Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 15.04.2013, Az. 1 B 22/12

1. Senat | REWIS RS 2013, 6661

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Gegenstand

Assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht; Ausweisungsschutz; Anspruch auf Drogentherapie; Rechtssatzdivergenz


Leitsatz

1. Die abweichende Würdigung, ob eine bestimmte Rechtsfrage vom EuGH geklärt worden ist oder nicht, begründet keine Rechtssatzdivergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

2. Bei dem Inhaber einer Rechtsstellung nach Art. 7 ARB 1/80 (juris: EWGAssRBes 1/80) kommt es für die Erfüllung der Ausweisungsvoraussetzungen nicht darauf an, ob er Anspruch auf die Durchführung einer Drogentherapie hatte, diese aber nicht bewilligt und durchgeführt wurde.

Gründe

I.

1

Der 1979 geborene Kläger ist [X.] Staatsangehöriger und wendet sich gegen seine Ausweisung. Im Alter von drei Jahren zog er gemeinsam mit seiner Mutter zu seinem als Arbeitnehmer in [X.] lebenden Vater. Er erwarb hier den Hauptschulabschluss und absolvierte eine [X.]erufsausbildung. 1996 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. In der Folgezeit ist er mehrfach strafgerichtlich verurteilt worden. 2006 erfolgte eine Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit [X.]etäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren. Zuletzt wurde der Kläger im Jahre 2007 wegen Diebstahls und einer Vielzahl von [X.]etäubungsmitteldelikten unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem [X.] zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die [X.]eklagte wies ihn mit [X.]escheid vom 4. November 2008 aus dem [X.] aus, wobei sie seine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 2 des [X.]eschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats [X.] - [X.] ([X.]) berücksichtigte. Seine Anfechtungsklage blieb vor dem Verwaltungsgericht und dem Verwaltungsgerichtshof ohne Erfolg. Der Kläger wendet sich mit seiner [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.

II.

2

Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen [X.]edeutung und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO) gestützte [X.]eschwerde ist unbegründet.

3

1. Dem [X.]eschwerdevorbringen lässt sich die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache nicht entnehmen. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die erstrebte Revisionsentscheidung entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus und verlangt außerdem die Angabe, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung bestehen soll (st[X.]pr; vgl. [X.]eschluss vom 19. August 1997 - [X.]VerwG 7 [X.] 261.97 - NJW 1997, 3328 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind u.a. dann nicht erfüllt, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage bereits geklärt ist oder aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann.

4

a) Die [X.]eschwerde hält zunächst die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, "ob Ausweisungen assoziationsrechtlich begünstigter [X.] Staatsangehöriger bei Fehlen eines Rechtsbehelfsverfahrens, gegebenenfalls in Form eines Widerspruchsverfahrens, das auch eine Überprüfung der Zweckmäßigkeit der Ausweisung ermöglicht, auch nach dem Außerkrafttreten der [X.]/[X.] mit Wirkung vom 30.04.2006 von vornherein unheilbar rechtswidrig sind" ([X.]eschwerdebegründung vom 10. Oktober 2012 S. 2). Für die Zulassung der Grundsatzrevision wegen dieser Frage fehlt es an dem erforderlichen Klärungsbedarf, weil in der Rechtsprechung des [X.] bereits geklärt ist, dass die Frage zu verneinen ist (vgl. Urteile vom 10. Juli 2012 - [X.]VerwG 1 [X.] 19.11 - [X.]VerwGE 143, 277 Rn. 22 - 25, vom 13. Dezember 2012 - [X.]VerwG 1 [X.] 20.11 - juris Rn. 28 - 34 und vom 15. Januar 2013 - [X.]VerwG 1 [X.] 10.12 - juris Rn. 23 f.).

5

Der [X.] hat in seinem Urteil vom 10. Juli 2012 (a.a.[X.] Rn. 22) entschieden, dass Art. 9 der [X.]/[X.] und die darin vorgesehene Einschaltung einer unabhängigen Stelle im Ausweisungsverfahren nicht für [X.] gilt, die nach Aufhebung der [X.]/[X.] zum 30. April 2006 erlassen wurden. Das gilt auch für die hier angegriffene Ausweisung, die mit [X.]escheid vom 4. November 2008 verfügt wurde. Der [X.] hat dies zum einen damit begründet, dass die Vorschrift durch Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/[X.] mit Wirkung zum 30. April 2006 aufgehoben worden ist. Weiter hat er darauf abgestellt, dass als unionsrechtlicher [X.]ezugsrahmen für die Ausweisung assoziationsrechtlich begünstigter [X.] Staatsangehöriger nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] nunmehr Art. 12 der Richtlinie 2003/109/[X.] betreffend die langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen heranzuziehen ist (vgl. [X.], Urteil vom 8. Dezember 2011 - [X.]. [X.]-371/08, [X.] - NVwZ 2012, 422 Rn. 79). Der [X.] hat aber auch für den Fall, dass die für [X.]sbürger maßgebliche Vorschrift des Art. 31 der Richtlinie 2004/38/[X.] auf die Ausweisung assoziationsrechtlich begünstigter [X.] Staatsangehöriger anwendbar wäre, entschieden, dass sich daraus keine Verpflichtung zur Einschaltung einer unabhängigen Stelle im Ausweisungsverfahren ergibt (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2012 a.a.[X.] Rn. 29 f.). Weder in der für langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige vorgesehenen noch in der für [X.]sbürger maßgeblichen Regelung ist die [X.]eteiligung einer unabhängigen Stelle vorgeschrieben (so erneut Urteil vom 15. Januar 2013 a.a.[X.] Rn. 23).

