Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 29.05.2015, Az. 2 BvR 869/15

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2015, 10432

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz durch Versagung von Eilrechtsschutz gegen anstaltsinterne Verlegung eines Strafgefangenen


Tenor

Der Beschluss des [X.] vom 22. April 2015 - 1 d [X.] - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Das [X.] hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

1

Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene [X.]beschwerde betrifft die Versagung von [X.] gegen die anstaltsinterne Verlegung des strafgefangenen Beschwerdeführers.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer befindet sich nach seinem Vorbringen seit 2009 in Strafhaft, seit 2011 sei er in der [X.] untergebracht. Das [X.] sei auf den 20. September 2015 datiert. Innerhalb der Anstalt sei er vor der hier in Streit stehenden Maßnahme bereits [X.] aus vollzugsorganisatorischen Gründen verlegt worden; seit März 2014 sei er im [X.] untergebracht. Am 16. April 2015 habe eine Vollzugsplankonferenz stattgefunden, bei der seine Verlegung in die [X.] erwogen worden sei. Einer solchen habe der Beschwerdeführer nicht vorbehaltlos zustimmen wollen. Die Anstalt teilte ihm nach seiner Angabe daraufhin mit, dass er in diesem Falle in ein anderes [X.] innerhalb der [X.] verlegt würde, weil man seinen Haftraum benötige.

3

2. Mit Schriftsatz vom 18. April 2015 beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit den Anträgen, die Verlegung in ein anderes [X.] bis zum Abschluss des Hauptverfahrens auszusetzen und für den Fall einer zwischenzeitlich bereits erfolgten Verlegung die sofortige Rückgängigmachung der Maßnahme anzuordnen. Die Verlegung in ein anderes [X.] gegen seinen Willen verletze ihn in seinem Persönlichkeitsrecht und stelle einen schwerwiegenden Eingriff dar. Die vorgetragenen Gründe rechtfertigten eine Verlegung nicht. Der Beschwerdeführer habe seinen Haftraum im [X.]. Es sei Aufgabe der Vollzugsbehörde, Haftplätze zu koordinieren. Es könne nicht angehen, dass Gefangene willkürlich verlegt würden, um Raum für andere Gefangene zu schaffen. Es sei auch unklar, wieso der Haftraum des Beschwerdeführers für die Unterbringung anderer Gefangener besser geeignet sei als andere Haftplätze in der Anstalt. Im [X.] würden zudem in Kürze mehrere Haftplätze frei. Der Beschwerdeführer sei in den drei Jahren und neun Monaten seiner Inhaftierung in der [X.] insgesamt in fünf verschiedenen Vollzugshäusern untergebracht gewesen, ohne dass sein Verhalten für Verlegungen Anlass geboten habe. Durch jede Verlegung werde er seinem [X.] und seinem [X.] Umfeld in der Haft entzogen. Auch sei es wegen der vielen Verlegungen in den [X.] zu widersprüchlichen Angaben gekommen, weil diese von verschiedenen [X.] sowie Sozialarbeitern erstellt worden seien. Der Eilantrag richte sich gegen eine belastende Maßnahme, weshalb das Gericht den Vollzug schon unter den Voraussetzungen des § 114 Abs. 2 Satz 1 [X.] aussetzen könne. Das gelte auch dann, wenn die Maßnahme bereits vollzogen sei und der Antragsteller ausdrücklich zugleich das Rückgängigmachen des Vollzugs der Maßnahme beantrage. Die vorläufige Aussetzung der Verlegungsanordnung stelle keine Vorwegnahme der Hauptsache dar.

4

Mit angegriffenem Beschluss wies das [X.] den Eilantrag zurück. Eine Eilentscheidung nach § 114 [X.] sei nur geboten, wenn irreparable, über den belastenden Charakter der Maßnahme selbst hinausgehende Nachteile drohten oder wenn schwere, unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile für den Antragsteller zu erwarten seien, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten. Dies sei hier nicht gegeben. Schwere, unzumutbare Nachteile seien nicht zu erkennen. Durch ein Stattgeben würden irreversible Tatsachen geschaffen. Die Hauptsacheentscheidung würde bereits vorweggenommen. Dies sei von einem Antrag nach § 114 [X.] gerade nicht intendiert. Eine Vorwegnahme sei nur ausnahmsweise möglich. Dies sei vorliegend auch vom effektiven Rechtsschutz nicht geboten, da keine unzumutbaren Nachteile ersichtlich oder vom Beschwerdeführer vorgetragen worden seien. Dieser müsse die Nachteile vortragen, da sie sich nicht von vornherein aufdrängten.

