Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2000, Az. 4 StR 354/00

4. Strafsenat | REWIS RS 2000, 458

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[X.]R: ja[X.]St: ja§§ 275, 338 Nr. 7 [X.] Das Fehlen einer Unterschrift oder eines Verhinderungsvermerks im Urteilmacht dessen Zustellung nicht unwirksam, wenn das zugestellte [X.] Urschrift entspricht.2. Ein solcher Mangel des Urteils ist nur auf eine Verfahrensbeschwerde, nichtaber auf Sachrüge zu beachten.[X.], Beschluß vom 21. November 2000 - 4 StR 354/00 - [X.]/00vom21. November 2000in der [X.] -wegen versuchten Totschlags u.a.- 3 -Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 21. November 2000 gemäߧ§ 44 ff., 349 Abs. 2 und 4 StPO [X.] Dem Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 20. März 2000 Wiedereinsetzung in den [X.] Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichneteUrteil im Schuldspruch dahin geändert, daß der [X.] versuchten Totschlags in Tateinheit mit zwei rechtlichzusammentreffenden Fällen der gefährlichen Körperverlet-zung schuldig [X.] Die weiter gehende Revision wird [X.] Der Beschwerdeführer hat die Kosten der [X.] seines Rechtsmittels sowie die dem Nebenkläger imRevisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zutragen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten "des versuchten Totschlags [X.] mit gefährlicher Körperverletzung und in einem weiteren Fall dergefährlichen Körperverletzung" schuldig gesprochen und ihn zu einer Jugend-strafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wen-det sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er allgemein die [X.] 4 -zung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung [X.]; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.1. Dem Angeklagten ist nach Versäumung der Revisionsbegründungs-frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da ihn, wie seinVerteidiger glaubhaft vorgetragen hat, an der Versäumung der Frist kein (Mit-)Verschulden trifft (§ 44 Satz 1 StPO). Die Frist ist versäumt worden, denn [X.] am 16. Juni 2000 ab, da das Urteil am 16. Mai 2000 zugestellt worden ist(§ 345 Abs. 1 Satz 2 StPO). Die Zustellung war wirksam. Dem steht nicht ent-gegen, daß die Unterschrift der zweiten richterlichen Beisitzerin oder ein ent-sprechender (zweiter) Verhinderungsvermerk unter dem Urteil fehlt (vgl. [X.] 1923, 934 [obiter dictum]; a.[X.] in Löwe/[X.] StPO 25. Aufl.§ 345 Rdn. 6; [X.] in Löwe/[X.] StPO 24. Aufl. § 275 Rdn. 36).Zwar hat die große [X.] nach dem [X.] unddem Rubrum in der in § 33 b Abs. 2 JGG bestimmten Besetzung mit drei [X.] und zwei Jugendschöffen entschieden. Der demnach gegebene Verstoßgegen § 275 Abs. 2 StPO hindert aber die Wirksamkeit der Zustellung nicht;insoweit besteht kein Unterschied zu den Folgen anderer Auslassungen imschriftlichen Urteil (vgl. etwa [X.] NStZ 1989, 584 und 1994, 47 f. [[X.]]; NJW 1999, 800 [Tenor unvollständig]). In derartigen Fällen handeltes sich nämlich nicht um einen Mangel der Zustellung, sondern um einen Feh-ler des Urteils selbst; ein solcher kann die Rechtswirksamkeit der [X.] berühren. Entscheidend ist vielmehr allein, daß dem Empfänger eine mitder Urschrift des Urteils übereinstimmende Ausfertigung oder beglaubigte Ab-schrift zugestellt worden ist (vgl. [X.] in [X.]. § 345 Rdn. 6; Klein-knecht/[X.] StPO 44. Aufl. § 37 Rdn. 2), woran zu zweifeln der [X.] gegebenen Fall keinen Anlaß hat. Dem Beschwerdeführer war daher ohne- 5 -weiteres erkennbar, daß er die für seine Rechtsmittelbegründung maßgeblicheFassung in Händen hielt (vgl. BayObLGSt 1996, 155, 156). Die (erneute) Zu-stellung mit allen erforderlichen Unterschriften bzw. Verhinderungsvermerkenkam im übrigen schon deswegen nicht in Betracht, weil nach Ablauf der in§ 275 StPO bestimmten Frist der Mangel ohnehin nicht mehr behoben [X.] ([X.] NStZ-RR 2000, 237; [X.]R § 275 Abs. 2 Satz 1 Unterschrift 3 [X.]). Das Fehlen einer Unterschrift bzw. eines Verhinderungsvermerks unter [X.] ist daher zwar gemäß § 338 Nr. 7 StPO ein absoluter Revisionsgrund,nicht jedoch ein Hindernis für das weitere [X.] Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachbeschwerde führt le-diglich zu einer Änderung des Schuldspruchs, da das [X.] das [X.] unrichtig beurteilt hat.a) Das Urteil unterliegt hier nicht deshalb der Aufhebung, weil die [X.] Richterin bzw. ein entsprechender Verhinde-rungsvermerk fehlt. Entgegen dem [X.] (NJW1967, 1578; [X.] 1981, 475; [X.] 1983, 261 mit [X.]. [X.]