Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.11.2023, Az. VII ZR 241/22

7. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 8499

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Gegenstand

Bauträgervertrag über die Errichtung von Eigentumswohnungen: Wirksamkeit einer im Erwerbsvertrag verwendeten Formularklausel über die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch eine Tochtergesellschaft des Bauträgers; Geltendmachung von Mängelansprüchen durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Prozessstandschafter der Erwerber; rechtsmissbräuchliches widersprüchliches Verhalten der GdWE bei Berufung auf das Fehlen einer wirksamen Abnahme gegenüber der vom Bauträger erhobenen Einrede der Verjährung der geltend gemachten Mängelansprüche


Leitsatz

1. Eine von einem Bauträger in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Erwerbsvertrags verwendete Klausel, die die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch eine von ihm als Erstverwalter bestimmte, mit ihm wirtschaftlich verbundene (Tochter-)Gesellschaft ermöglicht, ist unwirksam (Anschluss an BGH, Beschluss vom 12. September 2013 - VII ZR 308/12, BauR 2013, 2020).

2. Macht eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) als Prozessstandschafterin der Erwerber Mängelansprüche wegen Mängeln an der Bausubstanz des Gemeinschaftseigentums gegen den Bauträger geltend, so ist es diesem als Verwender der genannten unwirksamen Formularklausel nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich darauf zu berufen, dass sich der Vertrag mangels wirksamer Abnahme des Gemeinschaftseigentums insoweit noch im Erfüllungsstadium befinde, weshalb im Rahmen der Anspruchsbegründung die Abnahme des Gemeinschaftseigentums als Voraussetzung für die Geltendmachung von Mängelansprüchen zu unterstellen ist (Anschluss an BGH, Urteil vom 30. Juni 2016 - VII ZR 188/13, BauR 2016, 1771 = NZBau 2016, 629; Urteil vom 12. Mai 2016 - VII ZR 171/15, BGHZ 210, 206; Urteil vom 25. Februar 2016 - VII ZR 49/15, BGHZ 209, 128).

3. Zur Frage, ob ein rechtsmissbräuchliches widersprüchliches Verhalten einer GdWE vorliegt, wenn diese - als Prozessstandschafterin der Erwerber - in der Vergangenheit zweimal Mängelansprüche wegen Mängeln an der Bausubstanz des Gemeinschaftseigentums geltend gemacht hat, die von dem in Anspruch genommenen Bauträger jeweils reguliert wurden, und sie sich später bei der klageweisen Geltendmachung weiterer Mängelansprüche gegenüber der vom Bauträger erhobenen Einrede der Verjährung auf das Fehlen einer wirksamen Abnahme des Gemeinschaftseigentums beruft.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 18. November 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich der [X.] zu 1 und zu 3 bis 6 zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ([X.]), macht - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - Mängelansprüche wegen angeblicher Mängel der im Gemeinschaftseigentum stehenden Bausubstanz gegen die [X.] als Rechtsnachfolgerin der [X.] geltend.

2

Die betreffende Anlage ist in den Jahren 2005 und 2006 von der [X.] (im Folgenden einheitlich nur: [X.]) errichtet worden. Diese konnte alle Eigentumswohnungen noch im [X.] verkaufen. In dem exemplarisch vorgelegten Kaufvertrag vom 1. März 2005 wird das betroffene Grundstück als Grundstück, das "bebaut werden soll", bezeichnet (§ 1 Abs. 2). Als Datum der voraussichtlichen Fertigstellung ist der 30. Juni 2005 angegeben (§ 3 Abs. 3). Die "Übergabe/Abnahme" sollte bei Fertigstellung erfolgen (§ 7 Abs. 2). Für die "Übergabe/Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums" beauftragte und bevollmächtigte der Käufer unwiderruflich den Verwalter (§ 7 Abs. 5 Satz 1), bei dem es sich um die [X.], eine Tochtergesellschaft der Rechtsvorgängerin der [X.]n, handelte (§ 11 Abs. 1).

3

In einem exemplarisch vorgelegten undatierten Kaufvertrag späterer Erwerber wird das betroffene Grundstück ebenfalls als Grundstück, das "bebaut werden soll", bezeichnet (§ 1 Abs. 2) und von einer voraussichtlichen Fertigstellung im Jahr 2006 gesprochen (§ 3 Abs. 3). In § 7 Abs. 5 heißt es:

"Die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums erfolgte durch den Verwalter - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen - im Mai 2005."

