Bundessozialgericht, Beschluss vom 06.09.2017, Az. B 13 R 177/17 B

13. Senat | REWIS RS 2017, 5720

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts - ehrenamtlicher Richter - Mitwirkung an einem Verhandlungstermin ohne Vereidigung


Leitsatz

Wirkt ein ehrenamtlicher Richter an der mündlichen Verhandlung mit, ohne dass er zuvor vereidigt worden ist, ist das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt.

Tenor

Auf die Beschwerde des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 22. Februar 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten in der Hauptsache um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Der Kläger blieb mit seinem Antrag bei der Beklagten und vor dem SG (Gerichtsbescheid vom 14.10.2014) erfolglos. Die Berufung ist nach weiterer Sachaufklärung und Anhörung nach § 153 Abs 5 [X.] auf die Berichterstatterin übertragen worden. Das Berufungsgericht hat in der Besetzung mit der Berichterstatterin und zwei ehrenamtlichen Richtern die Berufung mit Urteil vom [X.] zurückgewiesen. Die Zustellung des Urteils ist mit einem Hinweis erfolgt, wonach im Nachgang der Sitzung bekannt geworden sei, dass eine Vereidigung des ehrenamtlichen Richters M. auf die [X.] noch nicht erfolgt sei.

2

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angegriffenen Urteil. Er rügt den Verfahrensmangel der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Berufungsgerichts.

3

Auf Nachfrage des Senats zum Zeitpunkt der Vereidigung des genannten ehrenamtlichen Richters hat das Berufungsgericht mit Schreiben vom [X.] eine Abschrift des Protokolls über dessen Vereidigung in der öffentlichen Sitzung vom [X.] übermittelt.

4

II. Auf die Beschwerde des [X.] ist das Urteil des [X.] vom [X.] aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

5

Der Kläger hat frist- und formgerecht (vgl § 160a Abs 1 [X.] und [X.] [X.]) und auch in der Sache zutreffend den geltend gemachten absoluten Revisionsgrund (§ 547 [X.] iVm § 202 S 1 [X.]) gerügt.

6

Wirkt [X.] an der mündlichen Verhandlung oder einer Beratung des Gerichts mit, ohne dass er zuvor vereidigt worden ist, so folgt daraus eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung in diesem Termin nach § 202 S 1 [X.] iVm § 547 [X.] (vgl BVerwG Beschluss vom 5.11.2004 - 10 [X.]/04 - [X.] 310 § 138 Ziff 1 VwGO [X.] 41 - Juris Rd[X.] 2; [X.] Urteil vom 22.5.2003 - 4 StR 21/03 - [X.]St 48, 290 - Juris Rd[X.] 5 zu § 338 [X.] 1 StPO; [X.] Urteil vom 11.3.1965 - 5 [X.] - [X.]E 17, 114 - Juris Rd[X.] 13 ff).

7

Zwar wird der Status als [X.] bereits mit der das Berufungsverfahren abschließenden Zustellung des Berufungsschreibens erlangt (vgl [X.] Urteil vom 11.3.1965 - 5 [X.] - [X.]E 17, 114 - Juris Rd[X.] 14), sodass das [X.] hier formal zutreffend nach § 153 Abs 5 iVm § 33 Abs 1 [X.], § 3 [X.] mit zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt war. Ohne Vereidigung fehlt es aber an einer für die Mitwirkung des ehrenamtlichen Richters wesentlichen Voraussetzung, sodass in der mündlichen Verhandlung keine "vorschriftsmäßige" Besetzung gegeben ist.

8

Bei der Vereidigung nach § 45 Abs 2 S 1 DRiG handelt es sich dem Wortlaut gemäß um eine zwingende Voraussetzung für die Amtsausübung des ehrenamtlichen Richters ("ist … zu vereidigen"). Dies entspricht dem Zweck der Eidesleistung, die [X.] in feierlicher Form in die Pflicht nehmen und ihm auf diese Weise eindrücklich bewusst machen soll, welcher verantwortungsvollen Aufgabe er sich bei der Ausübung seines Richteramts zu unterziehen hat (vgl BVerwG Beschluss vom 5.11.2004 - 10 [X.]/04 - Juris Rd[X.] 2). Dabei wiegt allerdings nicht jeder formale Verstoß bei der Vereidigung so schwer, dass ein absoluter Revisionsgrund anzunehmen ist (vgl BVerwG Urteil vom [X.] - 2 WD 17/80 - BVerwGE 73, 78; [X.] Beschluss vom 28.8.2007 - VII [X.]8/06 - Juris Rd[X.] 5 zum Verstoß gegen das [X.] bzw die Protokollierungspflicht bei der Vereidigung).