6

Soweit die [X.]eschwerde darauf abstellt, dass Art. 31 der Richtlinie 2004/38/[X.] weiterhin das Erfordernis einer vollständigen, ggf. im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens vorzunehmenden Ermessensüberprüfung enthält ([X.]eschwerdebegründung S. 5 - 8), hat der [X.] hierzu in seinem Urteil vom 13. Dezember 2012 (Rn. 30) ausgeführt:

"Nicht gefolgt werden kann der Auffassung, Art. 31 der Richtlinie 2004/38/[X.] sehe weiter die [X.]eteiligung einer unabhängigen Stelle vor, was sich zum einen daraus ergebe, dass der Rechtsbehelf nach Art. 31 Abs. 1 'gegebenenfalls' auch bei einer [X.]ehörde eingelegt werden könne und sich die Überprüfung im Rechtsbehelfsverfahren gemäß Art. 31 Abs. 3 nicht nur auf Tatsachen, sondern auch auf 'Umstände' zu beziehen habe. Denn der Verweis in Art. 31 Abs. 1 auf die Möglichkeit, einen Rechtsbehelf gegebenenfalls bei einer [X.]ehörde einzulegen ([X.] Fassung: 'where appropriate'), bezieht sich erkennbar auf die Fälle, in denen das nationale Recht das so vorsieht, etwa wenn der gerichtlichen Überprüfung noch ein behördliches Widerspruchsverfahren vorgeschaltet ist. Eine unionsrechtliche Verpflichtung zur [X.]eteiligung einer zweiten Stelle im Verwaltungsverfahren ergibt sich daraus jedoch nicht. Entsprechendes gilt für die in Art. 31 Abs. 3 vorgeschriebene Überprüfung der Tatsachen und Umstände, auf denen die Entscheidung beruht. Aus dem [X.]egriff der 'Umstände' ([X.] Fassung: 'circumstances') lässt sich eine Zweckmäßigkeitsprüfung - wie sie in [X.] einer [X.]ehörde vorbehalten wäre - nicht ableiten. Die Formulierung ist vielmehr im Zusammenhang mit Art. 31 Abs. 3 Satz 2 zu sehen, der die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Entscheidung im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Art. 28 vorschreibt. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind alle 'Umstände' zu berücksichtigen, die Art. 28 bezeichnet."

7

Im Übrigen ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des Art. 31 der Richtlinie 2004/38/[X.], dass die Mitgliedstaaten nicht zur Aufrechterhaltung einer Regelung verpflichtet werden sollten, wonach vor Ausspruch der [X.] eine unabhängige Stelle einzuschalten ist. Vielmehr sollte die Aufnahme einer entsprechenden Regelung der Entscheidung des nationalen Gesetzgebers überlassen werden. Die seinerzeit in Art. 29 des [X.] vom 23. Mai 2001 enthaltene Regelung zum Rechtsschutz bei [X.]en wurde u.a. wie folgt begründet ([X.]) 257 endgültig S. 23 f.):

"1. Diese [X.]estimmungen zielen darauf ab, den [X.] den Zugang zu Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln und somit einen lückenlosen Rechtsschutz zu sichern.

2. [X.] schließt nicht aus, dass ein Mitgliedstaat vorsieht, dass ein Rechtsbehelf bei einer [X.]ehörde eingelegt werden kann. In diesem Fall müssen die in Artikel 9 der [X.]/[X.] genannten [X.] gegeben sein, insbesondere die vorherige Stellungnahme einer anderen [X.]ehörde, als die, die Einreiseverweigerung oder die Ausweisung verfügen soll, sowie Garantie in [X.]ezug auf die Rechte der Verteidigung."

8

Die fehlende Verpflichtung zur Normierung eines behördlichen Rechtsbehelfsverfahrens ergibt sich auch aus der [X.]egründung der [X.] zu ihrem geänderten Vorschlag vom 15. April 2003, der die heute in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie enthaltene Formulierung einführte, dass ein Rechtsbehelf bei einem Gericht und "gegebenenfalls" bei einer [X.]ehörde eingelegt werden kann. Diese lautete ([X.]) 199 endgültig, [X.] zum damaligen Art. 29 Abs. 1):

"Die Änderung soll klarstellen, dass der Rechtsbehelf stets bei einem Gericht eingelegt werden muss und ein Rechtsbehelf bei einer [X.]ehörde nur dann ebenfalls zulässig ist, wenn der Aufnahmemitgliedstaat dies vorsieht (zum [X.]eispiel bevor ein Rechtsbehelf bei einem Gericht eingelegt werden kann)."

