Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.04.2020, Az. IV ZR 44/19

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 11689

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[X.]:[X.]:BGH:2020:220420UIVZR44.19.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IV ZR 44/19
Verkündet am:

22. April 2020

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der IV. Zivilsenat des [X.] hat durch den
Richter
Felsch, die Richterin [X.], den Richter [X.], die Richterinnen [X.] und Dr. Bußmann
im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 25. März
2020

für Recht erkannt:

Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des [X.] -
7.
Zivilsenat -
vom 7.
Februar 2019 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als auf die Berufung der Klägerin das Urteil des [X.]

18.
Zivilkammer -
vom 31.
Juli 2018 teilweise abge-ändert und
die Beklagte verurteilt worden ist, an die Klä-gerin 1.253,96

Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.
Oktober 2015 zu zahlen. Die Berufung der Kläge-rin wird auch insoweit zurückgewiesen.

Die [X.] der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5.990,19

Von Rechts wegen
-
3
-
Tatbestand:

Die Klägerin fordert von der [X.] aus ungerechtfertigter Be-reicherung Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge und Heraus-gabe von Nutzungen.

Die Parteien schlossen im Jahr 2003 einen Vertrag über eine Ren-tenversicherung mit Kapitalwahlrecht im Erlebensfall und Beitragsrück-zahlung zuzüglich Überschussbeteiligung bei Tod vor Rentenbeginn so-wie Todesfallleistung ab Rentenbeginn (fünffacher Jahresbetrag der ga-rantierten Rente abzüglich bereits gezahlter Renten) nach dem soge-nannten Policenmodell des §
5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: §
5a [X.] a.F.) ab.

Im September 2014 kündigte die Klägerin den Versicherungsver-trag und erhielt einen Rückkaufswert in Höhe von 11.706,57

unter [X.] von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag.

Mit Schreiben vom 15.
Juli
2015 erklärte die Klägerin den [X.] gemäß §
5a [X.] a.F.

Mit der Klage verlangt sie Rückzahlung ihrer auf den Vertrag ge-leisteten Beiträge sowie Herausgabe von Nutzungen
abzüglich des Rückkaufswertes, insgesamt
5.990,19

ng [X.] Rechtsanwaltskosten und Zahlung von Verzugszinsen.

Die Klägerin meint, die Widerspruchsfrist nach §
5a [X.] a.F. sei wegen formaler
und inhaltlicher
Mängel der Widerspruchsbelehrung so-wie wegen Unvollständigkeit der Verbraucherinformation nicht in Gang gesetzt worden.

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-

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat ihr unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerin in Höhe von 1.253,96

strebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, während die Klägerin mit der [X.] ihr über den zuerkannten Betrag hinausgehendes Klagebegehren weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

A. Revision der [X.]

Die Revision der [X.] hat Erfolg.

[X.] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung

soweit für die Revision der [X.] relevant -
ausgeführt, der Kläge-rin stehe ein Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen aus §§
812 Abs.
1 Satz
1, 818 Abs.
1 BGB in Höhe von insgesamt 1.253,96

zu. Sie habe das Widerspruchsrecht noch im [X.] wirksam ausü-ben können. Zwar sei der Klägerin eine formell und inhaltlich [X.] erteilt worden. Aber die ihr überlassene Verbraucherinformation nach §
10a [X.] in der zum
Zeitpunkt des [X.] (im Folgenden: [X.] a.F.) sei [X.] gewesen. Es fehle die nach Abschnitt
I Nr.
2 Buchst.
b) bis d) der Anlage Teil
D zum [X.] a.F. erforderliche Angabe über das Ausmaß, in dem Rückkaufswerte garantiert würden.

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-
5
-

I[X.] Hiergegen wendet sich die Revision zu Recht.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts konnte die nach dessen revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen ordnungsgemäß über ihr Widerspruchsrecht belehrte Klägerin den [X.] nicht wegen Unvollständigkeit der Verbraucherinformation noch im [X.] wirksam erklären.

a) Der Beginn der in §
5a Abs.
1 Satz
1 [X.] a.F. bestimmten vier-zehntägigen Widerspruchsfrist gemäß §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.F. setzt zwar unter anderem voraus, dass dem Versicherungsnehmer die [X.] nach §
5a Abs.
1 Satz
1 [X.] a.F., darunter auch die [X.] nach §
10a [X.] a.F., vollständig vorliegen.

