Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15.08.2012, Az. 7 ABR 34/11

7. Senat | REWIS RS 2012, 3918

ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) BETRIEBSRAT UNTERNEHMEN ÖFFENTLICHER DIENST

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Gegenstand

Gestellte Arbeitnehmer - Wählbarkeit zum Betriebsrat


Leitsatz

Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind, sind dort bei Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen zum Betriebsrat wählbar.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des [X.] vom 5. April 2011 - 2 TaBV 35/10 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Gegenstand des Verfahrens ist die Anfechtung einer [X.].

2

Die Beteiligte zu 1. ist eine im Betrieb „Campus [X.]“ der zu 3. beteiligten Arbeitgeberin vertretene [X.]. Im vorliegenden Verfahren ficht sie die Wahl des in diesem Betrieb gebildeten und zu 2. beteiligten Betriebsrats an.

3

Die Arbeitgeberin, eine GmbH, wurde im Jahre 2005 gegründet. Bis zum 31. Dezember 2009 war sie eine 100 %ige Tochtergesellschaft des [X.], einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts (künftig: [X.]). Zum 1. Januar 2010 trat mit 49 % ein privater Investor ein. Die Geschäftsführung der Arbeitgeberin wurde vom [X.] gestellt.

4

Die Arbeitgeberin erbringt für das [X.] nichtmedizinische Dienstleistungen, insbesondere Reinigungs- und Sterilisationsleistungen, Hol- und Bringdienste sowie Transportleistungen. Dafür unterhält sie zwei Betriebe, darunter einen am „Campus [X.]“. Sie setzt eigene, bei ihr angestellte Arbeitnehmer ein. Das sind in [X.] ca. 700. Darüber hinaus sind dort bereits seit vielen Jahren 284 beim [X.] angestellte Arbeitnehmer tätig. Dabei handelt es sich um Arbeitnehmer, die in Servicebereichen eingesetzt waren, die vor der Gründung der Arbeitgeberin das [X.] selbst betrieben hatte. Die tatsächliche Regelung des Arbeitseinsatzes oblag dabei seit ihrer Gründung allein der Arbeitgeberin. Die beim [X.] angestellten Arbeitnehmer führten die Tätigkeiten zusammen mit den eigenen Arbeitnehmern der Arbeitgeberin durch.

5

Eine förmliche Regelung des Einsatzes der beim [X.] angestellten Arbeitnehmer bei der Arbeitgeberin bestand zunächst nicht. Erst als zum 1. Januar 2010 der private Partner bei der Arbeitgeberin eintrat, schloss das [X.] mit der Arbeitgeberin am 16. Dezember 2009 einen Personalgestellungsvertrag. Danach stellte das [X.] die von ihm angestellten Arbeitnehmer der Arbeitgeberin zur Verfügung, die sich ihrerseits verpflichtete, diese Arbeitnehmer einzusetzen. Das [X.] behält sich diese Arbeitnehmer betreffende grundsätzliche personelle Angelegenheiten, beispielsweise die Entscheidung über [X.]ündigungen und ihren Ausspruch vor. Demgegenüber fallen nach der Vereinbarung in die Zuständigkeit der Arbeitgeberin insbesondere die fachlichen Weisungsrechte, die sich aus der Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts ergeben, zB die Zuweisung der Arbeitstätigkeit. Das [X.] verfügt über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis.

6

Im Zusammenhang mit dem Abschluss des förmlichen [X.] widersprachen sämtliche beim [X.] angestellten und bei der Arbeitgeberin eingesetzten Arbeitnehmer dem mit einem möglichen Betriebs(teil-)übergang vebundenen Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse.

