Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.03.2021, Az. 1 StR 53/21

1. Strafsenat | REWIS RS 2021, 7615

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Gegenstand

Fahren ohne Fahrerlaubnis: Konkurrenzen mit Diebstahl bei "Diebesfahrten"


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. November 2020

a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des Diebstahls in acht Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, sowie der Bedrohung schuldig ist;

b) im Ausspruch über die in den Fällen [X.], 7., 8., 10., 11., 12., 13. und 14. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und im [X.] aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Diebstahls in acht Fällen (Fälle [X.] 1., 3. bis 6., 9., 12. und 13. der Urteilsgründe), vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in fünf Fällen (Fälle [X.] 7., 8., 10., 11. und 14. der Urteilsgründe) und Bedrohung (Fall [X.] 2. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

Der Schuldspruch des [X.]s hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nur teilweise stand. Er bedarf in konkurrenzrechtlicher Hinsicht der Korrektur. Dies bedingt auch die Aufhebung einzelner Strafaussprüche, soweit sie davon betroffen sind, sowie des Gesamtstrafenausspruchs.

3

1. Die konkurrenzrechtliche Bewertung der [X.] in den Fällen [X.] 6. bis 8., 10. bis 12. sowie 13. und 14. der Urteilsgründe als jeweils rechtlich selbständige Taten hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

4

a) Nach den Urteilsfeststellungen entwendete der Angeklagte, der bei Begehung der Taten nicht über eine Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen verfügte, am 12. April 2020 in [X.]        von dem Betriebsgelände eines Autohauses zwei Kfz-Diagnosegeräte, ein Tablet und sieben Sätze eingelagerter Kompletträder (Fall [X.] 6. der Urteilsgründe); die Räder transportierte er mit seinem Pkw in zwei Fuhren ab (Fälle [X.] 7. und 8. der Urteilsgründe). Am 2. Mai 2020 fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw von S.      nach [X.]       , wo er sein Fahrzeug um 3.05 Uhr kurz abstellte (Fall [X.] 10. der Urteilsgründe). Bereits um 3.10 Uhr setzte er die Fahrt fort und fuhr zum späteren Tatort in [X.]         O.  (Fall [X.] 11. der Urteilsgründe). Dort stahl er aus einem Baucontainer Elektrowerkzeuge und andere Wertgegenstände (Fall [X.] 12. der Urteilsgründe). Schließlich entwendete der Angeklagte in der Nacht auf den 13. Mai 2020 in [X.]       aus einem Carport einen Satz Kompletträder (Fall [X.] 13. der Urteilsgründe), die er ebenfalls mit seinem Pkw abtransportierte (Fall [X.] 14. der Urteilsgründe).

5

b) Die Annahme des [X.]s, zwischen den Diebstählen und dem vorsätzlichen Fahren ohne Fahrerlaubnis bestehe Tatmehrheit, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

6

Bei allen Fahrten ohne Fahrerlaubnis handelte es sich nach den Feststellungen des [X.]s um „Diebesfahrten“, bei denen der Angeklagte das Fahrzeug entweder zur Anfahrt (Fall [X.] 11. der Urteilsgründe) oder zur Abfahrt sowie zum Abtransport der Beute (Fälle [X.] 7. und 8. sowie Fall [X.] 14. der Urteilsgründe) führte. In diesen Fällen stehen die Taten des Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit der Tat des Diebstahls in Tateinheit (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Juni 1996 - 4 [X.] Rn. 6; vgl. auch [X.], Beschlüsse vom 31. Oktober 1989 - 1 StR 563/89 Rn. 1 und vom 27. Oktober 1987 - 1 StR 529/87 Rn. 2).

7

c) Auch die Tatsache, dass der Angeklagte zum Abtransport der im Fall [X.] 6. der Urteilsgründe entwendeten Räder zwei Fuhren benötigte (Fälle [X.] 7. und 8. der Urteilsgründe), führt entgegen der Wertung des [X.]s nicht zu einer tatmehrheitlichen Begehungsweise. Insoweit liegt eine Tat im Rechtssinne vor, weil sich das Tätigwerden des Angeklagten bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen [X.] als [X.] darstellte und auf einer einzigen Willensentschließung beruhte (sog. natürliche Handlungseinheit; vgl. [X.], Beschluss vom 10. Juli 2017 - [X.], [X.]St 63, 1 Rn. 17).

8

d) Anders als vom [X.] ausgeurteilt steht auch die Fahrt im Fall [X.] 10. der Urteilsgründe konkurrenzrechtlich in Tateinheit zu der anschließenden Weiterfahrt im Fall [X.] 11 der Urteilsgründe. Die kurze [X.] rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die [X.] ohne Fahrerlaubnis endet regelmäßig erst mit Abschluss einer von vornherein für einen längeren Weg geplanten Fahrt und wird nicht durch kurze Unterbrechungen in selbständige Taten aufgespalten (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 7. November 2003 - 4 StR 438/03 Rn. 2 und vom 12. August 2015 - 4 StR 14/15 Rn. 4). So verhält es sich hier. Etwas anderes kann nach einer [X.] zwar gelten, wenn die Fortsetzung der Tat auf einem neu gefassten Willensentschluss beruht (vgl. [X.], Beschlüsse vom 15. August 2019 - 4 StR 21/19 Rn. 3 und vom 17. Oktober 2018 - 4 StR 149/18 Rn. 6 mwN). Dass der Angeklagte beim Abstellen seines Fahrzeuges um 3.05 Uhr ursprünglich vorhatte, die Fahrt zu beenden, und die Fahrt zur Begehung der [X.] wenige Minuten später - wie von der [X.] angenommen - aufgrund eines neu gefassten Tatentschlusses fortsetzte, ist jedoch weder nachvollziehbar festgestellt noch beweiswürdigend belegt, zumal diese Annahme im Widerspruch zu der von der [X.] getroffenen Feststellung steht, der Angeklagte habe, um den anschließenden Diebstahl zu begehen, das Vorhängeschloss des [X.] „mit einer von ihm zu diesem Zweck mitgebrachten [X.]“ ([X.]) durchtrennt.

9

2. Der Senat kann die Änderung des Schuldspruchs selbst vornehmen (§ 354 Abs. 1 StPO analog). Auf Grund der bisherigen Feststellungen des [X.]s kann ausgeschlossen werden, dass noch weitergehende Feststellungen zu erwarten sind, die einen anderen Schuldspruch rechtfertigen würden. § 265 Abs. 1 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, da der - geständige - Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

3. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der in den Fällen [X.] 6., 7., 8., 10., 11., 12., 13. und 14. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Einer Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bedarf es nicht, weil diese von den vorliegenden Wertungsfehlern nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

Raum     

        

Jäger     

        

Bellay

        

Bär     

        

Hohoff     

        

Meta

1 StR 53/21

23.03.2021

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Baden-Baden, 17. November 2020, Az: 201 Js 6354/20 - 2 KLs

§ 21 StVG, § 52 StGB, § 242 StGB, § 243 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.03.2021, Az. 1 StR 53/21 (REWIS RS 2021, 7615)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7615

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4 StR 14/15

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