9

Auch die [X.]egründung der [X.] zur heute in Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie geregelten Vorschrift über den Inhalt und Umfang der Überprüfung im Rechtsbehelfsverfahren entspricht der oben wiedergegebenen Auslegung des [X.]s in seinem Urteil vom 13. Dezember 2012 (Rn. 30), dass darin eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im Hinblick auf die Erfordernisse von Art. 28 der Richtlinie geregelt wird, aber keine Zweckmäßigkeitsprüfung, wie sie in [X.] nur von einer [X.]ehörde erfolgen könnte (vgl. [X.]) 199 endgültig, [X.] zum damaligen Art. 29 Abs. 4).

Ergibt sich aber aus Art. 31 der Richtlinie 2004/38/[X.] nicht das Erfordernis der Einschaltung einer unabhängigen Stelle im Ausweisungsverfahren, kommt es für die [X.]eantwortung der aufgeworfenen Grundsatzfrage nicht darauf an, ob für die verfahrensmäßigen Anforderungen an die Ausweisung assoziationsrechtlich begünstigter [X.] Staatsangehöriger Art. 12 der Richtlinie 2003/109/[X.] oder Art. 31 der Richtlinie 2004/38/[X.] Anwendung findet. Damit sind auch die Einwände der [X.]eschwerde gegen die Auslegung des [X.]-Urteils in der Sache [X.] durch das [X.]erufungsgericht unerheblich, die sich gegen eine Erstreckung der dort getroffenen Aussagen zur Anwendbarkeit von Art. 12 der Richtlinie 2003/109/[X.] auf die verfahrensrechtlichen Regelungen bei Ausweisungen und damit die Nichtanwendbarkeit von Art. 31 der Richtlinie 2004/38/[X.] wenden ([X.]eschwerdebegründung S. 17 - 23).

Das früher in Art. 9 der [X.]/[X.] geregelte Erfordernis der Einschaltung einer unabhängigen Stelle bei Ausweisungen gilt auch nicht - wie die [X.]eschwerde meint - als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Europarechts, der aus dem im [X.]V bzw. AEUV verankerten Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit abzuleiten wäre, für [X.]sbürger wie [X.]erechtigte nach dem [X.] fort ([X.]eschwerdebegründung S. 9 - 10). Vielmehr hat der Richtliniengeber die Verfahrenssicherungen bei Ausweisungen ohne vertragsrechtliche [X.]indung an das Modell der Art. 8 und 9 der [X.]/[X.] neu geregelt und durfte dies auch tun. Im Rahmen seines gemeinschaftsrechtlichen Regelungsspielraums hat er in Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/[X.] den Wegfall der [X.]eteiligung einer unabhängigen Stelle im Verwaltungsverfahren, wie sie noch in Art. 9 Abs. 1 der [X.]/[X.] vorgeschrieben war, durch einen erhöhten Rechtsschutz im gerichtlichen Verfahren ausgeglichen - worauf der [X.] bereits in seinem Urteil vom 13. Dezember 2012 (Rn. 29) hingewiesen hat. Die Frage eines solchen Ausgleichs ist mit [X.]lick auf die Rechtslage in den Mitgliedstaaten der [X.] zu betrachten und nicht isoliert für einen einzelnen Staat wie [X.]. In vielen [X.] [X.] unterlagen ausländerbehördliche Entscheidungen bis zum Inkrafttreten von Art. 31 der Richtlinie 2004/38/[X.] aber keiner vollständigen gerichtlichen Kontrolle in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht.

Aus dem von der [X.]eschwerde zur Stützung ihrer Rechtsauffassung herangezogenen Urteil des Gerichtshofs vom 2. Juni 2005 in der [X.] ([X.]. [X.]-136/03 - Slg. 2005, [X.] Rn. 61 - 69) ergibt sich nur, dass die Rechtsschutzgarantien der Artikel 8 und 9 der [X.]/[X.] in dem Umfang, in dem sie für freizügigkeitsberechtigte [X.] und deren Familienangehörige gelten, auch auf [X.]erechtigte nach Art. 6 und 7 [X.] zu übertragen sind. Nachdem an die Stelle der bisherigen Regelungen zum Rechtsschutz neue getreten sind, gelten die Grundsätze des Gerichtshofs zur Übertragbarkeit für diese, führen aber nicht zur Aufrechterhaltung der alten, außer [X.] gesetzten Vorschriften.