7

Im Betrieb „Campus [X.]“ der Arbeitgeberin stand am 4. und 5. Mai 2011 eine [X.] an. Der dafür eingesetzte Wahlvorstand sah die im Wege der Personalgestellung eingesetzten Beschäftigten des [X.] nicht als passiv wahlberechtigt an. Der dagegen gerichtete Einspruch einer betroffenen Arbeitnehmerin gegen die Wählerliste wurde als unbegründet zurückgewiesen. Die Antragstellerin reichte eine eigene Wahlvorschlagsliste ein, die sie am 6. April 2010 beim Wahlvorstand abgab. Die Liste enthielt die Namen von zehn Beschäftigten, die im Rahmen der Personalgestellung bei der Arbeitgeberin tätig sind. Unter dem 7. April 2010 wies der Wahlvorstand diese Vorschlagsliste zurück, da sie wegen der Aufnahme gestellter Arbeitnehmer an einem unheilbaren Mangel leide. Die Wahl wurde ohne diese Vorschlagsliste durchgeführt. Der Wahlvorstand gab das Wahlergebnis am 5. Mai 2010 bekannt.

8

Mit ihrem am 17. Mai 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen und am 20. Mai 2010 zugestellten Antrag hat die Antragstellerin die [X.] im Betrieb „Campus [X.]“ der Arbeitgeberin angefochten. Sie hat die Ansicht vertreten, der Wahlvorstand habe gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen, indem er die gestellten Arbeitnehmer nicht als wählbar behandelt und den Wahlvorschlag der Antragstellerin zurückgewiesen habe. Dies berechtigte zur Anfechtung.

9

Die Antragstellerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die am 4. und 5. Mai 2010 im Betrieb „Campus [X.]“ der Arbeitgeberin durchgeführte [X.] für unwirksam zu erklären.

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

Er hat sich darauf berufen, [X.] lägen nicht vor. Zu Recht sei der Wahlvorstand davon ausgegangen, dass die im Wege der Personalgestellung bei der Arbeitgeberin eingesetzten Arbeitnehmer nicht passiv wahlberechtigt seien. § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] besage nichts anderes. Ferner greife die Bestimmung nicht, wenn es - wie hier - nicht um die Privatisierung hoheitlicher Aufgaben gehe. Zu berücksichtigen sei ferner, dass ein Fall der Arbeitnehmerüberlassung vorliege. Die überlassenen Arbeitnehmer seien daher nach § 14 Abs. 2 Satz 1 [X.] im Betrieb der Arbeitgeberin nicht wählbar. Außerdem sei die Gestellung rechtsunwirksam. Der Personalrat des [X.] sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden und zudem sei bei der Gestellung die Zustimmung des Betriebsrats der Arbeitgeberin nach § 99 [X.] nicht eingeholt worden.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats hat das [X.] zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat weiterhin sein Ziel der Antragsabweisung. Die Antragstellerin begehrt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

B. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das [X.] die Beschwerde gegen die dem Anfechtungsantrag stattgebende Entscheidung des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Durch die Nichtberücksichtigung der gestellten Arbeitnehmer als passiv wahlberechtigt und die Zurückweisung der von der Antragstellerin eingereichten Liste, auf der solche Arbeitnehmer als [X.]andidaten aufgeführt waren, hat der Wahlvorstand [X.] begangen, die zur Anfechtung der [X.] berechtigen.

I. Neben den Beteiligten des Verfahrens sind weitere Personen oder Stellen nicht nach § 83 Abs. 3 ArbGG am Verfahren beteiligt. Beteiligter in Angelegenheiten des [X.] ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen ist (vgl. etwa [X.] 17. April 2012 - 1 [X.] - Rn. 15 mwN).

1. Unmittelbar in diesem Sinne sind weder das [X.] noch der bei ihm gebildete Personalrat betroffen (vgl. auch [X.]. [X.] 16. August 2007 - 9 TaBV 27/07 - Rn. 29 und [X.] Bremen 24. November 2009 - 1 TaBV 27/08 - Rn. 50). § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] regelt die Einbeziehung der dort genannten Beschäftigten in die Betriebsverfassung. Er trifft keine Aussage dazu, ob und wie diese Beschäftigten in das System der Personalvertretung bei der Dienststelle, hinsichtlich derer ein individualrechtliches Rechtsverhältnis besteht, einzubeziehen sind. Die Frage, wie die gestellten Arbeitnehmer betriebsverfassungsrechtlich einzuordnen sind, sagt deshalb nichts dazu aus, wie sich ihre personalvertretungsrechtliche Stellung darstellt.

