Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.02.2010, Az. I ZB 66/09

I. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 8913

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[X.] vom 25. Februar 2010 in der [X.]- 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 25. Februar 2010 durch [X.], Dr. Schaffert, [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der [X.]uss des 4. Zivilsenats des [X.] vom 27. Juli 2009 aufgehoben. Der Klägerin wird gegen die Versäumung der Berufungsbegrün-dungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 100.000 • festgesetzt. Gründe: [X.] Das [X.] ([X.]) hat die unter anderem auf Unterlassung, Übertragung eines Geschmacksmusters, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Klage mit der Klägerin am 11. März 2009 zugestelltem Urteil abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin am 9. April 2009 beim [X.] Berufung eingelegt. Auf Antrag der Klägerin wurde die Frist zur Berufungsbegründung bis 1 - 3 - zum 12. Juni 2009 verlängert. Am 12. Juni 2009 ging die an das Oberlandesge-richt gerichtete Berufungsbegründung, die im Adressfeld unterhalb der Anschrift des [X.] die Telefaxnummer des [X.] und von Rechtsanwalt [X.] aus der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterzeichnet war, beim [X.] ein. Dieses leitete den Schriftsatz an das [X.] weiter, wo er am 15. Juni 2009 einging. Die Klägerin hat am 30. Juni 2009 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, die Übersendung der Berufungsbegrün-dung an das [X.] beruhe allein auf einem Fehler einer bewährten und ansonsten stets zuverlässigen Rechtsanwaltsfachangestellten. Diese habe zur Ermittlung der Telefaxnummer das vermeintlich letzte Anschreiben des Ober-landesgerichts in der Akte heraussuchen wollen. Sie sei dabei jedoch aufgrund geringfügiger Unaufmerksamkeit auf ein Schreiben des [X.]s gestoßen, ohne dies zu bemerken, und habe in der irrigen Annahme, das Schreiben des [X.] aufgeschlagen zu haben, die dort angegebene [X.] in das Adressfeld des [X.] übertragen. Rechtsanwalt [X.] sei, als er sich von der korrekten Adressierung des [X.] überzeugt habe, die angegebene Telefaxnummer nicht als unrichtig aufge-fallen. Er habe daraufhin, nachdem ihm die Vorlage des [X.] be-stätigt worden sei, die Berufungsbegründungsfrist im Fristenbuch gestrichen. 2 Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin zu-rückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin, mit der sie die Aufhebung des angefochte-nen [X.]usses erstrebt und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt. 3 - 4 - I[X.] Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin begehrte Wiedereinset-zung in den vorigen Stand mit der Begründung abgelehnt, der Prozessbevoll-mächtigte der Klägerin, dessen Verschulden diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse, habe die Berufungsbegründungsfrist schuldhaft ver-säumt. Ein Rechtsanwalt habe durch organisatorische Maßnahmen [X.] dafür zu treffen, dass eine Telefaxnummer zuverlässig festgestellt werde und jede einzelne Sendung beispielsweise anhand des [X.] auf die Richtigkeit des Adressaten und der Telefaxnummer überprüft werde. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergebe sich, dass ihr Prozessbevollmächtigter die Richtigkeit der von der [X.] auf dem Schriftsatz [X.] Telefaxnummer nicht überprüft, sondern lediglich einer "Plausibilitätskon-trolle" unterzogen und daher die Verwechslung der Telefaxnummern übersehen habe. Ihn habe aber selbst die Pflicht getroffen, im Rahmen der gebotenen [X.] organisatorisch sicherzustellen, dass das Telefax an die richtige Telefaxnummer gesandt werde. Das habe er nach seinem eigenen Vorbringen versäumt. 4 II[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Rechtsbe-schwerde haben Erfolg. 5 1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Entscheidung des [X.] ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) geboten. Der angefochtene [X.]uss verletzt die Klägerin in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wir-kungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Danach darf der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung vorgesehenen Instanz nicht in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden 6 - 5 - ([X.], [X.]. v. 14.12.2001 - 1 BvR 1009/01, NJW-RR 2002, 1004; [X.], 221, 227; [X.], [X.]. v. 9.11.2005 - [X.] 270/04, [X.], 192). Einer [X.] darf daher die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres [X.] versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht [X.] werden und mit denen er auch unter Berücksichtigung der Entschei-dungspraxis des angerufenen Spruchkörpers nicht rechnen musste ([X.] NJW-RR 2002, 1004). 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht hat die nach der Rechtsprechung des [X.] bestehenden Anforde-rungen an die anwaltliche Organisationspflicht in Bezug auf fristgebundene Schriftsätze überspannt. 