In der Rechtsprechung des [X.]s ist mittlerweile auch geklärt, dass eine Aufrechterhaltung der früher in Art. 9 der [X.]/[X.] getroffenen Regelung nur für [X.]erechtigte nach dem [X.] - wie sie vom [X.] in seinem [X.]eschluss vom 24. Oktober 2011 (2 [X.]vR 1969/09 - NVwZ 2012, 426 <429>) erörtert worden ist - gegen das [X.]esserstellungsverbot des Art. 59 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der [X.] und der [X.] für die Übergangsphase der Assoziation ([X.] II S. 385) - [X.] - verstoßen würde. Der [X.] hat dies wie folgt begründet (Urteil vom 10. Juli 2012 - [X.]VerwG 1 [X.] 19.11 - [X.]VerwGE 143, 277 Rn. 23 f.):

"Da Ausgangspunkt der [X.]etrachtung des Gerichtshofs die Verfahrensgarantien sind, die den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten durch das [X.]srecht gewährleistet werden, erweist sich seine Rechtsprechung zur Übertragung auf assoziationsberechtigte [X.] Staatsangehörige schon im Ansatz offen für Fälle von Rechtsänderungen, die die Stellung der [X.]sbürger betreffen. Für diese gewährleistet Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/[X.] gegen Entscheidungen, die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung getroffen werden, einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer [X.]ehörde. Im Rechtsbehelfsverfahren sind nach Art. 31 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2004/38/[X.] die Rechtmäßigkeit der Entscheidung sowie die Tatsachen und die Umstände zu überprüfen, auf denen die Entscheidung beruht. Nach Satz 2 gewährleistet das Rechtsbehelfsverfahren, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Art. 28 der Richtlinie 2004/38/[X.] nicht unverhältnismäßig ist. Demzufolge gebietet [X.]srecht bei Ausweisungen von [X.]sbürgern keine behördliche Kontrolle mehr nach dem 'Vier-Augen-Prinzip'. Dann können assoziationsberechtigte [X.] Staatsangehörige nach der dynamisch angelegten Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Übertragung von Rechten auf diese Gruppe keine bessere verfahrensrechtliche Rechtsstellung beanspruchen.

Demgegenüber beruft sich der Kläger auf die [X.] in Art. 13 [X.] und Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der [X.] und der [X.] für die Übergangsphase der Assoziation ([X.] II S. 385) - [X.]. Gemäß Art. 13 [X.] dürfen die Mitgliedstaaten der [X.] und die [X.] für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und [X.]eschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen [X.]eschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Gemäß Art. 41 Abs. 1 [X.] werden die Vertragsparteien untereinander keine neuen [X.]eschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen. Aus diesen [X.] ergibt sich nach Auffassung des [X.], dass Art. 9 Abs. 1 der [X.]/[X.] bei der Ausweisung assoziationsberechtigter [X.] Staatsangehöriger weiterhin anzuwenden sei. Dem folgt der [X.] nicht.

Gegen die Auffassung des [X.] spricht bereits, dass Art. 13 [X.] seinem Wortlaut nach nur die Mitgliedstaaten, nicht aber die [X.] verpflichtet. Art. 41 Abs. 1 [X.] betrifft sachlich nur [X.]eschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs, nicht aber die der Arbeitnehmerfreizügigkeit zuzurechnende aufenthaltsrechtliche Stellung aus Art. 7 [X.]. Des Weiteren erscheint fraglich, ob die auf den Zugang zum Arbeits- bzw. [X.]innenmarkt zugeschnittenen [X.] überhaupt Verfahrensregelungen bei der Aufenthaltsbeendigung erfassen (vgl. Urteil vom 30. April 2009 - [X.]VerwG 1 [X.] 6.08 - [X.]VerwGE 134, 27 Rn. 20 zu den gesetzlichen Erlöschenstatbeständen für Aufenthaltstitel) und ob die Aufhebung des 'Vier-Augen-Prinzips' mit [X.]lick auf die gerichtliche Überprüfbarkeit nach Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/[X.] eine merkliche Verschlechterung der Rechtsposition darstellt. Das kann aber dahinstehen, da die weitere Anwendung des Art. 9 der [X.]/[X.] auf assoziationsberechtigte [X.] Staatsangehörige selbst bei Annahme einer rechtserheblichen Verschlechterung gegen Art. 59 [X.] verstoßen würde. Nach dieser Vorschrift darf der [X.] in den von diesem Protokoll erfassten [X.]ereichen keine günstigere [X.]ehandlung gewährt werden als diejenige, die sich die Mitgliedstaaten untereinander aufgrund des Vertrages zur Gründung der [X.] einräumen. Das wäre aber bei weiterer Anwendung des 'Vier-Augen-Prinzips' im Vergleich zu den [X.] von [X.]sbürgern aus Art. 31 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2004/38/[X.] - wie oben dargelegt - der Fall."

