober 2018 gestellten Antrag auf Übernahme in ein Beamtenverhältnis lehnte die Beklagte durch Bescheid der Senatorin für Kinder und Bildung vom 1. November 2018 ab. Zwar würden auch Seiteneinsteiger verbeamtet; dies gelte indes nur, sofern die [X.] nicht überschritten sei. Ausnahmen hiervon seien nur in Ausnahmefällen möglich, die von der Klägerin nicht geltend gemacht worden seien und auch nicht vorlägen. Insbesondere sei eine vorherige Bewerbung nicht wegen der Erziehung von Kindern unmöglich gemacht worden. Maßgeblich für die Verzögerung sei vielmehr der erst spät entwickelte Berufswunsch der Klägerin und die folgerichtig erst im [X.] erworbene Laufbahnbefähigung.

4

Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin zugleich einen Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG "dem Grunde nach" geltend. Den Widerspruch wies die Senatorin für Kinder und Bildung mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2018 als unbegründet zurück; eine Verbescheidung des Entschädigungsantrags unterblieb.

5

Die von der Klägerin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Es hat Daten zur [X.] der bei der [X.] beschäftigten Lehrkräfte eingeholt und ausgehend hiervon eine mittelbare Benachteiligung von Frauen verneint.

6

Auch die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die vom Verwaltungsgericht ermittelten statistischen Daten zur [X.] der Lehrerschaft aus den Jahrgängen 1968 bis 1972 im Dienst der [X.] seien hinreichend aussagekräftig. Aus ihnen ergebe sich zwar, dass weibliche Lehrkräfte dieser Alterskohorte relativ in einem dreimal höheren Anteil (25 von 503 gegenüber 4 von 255) nicht verbeamtet seien. Angesichts des Umstands, dass absolut betrachtet gleichwohl über 95 % der Frauen verbeamtet und damit nicht nachteilig von der [X.] betroffen seien, folge aber, dass auch hinsichtlich der weiblichen Beschäftigten nicht von einer signifikanten Benachteiligung ausgegangen werden könne. Die in [X.] geltende [X.] führe daher nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung von Frauen und verstoße auch im Übrigen nicht gegen die Vorgaben höherrangigen Rechts.

7

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie macht eine Verletzung der unionsrechtlichen Vorgaben zur Unzulässigkeit einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts geltend. Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt [X.] vom 24. November 2021 und des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt [X.] vom 11. September 2020 sowie den Ablehnungsbescheid der Senatorin für Kinder und Bildung vom 1. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Dezember 2018 aufzuheben,

die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin vom 5. Oktober 2018 auf Übernahme in ein Beamtenverhältnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden,

und die Sache hinsichtlich der begehrten Entschädigungszahlung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

8

Die Beklagte verteidigt die angegriffene Berufungsentscheidung und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das angegriffene Berufungsurteil verletzt kein revisibles Recht (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO). Die Klägerin erfüllt die aus § 48 Abs. 1 Satz 1 der Haushaltsordnung der [X.] vom 25. Mai 1971 ([X.]. GBl. [X.]), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. Juli 2021 ([X.]. GBl. [X.]) - [X.] -, folgende Anforderung für die erstmalige Ernennung nicht, weil sie im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung das 45. Lebensjahr bereits vollendet hat. Die Regelung ist mit höherrangigem Recht vereinbar (vgl. bereits [X.], Urteil vom 11. Oktober 2016 - 2 C 11.15 - [X.]E 156, 180 zur [X.] für Beamte in [X.] sowie [X.], Urteil vom 20. September 2018 - 2 A 9.17 - [X.]E 163, 112 hinsichtlich der für Bundesbeamte geltenden Regelung). Sie bewirkt auch keine unzulässige mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Zwar trifft die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu, es lägen hinreichend aussagekräftige statistische Daten zur Beurteilung der Frage vor, ob die in § 48 Abs. 1 Satz 1 [X.] geregelte Höchstaltersgrenze für eine erstmalige Ernennung weibliche Lehrkräfte in besonderer Weise benachteiligen könne. Die Einschätzung, ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts seien nicht gegeben, ist im Ergebnis jedoch richtig (1.). Eine entsprechende Benachteiligung wäre im Übrigen gerechtfertigt (2.). Mangels entsprechender Rechtsverletzung erweist sich damit auch der Entschädigungsanspruch als unbegründet (3.).