2. Ebenso wenig sind die gewählten Betriebsratsmitglieder oder die gestellten Arbeitnehmer am Verfahren beteiligt. Anders als bei einer Teilanfechtung der [X.] (vgl. dazu zum Beispiel [X.] 16. März 2005 - 7 [X.] [X.] der Gründe, [X.]E 114, 119) findet eine Beteiligung nicht statt, wenn die [X.] insgesamt angefochten wird (vgl. [X.] 14. Januar 1983 - 6 [X.] - zu II 1 c der Gründe, [X.]E 41, 275).

II. Nach § 19 [X.] kann ua. eine im Betrieb vertretene [X.] - wie die Antragstellerin - eine [X.] binnen einer Frist von zwei Wochen vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet anfechten, wenn ua. gegen wesentliche Vorschriften über die Wählbarkeit verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Diese Voraussetzungen einer Anfechtung liegen hier vor.

1. Die nach § 19 Abs. 2 Satz 1 [X.] anfechtungsberechtigte Antragstellerin hat mit dem am 17. Mai 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag die zweiwöchige Frist zur Anfechtung der am 5. Mai 2010 bekannt gemachten [X.] eingehalten.

2. Die Voraussetzungen der Anfechtbarkeit liegen vor. Der Wahlvorstand hat gegen Vorschriften über die Wählbarkeit verstoßen, indem er die beim [X.] angestellten und im Betrieb „Campus [X.]“ der Arbeitgeberin tätigen Arbeitnehmer nicht als wählbar behandelt und die von der Antragstellerin eingereichte Liste deshalb zurückgewiesen hat. Dieser Fehler wurde nicht berichtigt und konnte Auswirkungen auf das Wahlergebnis haben (§ 19 Abs. 1 [X.]).

a) Die beim [X.] angestellten, bei der Arbeitgeberin eingesetzten und im Betrieb „Campus [X.]“ tätigen Arbeitnehmer waren bei der [X.] passiv wahlberechtigt. Das ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Satz 3, § 7 und § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Wie der [X.] in seinem Beschluss vom 15. Dezember 2011 entschieden hat, sind die in § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] genannten Beschäftigten jedenfalls bei den organisatorischen Bestimmungen des [X.] zu berücksichtigen, die auf die regelmäßige Anzahl der (wahlberechtigten) Arbeitnehmer des Betriebs abstellen (- 7 [X.] - Rn. 20 ff., EzA [X.] 2001 § 5 Nr. 7). Das hat der [X.] aus Wortlaut, Zweck, Systematik und Entstehungsgeschichte der Bestimmung hergeleitet. Daran hält der [X.] uneingeschränkt fest und sieht daher von einer erneuten Wiedergabe der im Beschluss vom 15. Dezember 2011 (- 7 [X.] - Rn. 20 bis 31, aaO) im Einzelnen dargestellten Erwägungen ab. Für das passive Wahlrecht der in § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] genannten Beschäftigten, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind, gilt nichts anderes. Dabei verlangt auch der vorliegende Streitfall keine abschließende Beurteilung, ob die in § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] genannten Arbeitnehmer in jeglicher Hinsicht den Bestimmungen des [X.] unterfallen. Jedenfalls sind sie im Einsatzbetrieb passiv wahlberechtigt nach § 8 [X.], soweit sie die dort genannten weiteren Voraussetzungen erfüllen. Das entspricht auch der ganz überwiegenden Meinung im Schrifttum (so [X.]/[X.] 4. Aufl. § 5 [X.] Rn. 5; D[X.][X.]W/[X.] 13. Aufl. § 5 Rn. 108; [X.] 33/2009 [X.] 6; [X.] 26. Aufl. § 5 Rn. 318; Ha[X.]o-[X.]/[X.]loppenburg 3. Aufl. § 5 Rn. 22; [X.] 21/2011 [X.] 4; [X.] 2009, 500, 502; [X.][X.] NZA 2009, 1069, 1071; HW[X.]/Gaul 5. Aufl. § 5 [X.] Rn. 34a; [X.]/W/G/N/R/Rose 8. Aufl. § 5 Rn. 84; [X.] in [X.] [X.] 13. Aufl. § 8 Rn. 6; Raab G[X.]-[X.] 9. Aufl. § 5 Rn. 6, 14; [X.] BB 2009, 2036; [X.] dbr 10/2009, 32; [X.], 2316, 2317; v. [X.]/[X.], 706).