4

Im Jahr 2007 rügte die Klägerin Planungs- und Ausführungsmängel im Bereich der Dach- und Balkonentwässerung. Diese wurden auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen der [X.]n, dem Generalbauunternehmer und dem planenden Architekturbüro beseitigt.

5

Weitere Mängel rügte die Klägerin im Jahr 2012; bezüglich dieser Mängel kam es zum Abschluss eines Vergleichs zwischen der [X.]n und der Klägerin, der im [X.] abgewickelt wurde.

6

Am 20. April 2014 wurde auf einer Eigentümerversammlung die Unwirksamkeit der Abnahme des Gemeinschaftseigentums "festgestellt". In der Folge wandten sich einzelne Mitglieder der Klägerin und auch deren Verwalterin mit Mängelrügen und der Forderung nach einer Abnahme an die [X.]. Die [X.] stellte mit an die Verwalterin gerichtetem Schreiben vom 3. September 2015 Mängel in Abrede und berief sich auf Verjährung. Ein Vergleichsangebot der [X.]n vom 21. September 2017 nahm die Klägerin nicht an.

7

Auf einer Eigentümerversammlung vom 27. November 2018 wurde beschlossen, dass die Ausübung der Nacherfüllungs- und Mängelansprüche der Wohnungseigentümer als Erwerber gegen die [X.] am gemeinschaftlichen Eigentum mit Ausnahme des großen Schadensersatzes und des Rücktritts auf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer übertragen wird.

8

Nach weiteren vergeblichen Aufforderungen zur Mängelbeseitigung hat die Klägerin mit einem am 2. Juni 2020 eingegangenen Schriftsatz Klage eingereicht. Sie hat insbesondere die Zahlung eines Kostenvorschusses zur Mängelbeseitigung und wegen verschiedener Positionen Schadensersatz verlangt.

9

Das [X.] hat die Klage abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben.

Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, soweit über die Mängelansprüche betreffenden Berufungsanträge zu 1 und zu 3 bis 6 entschieden worden ist.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge im Umfang der Zulassung weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hat Erfolg; sie führt im Umfang der Anfechtung des Berufungsurteils zu dessen Aufhebung und im Umfang der Aufhebung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in [X.] 2023, 1132 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

Die Berufung der Klägerin sei unbegründet.

Die Klage sei zulässig. Die [X.] sei kraft Gesetzes (§ 9a Abs. 1, Abs. 2 [X.]) für die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie für solche Rechte der Wohnungseigentümer, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erforderten, prozessführungsbefugt. Als hiernach der [X.] zugewiesene Rechte gälten werkvertragliche Ansprüche auf Gewährleistung. Unabhängig davon könne sich die Klägerin auf eine Prozessführungsbefugnis aus gewillkürter Prozessstandschaft stützen. Die entsprechende Ermächtigung sei dem Beschluss vom 27. November 2018 zu entnehmen.

Die Klage sei jedoch mit allen Anträgen unbegründet.

Mit dem auf Kostenvorschuss nach § 637 Abs. 3 BGB gerichteten Klageantrag zu 1 mache die Klägerin eines der in § 634 BGB vorgesehenen werkvertraglichen Mängelrechte des Bestellers geltend. Sofern ein solcher Anspruch bestehen sollte, wäre er verjährt.

Mängelrechte nach § 634 BGB stünden dem Besteller grundsätzlich erst nach der Abnahme des Werkes zu. An einer solchen fehle es zwar, sie sei jedoch zugunsten der Klägerin zu unterstellen.

