Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.02.2001, Az. IX ZR 19/00

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2001, 3427

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[X.] DES VOLKESURTEILIX ZR 19/00Verkündet am:22. Februar 2001BürkJustizhauptsekretärinals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]:[X.]:[X.]. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. [X.] der Gläubiger nach einer Vorbesprechung dem im Ausland ansässi-gen Bürgen ein vollständig ausgefülltes Vertragsformular, das eine Ge-richtsstandsvereinbarung enthält, übersandt, dieses jedoch nicht [X.], sondern lediglich im Kopf mit seinem Stempel versehen, kommteine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung nicht schon dadurch [X.], daß die Bürgschaft erteilt wird.[X.], [X.]eil vom 22. Februar 2001 - [X.] Frankfurt a.M. LG Fulda- 2 -Der IX. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 22. Februar 2001 durch [X.] Kreft und die [X.], Kirchhof, Dr. Fischer und Raebelfür Recht erkannt:Auf die Revision der Beklagten werden das [X.]eil des 14. Zivil-senats in [X.] des [X.] vom14. Dezember 1999 und das [X.]eil der 4. Zivilkammer des [X.] vom 23. Dezember 1998 aufgehoben.Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.Von Rechts [X.] Beklagte wohnt in [X.]/[X.]. Ihr Ehemann war [X.] einer GmbH mit Sitz in [X.]. Er verpflichtete sich namens der [X.], der klagenden Sparkasse als Kreditsicherheit eine Bürgschaft seinerEhefrau über 250.000 DM zu stellen. Ende April 1995 nahm die Beklagte aneiner Besprechung in den Geschäftsräumen der Klägerin teil. Danach über-- 3 -sandte die Klägerin der Beklagten ein mit ihrem Firmenstempel [X.] ausgefülltes Bürgschaftsformular, das die Beklagte am 10. Mai1995 an ihrem Wohnsitz unterzeichnete und an die Klägerin zurücksandte. [X.] Urkunde übernahm die Beklagte die selbstschuldnerische Bürgschaft biszum Betrag von 250.000 DM für alle Forderungen der Klägerin gegen dieGmbH aus einem näher bezeichneten Kontokorrentkredit. Gemäß Ziffer 9 [X.] ist die Klägerin berechtigt, ihre Ansprüche im Klagewege an ihremallgemeinen Gerichtsstand zu verfolgen, wenn der Bürge keinen allgemeinenGerichtsstand im Inland hat.Die Hauptschuldnerin wurde insolvent. Die Klägerin hat bei dem für denOrt ihrer Hauptniederlassung zuständigen [X.] die Beklagte auf [X.] von 250.000 DM in Anspruch genommen. Die Beklagte hat die fehlendeinternationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt und eingewandt,die Bürgschaft sei nach schweizerischem Recht nicht [X.] erteilt [X.]. Das [X.] hat der Klage stattgegeben, das [X.] dieBerufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt diese [X.] weiter.[X.] Revision hat Erfolg. Die Klage ist unzulässig, weil die internationaleZuständigkeit eines [X.] Gerichts nicht wirksam begründet worden [X.] -I.Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, im Streitfall sei dieZuständigkeit des angerufenen [X.]s aufgrund der in der Bürgschafts-urkunde enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung wirksam nach Art. 17 Abs. 1Satz 2 Buchst. a des [X.] über die gerichtliche Zustän-digkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und [X.] ([X.]) begründet worden. Zwar fehle auf der von der Beklagtenunterzeichneten Urkunde die Unterschrift eines vertretungsberechtigten Or-gans der Klägerin. Das sei jedoch unschädlich, weil für die mit Art. 17 [X.]identische Vorschrift des Art. 17 EuGVÜ anerkannt sei, daß die Schriftformauch ohne Unterschrift gewahrt sein könne. Die [X.] lediglich in irgendeiner Form schriftlich niedergelegt sein. Die Klägerinhabe ihren Willen, den [X.] entsprechend den Bedingungen [X.] abzuschließen, durch die Übersendung des von ihr abge-stempelten [X.] an die Beklagte zum Ausdruck gebracht.