[X.]) Die der Klägerin überlassene Verbraucherinformation war aber nicht, wie das Berufungsgericht meint, deshalb unvollständig, weil eine Angabe dazu fehlte, ob und in welchem Umfang Rückkaufswerte über-haupt garantiert wurden. Zu der notwendigen Verbraucherinformation nach §
10a Abs.
1 [X.] a.F. gehörten bei Lebensversicherungen und [X.] mit [X.] gemäß Abschnitt
I Nr.
2 Buchst.
b) der Anlage Teil
D zum [X.] a.F. die Angabe der [X.] und nach Buchst. d) dieser Bestimmung Angaben über das [X.], in dem Rückkaufswerte garantiert sind. Im Streitfall fehlt es an ga-rantierten [X.] im Sinne von Abschnitt
I Nr.
2 Buchst.
b) und d) der Anlage Teil
D zum [X.] a.F. Nach den vom Berufungsgericht zum Inhalt des abgeschlossenen Versicherungsvertrages getroffenen Fest-stellungen hat die Beklagte der Klägerin keine Rückkaufswerte in [X.] Höhe vertraglich zugesagt. Darüber hat die Beklagte entgegen der Würdigung des Berufungsgerichts in der im Versicherungsschein enthaltenen Verbraucherinformation ausreichend informiert. Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht von der im Versicherungsschein 11
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enthaltenen Übersicht aus, in deren vierter und fünfter Spalte der "Rück-kaufswert plus Überschußbeteiligung"
und der "nach Rückkauf verblei-bende Restwert plus Überschußbeteiligung"
bei Rentenbeginn ausgewie-sen werden. Im dritten Absatz vor dieser Tabelle wird der Rückkaufswert einschließlich Überschussbeteiligung als "Zeitwert" der Versicherung zum Zeitpunkt der Kündigung beschrieben, dessen Höhe von mehreren Faktoren abhänge, vor allem von der Zinsentwicklung auf dem
Kapital-markt. Weiter wird erläutert, die in den Spalten 4 und 5 genannten Werte seien "auf Basis der heutigen Berechnungsgrundlagen ermittelt". Daran schließt sich der ausdrückliche Hinweis an: "Sie können nicht garantiert werden." Wird einem Versicherungsnehmer -
wie hier
-
ausdrücklich mit-geteilt, dass in einer nachfolgenden Übersicht aufgeführte [X.] auf der Basis der zur Zeit der Ausstellung des [X.] maßgeblichen Berechnungsgrundlagen ermittelt wurden und
nicht garantiert werden können, ist er darüber informiert, dass Rück-kaufswerte "überhaupt nicht", auch nicht teilweise garantiert werden. Zu-dem ist
in der Übersicht die Überschrift zur
Spalte 2 durch [X.] mit dem Zusatz versehen "Diese Beträge garantieren wir", [X.] die Überschriften zu den Spalten 3, 4 und 5 durch [X.] um den Hinweis "Diese Beträge können wir nicht garantieren"
ergänzt werden. Auch damit hat die Beklagte eindeutig mitgeteilt, dass die in Spalte 4 aufgeführten Rückkaufswerte nicht garantiert sind. Im Üb-rigen verpflichtet §
10a Abs.
1 Satz
1 [X.] a.F. in Verbindung mit Ab-schnitt
I Nr.
2 Buchst.
b) und d) der Anlage Teil
D zum [X.] a.F. entge-gen der Auffassung des Berufungsgerichts den Versicherer nicht anzu-geben, dass es im Hinblick auf den abgeschlossenen Vertrag an einer Garantie von [X.] fehlt. Dies hat der Senat mit dem nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Urteil vom 11.
Dezember 2019 in dem Verfahren [X.] ([X.], 208 Rn.
13
ff.), in dem es um -
7
-
eine nahezu gleich gestaltete Verbraucherinformation derselben Beklag-ten wie hier ging, entschieden und im Einzelnen ausgeführt.

bb) Die Einwände der Klägerin gegen diese Entscheidung geben dem Senat keinen Anlass zu einer Änderung seiner Rechtsauffassung.

(1) Soweit die Klägerin beanstandet, dass die vierte Spalte der [X.] "Rückkaufswerte plus Überschußbeteiligung" und damit summierte Beträge ausweise, muss sie einräumen, dass der in §
176 Abs.
3 Satz
1 [X.] a.F. als Zeitwert der Versicherung definierte Rückkaufswert die Überschussbeteiligung miteinschließt. Sieht der Versicherungsvertrag -
wie im Streitfall
-
eine Überschussbeteiligung vor, welche die Höhe der Rückkaufswerte beeinflusst, fordert Abschnitt
I Nr.
2 Buchst.
b) der Anla-ge Teil
D zum [X.] a.F. entgegen der Auffassung der Revisionserwide-rung nicht die Angabe von [X.] ohne Berücksichtigung der Überschussbeteiligung (Senatsurteil vom 11.
Dezember 2019 [X.]O Rn.
24).