Wann und wie das [X.]seigentum abgenommen worden sei, sei nicht vorgetragen. Die [X.] sähen in § 7 Abs. 5 eine Abnahme durch den unwiderruflich seitens des Käufers bevollmächtigten Verwalter vor, bei dem es sich unstreitig um eine mit der Bauträgerin wirtschaftlich verbundene Gesellschaft gehandelt habe. Eine solche Abnahmeregelung in [X.] Geschäftsbedingungen sei unwirksam. Eine - wie offenkundig hier - auf dieser Grundlage erfolgte Abnahme sei es dann auch. Ob eine andere Form der Abnahme an ihre Stelle getreten oder eine Abnahme ausnahmsweise entbehrlich sei, könne in diesem Zusammenhang offenbleiben. Soweit nämlich eine Abnahme Voraussetzung für die Geltendmachung von Mängelrechten sei, sei es der Beklagten als Verwenderin der unwirksamen [X.] nach [X.] und Glauben verwehrt, sich darauf zu berufen, dass sich der [X.] des [X.]seigentums insoweit noch im [X.] befinde. Im Rahmen der Anspruchsbegründung sei die Abnahme somit zugunsten der Klägerin zu unterstellen.

Davon zu unterscheiden sei die Frage, wie sich das Fehlen der Abnahme im Rahmen der Verjährung auswirke. Insoweit sei im vorliegenden Fall eine Abnahme spätestens im Jahr 2013 - nun zu Lasten der Klägerin - zu unterstellen mit der Folge, dass der Anspruch bei Klageerhebung bereits verjährt gewesen sei.

Nach welchen Voraussetzungen sich die Verjährung von Ansprüchen des Erwerbers gegen den Bauträger aus einem Bauträgervertrag richte, lasse sich nicht einheitlich beantworten. Für alle mit der Errichtung des Gebäudes zusammenhängenden Leistungen gelte Werkvertragsrecht. Der werkvertragliche Anspruch auf Herstellung unterliege der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB ab dem Schluss des Jahres, in dem er entstanden sei (§ 199 Abs. 1 BGB). Daneben bestünden Gewährleistungsansprüche des Erwerbers gegen den Bauträger. Im Streitfall stehe allein die mangelhafte Bauleistung in Rede, für die Werkvertragsrecht gelte. Die werkvertragliche Gewährleistung ergebe sich aus § 634 BGB. Ihre Verjährung beginne grundsätzlich mit der Abnahme des Werks, die Frist betrage bei einem Bauwerk fünf Jahre (§ 634a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB).

Da die Entstehung und Verjährung der werkvertraglichen Ansprüche unterschiedlich geregelt seien, falle grundsätzlich auch das Ende ihrer Verjährung auseinander. Es könne sogar dazu kommen, dass der [X.] verjährt sei, bevor das Werk abgenommen sei und damit die Voraussetzungen für den Verjährungsbeginn der Gewährleistungsansprüche geschaffen worden seien. Ein solcher Fall liege hier vor. Der [X.] aller Mitglieder der Klägerin sei im vorliegenden Fall zweifelsfrei verjährt. Alle Verträge der Bauträgerin mit den Erwerbern datierten aus dem Jahre 2005. Die taggenaue Verjährungshöchstfrist von zehn Jahren nach § 199 Abs. 4 BGB habe durchweg im Laufe des Jahres 2015 geendet. Nach wie vor fehle es aber an einer Abnahme. Die sich in einem solchen Fall stellende Frage, ob trotz fehlender Abnahme auch Ansprüche auf Gewährleistung verjährt seien oder ob der Auftragnehmer die Gewährleistung wiederaufleben lassen könne, indem er Abnahme verlange und damit erst die Verjährungsfrist des § 634a BGB in Gang setze, müsse nicht grundsätzlich entschieden werden. Im vorliegenden Fall sei nämlich die Abnahme des [X.]seigentums im Rahmen der Verjährung zu Lasten der Klägerin zu unterstellen.

Dies ergebe sich zwar nicht aus der Ingebrauchnahme der Wohnungseigentumsanlage durch die Mitglieder der Klägerin. Die [X.]en hätten die Unwirksamkeit der Abnahmeregelung nicht erkannt und seien deshalb von einer wirksam erfolgten Abnahme ausgegangen. Damit habe die Ingebrauchnahme des [X.]seigentums durch die Erwerber keinen eigenen Abnahmewillen zum Ausdruck gebracht.

Jedoch habe die Klägerin in der Vergangenheit bereits zweimal erfolgreich Gewährleistungsansprüche geltend gemacht. Sie hätten Mängel der Dach- und Balkonentwässerung in zwei verschiedenen Bereichen betroffen. Die erste Beanstandung habe die Beklagte in den Jahren 2007/2008 auf der Grundlage einer zwischen ihr, der Generalunternehmerin und den planenden Architekten getroffenen Vereinbarung beseitigt, mit der offenkundig aber auch die Klägerin einverstanden gewesen sei. Die zweite Beanstandung in den Jahren 2012/2013 habe mit einem Vergleich geendet.