[X.] diese Erwägungen wendet sich die Revision mit Erfolg. Die Ge-richtsstandsvereinbarung genügt nicht den Anforderungen, die Art. 17 Abs. 1[X.] an die Schriftform der Parteierklärung stellt.1. Die in der [X.] ansässige Beklagte hat ihren Wohnsitz in [X.] eines Staates, der nicht Mitglied der Europäischen Gemeinschaft- 5 -ist. Daher findet im Streitfall nicht Art. 17 EuGVÜ Anwendung (vgl. [X.], [X.]. [X.] November 1991 - [X.], NJW 1993, 1070, 1071, insoweit in [X.]Z116, 77 nicht abgedruckt; OLG Saarbrücken NJW 2000, 670), sondern dasLugano-Übereinkommen (Art. 54 b Abs. 2 Buchst. a [X.]). Art. 17 Abs. 1 [X.]stimmt mit Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ genau überein. Für das Verständnis der [X.] kann daher die Rechtsprechung des [X.] und des[X.] zu Art. 17 EuGVÜ herangezogen werden.2. Nach dieser Rechtsprechung sind die in Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ aufge-stellten Voraussetzungen eng auszulegen, weil die Bestimmung sowohl dieallgemeine Zuständigkeit nach dem Wohnsitz des Beklagten (Art. 2 EuGVÜ)als auch die besonderen Zuständigkeiten nach den Art. 5 und 6 EuGVÜ [X.] ([X.] NJW 1977, 494; 1997, 1431, 1432). Die Formerfordernisse desArt. 17 EuGVÜ sollen gewährleisten, daß die Einigung zwischen den Parteienzweifelsfrei feststeht.Eine schriftliche Vereinbarung im Sinne von Art. 17 Abs. 1 Satz [X.]. a 1. Alt. EuGVÜ/[X.] liegt nur dann vor, wenn jede Partei ihre [X.] schriftlich abgegeben hat. Das kann - abweichend von § 126Abs. 2 BGB - auch in getrennten Schriftstücken geschehen, sofern aus ihnendie inhaltliche Übereinstimmung beider Erklärungen hinreichend deutlich her-vorgeht ([X.], [X.]. v. 9. März 1994 - [X.], NJW 1994, 2699, 2700).Nach ganz überwiegender Auffassung genügt die Übermittlung durch moderneKommunikationsmittel, die keine handschriftlichen Unterzeichnungen ermögli-chen (Musielak/[X.], ZPO 2. Aufl. Art. 17 EuGVÜ Rn. 6; [X.]/[X.], [X.] Aufl. Art. 17 EuGVÜ Rn. 6; [X.]/[X.], Art. 17 EuGVÜRn. 17; Kropholler, [X.]. Art. 17 Rn. 30; Kil-- 6 -lias, [X.] nach dem Lugano-Übereinkommen,1993, S. 157 f). Inwieweit die Unterschrift auch darüber hinaus verzichtbar ist,bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls kann nur dann von einer schriftli-chen Willenserklärung die Rede sein, wenn sie in einem sichtbaren Text ver-körpert ist, der den Urheber erkennen läßt.3. Eine diesem Formerfordernis genügende Erklärung hat die Klägerinnicht abgegeben.a) Wertet man die Übersendung der Bürgschaftsurkunde bereits als [X.] (vgl. [X.]Z 116, 77, 81), ist die inArt. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a 1. Alt. [X.] geforderte Schriftform gleichwohlnicht gewahrt. Der [X.] einschließlich der maschinenschriftlich [X.] Ergänzungen betrifft lediglich eine Erklärung des Bürgen, die dieserdurch seine Unterschrift als für sich verbindlich bezeichnet. Eine Erklärung derGläubigerin ist dagegen in der Urkunde nicht enthalten. Daran ändert auchnichts der [X.] mit dem Namen der Klägerin im Kopf des Formu-lars; denn dieser ist auf keine textlich verkörperte Erklärung der Klägerin bezo-gen. Damit allein enthält die Urkunde noch nichts, was als schriftliche Erklä-rung der Klägerin, eine Gerichtsstandsvereinbarung schließen zu wollen, [X.] werden kann. Die Urkunde umfaßte in der Form, wie sie die Beklagtezugeleitet erhalten hat, lediglich den Entwurf einer an die Klägerin gerichtetenErklärung der [X.]