(2) Vergeblich rügt die Klägerin weiter
eine unterbliebene [X.] der vermeintlich erforderlichen Anzahl an [X.] in Spal-te
4 der Tabelle. Dazu machten weder §
10a Abs.
1 Satz
1 [X.] a.F. in Verbindung mit Abschnitt
I Nr.
2 Buchst.
b) der Anlage Teil
D zum [X.] a.F. noch Anhang
II Buchst.
A. Nr.
a.9 der Dritten Richtlinie Lebensversi-cherung
Vorgaben.

[X.]) Schließlich kommt es für die Frage des Bestehens eines [X.]srechts nach §
5a [X.] a.F. nicht darauf an, ob die Angabe der Rückkaufswerte Transparenzanforderungen genügt. Ein etwaiger Trans-parenzmangel in einer Verbraucherinformation begründet kein [X.]srecht nach §
5a [X.] a.F. (Senatsurteil vom 11.
Dezember 2019 [X.]O Rn.
25).
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b) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe das [X.]srecht noch im
[X.] wegen Unvollständigkeit der [X.] wirksam ausüben können, stellt sich nicht aus ande-ren Gründen als richtig dar (§
561 ZPO).

[X.]) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, dass ein auf die Todesfallleistung (Beitragsrückzahlung
bei Tod vor [X.], Todesfallleistung ab Rentenbeginn) entfallender [X.] nicht gemäß Abschnitt
I Nr.
1 Buchst.
e) der Anlage Teil
D zum [X.] a.F. einzeln auszuweisen war, weil nicht mehrere selbständige Versiche-rungsverträge im Sinne dieser Bestimmung vorliegen (Senatsurteil vom 11.
Dezember 2019
[X.]O Rn.
26). Ohne Erfolg verweist die Klägerin in-soweit auf Anhang
II Buchst.
A. Nr.
a.10 der [X.], wonach vor Abschluss des Vertrages "Informationen über die Prämien für jede Leistung, und zwar sowohl Haupt-
als auch Neben-leistungen, wenn sich derartige Informationen als sinnvoll erweisen",
mitzuteilen waren. Auch wenn die Richtlinie nicht zwischen Haupt-
und Nebenleistungen unterscheidet, fordert sie jedenfalls nicht, dass für die Alternative der Hauptleistung -
Kapitalleistung im Todesfall vor oder ab Rentenbeginn statt Rentenzahlung für den Erlebensfall
-
Prämien sepa-rat ausgewiesen werden.

bb) Auch eine Information über die Frist,
während der der [X.] an den Antrag gebunden sein soll (Abschnitt
I Nr.
1 Buchst.
f) der Anlage Teil
D zum [X.] a.F.), war, wie der Senat mit dem Urteil vom 11.
Dezember 2019 ([X.]O Rn.
27) entschieden und im Einzelnen erläutert hat, bei einem Vertragsschluss nach dem Policenmodell -
anders als 19
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beim Antragsmodell
-
nicht erforderlich. Daran hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin fest.

2. Die Frage, ob das Policenmodell mit den Lebensversicherungs-richtlinien der [X.] unvereinbar ist, ist hier nicht ent-scheidungserheblich. Auch im Falle einer unterstellten Gemeinschafts-rechtswidrigkeit des Policenmodells ist es der ordnungsgemäß über ihr Widerspruchsrecht belehrten und informierten Klägerin nach [X.] und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages über fast elfeinhalb
Jahre auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereiche-rungsansprüche herzuleiten (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben: [X.] vom 16.
Juli 2014 -
IV ZR 73/13, [X.], 102 Rn.
32 ff.).
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B. [X.] der Klägerin

Die [X.] der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Nach dem zur Revision der [X.] Gesagten (oben unter A.)
konnte die Klägerin das Widerspruchsrecht nach §
5a [X.] a.F. im [X.] nicht mehr wirksam ausüben. Auf die von ihr angegriffenen Ausführun-gen des Berufungsgerichts zur Höhe des [X.] kommt es daher nicht an.

Felsch

[X.]

[X.]

[X.]

Dr. Bußmann
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 31.07.2018 -
18 O 413/17 -

O[X.], Entscheidung vom 07.02.2019 -
7 U 179/18 -

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Meta

IV ZR 44/19

22.04.2020

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.04.2020, Az. IV ZR 44/19 (REWIS RS 2020, 11689)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11689

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IV ZR 8/19

IV ZR 73/13

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