Bereits bei der ersten Beanstandung sei das [X.]seigentum übergeben und - vermeintlich - abgenommen gewesen. Die nun erhobenen Mängelrügen müssten als Ausübung von Gewährleistungsansprüchen verstanden werden. Es wäre fernliegend, sie noch als Geltendmachung des [X.]s anzusehen. Die [X.]en hätten sie ersichtlich auch als Fall der Gewährleistung behandelt. Daraus folge aber auch, dass die [X.]en bei der Regulierung der Mängelrügen übereinstimmend von einer bereits erfolgten Abnahme ausgegangen seien. Ohne Abnahme könnten Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 BGB nur geltend gemacht werden, wenn der Besteller nicht mehr die Erfüllung des Vertrags verlangen könne und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen sei. Ein solcher Fall liege hier nicht vor.

Die Beklagte habe die Annahme der Klägerin, das [X.]seigentum sei abgenommen, gegen sich gelten lassen. Wäre es zum Rechtsstreit gekommen, wäre die Klägerin - jedenfalls auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung - mit ihrem Gewährleistungsbegehren nur durchgedrungen, wenn sie auf eine erfolgte Abnahme hätte verweisen können oder der Beklagten verwehrt worden wäre, sich auf das Fehlen der Abnahme zu berufen und die Abnahme zugunsten der Klägerin unterstellt worden wäre.

Vor diesem Hintergrund widerspräche es [X.] und Glauben (§ 242 BGB), wenn sich die Klägerin darauf berufen könnte, es fehle an einer Abnahme. Sie verhielte sich widersprüchlich. Sie habe in den Jahren 2007/2008 und 2012/2013 aus der übereinstimmenden Auffassung der [X.]en, dass es eine Abnahme gegeben habe, einen Vorteil gezogen und Ansprüche durchgesetzt, die zwingend eine Abnahme zur Voraussetzung gehabt hätten. Es wäre mit [X.] und Glauben nicht vereinbar, wenn die Klägerin nun Ansprüche geltend machen könnte, die nur noch durchsetzbar wären, wenn es an einer Abnahme fehle. Die Klägerin habe den aus einer Abnahme folgenden rechtlichen Vorteil in Anspruch genommen. Dann müsste sie auch den mit der Abnahme einhergehenden Nachteil tragen.

Sei zu Lasten der Klägerin von einer spätestens im Jahr 2013 erfolgten Abnahme auszugehen, so folge daraus die Verjährung ihrer Ansprüche aus Gewährleistung spätestens im Laufe des Jahres 2018 (§ 634a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB). Die Klage habe die Verjährung nicht mehr hemmen können. Zu verjährungshemmenden Verhandlungen (§ 203 BGB), die den dazwischenliegenden Zeitraum überbrückten, sei nichts vorgetragen.

Die Klageanträge zu 3 bis 6 könnten ebenfalls keinen Erfolg haben, weil auch sie ausschließlich auf Gewährleistung gegründet seien. Sie seien aus den dargelegten Gründen verjährt.

[X.]

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Zurückweisung der Berufung hinsichtlich der klägerischen [X.] zu 1 und zu 3 bis 6 nicht gerechtfertigt werden.