aa) Für die Wählbarkeit der in § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] genannten Beschäftigten spricht bereits der Wortlaut der gesetzlichen Regelung. Wenn die dort genannten Personen als „Arbeitnehmer“ gelten, dann sind sie unter den Voraussetzungen des § 7 Satz 1 [X.] „wahlberechtigt“, was wiederum unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] ihre Wählbarkeit zur Folge hat.

bb) Auch der Zweck von § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] spricht für dieses Ergebnis. Die grundsätzliche Einbeziehung der dort genannten Beschäftigtengruppen in die Betriebsverfassung hat ihren Sinn letztlich in der Erkenntnis, dass diese Personengruppe aufgrund ihrer Tätigkeit im Einsatzbetrieb von den dort getroffenen Entscheidungen des Betriebsinhabers betroffen ist. Vor diesem Hintergrund entspricht es dem Zweck der Regelung, wenn sich diese Betroffenheit auch in der Möglichkeit auswirkt, in das System der betrieblichen Interessenvertretung integriert, also auch zum Betriebsrat aktiv und passiv wahlberechtigt zu sein.

cc) Aus rechtssystematischen Argumenten folgt nichts anderes.

(1) Dem steht nicht entgegen, dass in § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] die in § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] genannten [X.], anders als die in Heimarbeit Beschäftigten, nicht ausdrücklich genannt sind. Der Gesetzgeber hebt in § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] die in Heimarbeit Beschäftigten heraus, weil für sie der [X.] nicht davon abhängt, dass sie dem Betrieb angehören, sondern davon, ob sie - wie es in § 5 Abs. 1 Satz 2 [X.] heißt - „für den Betrieb arbeiten“. Die sonstigen in § 5 Abs. 1 [X.] genannten Arbeitnehmergruppen, nämlich Arbeitnehmer iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] und die in § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] genannten Beschäftigtengruppen gehören dem Betrieb an und müssen deshalb nicht gesondert in § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] genannt werden. Die in § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] genannten Arbeitnehmer fallen ohne Weiteres unter § 8 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 [X.].

(2) Auch ein Vergleich mit den Regelungen, die die Wahlberechtigung von Leiharbeitnehmern regeln, führt nicht dazu, dass die in § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] genannten Arbeitnehmer nicht oder jedenfalls dann nicht passiv wahlberechtigt sind, wenn gleichzeitig Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Allerdings regelt das Gesetz in § 7 Satz 2 [X.], § 14 Abs. 2 Satz 1 [X.], dass Leiharbeitnehmer zwar aktiv, nicht jedoch passiv wahlberechtigt sind. Diesen Bestimmungen gehen § 5 Abs. 1 Satz 3 iVm. § 7 Abs. 1 Satz 1, § 8 [X.] jedoch vor. Das ergibt sich schon daraus, dass nach § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] außerhalb des öffentlichen Dienstes eingesetzte Beamte und Soldaten einerseits und außerhalb des öffentlichen Dienstes eingesetzte Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes andererseits im Rahmen eines Einsatzes bei einem privatrechtlich organisierten Unternehmen betriebsverfassungsrechtlich gleichbehandelt werden sollen. Da aber für Beamte und Soldaten das [X.] nicht, auch nicht entsprechend gilt (vgl. für Beamte: [X.] 24. März 1993 - 4 [X.] - zu II 3 der Gründe, [X.] § 1 Tarifverträge: [X.] Nr. 1), könnte eine abweichende Ansicht dazu führen, dass im Rahmen derselben Überlassung von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zwar die Beamten oder Soldaten das passive Wahlrecht im Einsatzbetrieb hätten, nicht jedoch die gleichzeitig dort eingesetzten Arbeitnehmer. Dies entspricht weder der Systematik noch dem Zweck des Gesetzes.