Einer Klärung durch den [X.] bedarf es insoweit nicht. Es ist im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs offenkundig ("acte clair"), dass zur Rechtfertigung einer verfahrensrechtlichen [X.]esserstellung von [X.]erechtigten nach dem [X.] nicht auf den weitergehenden materiellrechtlichen Ausweisungsschutz von [X.]sbürgern nach der Richtlinie 2004/38/[X.] abgestellt werden kann. Denn dieser erhöhte Schutz beruht auf der besonderen Rechtsstellung der [X.]sbürger, mit der die [X.]erechtigten nach dem [X.] keine Gleichstellung verlangen können (vgl. [X.], Urteil vom 8. Dezember 2011 - [X.]. [X.]-371/08, [X.] - NVwZ 2012, 422 Rn. 68 - 74). Das von der [X.]eschwerde ([X.]eschwerdebegründung S. 12 f.) herangezogene Urteil des Gerichtshofs vom 18. Juli 2007 in der Sache Derin ([X.]. [X.]-325/05 - Slg. 2007, [X.] Rn. 68 f.) trifft für den Vergleich mit der Rechtsstellung von [X.]sbürgern keine Aussage, da es zur Auslegung von Art. 59 [X.] lediglich die Vor- und Nachteile der Rechtsstellung von Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der [X.] mit der von [X.]erechtigten nach [X.] vergleicht, ohne auf die besondere Rechtsstellung von [X.]sbürgern einzugehen. Jedenfalls in dem Umfang, in dem sich die Vertragsparteien [X.] und [X.] in Art. 59 [X.] völkerrechtlich zur [X.]eachtung des [X.]esserstellungsverbots verpflichtet haben, durfte die [X.] den Wegfall einer Regelung zum außergerichtlichen Rechtsschutz, der für die Angehörigen ihrer Mitgliedstaaten geschaffen worden war, auch mit Wirkung für die [X.]erechtigten nach dem [X.] entfallen lassen.

Der Rechtsauffassung der [X.] in ihrer Stellungnahme vom 15. Dezember 2006 in der Rechtssache [X.] ([X.]. [X.]-349/06), auf die sich das [X.] in seinem [X.]eschluss vom 24. Oktober 2011 (a.a.[X.] S. 429) bezogen hat, dass die Aufhebung der [X.]/[X.] durch die [X.]sbürgerrichtlinie auf die Auslegung des Assoziationsabkommens und die auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsakte keinen Einfluss habe, ist der Gerichtshof nicht gefolgt. Vielmehr hat er für Regelungen zum Ausweisungsschutz, bei denen die für [X.]sbürger geltenden [X.]estimmungen der Richtlinie 2004/38/[X.] im Hinblick auf ihren Gegenstand und Zweck nicht auf [X.]erechtigte nach dem Assoziationsrecht [X.] - [X.] übertragbar sind, Art. 12 der Richtlinie 2003/109/[X.] als neuen unionsrechtlichen [X.]ezugsrahmen bestimmt, nicht aber die außer [X.] getretenen [X.]estimmungen der [X.]/[X.] zugunsten der assoziationsrechtlich [X.]egünstigten für weiterhin anwendbar angesehen (vgl. Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.[X.] Rn. 74 - 79).

b) Die [X.]eschwerde hält des Weiteren die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,

"ob sich für einen assoziationsrechtlich begünstigten [X.]n Staatsangehörigen, der sich in Strafhaft befindet, aus Art. 9 Assoziationsabkommen [X.]-[X.] ([X.].), Art. 37 Zusatzprotokoll zum Assoziationsabkommen ([X.]), Art. 10 [X.] und Art. 3 [X.] 3/80 i.V.m. §§ 27, 40 [X.] und §§ 9, 15 [X.]I ein Anspruch auf Durchführung einer Entwöhnungstherapie hinsichtlich seiner Drogenabhängigkeit in [X.] ergibt, und ob dieser europarechtliche Anspruch dazu führt, dass entweder bei der Prüfung des Vorliegens der für seine aufgrund von Drogendelikten erwogene Ausweisung erforderlichen gegenwärtigen Wiederholungsgefahr die erfolgreiche Durchführung der Drogentherapie unterstellt werden muss, oder aber eine [X.] erst nach tatsächlichem Abschluss dieser Drogentherapie getroffen werden darf" ([X.]eschwerdebegründung S. 40).

Die [X.]eschwerde ist insoweit bereits unzulässig, da sie die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Grundsatzfrage nicht aufzeigt. Zunächst legt sie schon nicht dar, dass der Kläger drogenabhängig ist und aufgrund dieser Abhängigkeit einen Anspruch auf Durchführung einer Entwöhnungstherapie hat. Des Weiteren hat die beteiligte Landesanwaltschaft zutreffend darauf hingewiesen (Schriftsatz vom 28. November 2012, [X.]), dass das [X.]erufungsgericht die Ausweisung unabhängig vom Ergebnis - auch bei einem möglichen Erfolg - einer Drogentherapie als rechtmäßig angesehen hat ([X.] Rn. 94). Das [X.]erufungsgericht hat zur [X.]egründung unter anderem auf die "dissoziale Persönlichkeitsakzentuierung" des [X.] ([X.]) und dessen "antisoziale(n) Persönlichkeitsanteile" ([X.]) hingewiesen (ähnlich [X.]), die unabhängig von suchtbedingten Risiken eine erhöhte Gefahr der erneuten [X.]egehung von Straftaten begründeten ([X.]). Geht das [X.]erufungsgericht nach seinen nicht mit durchgreifenden Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen aber von einer die Ausweisung rechtfertigenden schweren Gefährdung für ein Grundinteresse der Gesellschaft unabhängig von der Drogenabhängigkeit des [X.] aus, fehlt es an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit einer Klärung der hierzu aufgeworfenen Grundsatzfrage.