1. Allerdings hat das Berufungsgericht die Klage zu Recht für zulässig erachtet. Insbesondere ist es im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Klägerin bezüglich der geltend gemachten Mängelansprüche auch insoweit für prozessführungsbefugt erachtet hat, als die Klägerin einen Anspruch auf Vorschuss für Aufwendungen zur Beseitigung von Mängeln an der Bausubstanz des [X.]seigentums verlangt. Nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.], Beschluss vom 15. Februar 2023 - [X.], [X.] 2023, 342; Beschluss vom 1. Februar 2023 - [X.] 887/21, [X.] 2023, 958; Urteil vom 11. November 2022 - [X.] Rn. 18 ff., Rn. 24 ff., Rn. 30 ff., NJW 2023, 217) besteht bei einer [X.] die Prozessführungsbefugnis, die sich wie hier aus einem vor dem 1. Dezember 2020 erlassenen [X.] ergibt, auch nach der Neuregelung der [X.] in § 9a Abs. 2 [X.] fort. Das gilt nicht nur dann, wenn ein entsprechender (Nacherfüllungs-)Anspruch des Erwerbers auf eine kaufvertragliche Nachbesserungspflicht gestützt wird (vgl. [X.], Urteil vom 11. November 2022 - [X.] Rn. 18 ff., Rn. 24 ff., Rn. 30 ff., NJW 2023, 217), sondern auch dann, wenn ein werkvertraglicher Anspruch auf Kostenvorschuss (§ 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB) in Rede steht (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Februar 2023 - [X.] m.w.N., [X.] 2023, 342; Beschluss vom 1. Februar 2023 - [X.] 887/21, [X.] 2023, 958).

2. Gleichfalls rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht - von den [X.]en unbeanstandet - angenommen, dass sich die von der Klägerin geltend gemachten Mängelansprüche nach Werkvertragsrecht richten (vgl. [X.], Urteil vom 12. Mai 2016 - [X.] 171/15 Rn. 20 ff., [X.]Z 210, 206).

3. Auch die ebenfalls unangegriffene Annahme des Berufungsgerichts, die von der Beklagten gestellte formularmäßige Regelung bezüglich der Abnahme des [X.]seigentums in § 7 Abs. 5 der [X.] (Anlage [X.]) sei ebenso wie die auf dieser Grundlage erfolgte Abnahme unwirksam, lässt keine Rechtsfehler erkennen (vgl. [X.], Beschluss vom 12. September 2013 - [X.] 308/12 Rn. 7 ff., [X.], 2020, zu einer formularmäßigen Abnahmeklausel, die die Abnahme des [X.]seigentums durch einen mit dem Bauträger wirtschaftlich oder rechtlich verbundenen Erstverwalter ermöglicht; Urteil vom 30. Juni 2016 - [X.] 188/13 Rn. 22, [X.], 1771 = NZBau 2016, 629).

Entsprechendes gilt für die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagten sei es als Verwenderin der unwirksamen [X.] nach [X.] und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich darauf zu berufen, dass sich der Vertrag mangels wirksamer Abnahme des [X.]seigentums insoweit noch im [X.] befinde (vgl. [X.], Urteil vom 30. Juni 2016 - [X.] 188/13 Rn. 20 ff., Rn. 24 ff., [X.], 1771 = NZBau 2016, 629; Urteil vom 12. Mai 2016 - [X.] 171/15 Rn. 57 ff., [X.]Z 210, 206; Urteil vom 25. Februar 2016 - [X.] 49/15 Rn. 41 ff., [X.]Z 209, 128), weshalb im Rahmen der Anspruchsbegründung die Abnahme des [X.]seigentums als Voraussetzung für die Geltendmachung von Mängelansprüchen zugunsten der Klägerin zu unterstellen sei.

4. Der rechtlichen Nachprüfung nicht stand hält jedoch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, im Rahmen der Verjährung sei eine Abnahme des [X.]seigentums spätestens im Jahr 2013 - nun zu Lasten der Klägerin - zu unterstellen mit der Folge, dass die mit der Klage geltend gemachten (Mängel-) Ansprüche bei Klageerhebung bereits verjährt gewesen seien, weil es der Klägerin wegen widersprüchlichen Verhaltens unter Berücksichtigung von [X.] und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt sei, sich im Rahmen der Verjährung auf das Fehlen der Abnahme berufen zu dürfen.

a) Die im Einzelfall vorzunehmende wertende Betrachtung der Gesamtumstände unter dem Gesichtspunkt des § 242 BGB obliegt zwar in erster Linie dem Tatgericht, kann aber vom Revisionsgericht eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob das Tatgericht die maßgeblichen Tatsachen vollständig festgestellt und gewürdigt und ob es die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat ([X.], Urteil vom 6. Juli 2023 - [X.] 151/22 Rn. 38, [X.] 2023, 1672; Urteil vom 8. Juli 2021 - I ZR 248/19 Rn. 28 m.w.N., NJW 2022, 52).