5

3. Am 5. Mai 2015 wurde die Verlegung dem Beschwerdeführer nach seinen Angaben durch die Anstalt nochmals mündlich eröffnet und am darauffolgenden Tag vollzogen.

II.

6

1. Mit seiner mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundenen [X.]beschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts, des Resozialisierungsanspruchs sowie des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG.

7

Für die Gerichte ergäben sich aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes Anforderungen auch für den vorläufigen Rechtsschutz. Die Auslegung und Anwendung der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen müsse zu einer wirksamen Kontrolle in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht führen. Der angegriffene Beschluss verfehle diese Anforderungen. Es liege ein Fall der Aussetzung einer belastenden Maßnahme vor, der nach § 114 Abs. 2 Satz 1 [X.] zu beurteilen sei. Die vorläufige Aussetzung einer belastenden Maßnahme stelle keine Vorwegnahme der Hauptsache dar. Das Gericht hatte daher, ohne insoweit durch den Gesichtspunkt einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache gebunden zu sein, gemäß § 114 Abs. 2 Satz 1 [X.] prüfen müssen, ob die Gefahr bestehe, dass die Verwirklichung eines Rechts des Beschwerdeführers vereitelt oder wesentlich erschwert werde und ob der Aussetzung ein höher zu bewertendes Interesse an dem sofortigen Vollzug nicht entgegenstehe. Indem das Gericht die gesetzlichen Vorschriften in einer Weise ausgelegt habe, die für die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung und dem Interesse an einer Aussetzung keinen Raum lasse, sei es den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen effektiven vorläufigen Rechtsschutz nicht gerecht geworden.

8

2. Das [X.] hat von der Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.

9

3. Die Akten des fachgerichtlichen Verfahrens wurden beigezogen.

III.

Die [X.]beschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]). Die Voraussetzungen für eine stattgebende [X.] (§ 93c Abs. 1 [X.]) liegen vor. Die für die Beurteilung der [X.]beschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze hat das [X.] bereits geklärt. Nach diesen Grundsätzen ist die [X.]beschwerde zulässig und in einem die Kammerzuständigkeit begründenden Sinne offensichtlich begründet.

1. Der angegriffene Beschluss des [X.]s verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG.

a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern gibt dem Bürger einen Anspruch auf tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle. Aus dieser grundgesetzlichen Garantie folgt zugleich das [X.]gebot, soweit als möglich zu verhindern, dass durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme Tatsachen geschaffen werden, die auch dann, wenn sich die Maßnahme bei richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist, nicht mehr rückgängig gemacht werden können (vgl. [X.] 37, 150 <153>; 65, 1 <70>). Zwar gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen nicht schlechthin (vgl. [X.] 65, 1 <70>), so dass es von [X.] wegen nicht zu beanstanden ist, wenn der Gesetzgeber im Bereich des Strafvollzugs - im Gegensatz etwa zu der für die Anfechtung von Verwaltungsakten im Verwaltungsprozess geltenden Regelung (§ 80 VwGO) - die sofortige Vollziehung als Regel und die Aussetzung des Vollzuges als Ausnahme vorsieht, weil er grundsätzlich den sofortigen Vollzug der angeordneten Maßnahmen aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses für geboten hält. Dabei muss jedoch gewährleistet sein, dass der Betreffende umgehend eine gerichtliche Entscheidung darüber herbeiführen kann, ob im konkreten Einzelfall das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung oder aber das Interesse des Einzelnen an der Aussetzung der Vollstreckung bis zur Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme überwiegt. Bei dieser Abwägung fällt der Rechtsschutzanspruch des Bürgers um so stärker ins Gewicht, je schwerer die ihm auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahme der Exekutive Unabänderliches bewirkt (vgl. [X.] 35, 382 <402>; 37, 150 <153>).

