Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2012, Az. V ZB 45/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6876

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

V ZB
45/11

vom

26. April
2012

in der
Wohnungseigentumssache

-
2
-
Der V. Zivilsenat des [X.] hat am
26.
April
2012
durch den [X.], die Richterin Dr.
Stresemann, den Richter
Dr.
Roth
und die Richterinnen Dr.
[X.] und Weinland

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1.
Zivilkammer des [X.] vom 20. Januar
2011 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des
Rechtsbeschwerdeverfahrens
beträgt
2.063,46

.

Gründe:
I.
Die
Kläger
legten gegen ein Urteil des Amtsgerichts, das ihnen am 16.
September 2010 zugestellt
worden war, Berufung ein und begründeten [X.] mit einem am 17.
November 2010 (Mittwoch) bei dem [X.] einge-gangenen Schriftsatz. Gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist haben sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu unter anderem ausgeführt: Die Berufungsbegründung sei am 15.
November 2010 fertiggestellt gewesen. Ihre
Prozessbevollmächtigte
habe die Bürovorsteherin angewiesen, den Schriftsatz vorab per Fax an das [X.] zu übersenden; ein entsprechender Erledigungsvermerk sei
vorhanden.

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Das [X.] hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbe-schwerde der Kläger.

II.
Das Berufungsgericht meint,
die Kläger seien nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert gewesen. Bei einer Überprüfung der Fristen in den Abendstunden des 15. November 2010 hätte auffallen müssen, dass der -
ausweislich des Wiedereinsetzungsvorbringens sonst übliche -
Nachweis über die Faxversendung in der Akte gefehlt habe. Es habe daher nicht auf den Erledigungsvermerk vertraut werden dürfen.

III.
1. Die nach §
574 Abs.
1 Nr.
1 i.V.m. §
522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 574 Abs.
2 ZPO; vgl. [X.], Beschluss vom 7. Mai 2003

[X.], [X.]Z 155, 21, 22). Das ist namentlich der Fall, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung von Verfahrensgrundrechten beruht (vgl. Senat, Beschluss vom 27. März 2003

V
ZR 291/02, [X.]Z 154, 288, 296). So liegt es hier.
Das Berufungsgericht stützt seine Entscheidung ausschließlich darauf, dass bei der [X.] des 15. November 2010 das Fehlen eines [X.] nicht bemerkt worden sei. Vollständig unerwähnt lässt es, dass von den Klägern zur Begründung des [X.] auch vorgetragen worden ist, ihre
Prozessbevollmächtigte habe jedenfalls da-2
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rauf vertrauen dürfen, dass die
Anweisung, die Berufungsbegründung auch per Post zu versenden, ausgeführt worden sei, da die hierfür zuständige [X.] dies als erledigt vermerkt habe. Bei Berücksichtigung dieses Vorbringens
hätte das Berufungsgericht die Wiedereinsetzung nicht mit der gegebenen Be-gründung versagen dürfen. War vorgesehen, die Berufungsbegründung auch auf dem Postweg an das Berufungsgericht zu übermitteln, handelte es sich bei der Übersendung per Telefax um eine überobligatorische Maßnahme, für die keine besonderen Sorgfaltsanforderungen aufgestellt werden dürfen (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Juli 2011

[X.] 139/11, NJW-RR 2011,
1686, 1687 Rn.
9; siehe auch Senat, Beschluss vom 13.
Mai 2004

[X.], NJWRR
2004, 1217, 1218). Das gilt auch, wenn der rechtzeitige Posteingang bei Gericht unterblieben ist.
Das Übergehen des Vortrags zum Postversand verletzt den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder

sollte das Berufungsgericht ihn für rechtlich unerheblich gehalten haben

deren
An-spruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip); dieser verbietet es den Gerichten, die Anforderun-gen an den Zugang zur Rechtsmittelinstanz zu überspannen. Der Verstoß führt unabhängig davon, ob er sich auf das Endergebnis auswirkt, zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde (vgl. Senat,
Beschluss vom 23. Oktober 2003

V
ZB 28/03, [X.], 367, 368; [X.], Beschluss vom 26.
Januar 2009

II
ZB 6/08, [X.], 1083, 1084).

2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet, weil die Wiedereinset-zung in den vorigen Stand im Ergebnis zu Recht versagt worden ist.
a) Die Prozessbevollmächtigte
der Kläger durfte
sich nur dann auf den Erledigungsvermerk hinsichtlich des
Postversands
verlassen, wenn sie infolge der [X.] davon ausgehen konnte, dass dieser zu einem Zeit-6
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punkt angebracht worden war, zu dem die Angestellte alles Erforderliche zur Fristwahrung auf dem Postweg veranlasst
hatte. Nach ständiger Rechtspre-chung des [X.] muss der Prozessbevollmächtigte bei [X.] Schriftsätzen, die per Post versandt werden, sicherstellen, dass die im [X.] vermerkten Fristen erst gestrichen
oder anderweit als erledigt gekennzeichnet
werden, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt [X.] ist.
Wird für die Fristenkontrolle bereits daran angeknüpft, dass der [X.] postfertig gemacht worden ist, muss die Beförderung zu der Stelle, für die der Schriftsatz bestimmt ist, organisatorisch so weit vorbereitet sein, dass sie durch Versehen, welche die eigentliche Beförderung nicht betreffen, nicht mehr verhindert werden kann. Das ist im Allgemeinen anzunehmen, wenn der Schriftsatz in ein Postausgangsfach eingelegt wird und die abgehende Post von dort unmittelbar zum Briefkasten oder zur maßgeblichen gerichtlichen Stelle
Adressaten ist (vgl. [X.],
Beschluss vom 12. April 2011

