Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.02.2010, Az. IX ZB 180/09

9. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 9240

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Gegenstand

Versagung der Restschuldbefreiung: Insolvenzstraftat als Versagungsgrund bei Vorliegen der Tilgungsreife


Leitsatz

Wegen einer Insolvenzstraftat, für die - isoliert betrachtet - die Löschungsvoraussetzungen vorliegen, kann die Restschuldbefreiung nicht versagt werden; die Verlängerung der Löschungsfrist durch das Hinzutreten anderer Verurteilungen, die keine Insolvenzstraftaten betreffen, ist insolvenzrechtlich unbeachtlich .

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Schuldners werden der Beschluss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 3. Juli 2009 und der Beschluss des [X.] vom 15. Juni 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren - an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 1.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

[X.] wurde am 18. Oktober 1999 wegen Verletzung der Buchführungspflicht (§ 283b Abs. 1 Nr. 3b StGB) rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen verurteilt. Aus dieser Strafe und zwei weiteren Verurteilungen wurde am 1. August 2001 eine Gesamtstrafe von 95 Tagessätzen gebildet. Nach Eintragung dieser Gesamtstrafe erfolgten weitere Verurteilungen zu Geldstrafen und eine Gesamtstrafenbildung, die jeweils keine [X.]en betrafen.

2

Mit [X.]uss vom 15. Juni 2009 hat das Insolvenzgericht einen Antrag des Schuldners auf Stundung der Verfahrenskosten für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens vom 15. April 2009 mit der Begründung abgewiesen, die Stundung der Verfahrenskosten sei nach § 4a Abs. 1 Satz 3 [X.] ausgeschlossen, weil wegen der [X.] im Bundeszentralregister keine Tilgungsreife bezüglich der Verurteilung wegen einer [X.] eingetreten sei. Die gegen diesen [X.]uss gerichtete Beschwerde des Schuldners ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner weiter die Stundung der Verfahrenskosten.

II.

3

[X.] ist nach § 4d Abs. 1, §§ 6, 7 [X.], § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen.

4

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, für die Versagung der [X.] sei entscheidend, dass die Verurteilung wegen einer [X.] noch nicht getilgt sei und gemäß § 47 Abs. 3 BZRG auch noch keine Tilgungsreife eingetreten sei, weil der Schuldner in den Jahren 2001, 2006 und 2007 erneut wegen Eigentumsdelikten bestraft worden sei. Selbst wenn man die nachträglichen Gesamtstrafenbildungen hinwegdenken würde, sei keine Tilgungsreife gegeben. [X.] habe es selbst in der Hand, durch rechtstreues Verhalten die Tilgung der früheren Verurteilungen herbeizuführen.

5

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die seit 1999 rechtskräftige Verurteilung des Schuldners wegen Verletzung der Buchführungspflicht durfte aufgrund Zeitablaufs nicht mehr herangezogen werden.

6

a) Die Versagung der Restschuldbefreiung wegen einer [X.] setzt nicht voraus, dass die Straftat in einem Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren steht, in dem die Restschuldbefreiung beantragt wird ([X.], [X.]. v. 18. Dezember 2002 - [X.] 121/02, NJW 2003, 974). Verurteilungen des Schuldners sind nach dieser Entscheidung jedenfalls innerhalb der fünfjährigen Tilgungsfrist des § 46 Abs. 1 Nr. 1 BZRG zu berücksichtigen. Wie die Frist im Einzelnen zu berechnen ist, innerhalb derer dem Schuldner die Restschuldbefreiung aufgrund der Verurteilung wegen einer [X.] versagt werden kann, ist in der Entscheidung offen geblieben.

7

b) In der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im Schrifttum ist umstritten, ob es für die Berücksichtigung einer Verurteilung wegen einer [X.] rein formal auf deren Eintragung im Bundeszentralregister ankommt, oder ob Eintragungen dann nicht mehr zu berücksichtigen sind, wenn sie bei isolierter Betrachtung im Hinblick auf die Fristen des § 46 BZRG als tilgungsreif angesehen werden müssen. Nach teilweise vertretener Auffassung richtet sich die Verwertbarkeit einer Verurteilung allein nach den [X.] der §§ 45 ff, 51 BZRG (vgl. [X.], 669; [X.] [X.] 2004, 129; AG Dresden [X.] 2009, 330). Überwiegend wird die Ansicht vertreten, es komme nicht nur auf die Frage an, ob die Verurteilung noch im Registerauszug enthalten ist. Vielmehr sei bei einer Verurteilung wegen mehrerer Straftaten allein die aufgrund des Insolvenzdelikts verhängte Strafe maßgebend. Hier müsse die Einzelstrafe herangezogen werden, die im Hinblick auf einen der Tatbestände der §§ 283 bis 283c StGB verhängt worden sei ([X.] Z[X.] 2001, 414, 416 f; [X.] NZI 2002, 674; [X.], 641; [X.]/Lang, [X.] 3. Aufl. § 290 Rn. 9; FK-[X.]/[X.], 5. Aufl. § 290 Rn. 15; HK-[X.]/[X.], 5. Aufl. § 290 Rn. 7; HmbKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 290 Rn. 10; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 290 Rn. 27; [X.] in [X.]/[X.], [X.] § 290 Rn. 34; [X.]/[X.], [X.] 12. Aufl. § 290 Rn. 26; [X.] in Kübler/Prütting/Bork, [X.] § 290 Rn. 9; [X.] in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung 8. Aufl. § 17 Rn. 57; [X.] EWiR 2001, 736; [X.] 2001, 342, 344; [X.] 2003, 143, 147). Nach dieser Auffassung sind entsprechend der ausdrücklichen Beschränkung des § 290 Abs. 1 Nr. 1 [X.] auf Verurteilungen wegen [X.]en Bestrafungen wegen anderer Delikte nicht zu berücksichtigen. Zur Begründung wird ausgeführt, würde man allein das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG für entscheidend halten, könnten [X.]en dem Schuldner auch dann noch vorgehalten werden, wenn diese für sich gesehen längst tilgungsreif wären.

