Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.11.2012, Az. 4 B 26/12

4. Senat | REWIS RS 2012, 884

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde


Tenor

Die Beschwerde des Beigeladenen zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] für das [X.] vom 16. März 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beigeladene zu 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2 sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 70 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche [X.]edeutung, die ihr der [X.]eigeladene zu 1 beimisst.

3

a) Die Frage,

ob das Oberverwaltungsgericht durch seine Auslegung des [X.]egriffs des Dachraums im Sinne des § 29 Abs. 1 Tabelle Spalte 4 Zeile 1d [X.]auO [X.] gegen die richterlichen [X.] aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Art. 20 Abs. 3 GG verstoßen hat,

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil die Rüge nicht ausreichender [X.]eachtung bundesrechtlicher Vorgaben und Grenzen für die Auslegung von Landesrecht kein revisibles Recht (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) betrifft. [X.] Recht ist nur angesprochen, wenn dargelegt wird, dass die als Kontrollmaßstab herangezogene Norm des [X.]undesrechts ihrerseits Fragen von grundsätzlicher [X.]edeutung aufwirft (vgl. [X.]eschluss vom 17. Januar 2000 - [X.]VerwG 6 [X.] 2.99 - NVwZ-RR 2000, 339 <340>; stRspr).

4

b) Die Frage,

ob es mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar ist, eine Norm abweichend vom Wortlaut des Gesetzes und abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch auch unter Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe vorzunehmen,

ist zwar allgemein formuliert, zielt aber - wie sich aus der [X.]eschwerdebegründung ergibt - wiederum nur auf die Problematik, ob das Oberverwaltungsgericht bei der Auslegung des landesrechtlichen [X.]egriffs "Dachraum" die verfassungsrechtlichen Grenzen einer zulässigen Auslegung überschritten hat. Der [X.]eigeladene zu 1 wiederholt damit der Sache nach lediglich seinen mit der ersten Grundsatzrüge erhobenen Vorwurf, das Oberverwaltungsgericht habe in Fragen des Landesrechts unter Verstoß gegen [X.] fehlerhaft entschieden.

5

c) Auf die Fragen,

ob der Antragsteller einen Anspruch auf [X.]escheidung eines Antrags auf Erteilung einer gesetzlich vorgesehenen Ausnahme hat, wenn sich die [X.]ehörde weigert, die sachlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme zu prüfen, und

ob dies zumindest dann gilt, wenn die [X.]ehörde - unabhängig von der beantragten Ausnahme - auch den zugrunde liegenden Genehmigungsantrag überhaupt nicht beschieden hat,

lässt sich bereits im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde eine Antwort geben.

6

Ein [X.]escheidungsurteil hat nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zu ergehen, wenn die Sache nicht spruchreif ist. In der Regel fehlt die Spruchreife, wenn der Verwaltung ein Ermessens- oder [X.]eurteilungsspielraum zusteht (Urteil vom 20. Februar 1992 - [X.]VerwG 3 [X.] 51.88 - [X.]VerwGE 90, 18 <24>). Macht eine Norm eine Ermessensentscheidung von tatbestandlichen Voraussetzungen abhängig, scheidet der Erlass eines [X.]escheidungsurteils aus, wenn das Gericht das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen verneint. Das gilt auch, wenn die [X.]ehörde es unterlassen hat, in eine Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen einzutreten. Die Untätigkeit der [X.]ehörde führt lediglich dazu, dass eine [X.]escheidungsklage unter den Voraussetzungen des § 75 VwGO in zulässiger Weise erhoben werden kann, macht aber eine gerichtliche Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen einer entscheidungserheblichen Vorschrift nicht entbehrlich.

7

d) Die Frage,

ob für die [X.] nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 256 Abs. 2 ZPO der Grundsatz der Subsidiarität gemäß § 43 Abs. 2 VwGO gilt,

geht an dem angefochtenen Urteil vorbei. Das Oberverwaltungsgericht hat den hilfsweise gestellten Antrag des [X.]eigeladenen zu 1 auf Feststellung, dass die ausgeführte Stahlkonstruktion den brandschutzrechtlichen Anforderungen des § 29 [X.]auO [X.] entspricht, nicht als [X.] nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 256 Abs. 2 ZPO behandelt, sondern als Feststellungsklage im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Die von dem [X.]eigeladenen zu 1 aufgeworfene Rechtsfrage würde sich mithin nur stellen, wenn die Rechtssache anders entschieden worden wäre, als sie entschieden worden ist. In einem solchen Fall scheidet die Zulassung der Grundsatzrevision aus (vgl. [X.]eschluss vom 29. Juni 1992 - [X.]VerwG 3 [X.] 102.91 - [X.]uchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 17).

8

2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen einer Abweichung des vorinstanzlichen Urteils von einer Entscheidung des [X.]undesverfassungsgerichts oder einer Entscheidung des [X.]undesverwaltungsgerichts zuzulassen.