b) Einer Überprüfung nach diesen Grundsätzen hält das Berufungsurteil nicht stand.

aa) Nicht jeder Widerspruch zwischen zwei Verhaltensweisen ist als unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) zu werten (vgl. [X.], Urteil vom 4. Februar 2015 - [X.] Rn. 24, [X.]Z 204, 145). Vielmehr ist widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) dann rechtsmissbräuchlich, wenn das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Juli 2015 - [X.] 508/14 Rn. 12, [X.], 1101; Urteil vom 4. Februar 2015 - [X.] Rn. 24, [X.]Z 204, 145; Urteil vom 9. Mai 2014 - [X.]/12 Rn. 41 m.w.N., NJW 2014, 2790). Ist durch das frühere Verhalten einer [X.] kein schutzwürdiges Vertrauen der Gegenpartei begründet worden, ist ein rechtsmissbräuchliches Verhalten nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht zu ziehen, etwa bei einem unlösbaren Widerspruch zwischen früherer und späterer Rechtsausübung (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Juli 2015 - [X.] 508/14 Rn. 12, [X.], 1101; Urteil vom 4. Februar 2015 - [X.] Rn. 26 m.w.N., [X.]Z 204, 145).

[X.]) Nach diesen Grundsätzen kann ein im Sinne des § 242 BGB rechtsmissbräuchliches widersprüchliches Verhalten der Klägerin nicht angenommen werden.

(1) Soweit die Klägerin zunächst in den Jahren 2007 und 2012 - als Prozessstandschafterin der Erwerber - mehrfach Mängelansprüche wegen Mängeln der Dach- und Balkonentwässerung geltend gemacht hat, die von der Beklagten jeweils reguliert wurden, und sich später bei der klageweisen Geltendmachung weiterer Mängelansprüche gegenüber der von der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung auf das Fehlen einer wirksamen Abnahme des [X.]seigentums berufen hat, resultiert hieraus bereits keine sachliche Unvereinbarkeit zwischen dem früheren und dem späteren Verhalten. Denn das Verhalten der Klägerin ist vor dem Hintergrund der von der Beklagten gestellten [X.] zur Abnahme des [X.]seigentums (§ 7 Abs. 5 Satz 1 des Vertrags Anlage [X.]) und unter Berücksichtigung der Schutzrichtung der Inhaltskontrolle zu würdigen. Die genannte [X.] wirkt sich für die betroffenen Erwerber - und damit auch für die als deren Prozessstandschafterin agierende Klägerin - einerseits (bezüglich der Voraussetzungen für die Geltendmachung von Mängelansprüchen, insbesondere Kostenvorschussansprüchen) günstig und andererseits (bezüglich des Beginns der Verjährung der Mängelansprüche) ungünstig aus (vgl. [X.], [X.] 2020, 519, 522 f.); die Inhaltskontrolle dient ausschließlich dem Schutz des Vertragspartners des Verwenders, nicht dem Schutz des Verwenders (vgl. [X.], Urteil vom 12. Mai 2016 - [X.] 171/15 Rn. 58 m.w.N., [X.]Z 210, 206; Urteil vom 20. Juli 2017 - [X.] 259/16 Rn. 31, [X.], 1995 = NZBau 2018, 29). Vor diesem Hintergrund kann angesichts der erörterten Klauselambivalenz und der Schutzrichtung der Inhaltskontrolle bereits eine sachliche Unvereinbarkeit zwischen dem früheren und dem späteren Verhalten der Klägerin nicht angenommen werden.

(2) Im Übrigen ist durch das frühere Verhalten der Klägerin im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Mängelansprüchen in den Jahren 2007 und 2012 ebenso wenig wie durch die Regulierung dieser Ansprüche ein vorrangig schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten dahingehend begründet worden, dass sich die Klägerin bei etwaiger erneuter späterer Geltendmachung von Mängelrechten nach Ablauf eines Zeitraums, der die Frist des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB übersteigt, gegenüber der von der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung nicht auf das Fehlen einer wirksamen Abnahme des [X.]seigentums berufen würde. Die Interessen der Beklagten erscheinen insoweit im Hinblick darauf, dass sie als Verwenderin der [X.] § 7 Abs. 5 Satz 1 für den Nichtbeginn der Verjährung (vgl. § 634a Abs. 2 BGB) hinsichtlich der auf Mängel an der Bausubstanz des [X.]seigentums bezogenen Mängelansprüche verantwortlich ist, und im Hinblick darauf, dass sie im Antwortschreiben vom 3. September 2015 an die Verwalterin für eine erneute Abnahme des [X.]seigentums im Hinblick auf die bereits zuvor angeblich wirksam erfolgte Abnahme keinen Raum sah, nicht vorrangig schutzwürdig.