Im Übrigen bedürfte es aber auch im Fall der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, da sie schon aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung beantwortet werden kann und zu verneinen ist.

Dabei kann offenbleiben, ob ein [X.]erechtigter nach dem Assoziationsabkommen [X.] - [X.], dem Zusatzprotokoll zum Assoziationsabkommen, dem [X.] oder [X.] 3/80 in der Situation des [X.] ein Anspruch auf Durchführung einer Entwöhnungstherapie hinsichtlich seiner Drogenabhängigkeit hat, wie das die [X.]eschwerde behauptet. Denn selbst wenn ihm ein solcher Anspruch aus einer der von der [X.]eschwerde angeführten Vorschriften zustünde, lässt sich aus diesem kein Ausweisungshindernis ableiten, wie es in der aufgeworfenen Grundsatzfrage formuliert ist. Alle angeführten Vorschriften des [X.] haben Diskriminierungsverbote zum Inhalt. Diese verbieten allgemein oder für ihren spezifischen Regelungsbereich eine Diskriminierung assoziationsrechtlich begünstigter [X.] Staatsangehöriger gegenüber den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaates oder anderer Mitgliedstaaten der [X.]. Auch soweit sich nach der Rechtsprechung des [X.] aus einzelnen [X.] aufenthaltsrechtliche Ansprüche ergeben können, beschränken diese nicht die [X.]efugnis der Mitgliedstaaten, den Aufenthalt aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit zu beenden (vgl. [X.], Urteile vom 2. März 1999 - [X.]. [X.]-416/96, [X.] - Slg. 1999, [X.] Rn. 45 und vom 14. Dezember 2006 - [X.]. [X.]-97/05, [X.] - Slg. 2006, [X.] Rn. 40 f. zu [X.] in Abkommen der [X.] mit [X.] und [X.]; zur Übertragbarkeit auf das Diskriminierungsverbot nach Art. 10 [X.] vgl. Urteil vom 26. Oktober 2006 - [X.]. [X.]-4/05, [X.] - Slg. 2006, [X.] Rn. 52 f.). Die Rechtmäßigkeit der Ausweisung ist insoweit allein daran zu messen, ob die Voraussetzungen des Art. 14 [X.] erfüllt sind, wobei als [X.]ezugsrahmen mangels günstigerer Vorschriften im Assoziationsrecht [X.] -[X.] Art. 12 der Richtlinie 2003/109/[X.] heranzuziehen ist (vgl. [X.], Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.[X.] Rn. 75 ff.). Danach kann ein nach dem Assoziationsrecht [X.]erechtigter nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt. Außerdem darf die Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen. Schließlich haben die zuständigen [X.]ehörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre [X.]indungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende [X.]indungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen. Hingegen kommt es für die Erfüllung der Ausweisungsvoraussetzungen nicht darauf an, ob der [X.]etroffene Anspruch auf die Durchführung einer Drogentherapie hatte, diese aber nicht bewilligt und durchgeführt wurde. Einer Vorlage an den Gerichtshof der [X.] bedarf es nicht, da die Rechtslage und die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Voraussetzungen einer Ausweisung assoziationsrechtlich privilegierter [X.] Staatsangehöriger insoweit offenkundig ist ("acte clair").

2. Dem [X.]eschwerdevorbringen lässt sich eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht entnehmen. Die [X.]eschwerde entspricht nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, soweit sie eine Abweichung von dem [X.]eschluss des [X.]s vom 24. Oktober 2011 (2 [X.]vR 1969/09 - NVwZ 2012, 426) geltend macht (vgl. [X.]eschwerdebegründung S. 52 ff.).

Eine solche, die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.] aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des [X.] tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat; für die behauptete Abweichung von einer Entscheidung des [X.]s gilt Entsprechendes (vgl. [X.]eschluss vom 19. August 1997 - [X.]VerwG 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328).

a) Soweit die [X.]eschwerde hier eine Abweichung von dem [X.]eschluss des [X.]s vom 24. Oktober 2011 (2 [X.]vR 1969/09 - NVwZ 2012, 426) geltend macht (vgl. [X.]eschwerdebegründung S. 52 ff.), entspricht sie bereits nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, da sie den tragenden abstrakten Rechtssatz nicht benennt. Sie trägt vielmehr vor, das [X.] habe in seinem im angeführten Verfahren ergangenen [X.]eschluss vom 24. Oktober 2011 (a.a.[X.] S. 428) festgestellt, dass die Frage nach der Weitergeltung des Art. 9 Abs. 1 der [X.]/[X.] bei Ausweisungen assoziationsberechtigter [X.] Staatsangehöriger in der Rechtsprechung des [X.] jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des [X.] ungeklärt gewesen sei. Dem widerspreche die Rechtsauffassung des [X.]erufungsgerichts, wonach die Frage durch das Urteil des [X.] vom 8. Dezember 2011 geklärt sei und zwar dahin, dass die [X.]estimmung des Art. 9 Abs. 1 der [X.]/[X.] in Fällen wie dem vorliegenden weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden sei ([X.] 13).