1. Die vom Berufungsgericht zum Beleg einer mittelbaren Diskriminierung von Frauen herangezogenen statistischen Daten sind nicht hinreichend aussagekräftig.

a) Gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/54/[X.] und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen ([X.] L 204 S. 23) darf es in Bezug auf die Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung auch im öffentlichen Sektor keinerlei unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geben. Für die Annahme einer mittelbaren Diskriminierung verlangt Art. 2 Abs. 1 Buchst. [X.] 2006/54/[X.] zunächst eine Situation, in der dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen des einen Geschlechts in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] kann das Vorliegen eines solchen besonderen Nachteils u. a. festgestellt werden, wenn nachgewiesen ist, dass sich eine nationale Regelung auf einen signifikant höheren Anteil von Personen eines Geschlechts im Vergleich zu Personen des anderen Geschlechts ungünstig auswirkt. Soweit hierzu auf statistische Daten zurückgegriffen wird, hat das nationale Gericht zu beurteilen, inwieweit diese zuverlässig und hinreichend aussagekräftig sind ([X.], Urteil vom 24. Februar 2022 - [X.]/20 - Rn. 43 [X.]).

b) Das Berufungsgericht hat seine statistischen Erwägungen ausschließlich auf eine Gegenüberstellung des [X.] der bei der [X.] beschäftigten Lehrkräfte aus den Jahrgängen 1968 bis 1972 gestützt.

Diesen Daten lässt sich unmittelbar keine Aussage zu der Frage entnehmen, ob sich die streitgegenständliche Regelung einer [X.] auf einen signifikant höheren Anteil von Frauen im Vergleich zu Männern ungünstig auswirkt. Denn die Daten geben keinen Aufschluss über den Zusammenhang zwischen der erhobenen Verbeamtungsquote und der Altersgrenze. Zu den Ursachen der festgestellten Nichtverbeamtung trifft diese Statistik vielmehr keine Aussage. Die Annahme, dass die nicht verbeamteten Lehrkräfte gerade wegen der Altersgrenze nicht verbeamtet worden seien, ist daher "mutmaßlich", wie das Berufungsgericht selbst formuliert ([X.] und 17).

Insoweit fällt auf, dass die vom Berufungsgericht selbst betrachteten weiteren Daten gegen eine Ursächlichkeit der [X.] sprechen. Denn das Berufungsgericht hat festgestellt ([X.]), dass die Verbeamtungsquoten in den Jahrgängen 1976 bis 1980 - die noch nicht von der [X.] betroffen sein können - nur minimal von den für die Jahrgänge 1968 bis 1972 zugrunde gelegten Zahlen abweichen. Jedenfalls für diese Alterskohorte kann die streitgegenständliche Regelung aber nicht ursächlich für die fehlende Verbeamtung der Lehrkräfte gewesen sein. Die hierfür ausschlaggebenden Gründe müssen vielmehr andere gewesen sein.

Methodisch unklar erscheint überdies, warum das Berufungsgericht die neun Fälle einer Nichtverbeamtung, in denen das Verwaltungsgericht bereits aufgrund des Einstellungszeitpunkts eine Ursächlichkeit der [X.] ausgeschlossen hatte, wieder einbezogen hat. Keinerlei Tatsachengrundlage liegt insbesondere für die Zuordnung dieser Gruppe zu den weiblichen Lehrkräften vor; hierzu sah sich das Berufungsgericht offenbar allein deshalb veranlasst, weil sich das Geschlecht der betroffenen Personen nicht mehr aufklären ließ ([X.]).

c) Die Daten lassen auch mittelbar keinen verlässlichen Schluss darüber zu, ob Frauen von der in [X.]en geltenden [X.] von 45 Jahren in besonderer Weise benachteiligt werden.