(3) Ebenso wenig spricht gegen dieses Ergebnis, dass anders als in § 5 Abs. 1 des Gesetzes über das Personal der [X.]wertpapierverwaltung vom 12. Juli 2006 (BWpVerwPG, BGBl. [X.] 1466) in § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] die Frage des aktiven und passiven Wahlrechts nicht ausdrücklich angesprochen ist (vgl. dazu auch schon [X.] 15. Dezember 2011 - 7 [X.] - Rn. 23, EzA [X.] 2001 § 5 Nr. 7). Das gebietet keinen Umkehrschluss. Nach § 5 Abs. 1 BWpVerwPG gelten die von diesem Gesetz erfassten Beschäftigten der [X.]wertpapierverwaltung „für die Anwendung des [X.] … als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der [X.] - [X.] und sind als solche aktiv und passiv wahlberechtigt“. Der Gesetzgeber dieses Gesetzes hat deshalb die Frage der Wahlberechtigung als - nach dem Gesetzeswortlaut selbstverständliche - Folge der in der gesetzlichen Vorschrift fingierten Arbeitnehmereigenschaft bei der [X.] angesehen. Diese selbstverständliche Rechtsfolge erneut - deklaratorisch - auszusprechen, hat der Gesetzgeber in § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] ersichtlich nicht für erforderlich gehalten.

dd) Für die Wählbarkeit der in § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] genannten Personen im Einsatzbetrieb sprechen schließlich auch Gesetzesbegründung und Entstehungsgeschichte der Regelung (vgl. dazu im Einzelnen schon [X.] 15. Dezember 2011 - 7 [X.] - Rn. 25 und 27, EzA [X.] 2001 § 5 Nr. 7). Die Einführung der Regelung in das [X.] beruht auf einer Prüfbitte des [X.]rates in seiner Stellungnahme vom 7. April 2006 ([X.]. 16/1336 S. 21) zum Entwurf des [X.]. Danach sollte geprüft werden, ob das [X.] durch Einfügung einer allgemeinen Regelung dahingehend geändert werden könne, dass Beamtinnen und Beamte bei Zuweisung in privatrechtliche Einrichtungen für die Anwendung des [X.] als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten und als solche aktiv und passiv wahlberechtigt sind. Hieran anknüpfend hat der historische Gesetzgeber eine allgemeine Regelung in das [X.] aufnehmen wollen, nach der Beschäftigte des öffentlichen Dienstes - auch Arbeitnehmer - bei Zuweisung an privatrechtlich organisierte Einrichtungen generell für die Anwendung des [X.] als deren Arbeitnehmer gelten und damit auch aktiv und passiv bei den [X.]en wahlberechtigt sein sollen (BT-Drucks. 16/11608 S. 21).

ee) Auch verfassungsrechtliche Gründe stehen dem Ergebnis nicht entgegen.