. Notwendig ist jedoch eine auf den konkreten [X.] schriftliche Willenskundgabe beider Vertragspartner. Eine solche Er-klärung ging aus dem der Beklagten übersandten Formular nicht hervor; sieergibt sich entgegen der Meinung der Revisionserwiderung nicht aus den Be-- 7 -arbeitungsvermerken des Sachbearbeiters der Klägerin und ist auch [X.] in der gebotenen Form erfolgt.b) Das Schriftformerfordernis ist nicht schon deshalb erfüllt, weil [X.], zu deren Lasten die vorgesehene Gerichtsstandsvereinbarung geht,eine schriftliche Erklärung erteilt und zuvor vom Inhalt der [X.] erhalten hat. Eine Differenzierung in den Anforderungen an [X.] je nachdem, zu wessen Ungunsten sich die Gerichtsstandsklauselauswirken kann, ist dem Übereinkommen fremd. Eine solche [X.] würde zudem im Ergebnis zu einer erheblichen Aufweichung des [X.] führen. Sie hätte zur Folge, daß eine schriftliche Gerichts-standsvereinbarung in der Regel schon dann zu bejahen wäre, wenn ein ent-sprechender Vertragstext dem anderen Teil ohne eigene Unterschrift übersandtworden und von jenem unterzeichnet zurückgegeben worden ist. Das ent-spricht nicht dem, was im Rechtsverkehr allgemein unter einer schriftlichenVereinbarung verstanden wird und stände in Widerspruch zu der von derhöchstrichterlichen Rechtsprechung aus Gründen der Rechtsklarheit prakti-zierten engen Auslegung von Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ. Die Wahrung der Schrift-form hinge dann auch davon ab, daß der Vertragstext an den Urheber [X.] worden und bei diesem eingegangen ist, einem Umstand, der aus [X.] nicht erkennbar wird. Das wäre mit Sinn und Zweck der normier-ten [X.] nicht [X.] 8 -III.Das angefochtene [X.]eil erweist sich nicht aus anderen Gründen als [X.] zutreffend.Die Parteien hätten auch dann eine wirksame Gerichtsstandsvereinba-rung geschlossen, wenn mit Erteilung der Bürgschaft eine zuvor getroffenemündliche Abrede bestätigt worden wäre (Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a2. Alt. [X.]; vgl. dazu [X.]Z 116, 77, 80 ff). Indessen sind entsprechendeVoraussetzungen ebenfalls nicht gegeben, weil der die Gerichtsstandsklauselumfassenden Bürgschaftserklärung der Beklagten keine mündliche Vereinba-rung vorausgegangen ist.Die Klägerin hat lediglich behauptet, ihr Sachbearbeiter habe im Rah-men des Gesprächs, das Ende April 1995 in ihren Geschäftsräumen mit [X.] geführt worden ist, das Bürgschaftsformular erläutert und dabei zumAusdruck gebracht, daß die in ihm enthaltenen Regelungen zur Grundlage [X.] gemacht werden sollen. Danach haben die Parteiennach der eigenen Darstellung der Klägerin nicht bereits bei dieser [X.] Erklärungen ausgetauscht. Vielmehr diente das [X.] der Vorbereitung des [X.]es. Somit war noch keinemündliche Abrede über den Inhalt des Vertrages getroffen worden, als die [X.] die Bürgschaftsurkunde unterzeichnet an die Klägerin zurücksandte.Daher ist es ausgeschlossen, darin eine Bestätigung im Sinne von Art. [X.]. 1 Satz 2 Buchst. a 2. Alt [X.] zu sehen; denn eine solche setzt eine zu-vor mündlich erklärte Einigung über den Gerichtsstand zwingend voraus ([X.] -[X.], [X.]. v. 5. Dezember 1985 - [X.], NJW 1986, 2196; v. 9. März 1994- [X.], NJW 1994, 2699, 2700).IV.Da die Parteien eine nach Art. 17 [X.] wirksame Gerichtsstandsverein-barung nicht getroffen haben, ist die internationale Zuständigkeit deutscherGerichte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet. Der Senat hatfolglich in der Sache selbst zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und [X.] unter Aufhebung der [X.]eile der Vorinstanzen als unzulässig abzuwei-sen.Kreft Stodolkowitz Kirchhof Fischer Raebel

Meta

IX ZR 19/00

22.02.2001

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.02.2001, Az. IX ZR 19/00 (REWIS RS 2001, 3427)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 3427

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