Einer Übernahme in das Beamtenverhältnis steht ggf. nicht nur das Alter entgegen, vielmehr ergeben sich entsprechende Hinderungsgründe in der Praxis auch aufgrund der fehlenden gesundheitlichen Eignung, Mängeln in der vorgeschriebenen Laufbahnbefähigung - die gerade für Lehrkräfte im Hinblick auf Vorgaben zur Fächerkombination bedeutsam sind - und in Bezug auf die für eine Verbeamtung geforderte Staatsangehörigkeit (vgl. § 7 Abs. 1 BeamtStG). Schließlich hängt die Übernahme in das Beamtenverhältnis von den hierfür geltenden haushalterischen Voraussetzungen ab.

Dass derartige Verbeamtungshindernisse nicht nur eine theoretische Möglichkeit darstellen, sondern auch praktisch bedeutsam sind, ist in der verwaltungsgerichtlichen Praxis bekannt (vgl. zum Erfordernis der gesundheitlichen Eignung von Beamtenbewerbern etwa [X.], Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 12.11 - [X.]E 147, 244). Ermittlungen zu Umfang und statistischer Bedeutung entsprechender Hinderungsgründe an den fehlenden Verbeamtungen hat das Berufungsgericht nicht angestellt. Angesichts der absolut niedrigen Zahl von [X.] käme jedoch bereits wenigen Treffern eine statistisch erhebliche Bedeutung zu. Insoweit ist auch nicht fernliegend, dass hinsichtlich der weiteren Verbeamtungshindernisse geschlechtsspezifische Unterschiede bestehen könnten (vgl. zu entsprechenden Differenzierungen bei schweren Adipositaserkrankungen [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Bleß, [X.], 2016, [X.] ff.).

Zweifel bestehen schließlich an der den Erwägungen des Berufungsgerichts zugrunde liegenden Annahme, dass Bewerber, deren Übernahme in das Beamtenverhältnis aufgrund einer Überschreitung der [X.] abgelehnt wurde, eine Lehrtätigkeit bei der [X.] im Angestelltenverhältnis aufgenommen haben. Irgendwie geartete Daten oder Belege hierzu finden sich in der angegriffenen Entscheidung nicht. Angesichts der nicht unerheblichen Unterschiede der Bundesländer bei der Regelung von [X.]n und den hierfür geltenden Ausnahmebestimmungen erscheint indes naheliegend, dass Personen, die besonderen Wert auf eine Übernahme in das Beamtenverhältnis legen, vorrangig eine Bewerbung bei einem anderen Bundesland in Betracht ziehen werden. Schließlich besteht für Lehrkräfte auch ein breites Angebot möglicher Arbeitgeber - etwa von Privatschulen - außerhalb des öffentlichen Dienstes. Gerade für diejenigen Bewerber, denen die Verbeamtung als Besonderheit der Beschäftigung an einer öffentlichen Schule nicht offensteht, liegt ein "Ausweichen" auf eine Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes daher nicht fern (vgl. zur mangelnden Aussagekraft der Bezugnahme auf die "betroffenen" Personen auch [X.], Urteil vom 8. Mai 2019 - [X.]/18, [X.] - Rn. 39).

d) Anhand der vom Berufungsgericht herangezogenen Daten lässt sich die Frage, ob die streitgegenständliche [X.] Personen weiblichen Geschlechts in besonderer Weise benachteiligt, daher nicht zuverlässig beurteilen.