8

c) Die zuletzt dargestellte Auffassung ist richtig. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Regelung des § 290 Abs. 1 Nr. 1 [X.], die ihrem Wortlaut nach keine zeitliche Beschränkung enthält, nur tragbar, wenn eine zeitliche Begrenzung eingeführt wird, die anhand der Vorschriften des Bundeszentralregistergesetzes bestimmt wird ([X.], aaO S. 975). Deshalb hat man sich an der Tilgungsfrist zu orientieren, die für die jeweilige [X.] maßgeblich ist. Die Berücksichtigung anderer Verurteilungen hätte zur Folge, dass nicht nur Verurteilungen wegen [X.]en, sondern auch solche wegen anderer Delikte zumindest mittelbar zur Versagung der Restschuldbefreiung führen könnten. Dies ist mit der Absicht des Gesetzgebers nicht zu vereinbaren. Danach soll die scharfe Sanktion der Versagung der Restschuldbefreiung nur bei der Begehung von [X.]en greifen, weil ein Schuldner, der solche Handlungen zum eigenen Vorteil und zum Nachteil der Gläubiger vornimmt, nach dem Grundgedanken der Regelung keine Restschuldbefreiung beanspruchen kann (BT-Drucks. 12/2443 [X.]). Andere Straftatbestände - seien es auch Eigentums- und Vermögensdelikte - weisen diesen gerade auf das Insolvenzverfahren bezogenen Unwertgehalt nicht auf. Eine Gesamtstrafenbildung, bei der neben der [X.] andere Tatbestände einfließen, kann deshalb für die Dauer des Ausschlusses des Schuldners von der Restschuldbefreiung auch nicht (mit-)entscheidend sein. Es kann nicht allein darauf ankommen, ob eine Tilgung im Bundeszentralregister nach § 47 Abs. 3 BZRG aufgrund neuer Verurteilungen ausscheidet. Ist die für die isoliert betrachtete [X.] nach § 46 BZRG maßgebliche Tilgungsfrist verstrichen, darf sie bei der Versagung der Restschuldbefreiung nicht mehr berücksichtigt werden.

9

Dies entspricht auch dem Ausschluss eines Geschäftsführers oder des Vorstands einer Aktiengesellschaft von dieser Tätigkeit aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung. In diesen Fällen enthält das Gesetz in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 2 GmbHG, § 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 [X.] jeweils eine feste Frist für den Ausschluss von der Bestellung zum Geschäftsführer oder Vorstand aufgrund einer Verurteilung wegen bestimmter Straftaten, die fünf Jahre seit Rechtskraft des Urteils beträgt.

d) Vorliegend hätte die seit 1999 rechtskräftige Verurteilung wegen der Verletzung der Buchführungspflicht ohne die Gesamtstrafenbildung und das Hinkommen neuerer Eintragungen im Jahre 2004 getilgt werden müssen. Das Insolvenzgericht dürfte dem Schuldner wegen dieser Verurteilung auf einen im Jahr 2009 gestellten Insolvenzantrag die Restschuldbefreiung nicht versagen. Damit durfte es auch die Stundung der Verfahrenskosten wegen des Urteils nicht ablehnen.

III.

Der angefochtene [X.]uss kann daher keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben, die Sache ist zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO). Da die weiteren Voraussetzungen der Verfahrenskostenstundung bisher aus Rechtsgründen nicht geprüft sind, erfolgte die Zurückweisung analog § 572 Abs. 3 ZPO an das Insolvenzgericht (vgl. [X.]Z 160, 176, 185; MünchKomm-[X.]/Ganter, aaO § 7 Rn. 106).

Ganter                              Vill                           Lohmann

                   Fischer                          [X.]

Meta

IX ZB 180/09

18.02.2010

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Gera, 3. Juli 2009, Az: 5 T 377/09, Beschluss

§ 4a Abs 1 S 3 InsO, § 290 Abs 1 Nr 1 InsO, § 46 Abs 1 Nr 1 BZRG, § 47 Abs 3 BZRG, § 51 Abs 1 BZRG, § 283b Abs 1 Nr 3 Buchst b StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.02.2010, Az. IX ZB 180/09 (REWIS RS 2010, 9240)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9240

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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