7 a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts beruhen die Über-sendung des [X.] an das [X.] und damit die Versäumung der Begründungsfrist nicht auf einem der Klägerin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Organisationsverschulden ihres [X.]. 8 aa) Nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Klägerin hat die Kanzleiangestellte die Telefaxnummer, die sie in das Adressfeld des [X.] eingefügt hat, einem Schriftstück in der [X.], weil die Telefaxnummer des Pfälzischen [X.] in der Ad-ressdatenbank der in [X.] ansässigen Kanzlei der Prozessbevollmächtig-ten der Klägerin nicht hinterlegt war. Dabei hat sie versehentlich nicht einen Briefbogen des [X.], sondern des [X.]s verwendet. Nach Versendung des Schriftsatzes an die im Adressfeld angegebene [X.] hat sie die auf dem Sendebericht ausgewiesene Telefaxnummer mit 9 - 6 - derjenigen auf dem Adressfeld verglichen. Sodann hat sie dem die Sache bear-beitenden Rechtsanwalt [X.] bestätigt, dass ihr der Sendebericht mit "[X.], der korrekten Seitenzahl und Faxnummer vorliege. Dieser hat darauf-hin die Begründungsfrist im [X.] gestrichen. 10 [X.]) Darin kann ein Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtig-ten der Klägerin nicht gesehen werden. Zwar muss sich, wovon auch das [X.] zutreffend ausgegangen ist, die im Rahmen der Ausgangskontrolle gebotene Überprüfung des [X.] eines per Telefax übermittelten frist-gebundenen Schriftsatzes auch darauf erstrecken, ob die zutreffende Faxnum-mer des Empfangsgeräts angewählt wurde (st. Rspr.; vgl. [X.], [X.]. v. 10.5.2006 - [X.] 267/04, [X.], 2412 [X.]. 7 m.w.N.). Die Anwahl einer falschen Telefaxnummer kann auf einem Fehler bei der Eingabe der richtig er-mittelten Nummer beruhen. Der Fehler kann seine Ursache aber auch darin haben, dass die Nummer des Gerichts schon nicht zutreffend ermittelt worden ist. Nur wenn die Telefaxnummer einem elektronischen oder buchmäßigen [X.] Verzeichnis entnommen wurde, muss sich wegen des dabei [X.] besonders hohen Verwechslungsrisikos nach der Rechtsprechung des [X.] die Überprüfung im Rahmen der Ausgangskontrolle nicht nur auf Eingabefehler, sondern auch auf die Überprüfung der richtigen Ermitt-lung der Telefaxnummer erstrecken. Soll die zur Übermittlung verwendete Tele-faxnummer dagegen wie hier unmittelbar einem Schreiben des Berufungsge-richts in der Akte entnommen und in den zu versendenden Schriftsatz eingefügt werden, reicht es wegen des bei dieser Vorgehensweise erheblich verringerten Verwechslungsrisikos aus, wenn die Überprüfung der verwendeten [X.] auf die Übereinstimmung mit der aus der Akte entnommenen, im Schriftsatz festgehaltenen Nummer beschränkt wird. In solchen Fällen genügt es deshalb, mögliche Eingabefehler zu korrigieren, indem die gewählte Emp-fängernummer mit der zuvor in den Schriftsatz eingefügten Nummer abgegli-- 7 [X.] wird (vgl. [X.], [X.]. v. 22.6.2004 - [X.], NJW 2004, 3491 f.; [X.]. v. 13.2.2007 - VI ZB 70/06, [X.], 1690 [X.]. 11). 11 b) Die Klägerin hat glaubhaft gemacht, dass in der Akte Schreiben des Berufungsgerichts vorhanden waren. Dass infolge eines Versehens die Kanz-leiangestellte die Telefaxnummer des [X.]s an Stelle derjenigen des [X.] aus einem Schriftstück in der Akte ausgewählt und in den Schriftsatz eingefügt hat, braucht sich die Klägerin nicht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO als Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen zu lassen. c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts rechtfertigt der [X.], dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sich nicht selbst davon überzeugt hat, ob es sich bei der auf dem Schriftsatz und dem Sendebericht enthaltenen Telefaxnummer um diejenige des [X.] handelt, sondern sich insoweit auf eine "[X.]" beschränkt hat, keine andere Beurteilung. Die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxübermitt-lung kann der Rechtsanwalt seinem Personal überlassen (vgl. [X.], [X.]. v. 9.4.2008 - [X.], NJW-RR 2008, 1288 [X.]. 8 m.w.N.). In der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin war die Übermittlung von fristgebunde-nen Schriftsätzen per Telefax durch eine allgemeine Weisung geregelt. Die Ausführung der erteilten Weisung braucht der Rechtsanwalt nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren ([X.] NJW-RR 2008, 1288 [X.]. 8 m.w.N.). Er 12 - 8 - muss daher die Telefaxnummer, die von einer ausreichend ausgebildeten und zuverlässigen [X.] ermittelt und in den Schriftsatz eingefügt wurde, nicht selbst auf ihre Richtigkeit überprüfen ([X.] [X.], 1690 [X.]. 7). [X.]
[X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 03.03.2009 - 6 O 199/08 - [X.], Entscheidung vom 27.07.2009 - 4 U 58/09 -

Meta

I ZB 66/09

25.02.2010

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.02.2010, Az. I ZB 66/09 (REWIS RS 2010, 8913)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8913

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4 U 58/09

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