(1) Die Gesetzgebungskompetenz des [X.] folgt aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. Die danach dem [X.] zustehende konkurrierende Gesetzgebung für das Arbeitsrecht schließt ausdrücklich auch die Betriebsverfassung ein. § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] regelt nur die Stellung der dort genannten Beschäftigten bei den privatrechtlich organisierten Unternehmen, also eine betriebsverfassungsrechtliche Frage und keine Frage der Personalvertretung im öffentlichen Dienst, die dem Personalvertretungsrecht zuzuordnen wäre (vgl. zur Abgrenzung [X.] 3. Oktober 1957 - 2 [X.] - zu [X.] 4 der Gründe, [X.]E 7, 120). Fragen der Personalvertretung im öffentlichen Dienst der Länder sind von dieser Bestimmung daher nicht angesprochen. Dem Landesgesetzgeber steht es insoweit frei, personalvertretungsrechtliche Regelungen über die Stellung der in dieser Vorschrift genannten Beschäftigtengruppen zu treffen.

(2) Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) liegt nicht etwa deswegen vor, weil zwar die in § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] genannten, individualrechtlich im öffentlichen Dienst tätigen, jedoch anderweitig eingesetzten Arbeitnehmer ein passives Wahlrecht haben, nicht jedoch die Arbeitnehmer, für die § 14 Abs. 2 Satz 1 [X.] gilt. § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] regelt eine strukturell auf Dauer angelegte Sondersituation, nämlich organisatorische Änderungen im öffentlichen Dienst, die sich auf privatrechtlich organisierte Arbeitgeber auswirken. Das ist mit der Situation der Überlassung einzelner Arbeitnehmer nicht vergleichbar (vgl. insoweit auch bereits [X.] 15. Dezember 2011 - 7 [X.] - Rn. 30, EzA [X.] 2001 § 5 Nr. 7).

(3) Entgegen der Rechtsbeschwerde bestehen auch sonst keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Dass trotz der generell auf Dauer angelegten Umstrukturierungen möglicherweise eine gewisse Unstetigkeit durch die gesetzliche Regelung in die Betriebsverfassung gebracht wird, ist nicht verfassungswidrig. Die Verfassung sieht keine bestimmte Form der Betriebsverfassung vor. Der Gesetzgeber hat deshalb von [X.] wegen einen weiten Beurteilungsspielraum bei der Ausgestaltung der Betriebsverfassung. Dieser ist hier nicht überschritten.

b) Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] sind erfüllt. Die beim [X.] angestellten und aufgrund des [X.] bei der Arbeitgeberin eingesetzten Arbeitnehmer waren daher zur [X.] passiv wahlberechtigt und der Wahlvorstand hätte den von der Antragstellerin eingereichten Wahlvorschlag nicht zurückweisen dürfen.

aa) Das [X.] ist als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts Teil des öffentlichen Dienstes. Die Arbeitnehmer, deren passives Wahlrecht hier streitbefangen ist, sind Arbeitnehmer des [X.]. Einem - möglichen - Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse auf die Arbeitgeberin haben sie widersprochen. Als GmbH ist die Arbeitgeberin auch ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen iSv. § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.]. Die Vorschrift setzt entgegen der Auffassung des Betriebsrats nicht voraus, dass hoheitliche Aufgaben privatisiert werden.

bb) Die Arbeitnehmer sind auch bei der Arbeitgeberin „tätig“ iSd. gesetzlichen Bestimmung.

(1) Indem § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] es für die Einordnung der in dieser Bestimmung genannten Beschäftigten in den Betrieb ausreichen lässt, dass sie dort „tätig sind“, knüpft er allein an einen tatsächlichen Umstand an. Das gesetzliche Tatbestandsmerkmal stellt insoweit darauf ab, ob die dort benannten Beschäftigten tatsächlich betriebsangehörig sind. [X.] in diesem Sinne sind - da es auf ein individualrechtliches Beschäftigungsverhältnis zum Inhaber des Einsatzbetriebs nicht ankommt - alle Beschäftigten, die nach den allgemeinen in der Betriebsverfassung geltenden Grundsätzen in die Betriebsorganisation eingegliedert sind (vgl. zu diesen Grundsätzen [X.] 21. Juli 2004 - 7 [X.] [X.] a der Gründe, AP [X.] 1972 § 9 Nr. 8 = EzA [X.] 2001 § 9 Nr. 3).