. [X.]; bei [X.] [X.]1983, 253; ebenso [X.] aaO § 338 Rdn. 115, 116; [X.] in [X.] [X.] 1985 S. 147, 168) ist dies nicht auf Sachrüge zu beachten, eshätte vielmehr mit einer Verfahrensrüge beanstandet werden müssen; eine sol-che Rüge ist indes nicht erhoben worden.Die Unterzeichnung des Urteils durch die mitwirkenden Berufsrichter istausschließlich in einer Norm des Verfahrensrechts (§ 275 Abs. 2 StPO) vorge-sehen; Rechtsfehler müssen daher mit der Verfahrensbeschwerde (§ 338 Nr. 7StPO) geltend gemacht werden. Hiergegen kann nicht eingewandt werden, daß- 6 -ein Urteil, welches nicht von allen Richtern unterschrieben worden ist, über-haupt keine - endgültig fertiggestellten - Entscheidungsgründe enthaltenkönnte. Auf Sachrüge darf ein solcher Mangel nur beachtet werden, wenn [X.] völlig fehlen ([X.]R StPO § 338 Nr. 7 Entscheidungsgründe 2; [X.]aaO § 338 Rdn. 94; [X.]/[X.] aaO § 338 Rdn. 52); nicht [X.] wird es sich verhalten, wenn das Urteil überhaupt keine Unterschriftenträgt. Eine revisionsrechtliche Prüfung, ob es sich bei an sich vorhandenenschriftlichen Gründen - sowie einzelnen Unterschriften - lediglich um einen Ur-teilsentwurf handelt, kann der Revisionsführer hingegen nur mit einer ord-nungsgemäß ausgeführten Verfahrensrüge erreichen, weil diese Frage nichtohne Kenntnis der zugrunde liegenden Verfahrenstatsachen beurteilt [X.] (vgl. hierzu [X.] in Löwe/[X.] StPO 24. Aufl. § 275 Rdn. 4und 5; s. auch BayObLG [X.] 1983, 261, 262); die aus der [X.] Zahl der Unterschriften genügt hierfür nicht (vgl. [X.]St 27, 334 f.).Hinzu kommt, daß selbst dann, wenn die erforderlichen richterlichen Unter-schriften geleistet worden sind, ein bloßer Entwurf vorliegen kann (so aus-drücklich [X.] NStZ 1993, 200; ebenso [X.] NJW 1980, 1405; [X.] [X.] 1978, 194).Im Blick auf diese Differenzierung zwischen Verfahrens- und Sachrügeerstreckt das Revisionsgericht deshalb auch die [X.] gemäߧ 357 StPO auf [X.] nur bei völligem Fehlen der Gründe ([X.]RStPO § 338 Nr. 7 Entscheidungsgründe 2; [X.] NJW 1959, 1647), nichtaber bei bloßem Fehlen einer Unterschrift ([X.]R StPO § 275 Abs. 2 Satz 1Unterschrift 3).- 7 -b) Der Schuldspruch bedarf jedoch der Änderung, weil die vom [X.] nicht weiter begründete Annahme von Tatmehrheit zwischen den [X.] der Geschädigten [X.]einerseits und O. andererseits began-genen Straftaten rechtlicher Prüfung nicht standhält. Nach den Feststellungenstach der Angeklagte - in ungeklärter Abfolge - mehrfach mit dem "Schlagmes-ser" auf seine beiden in einem Pkw sitzenden Opfer ein, um sie davon abzu-bringen, ihrem Bekannten [X.]. zu helfen. Da somit eine äußerlich erkennba-re Zäsur oder ein [X.] aufgrund eines neu gefaßten [X.] ausscheidet, stellt sich das Vorgehen des Angeklagten insgesamtals eine natürliche Handlungseinheit und damit als eine Handlung im [X.] dar. So verhält es sich ausnahmsweise auch dann, wenn es um die Be-einträchtigung höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Personen geht.Die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit ist in derartigen Fällen danngerechtfertigt, wenn eine Aufspaltung in [X.] wegen eines außerge-wöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs willkürlich und ge-künstelt erschiene ([X.]R StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit - Entschluß, einheitlicher 1 und 9; [X.], Beschluß vom 24. Oktober 2000 -5 [X.]). Ein solcher Ausnahmefall ist hier gegeben, da der [X.] weniger Sekunden ohne jegliche zeitliche Zäsur mehrfach mit einemMesser auf zwei Personen eingestochen hat ([X.]R vor § 1/natürliche Hand-lungseinheit - Entschluß, einheitlicher 2 und 5).Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO stehtnicht entgegen, weil der Angeklagte sich insoweit nicht wirksamer als gesche-hen hätte verteidigen [X.] 8 -3. Der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Der Senat schließt aus,daß das [X.] unter Berücksichtigung der tateinheitlichen Begehung [X.] auf eine mildere Jugendstrafe erkannt hätte; es hat nämlich eine Ju-gendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten für erforderlich gehalten, "umdie notwendige erzieherische Wirkung zu erzielen". Der Schuldgehalt der Tat(vgl. [X.] StV 1994, 598, 599; NStZ-RR 1996, 120) wird von der geändertenrechtlichen Bewertung des [X.] ohnehin nicht berührt.[X.] [X.] Athing

Meta

4 StR 354/00

21.11.2000

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2000, Az. 4 StR 354/00 (REWIS RS 2000, 458)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 458

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