Eine weitere Datenerhebung ist von der Klägerin weder beantragt noch angeregt worden (vgl. Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/[X.]). Dass die Frage aufgrund allgemein zugänglicher Quellen aufgeklärt werden könnte, ist nicht ersichtlich. Auch in der wissenschaftlichen Literatur wird eine mittelbare Benachteiligung von Frauen durch [X.]n nicht bestätigt (vgl. hierzu [X.], Mittelbare Geschlechtsdiskriminierung im öffentlichen Dienst an Schule und Hochschule, 2020, [X.] ff.).

Damit wird nicht in Abrede gestellt, dass von Verzögerungen im Erwerb der Laufbahnbefähigung, die auf die Erziehung und Betreuung von Kindern zurückgehen, in der gesellschaftlichen Realität typischerweise und überwiegend Frauen betroffen sind (vgl. [X.], [X.] vom 9. Mai 2018 - 1 BvR 1884/17 - NVwZ 2018, 1138 Rn. 18). Substantiierte Anhaltspunkte dafür, dass sich entsprechende Erschwernisse auch noch in signifikanter Weise auf Personen auswirken könnten, die die [X.] von 45 Jahren überschritten haben, sind indes nicht ersichtlich. Derart gravierende Verzögerungen bei der Aufnahme einer Berufstätigkeit, die mit der erstmaligen Einstellung in ein Beamtenverhältnis verbunden ist, dürften nur in Ausnahmefällen auf die Kinderbetreuung zurückzuführen sein und regelmäßig auf andere Ursachen - wie im Fall der Klägerin den erst spät realisierten ([X.] - zurückgehen.

Die Einschätzung des Landesgesetzgebers, die streitgegenständliche Altersgrenze von 45 Jahren sei "so hoch angesetzt, dass denkbare Verzögerungen in der beruflichen Entwicklung bereits pauschal in die Abwägung [...] einbezogen sind" ([X.]. [X.]. 20/395 S. 15), wird durch die vorliegenden statistischen Daten jedenfalls nicht erschüttert.

2. Unabhängig hiervon wäre eine entsprechende Wirkung jedenfalls durch sachliche Gründe gerechtfertigt, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben.

a) Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. [X.] 2006/54/[X.] bezeichnet der Ausdruck "mittelbare Diskriminierung" eine Situation, in der dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen des einen Geschlechts in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Für diese Ausnahme verlangt der Gerichtshof der [X.] in ständiger Rechtsprechung, dass die nationale Bestimmung durch objektive Gründe gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben (vgl. zuletzt etwa [X.], Urteil vom 24. Februar 2022 - [X.]/20 - Rn. 48 [X.]).

Die in [X.]en geltende Regelung einer Altershöchstgrenze für die erstmalige Ernennung zum Beamten dient ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs des Senats der Herstellung eines angemessenen Verhältnisses von Arbeitsleistung und [X.] ([X.]. [X.]. 20/395 S. 15).

Diese Zielsetzung hat das [X.] grundsätzlich gebilligt und als mögliche Rechtfertigung des durch eine [X.] bewirkten Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 2 GG anerkannt. Die Zugangsbeschränkung kann sich aus dem Lebenszeit- und dem [X.] ergeben, denen durch die Gewährleistung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums in Art. 33 Abs. 5 GG ebenfalls Verfassungsrang zukommt.