9

Es kann dahinstehen, ob eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts schon allein deshalb vorliegen kann, wenn eine - zusätzliche - Vereidigung auf die [X.] nach der Kann-Vorschrift des § 45 Abs 7 DRiG iVm § 15 des [X.] fehlt (vgl hierzu BSG Beschluss vom 28.1.2009 - [X.] [X.] 53/07 B - Juris Rd[X.] 21).

Denn nach den Ermittlungen des Senats steht fest, dass auch die Vereidigung des ehrenamtlichen Richters M. auf das Grundgesetz (§ 45 Abs 3 DRiG) nicht wie erforderlich "vor seiner ersten Dienstleistung in öffentlicher Sitzung des Gerichts" (§ 45 Abs 2 S 1 DRiG) erfolgt ist. In dem Antwortschreiben des [X.] vom [X.] auf die Nachfrage des Senats, wann [X.] auf das Grundgesetz bzw auf eine Landesverfassung vereidigt worden sei, wird auf das beigefügte Protokoll vom [X.] verwiesen. Aus dessen Inhalt ergibt sich, dass [X.] erst an diesem Tag - und damit für die Sitzung am [X.] zu spät - [X.] sowohl auf das Grundgesetz als auch auf beide Landesverfassungen 45 Abs 3 und 7 DRiG) geleistet hat.

Es kommt dabei nicht darauf an, ob [X.] M. bereits ordnungsgemäß für seine vorangehende richterliche Tätigkeit am [X.] vereidigt worden ist. Nach der seit dem [X.] vom 26.6.1990 ([X.] 1206) geltenden Fassung des § 45 Abs 2 [X.] DRiG gilt die Vereidigung zwar auch für eine unmittelbar anschließende, erneute Bestellung weiter - dies betrifft jedoch nur "die Dauer des Amtes". Wechselt [X.] an ein höheres Gericht, so bedarf es nach seiner Berufung in das neue Amt stets auch einer erneuten Vereidigung (vgl [X.] in [X.]/[X.]/Klein, [X.] in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit, 13. Aufl 2012, VI Rd[X.] 4; [X.] in [X.]/[X.], ArbGG, 4. Aufl 2015, § 20 Rd[X.] 24; [X.], [X.] 1991, 657, 658).

Der eingetretene Besetzungsmangel wird nicht dadurch geheilt, dass die Vereidigung am [X.] nachgeholt worden ist; die spätere Vereidigung deckt nur die künftige, aber nicht die vorangegangene Amtsführung des ehrenamtlichen Richters ab (vgl BVerwG Beschluss vom 5.11.2004 - 10 [X.]/04 - [X.] 310 § 138 Ziff 1 VwGO [X.] 41 - Juris Rd[X.] 5).

Der Verfahrensmangel stellt einen absoluten Revisionsgrund dar (§ 202 S 1 [X.] iVm § 547 [X.]), bei dem das Beruhen der Entscheidung auf dem Verfahrensfehler vermutet wird.

Da die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 [X.] 3 [X.] vorliegen, steht es im Ermessen des erkennenden Senats, nach § 160a Abs 5 [X.] zu verfahren. Im Rahmen dieser Ermessensausübung ist der Senat nicht daran gebunden, dass der Kläger nur die Zulassung der Revision und nicht - auch nicht hilfsweise - die Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz beantragt hat. Der Senat verweist den Rechtsstreit maßgeblich aus prozessökonomischen Gründen sogleich an das [X.] zurück.

Das [X.] wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 13 R 177/17 B

06.09.2017

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Oldenburg (Oldenburg), 14. Oktober 2014, Az: S 82 R 339/12, Gerichtsbescheid

§ 45 Abs 2 S 1 DRiG, § 45 Abs 2 S 2 DRiG, § 45 Abs 3 DRiG, § 3 SGG, § 33 SGG, § 153 Abs 5 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 5 SGG, § 202 S 1 SGG, § 547 Nr 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 06.09.2017, Az. B 13 R 177/17 B (REWIS RS 2017, 5720)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5720

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