Die von der [X.]eschwerde behauptete Abweichung bezieht sich nicht auf einen Rechtssatz. Ein Rechtssatz beschreibt den Inhalt einer Norm, indem er diese als abstrakten richterrechtlichen Obersatz näher konkretisiert (vgl. [X.]eschluss vom 7. März 2001 - [X.]VerwG 8 [X.] 36.01 - juris - Rn. 8; [X.], in: [X.], VwGO, 13. Aufl. 2010, § 132 Rn. 35). Die geltend gemachte Abweichung bedeutet keine solche rechtssatzgemäße Auslegung des materiellen Rechts, sondern würdigt lediglich, ob die Rechtsfrage vom [X.] geklärt ist oder nicht. Mit einer solchen Rüge kann die [X.]eschwerde die Zulassung der Revision wegen Divergenz nicht erreichen.

b) Soweit die [X.]eschwerde auf eine Abweichung der angegriffenen Entscheidung von der Rechtsprechung des [X.] gestützt wird, führt sie ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision.

(1) Die [X.]eschwerde sieht eine entscheidungserhebliche Abweichung des [X.]erufungsgerichts von der Rechtsprechung des [X.] zunächst darin, dass das [X.]undesverwaltungsgericht in seinen Urteilen vom 13. September 2005 ([X.]VerwG 1 [X.] 7.04 - [X.]VerwGE 124, 217), vom 9. August 2007 ([X.]VerwG 1 [X.] 47.06 - [X.]VerwGE 129, 162) und vom 2. September 2009 ([X.]VerwG 1 [X.] 2.09 - [X.] 451.901 Assoziationsrecht Nr. 54) entschieden habe, dass sich das Rechtsbehelfsverfahren bei der Ausweisung von [X.]erechtigten nach dem [X.] auch auf [X.] erstrecken müsse, "die über den Rahmen der materiellen Rechtmäßigkeit hinausgehen" ([X.]eschwerdebegründung S. 54 f.). Dem stehe die Rechtsauslegung des [X.]erufungsgerichts entgegen, das auf Seite 23 bis 27 des angefochtenen Urteils die "Überprüfung der Zweckmäßigkeit der Ausweisung mit einer bloßen Überprüfung der [X.] am Maßstab des materiellen Europarechts gleichgesetzt" habe.

Mit diesem Vorbringen genügt die [X.]eschwerde ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Denn sie bezeichnet schon keine für den vorliegenden Fall intertemporal maßgebliche Rechtsvorschrift, bei deren Anwendung ein Rechtssatzwiderspruch vorliegen könnte. Die zitierte Rechtsprechung des [X.] bezog sich auf die Auslegung von Art. 9 der [X.]/[X.], auch die Ausführungen des [X.]erufungsgerichts, die von der [X.]eschwerde angeführt werden, beziehen sich auf diese Norm. Damit fehlt es aber zusätzlich an der Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Abweichung. Denn Art. 9 der [X.]/[X.] ist - wie oben unter Ziffer 1a dieses [X.]eschlusses näher ausgeführt - mit Wirkung zum 30. April 2006 aufgehoben worden und findet auf nach diesem Zeitpunkt ausgesprochene [X.]en keine Anwendung mehr. Das betrifft auch die streitgegenständliche Ausweisung des [X.]. Ein Klärungsbedarf besteht deshalb nicht.

(2) Allerdings zeigt die [X.]eschwerde eine Divergenz der angegriffenen Entscheidung zum [X.]surteil vom 10. Juli 2012 - [X.]VerwG 1 [X.] 19.11 - auf ([X.]eschwerdebegründung S. 56 ff.).

Eine entscheidungserhebliche Abweichung liegt hier in der divergierenden Auslegung des [X.] einer Ausweisung. Denn nach der neueren Rechtsprechung des [X.]s haben Ausländer seit Inkrafttreten der Neufassung des [X.] 2011 nach § 11 Abs. 1 Satz 3 [X.] grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit einer Ausweisung zugleich das daran geknüpfte gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie die [X.] befristet (Urteile vom 10. Juli 2012 - [X.]VerwG 1 [X.] 19.11 - [X.]VerwGE 143, 277 Rn. 30 ff., vom 13. Dezember 2012 - [X.]VerwG 1 [X.] 20.11 - Rn. Rn. 38 und vom 15. Januar 2013 - [X.]VerwG 1 [X.] 10.12 - Rn. 26). Fehlt eine [X.]efristung der [X.], kann der Ausländer zugleich mit der Anfechtung der Ausweisung seinen Anspruch auf [X.]efristung der Wirkungen der Ausweisung gerichtlich durchsetzen. In seinem Anfechtungsantrag ist deshalb zugleich - als minus - für den Fall der [X.]estätigung ihrer Rechtmäßigkeit ein Hilfsantrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen [X.]efristung zu sehen, sofern eine solche nicht bereits von der Ausländerbehörde verfügt worden ist.