Mit der Forderung eines angemessenen zeitlichen Verhältnisses zwischen Lebensdienst- und Ruhestandszeit und damit zwischen aktiver Beschäftigungszeit und [X.] kommt zum Ausdruck, dass sich die Alimentation des Beamten im Ruhestand nur rechtfertigt, wenn dessen Arbeitskraft dem Dienstherrn zuvor über einen längeren Zeitraum uneingeschränkt zur Verfügung gestanden hat. Zu den hergebrachten Strukturprinzipien, die das Bild des Berufsbeamtentums maßgeblich prägen, gehört das [X.]. Es verpflichtet den Dienstherrn, den Beamten und seine Familie lebenslang - und damit auch nach Beendigung des aktiven Dienstes - angemessen und auf der Grundlage seines letzten Amtes zu alimentieren ([X.], Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvL 11.04 - [X.]E 117, 372 <380 ff.>). Beamte [X.] ihre Altersversorgung während der Dienstzeit. Ihre Bezüge sind im Hinblick auf die künftigen Versorgungsansprüche niedriger festgesetzt; der Dienstherr behält einen fiktiven Anteil ein, um die Versorgung zu finanzieren. [X.]n stellen daher - im Zusammenspiel mit den Ruhestandsgrenzen - eine wesentliche Grundlage für die Finanzierbarkeit und Funktionsfähigkeit des beamtenrechtlichen Versorgungssystems dar ([X.], Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u. a. - [X.]E 139, 19 Rn. 80 f.).

Das Interesse des Dienstherrn, "eine angemessene Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand" zu gewährleisten, und damit die Zielsetzung einer "nachhaltigen Sicherung der Finanzierung von Pensionsleistungen" stellen auch legitime sozialpolitische Ziele im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] dar (vgl. [X.], Urteile vom 13. November 2014 - [X.]/13, [X.] - Rn. 64 f., vom 24. September 2020 - [X.]/19, [X.] - Rn. 61, vom 21. Januar 2021 - [X.]/19, [X.] - Rn. 38 und vom 5. Mai 2022 - [X.]/20, [X.] - Rn. 57).

b) Die [X.] in § 48 [X.] ist zur Erreichung dieser Ziele geeignet und erforderlich; sie lässt insbesondere auch eine angemessene Berücksichtigung etwaiger Verzögerungen durch Kinderbetreuungszeiten zu.

Die Ermittlung eines angemessenen Verhältnisses zwischen aktiver Lebensdienst- und Ruhestandszeit kann nicht allein rechnerisch bestimmt werden, weil die Entscheidung darüber, welche Positionen in die Abwägung einbezogen werden sollen, dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers obliegt (vgl. [X.], Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u. a. - [X.]E 139, 19 Rn. 88 ff.). Über die Pensionsansprüche hinausgehende Zahlungsverpflichtungen des Dienstherrn ergeben sich etwa aus der [X.] und der Hinterbliebenenversorgung. Diesem politischen Gestaltungsspielraum muss auch die gerichtliche Kontrolldichte Rechnung tragen.

Der Entscheidung des Gesetzgebers obliegt auch die Frage, ob die Höchstaltersgrenze generell zur Anwendung gelangen, oder mit Ausnahmen für bestimmte Personen- oder Fallgruppen versehen sein soll. Der Gesetzgeber kann entweder die Höchstaltersgrenze insgesamt niedriger festsetzen und die Fälle, in denen sich der berufliche Werdegang aus berücksichtigungswürdigen Gründen verzögert hat, mit entsprechenden Ausnahmetatbeständen erfassen. Er kann aber auch auf die Vorgabe derartiger Ausnahmefälle verzichten und mit der Regelung einer großzügigeren Höchstaltersgrenze einen "pauschalen Zuschlag" ansetzen, mit dem entsprechende Verzögerungen abgegolten sind (vgl. [X.], [X.] vom 14. Februar 2019 - 2 BvR 2781/17 - [X.] 2019, 304 Rn. 26; [X.], Urteil vom 20. September 2018 - 2 A 9.17 - [X.]E 163, 112 Rn. 39).

Mit der in § 48 Abs. 1 Satz 1 [X.] festgelegten Höchstaltersgrenze von 45 Jahren überschreitet der Gesetzgeber den ihm zukommenden Gestaltungsspielraum nicht. Mit dieser Altersgrenze sind bei typisierender Betrachtung auch diejenigen Fälle angemessen berücksichtigt, bei denen sich der bis zur erstmaligen Ernennung zum Beamten erforderliche Zeitraum aus anerkennenswerten Gründen verzögert hat. Insbesondere steht nicht zu besorgen, dass Frauen aufgrund der von ihnen geleisteten Kinderbetreuungszeiten keine realistische Berufszugangschance mehr hätten (ebenso [X.], Beschluss vom 2. März 2020 - 3 ZB 19.1090 - juris Rn. 20).