[X.], NJW 2011, 2051, 2052 Rn.
7
f.; Beschluss vom 11. Januar 2001

[X.], NJW 2001, 1577, 1578; Beschluss vom 9. September 1997

[X.], NJW
1997, 3446
f.).
Dass das Büro der Prozessbevollmächtigten entsprechend organisiert ist und damit ein Organisationsverschulden als Grund für den verspäteten Eingang der Berufungsbegründung per Post ausscheidet, lässt sich dem [X.] nicht entnehmen. In der eidesstattlichen Versicherung der für den Postversand zuständigen Angestellten heißt es lediglich, der Postausgang sei
rden. Das lässt nicht erkennen, wo innerhalb der Kanzlei sich der Schriftsatz bei Anbringung des Erledigungsver-merks befindet. Entsprechende Angaben enthält auch die Rechtsbeschwerde nicht. Zudem wäre eine Nachholung dieser Angaben nach Ablauf der Frist des §
234 ZPO nicht möglich. Wird die Fristversäumung auf ein Verschulden des 9

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6
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Büropersonals gestützt, muss bereits der Wiedereinsetzungsantrag die Büroor-ganisation des Anwalts erkennen lassen (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Februar 2002

[X.], [X.], 2180, 2181; Beschluss vom 26. Mai 1994

III
ZB 16/93, Rn. 13
f., juris; [X.] Beschluss vom 27. September 1989

IVb
ZB 73/89, [X.], 1316). Für einen richterlichen Hinweis (§
139 ZPO) besteht nur Anlass, wenn Details im Organisationsablauf der Erläuterung oder der Vervollständigung bedürfen.

Eine unzureichende
Büroorganisation
wäre für den verspäteten Eingang der Berufungsbegründung bei Gericht zwar
nicht ursächlich gewesen, wenn glaubhaft gemacht wäre, dass die Berufungsbegründung am 15. November 2010 tatsächlich zur Post gegeben worden ist. Das ist aber nicht
der Fall. Die für den Postversand zuständige Angestellte kann sich ausweislich ihrer eides-e-daran erinnern, [X.] Schriftsätze sie an diesem [X.] gebracht hat, sondern nur aus den üblichen Abläufen in der Kanzlei schlussfolgern, dass die Berufungsbegrün-dung dabei gewesen sein müsse.
b) Die Prozessbevollmächtigte der Kläger konnte auf die Fristwahrung auch nicht aufgrund des Vermerks
über die Übermittlung der [X.] per Fax
vertrauen. Die Annahme des Berufungsgerichts, sie hätte bei der
abendlichen Kontrolle der Fristenerledigung den
fehlenden
Sendebericht bemerken
müssen, überspannt nach den hier gegebenen Umständen nicht die Anforderungen an die anwaltlichen Pflichten.
Zu einer wirksamen [X.] gehört die Anordnung, dass die Erledigung fristgebundener Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages an-hand des [X.]s von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird; erforderlich ist dabei eine nochmalige, selbständige Prüfung ([X.], Be-10
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12

-
7
-
schluss vom 13. September 2007

[X.], [X.], 1879, 1880 Rn.
15; Beschluss vom 11.
September 2007

[X.] 109/04, NJW 2007, 3497, 3498 Rn. 13). Schon wegen dieser Prüfungspflicht durfte sich die Prozessbe-vollmächtigte der Kläger

die die abendliche Prüfung selbst übernommen hat-te

nicht allein auf den Erledigungsvermerk verlassen.
Hinzu kommt, dass das Wiedereinsetzungsgesuch wiederum keine Bü-roorganisation erkennen lässt, die eine wirksame Fristenkontrolle durch die [X.] sicherstellt.
Eine
solche
erfordert grundsätzlich die allgemeine Kanz-leianweisung, nach der Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax anhand des [X.] zu prüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den rich-tigen Empfänger erfolgt ist, und die Frist im [X.] erst anschließend zu streichen. Fehlt es an einer allgemeinen Anweisung, muss sich die Einzel-anweisung, einen bestimmten Schriftsatz sogleich per Telefax abzusenden, in gleicher Weise auf die [X.] erstrecken; die Kanzleiangestellte ist also zusätzlich anzuweisen, die Frist erst nach einer Kontrolle der vollständigen Übermittlung anhand des [X.] zu streichen ([X.], Beschluss vom 15. Juni 2011

[X.] 572/10, NJW 2011, 2367, 2368 Rn. 13 mwN). Vortrag, aus dem sich ergibt, dass die [X.] eine solche -
allgemeine oder einzelfallbezogene -
Anweisung erteilt hat, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf. Kann somit nicht von einer wirksamen [X.] durch die Büroangestellten ausgegangen werden, musste die Anwältin sie bei der [X.] der Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend selbst durchführen, mithin auch das Sendeprotokoll überprüfen.
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8
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IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
97 Abs. 1 ZPO.

Krüger

Stresemann

Roth

[X.]

Weinland

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 24.08.2010 -
8a C 6/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 20.01.2011 -
1 [X.]/10 -

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Meta

V ZB 45/11

26.04.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2012, Az. V ZB 45/11 (REWIS RS 2012, 6876)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6876

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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