9

Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des [X.]undesverwaltungsgerichts oder [X.]undesverfassungsgerichts widerspricht (vgl. [X.]eschluss vom 20. Dezember 1995 - [X.]VerwG 6 [X.] 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712; stRspr). Er ist hier nicht dargelegt.

a) Der [X.]eigeladene zu 1 macht zu Unrecht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe sich einem Rechtssatz des [X.]undesverwaltungsgerichts aus der Entscheidung vom 2. Juli 1992 - [X.]VerwG 5 [X.] 39.90 - ([X.]VerwGE 90, 275 <278>) widersetzt, wonach die [X.]ehörde verpflichtet sei, als Voraussetzung ihrer Entscheidung bzw. ihres Handelns alle dafür vom Zweck der Ermächtigung her relevanten Tatsachen umfassend zu ermitteln und bei der Entscheidung alle Ergebnisse dieser Ermittlungen und alle sonst einschlägigen wesentlichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen (§ 24 VwVfG). Die Entscheidung enthält den behaupteten Rechtssatz nicht. Sie verhält sich auch nicht zu § 24 VwVfG, sondern zu § 21 Abs. 4 [X.] Um diese Vorschrift geht es hier nicht.

b) Ebenfalls zu Unrecht rügt der [X.]eigeladene zu 1 eine Divergenz zu den [X.]eschlüssen des [X.]undesverfassungsgerichts vom 25. Januar 2011 - 1 [X.]vR 918/10 - (NJW 2011, 836 <838>) und vom 26. September 2011 - 2 [X.]vR 2216/06, 2 [X.]vR 469/07 - (NJW 2012, 669 <670>). Das Oberverwaltungsgericht hat den zu Art. 20 Abs. 2 GG formulierten Rechtssatz, richterliche Auslegung von Gesetzen dürfe anerkanntermaßen nicht dazu führen, dass der [X.] seine eigenen materiellen Gerechtigkeitsvorstellungen an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt, nicht als unrichtig abgelehnt. Der [X.]eigeladene zu 1 beanstandet in Wahrheit, dass das Oberverwaltungsgericht den Rechtssatz des [X.]undesverfassungsgerichts im vorliegenden Fall rechtsfehlerhaft angewandt hat. Damit ist der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aber nicht aufgezeigt (stRspr; vgl. nur [X.]eschluss vom 19. August 1997 - [X.]VerwG 7 [X.] 261.97 - NJW 1997, 3328).

3. Die Revision ist schließlich nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Sollte dem Oberverwaltungsgericht mit der [X.]ehandlung des auf Feststellung gerichteten Hilfsantrags des [X.]eigeladenen zu 1, dass die ausgeführte Stahlkonstruktion den brandschutzrechtlichen Anforderungen des § 29 [X.]auO [X.] entspricht, als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statt als [X.] nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 256 Abs. 2 ZPO ein Verfahrensfehler unterlaufen sein, würde das angefochtene Urteil auf diesem Fehler nicht beruhen. Eine [X.] ist unzulässig, wenn sie ein Rechtsverhältnis betrifft, das mit dem Urteil über die Hauptklage zwischen den Parteien erschöpfend geregelt wird (vgl. [X.]GH, Urteil vom 28. September 2006 - [X.] - NJW 2007, 82 <83>). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat im Rahmen der Prüfung, ob die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung einer Nachtragsbaugenehmigung "bezüglich Stahlbau Dachgeschoss" hat, verneint, dass die Stahlkonstruktion des Dachgeschosses den brandschutzrechtlichen Anforderungen des § 29 Abs. 1 [X.]auO [X.] nicht entspricht ([X.] ff.). Diese Entscheidung wirkt mit Eintritt der Rechtskraft gemäß § 121 VwGO auch gegen den [X.]eigeladenen zu 1. Gegenüber der Hauptklage hätte die [X.] keine weitergehende [X.]edeutung; dann aber liegt auch kein Rechtsschutzbedürfnis für sie vor (vgl. Urteil vom 29. August 1986 - [X.]VerwG 7 [X.] 5.85 - NVwZ 1987, 216).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 B 26/12

29.11.2012

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 16. März 2012, Az: 2 A 2540/10, Urteil

§ 132 Abs 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.11.2012, Az. 4 B 26/12 (REWIS RS 2012, 884)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 884

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 B 3/14 (Bundesverwaltungsgericht)

Maßgeblicher Innenbereich für Beurteilung der baurechtlichen Privilegierung; zu den Bedingungen für ein Bescheidungsurteil; zum Verhältnis …


2 L 1698/23 (Verwaltungsgericht Köln)


8 K 465/20 (Verwaltungsgericht Köln)


4 B 34/18 (Bundesverwaltungsgericht)

Verhältnis von Verwirkung und Verfristung eines Widerspruchsrechts


4 B 42/11 (Bundesverwaltungsgericht)

Zum Begriff des Doppelhauses im System der offenen Bauweise


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 BvR 918/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.