Ausweislich der vom [X.] herausgegebenen Aufstellung lag das Durchschnittsalter bei Lehramtsprüfungen an [X.] Hochschulen im Jahr 2021 bei 24,5 Jahren ([X.], Hochschulen: Zusammengefasste Abschlussprüfungen nach Geschlecht, Nationalität und Durchschnittsalter, Stand 7. September 2022). Das Durchschnittsalter der neu eingestellten Lehrkräfte nach Abschluss des Vorbereitungsdienstes betrug in [X.] 29,8 Jahre (Pressemitteilung der [X.] vom 27. Januar 2021); für [X.]en sind keine öffentlich zugänglichen Daten ersichtlich. Ausgehend hiervon wird deutlich, dass mit der von § 48 Abs. 1 Satz 1 [X.] für die erstmalige Ernennung zum Beamten geregelten [X.] ein Puffer von jedenfalls über zehn Jahren verbleibt. Legt man als berücksichtigungsfähigen Zeitraum die vom Gesetzgeber bei der Bestimmung der Elternzeit herangezogene Dauer von drei Jahren (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit) und eine durchschnittliche Kinderzahl von rund 1,6 pro Frau (vgl. [X.], Pressemitteilung Nr. 326 vom 3. August 2022, wonach im Übrigen die Mütter bei der Geburt des ersten Kindes durchschnittlich 30,5 Jahre alt waren und die Berufsausbildung damit regelmäßig abgeschlossen hatten) zugrunde, trägt die [X.] von 45 Jahren berücksichtigungswürdigen Verzögerungen der Berufsaufnahme aufgrund von Kinderbetreuungszeiten angemessen Rechnung. Dem entspricht, dass ausweislich der vom Berufungsgericht herangezogenen Daten die als Lehrkräfte bei der [X.] beschäftigten Frauen zu einem insgesamt sehr hohen Anteil nicht nachteilig von der [X.] betroffen waren.

Zu einer hierüber hinausgehenden Berücksichtigung aller etwaigen Einzelfallumstände war der Gesetzgeber nicht verpflichtet. Im Rahmen seiner Typisierungsbefugnis darf er sich vielmehr grundsätzlich am Regelfall orientieren ([X.], Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - [X.]E 161, 299 Rn. 190 [X.]). Konkrete Bedenken gegen die getroffene Generalisierung bestehen nicht, weil den mit der [X.] verbundenen Härten, die etwa durch Kinderbetreuungszeiten verursacht sein können, durch die pauschal hoch angesetzte Altersgrenze weitestgehend Rechnung getragen ist (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 7. Mai 2013 - 2 BvR 909/06 u. a. - [X.]E 133, 377 Rn. 87 f.).

3. Der von der Klägerin "dem Grunde nach" geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz und Entschädigung nach § 15 AGG scheitert daher jedenfalls an der hierfür erforderlichen Rechtsverletzung (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

2 C 1/22

20.04.2023

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, 24. November 2021, Az: 2 LC 324/20, Urteil

Art 2 Abs 1 Buchst b EGRL 54/2006, Art 14 Abs 1 Buchst a EGRL 54/2006, Art 19 Abs 1 EGRL 54/2006, Art 33 Abs 2 GG, Art 33 Abs 5 GG, § 7 Abs 1 BeamtStG, § 15 AGG, § 48 Abs 1 S 1 HO BR

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.04.2023, Az. 2 C 1/22 (REWIS RS 2023, 4876)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4876

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvR 2649/21

2 BvR 2781/17

1 BvR 1884/17

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