Im Hinblick auf die rein tatsächliche Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals kommt es auch nicht darauf an, ob dem Einsatz der in § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] genannten Beschäftigtengruppen im Einsatzbetrieb rechtliche Bedenken entgegenstehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich - wie hier - um einen zwischen der Dienststelle und dem privatrechtlich organisierten Unternehmen koordinierten, vom Beschäftigten akzeptierten Einsatz handelt (im Ergebnis ebenso Erf[X.]/[X.] 12. Aufl. § 5 [X.] Rn. 3a; D[X.][X.]W/[X.] § 5 Rn. 114).

Etwas anderes gilt auch nicht dann, wenn - was der Betriebsrat hier geltend macht - die Eingliederung unter Verstoß gegen § 99 [X.] zustande gekommen sein sollte. Im Falle eines Verstoßes gegen § 99 [X.] bleibt es dem Betriebsrat unbenommen, nach § 101 [X.] vorzugehen und gerichtlich das Ende der Eingliederung der betroffenen Arbeitnehmer in den Betrieb durchzusetzen. Diese Bestimmung ist Teil eines in sich austarierten [X.] bei personellen Einzelmaßnahmen. Es widerspräche der gesetzlichen Systematik, aus Verstößen gegen § 99 [X.] weitere, im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte Rechtsfolgen herzuleiten (vgl. [X.] 23. Juni 2009 - 1 [X.] - Rn. 19, [X.]E 131, 145).

(2) Nach diesen Grundsätzen sind die beim [X.] angestellten und bei der Arbeitgeberin eingesetzten Arbeitnehmer in die Betriebsorganisation eingegliedert, da die Arbeitgeberin das für ein Arbeitsverhältnis typische Weisungsrecht innehat und die Entscheidung über den Einsatz auch nach [X.] und Ort trifft. Die Arbeitgeberin übt diese Funktion hier jedenfalls im Sinne einer aufgespaltenen Arbeitgeberstellung aus (vgl. [X.] 11. September 2001 - 1 [X.] - zu [X.] der Gründe, EzA [X.] 1972 § 99 Einstellung Nr. 10, für die Regelung in § 99 [X.]).

cc) Die weiteren Voraussetzungen für die Wählbarkeit der gestellten Arbeitnehmer nach § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] liegen ebenfalls vor. Sie gehörten zum Wahlzeitpunkt dem Einsatzbetrieb länger als sechs Monate an. Das gilt auch, wenn man - was offenbleiben kann - auf eine Tätigkeit unter der Geltung von § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.] abstellt. Diese Vorschrift trat bereits am 4. August 2009 in [X.] (Art. 9 Nr. 1 iVm. Art. 17 des Gesetzes vom 29. Juli 2009, verkündet am 3. August 2009, BGBl. [X.] 2424).

c) Damit liegt ein [X.] vor, der nicht berichtigt wurde. Er konnte sich auf das Wahlergebnis auswirken, da bei einer Zulassung der von der Antragstellerin eingereichten Liste ein anderes Wahlergebnis möglich gewesen wäre.

        

    Linsenmaier    

        

    Schmidt    

        

    Zwanziger    

        

        

        

    Coulin    

        

    [X.]ley    

        

        

Meta

7 ABR 34/11

15.08.2012

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Kiel, 13. Januar 2010, Az: 4 BV 49 b/10, Beschluss

§ 5 Abs 1 S 3 BetrVG, § 7 BetrVG, § 8 BetrVG, Art 3 GG, Art 74 Abs 1 Nr 12 GG, § 14 Abs 2 S 1 AÜG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15.08.2012, Az. 7 ABR 34/11 (REWIS RS 2012, 3918)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3918

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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