(3) Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin kann aus den vorstehend unter [X.] 4. b) [X.]) (1) genannten Gründen auch nicht wegen eines unlösbaren Widerspruchs zwischen dem früheren und dem späteren Verhalten der Klägerin angenommen werden.

I[X.]

Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO) dar.

1. Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung geltend, die Beklagte dürfe dem Begehren der Klägerin die Einrede der Verjährung entgegenhalten, nachdem die Verjährungshöchstfrist des § 199 Abs. 4 BGB im Hinblick auf den [X.] aus § 631 Abs. 1 BGB angeblich spätestens mit dem Ende des Jahres 2015 abgelaufen sei. Es kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls wann die genannte Verjährungshöchstfrist abgelaufen ist. Des Weiteren kann hier offenbleiben, ob und welchen Einfluss ein Ablauf der Verjährungshöchstfrist bezüglich des [X.]s grundsätzlich auf die Verjährung von Mängelansprüchen hat. Im Rahmen der gegen die geltend gemachten Mängelansprüche erhobenen Verjährungseinrede könnte die Beklagte jedenfalls aus [X.] Gründen den angeblichen Ablauf der Verjährungshöchstfrist bezüglich des [X.]s nicht mit Erfolg geltend machen (vgl. [X.], [X.] 2023, 2057). Wie bereits erörtert, ist es der Beklagten als Verwenderin der unwirksamen [X.] § 7 Abs. 5 Satz 1 nach [X.] und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich darauf zu berufen, dass sich der Vertrag mangels wirksamer Abnahme des [X.]seigentums insoweit noch im [X.] befinde; die Klägerin kann, wie sie das nach den nicht angefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts getan hat, trotz der nicht wirksam erklärten Abnahme des [X.]seigentums Mängelansprüche gegen die Beklagte geltend machen.

2. Die Verjährung der geltend gemachten Mängelansprüche kann nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand auch nicht mit der Begründung angenommen werden, die Erwerber hätten das [X.]seigentum, nachdem sie Kenntnis von der Unwirksamkeit der im Jahr 2005 erklärten Abnahme erlangt oder Zweifel bezüglich der betreffenden Wirksamkeit bekommen hätten, jeweils konkludent abgenommen, womit die Verjährung der Mängelansprüche gemäß § 634a Abs. 2 BGB jeweils mit der Folge begonnen habe, dass die Verjährungsfrist (§ 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB) vor der Einreichung der Klage im Jahr 2020 abgelaufen sei. Denn das Berufungsgericht hat zu derartigen Abnahmen - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen.

3. Das Berufungsurteil kann nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand schließlich auch nicht mit der Begründung aufrechterhalten werden, der klägerischen Rechtsausübung stehe, wie die Revisionserwiderung meint, der Einwand der Verwirkung entgegen. Denn das Berufungsgericht hat zu den Voraussetzungen dieses Einwands - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen.

IV.

Das Berufungsurteil kann nach alledem, soweit hinsichtlich der [X.] zu 1 und zu 3 bis 6 zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist, nicht bestehen bleiben. Es ist insoweit aufzuheben. Die Sache ist im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da der Senat mangels hinreichender Feststellungen nicht in der Sache selbst entscheiden kann.

[X.]     

      

[X.]     

      

Jurgeleit

      

Graßnack     

      

Brenneisen     

      

Meta

VII ZR 241/22

09.11.2023

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 18. November 2022, Az: 1 U 42/21, Urteil

§ 242 BGB, § 307 Abs 1 S 1 BGB, § 634 BGB, § 634a BGB, § 637 BGB, § 9a Abs 1 WoEigG, § 9a Abs 2 WoEigG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.11.2023, Az. VII ZR 241/22 (REWIS RS 2023, 8499)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8499

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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