Im vorliegenden Fall waren die Wirkungen der Ausweisung im angegriffenen [X.]escheid vom 4. November 2008 nicht befristet worden, so dass die Anfechtungsklage des [X.] nach der vorzitierten Rechtsprechung einen Hilfsantrag auf nachträgliche [X.]eifügung einer [X.]efristung umfasste. Über diesen Antrag hätte das [X.]erufungsgericht entscheiden müssen, da es die Ausweisung als rechtmäßig eingestuft hat. Sein - der Entscheidung unausgesprochen zugrunde liegender - Rechtssatz, dass dies nicht erforderlich sei, begründet die von der [X.]eschwerde gerügte Divergenz.

Dennoch kommt eine Zulassung der Revision nicht in [X.]etracht, da die [X.]eschwerde insoweit inzwischen unzulässig geworden ist. Der [X.]eklagte hat den angegriffenen [X.]escheid durch eine [X.]efristung der Wirkungen der Ausweisung auf acht Jahre ergänzt. Dem [X.]efristungsanspruch des [X.] ist damit Rechnung getragen, so dass sein im Anfechtungsantrag enthaltener Hilfsantrag auf Verpflichtung des [X.]eklagten zur nachträglichen [X.]efristung ins Leere geht und eine Entscheidung über seine [X.] zur Durchsetzung dieses [X.]efristungsanspruchs nicht mehr erforderlich ist. Für eine Zulassung der Revision allein zur Prüfung der Frage, ob die [X.]ehörde die [X.]efristung im Einzelfall fehlerfrei bemessen hat, besteht kein Rechtsschutzinteresse, da diesem [X.]egehren auf andere, einfachere Weise Rechnung getragen werden kann (vgl. [X.]eschluss vom 14. März 2013 - [X.]VerwG 1 [X.] 17.12 - Rn. 12 f.).

Eine Rechtsschutzlücke zu Lasten des [X.] entsteht nicht. Vielmehr kann er die - gerichtlich in vollem Umfang überprüfbare - nachträgliche [X.]efristungsentscheidung vom 25. März 2013 gesondert durch einen Anfechtungsantrag angreifen, der - falls der [X.]efristungsentscheidung (wie hier) eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht beigegeben war - innerhalb eines Jahres nach Zustellung der Entscheidung bei dem zuständigen Verwaltungsgericht anhängig gemacht werden muss. Das Revisionsverfahren kann zur gerichtlichen Durchsetzung des [X.]efristungsanspruchs nur dann genutzt werden, wenn es bereits aus anderen Gründen ohnehin eröffnet ist. Die vorgenannte Rechtsprechung des [X.]s, wonach das Revisionsverfahren ausnahmsweise auch für die [X.]escheidung des im Anfechtungsbegehren hilfsweise enthaltenen Verpflichtungsantrags genutzt werden kann, zielt lediglich auf [X.] einer nachträglichen [X.]efristung von [X.]escheiden, die ohnehin in der Revisionsinstanz anhängig sind. Sie darf jedoch nicht dazu führen, die Revision in Fällen zuzulassen, in denen keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist. Ein solcher Fall liegt hier vor. Im Übrigen steht es dem Kläger gegebenenfalls zusätzlich frei, bei einer geltend zu machenden Veränderung entscheidungserheblicher Umstände seit der maßgeblichen [X.]efristungsentscheidung jederzeit einen Antrag auf nachträgliche Verkürzung der zunächst festgesetzten Frist bei dem [X.]eklagten zu stellen und gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen.

Meta

1 B 22/12

15.04.2013

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 17. Juli 2012, Az: 19 B 12.417, Urteil

Art 9 AssoziierungsAbk EWG/TUR, § 11 AufenthG 2004, Art 6 EWGAssRBes 1/80, Art 7 EWGAssRBes 1/80, Art 10 EWGAssRBes 1/80, Art 13 EWGAssRBes 1/80, Art 14 Abs 1 EWGAssRBes 1/80, Art 3 EWGAssRBes 3/80, Art 8 EWGRL 221/64, Art 9 EWGRL 221/64, Art 12 EGRL 109/2003, Art 31 Abs 1 EGRL 38/2004, Art 31 Abs 3 EGRL 38/2004, § 132 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 2 VwGO, Art 37 EWGAbkTURZProt, Art 41 Abs 1 EWGAbkTURZProt, Art 59 EWGAbkTURZProt

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 15.04.2013, Az. 1 B 22/12 (REWIS RS 2013, 6661)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6661

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