Für die Gerichte ergeben sich aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes Anforderungen auch für den vorläufigen Rechtsschutz. Die Auslegung und Anwendung der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen muss darauf ausgerichtet sein, dass der Rechtsschutz sich auch im Eilverfahren nicht in der bloßen Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts erschöpft, sondern zu einer wirksamen Kontrolle in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht führt (vgl. [X.] 49, 220 <226>; 77, 275 <284>; [X.]K 1, 201 <204 f.>; 11, 54 <60>).

b) Die Auslegung und Anwendung des § 114 Abs. 2 [X.] durch das [X.] verkennt die oben dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gewährung effektiven Rechtsschutzes bei belastenden Maßnahmen.

Nach § 114 Abs. 2 [X.] kann das Gericht den Vollzug einer angefochtenen Maßnahme aussetzen, wenn die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird, und ein höher zu bewertendes Interesse an dem sofortigen Vollzug nicht entgegensteht. Das Gericht kann auch unter den Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 VwGO eine einstweilige Anordnung erlassen. Mit dieser Regelung differenziert der Gesetzgeber bei der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Strafvollzug - ähnlich wie bei §§ 80, 123 VwGO - nach dem Gegenstand der Hauptsache. Wendet sich der Antragsteller gegen eine ihn belastende Maßnahme, so kann das Gericht den Vollzug dieser Maßnahme schon unter den Voraussetzungen des § 114 Abs. 2 Satz 1 [X.] aussetzen. Begehrt der Antragsteller dagegen die Verpflichtung zum Erlass einer von der Anstalt abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme, so kommt vorläufiger Rechtsschutz nur unter den Voraussetzungen von § 114 Abs. 2 Satz 2 [X.], § 123 Abs. 1 VwGO in Betracht.

Begehrt ein Gefangener [X.] gegen eine (anstaltsinterne) Verlegung, so geht es um die vorläufige Aussetzung einer ihn belastenden Maßnahme. Dies gilt auch dann, wenn die Verlegung bereits vollzogen wurde (vgl. [X.], 64 <65 f.>; 11, 54 <61>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 25. Juli 1989 - 2 BvR 896/89 -, juris). Die Strafvollstreckungskammer hat das Vorliegen der Voraussetzungen für eine stattgebende Entscheidung verneint, ohne zwischen den Voraussetzungen einer Aussetzungsanordnung nach § 114 Abs. 2 Satz 1 [X.] und den Voraussetzungen einer Vornahmeanordnung nach § 114 Abs. 2 Satz 2 [X.] in Verbindung mit § 123 Abs. 1 VwGO klar zu unterscheiden und ohne erkennen zu lassen, nach welcher dieser beiden Alternativen entschieden wurde (zur Bedeutung dieser Unterscheidung im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG vgl. [X.], Beschlüsse der [X.] des Zweiten Senats vom 9. November 1993 - 2 BvR 2212/93 -, NStZ 1994, [X.], vom 7. September 1994 - 2 BvR 1958/93 -, [X.] 1995, [X.] ff., vom 17. Juni 1999 - 2 BvR 1454/98 -, NStZ 1999, [X.]). Der Umstand, dass das Gericht seine ablehnende Entscheidung auf das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gestützt hat - das typischerweise in [X.] zum Tragen kommt -, legt den Schluss nahe, dass das Gericht rechtsfehlerhaft von einem Anwendungsfall des § 114 Abs. 2 Satz 2 [X.] in Verbindung mit § 123 Abs. 1 VwGO statt von der nach § 114 Abs. 2 Satz 1 [X.] zu beurteilenden Konstellation einer beantragten vorläufigen Aussetzung einer belastenden Maßnahme ausgegangen ist.

Jedenfalls ist die Annahme des Gerichts, dass eine stattgebende Entscheidung die Hauptsache vorwegnehmen würde und die engen Voraussetzungen, unter denen eine die Hauptsache vorwegnehmende Entscheidung ergehen könnte, nicht vorlägen, nicht haltbar. Eine - allein in Ausnahmefällen zulässige - Vorwegnahme der Hauptsache liegt nur dann vor, wenn die begehrte vorläufige Entscheidung faktisch keine vorläufige wäre, sondern einer endgültigen gleichkäme. Dies ist nicht der Fall, wenn die einstweilige Aussetzung einer Maßnahme begehrt wird, die bei entsprechendem Ausgang des Hauptsacheverfahrens wieder in Geltung gesetzt werden kann. Die bloße Tatsache, dass die vorübergehende Aussetzung als solche nicht wieder rückgängig gemacht werden kann, macht die vorläufige Regelung nicht zu einer faktisch endgültigen. Die vorläufige Aussetzung ist vielmehr, sofern die Voraussetzungen für eine stattgebende Eilentscheidung im Übrigen vorliegen, gerade der typische, vom Gesetzgeber vorgesehene Regelungsgehalt des vorläufigen Rechtsschutzes gegen belastende Maßnahmen (vgl. [X.]K 1, 201 <206>; 7, 403 <409>; 8, 64 <65 f.>; 11, 54 <61>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 24. März 2009 - 2 BvR 2347/08 -, juris, Rn. 12, und vom 3. Mai 2012 - 2 BvR 2355/10, 2 BvR 1443/11 -, juris, Rn. 13).

Es kann offen bleiben, ob die Aussetzung belastender, die Unterbringung von Strafgefangenen betreffender Maßnahmen im Falle einer sehr geringen verbleibenden Reststrafe an die besonderen Voraussetzungen für eine Vorwegnahme der Hauptsache geknüpft werden kann, weil die Aussetzung aufgrund des Zeitablaufs die Hauptsacheentscheidung hinfällig machen würde und sie daher in ihrer Wirkung einer Vorwegnahme der Hauptsache sehr nahe käme (vgl. dazu [X.] 34, 160 <162 f.>; [X.]/[X.], VwGO, 20. Aufl. 2014, § 123 Rn. 14). Ein solcher Fall - auf den sich das [X.] auch gar nicht beruft - liegt jedenfalls bei einer verbleibenden Reststrafe von fünf Monaten ab Antragstellung nicht vor. Im Übrigen dürfte das Gebot effektiven Rechtsschutzes in einer solchen Konstellation zumindest gebieten, bei der Entscheidung, ob die Vorwegnahme der Hauptsache ausnahmsweise zulässig ist, zu Gunsten des Betroffenen in die Abwägung einzustellen, dass für ihn die Entscheidung in der Hauptsache zu spät käme (vgl. [X.] 34, 160 <162 f.>; 46, 160 <163 f.>; 67, 149 <151>; 79, 69 <75>).

Die Strafvollstreckungskammer hätte daher, ohne insoweit durch den Gesichtspunkt einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache gebunden zu sein, prüfen müssen, ob die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts des Beschwerdeführers vereitelt oder wesentlich erschwert wird, und ob der Aussetzung ein höher zu bewertendes Interesse an dem sofortigen Vollzug nicht entgegensteht. Dabei kann auch eine Rolle spielen, ob nach einer summarischen Prüfung der Antragsteller mit seinem Rechtsbehelf voraussichtlich Erfolg haben wird (vgl. [X.], [X.], 3. Aufl. 2011, § 114 Rn. 3). Indem das Gericht die danach erforderliche Interessenabwägung unterlassen hat, ist es den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen effektiven vorläufigen Rechtsschutz nicht gerecht geworden. Das Interesse am sofortigen Vollzug der Maßnahme wird im angegriffenen Beschluss überhaupt nicht dargelegt. Stattdessen verweist die Strafvollstreckungskammer einseitig darauf, dass der Beschwerdeführer keine schweren und unzumutbaren Nachteile dargelegt habe.

2. Ob der angegriffene Beschluss den Beschwerdeführer darüber hinaus auch deshalb in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzt, weil er nicht auf zureichender Aufklärung des zugrundeliegenden Sachverhalts beruht, kann angesichts des bereits festgestellten Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 4 GG offenbleiben.

IV.

Die Entscheidung über die Aufhebung und Zurückverweisung beruht auf § 95 Abs. 2 [X.]. Die Auslagen für das [X.]beschwerdeverfahren sind dem Beschwerdeführer gemäß § 34a Abs. 2 [X.] zu erstatten.

Meta

2 BvR 869/15

29.05.2015

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend LG Darmstadt, 22. April 2015, Az: 1 d StVK 695/15, Beschluss

Art 19 Abs 4 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 114 Abs 2 S 1 StVollzG, § 114 Abs 2 S 2 StVollzG, § 123 Abs 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 29.05.2015, Az. 2 BvR 869/15 (REWIS RS 2015, 10432)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10432

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

2 StVK 1342/23

2 BvR 1936/22

2 BvR 116/23

2 BvR 656/16

2 BvR 899/20

8 L 179/22

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